Rente wegen Erwerbsminderung bei Gebrauchsunfähigkeit der Hände (Schwere spezifische Leistungsbehinderung)

Arbeit Betrieb
31.12.20112065 Mal gelesen
Ein Renteanspruch wegen Erwerbsminderung besteht auch dann, wenn volles Restleistungsvermögen noch besteht, jedoch aufgrund einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung selbst einfachste Arbeiten nicht mehr möglich sind. Volle Gebrauchsunfähigkeit der Hände ist ein solcher Fall.

In dem konkreten Fall hatte ein Berufskraftfahrer mehrere Arbeitsunfälle erlitten. Im April 2005 war er in der Umkleidekabine seiner Arbeitsstelle auf die ausgestreckten Arme gestürzt und hatte seither erhebliche Schmerzen in beiden Schultern. Im April 2006 hatte er einen Sturz auf der Treppe einer Autoraststätte erlitten. Seither litt er unter erheblichen Schmerzen im LWS-Bereich. Ferner Schmerzen der HWS, beider Schulterblätter sowie insbesondere in den Fingern und Oberarmen.

Am 26.11.2008 hatte er die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt. Diese wurde mit Bescheid vom 09.04.2009 mit einer formelhaften Begründung ohne Bezug zum konkreten Fall abgelehnt. Sein Widerspruch blieb ebenfalls erfolglos. Im Widerspruchsbescheid macht die Deutsche Rentenversicherung geltend, dass er unter Berücksichtigung der vorliegenden Gesundheitsstörungen noch leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel von Stehen, Gehen, Sitzen, in Tages- Früh- Spät- und Nachtschicht, ohne häufiges Hocken und Knien, ohne häufiges Klettern oder Steigen verrichten könne.

Ein von der Rentenversicherung eingeholtes orthopädisches Fachgutachten war nicht verwertbar. Der Gutachter kam in einer zusammenfassenden Beurteilung zu dem Ergebnis, dass bei dem Versicherten zwar geringe Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit auf Dauer bestehen, er gleichwohl jedoch in der Lage sei, vollschichtig leichte bis mittelschwere Arbeiten zu verrichten. Diese Beurteilung war befremdlich, weil der Gutachter nicht etwa eine Gesamtwürdigung des Restleistungsvermögens des Klägers vorgenommen hatte, sondern die einzelnen Beschwerden für sich genommen betrachtet und hinsichtlich des insoweit bestehenden Restleistungsvermögens beurteilt hatte. So kam der Gutachter z. B. zu der merkwürdigen Einschätzung, dass der Versicherte seitens der Halswirbelsäule "vollzeitig einer Erwerbstätigkeit nachgehen kann, wo er leichte und mittelschwere körperliche Arbeit verrichten kann." Des Weiteren stellte der Gutachter fest, dass "auch seitens der Lendenwirbelsäule eingeschätzt werden (muss) dass von hier täglich vollzeitig eine Erwerbstätigkeit verrichtet werden kann, wo leichte und mittelschwere körperliche Arbeit verrichtet werden kann." Hinsichtlich der Hände kam der Gutachter zu dem Ergebnis das "seitens der Hände eingeschätzt werden (muss), dass von daher keine nennenswerte Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit besteht."

Diese Art der Würdigung des Beschwerbildes war absurd, weil sich das Restleistungsvermögen nicht aus einzelnen Teilbeschwerden ableiten lässt. Der Gutachter ist verpflichtet, eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Die Gebrauchsunfähigkeit der Hände hatte er nicht als spezifische Leistungsbehinderung erkannt. Die Schmerzen waren vollständig unberücksichtigt geblieben. Nachdem wir Klage erhoben hatten, stellten wir den Antrag,

Beweis zu erheben durch Einholung je eines orthopädischen, sowie eines neurologischen Fachgutachtens zu der Frage, wie das Restleistungsvermögen des Klägers unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkrankungen auf orthopädischem und neurologischem Fachgebiet einzuschätzen ist.

Zur Begründung machten wir u.a. geltend, dass der Versicherte nicht in der Lage ist, mit den Händen nennenswerte Verrichtungen auszuüben, weil sehr schnell beidseitig stechende Schmerzen in den Fingern auftreten. Dies ist ein Hinweis auf eine schwere spezifische Leistungsbehinderung. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts kann eine Einschränkung der Handbewegungen oder auch eine Gebrauchsunfähigkeit der Hände zu einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung führen, weil speziell einfachste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voraussetzen, dass die erwerbstätige Person ihre Hände gebrauchen kann. Gerade einfachste Arbeiten zeichnen sich durch einen hohen Anteil an manuellen Verrichtungen aus. Von daher setzt ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt voraus, dass eine weitestgehend uneingeschränkte Gebrauchsfähigkeit beider Hände vorliegt.

Das Sozialgericht Hannover ordnete eine erneute medizinische Begutachtung an. Das Ergebnis bestätigte unseren Vortrag. Die Parteien schlossen daraufhin einen Vergleich, in dem sich die Rentenversicherung zur Zahlung einer Erwerbsminderungsrente ab 01.06.2009 verpflichtete.

Den Fall haben wir dokumentiert:

Ablehnungsbescheid vom 09.04.2009
Klageschrift vom 21.07.2009
Klagebegründung vom 27.08.2009
Rentenbescheid vom 16.11.2011

Weitere Beispiele für erfolgreiche Rentenverfahren bei bestimmten Erkrankungen finden Sie auf unserer Website.

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