OLG Nürnberg: Musterwiderrufsbelehrung fehlerhaft – Sparda Bank unterliegt

OLG Nürnberg: Musterwiderrufsbelehrung fehlerhaft – Sparda Bank unterliegt
15.08.2016252 Mal gelesen
Das Oberlandesgericht Nürnberg hat in einer aktuellen von Rechtsanwalt Siegfried Reulein, Nürnberg, erstrittene Entscheidung vom 01.08.2016 – 14 U 1780/15 – die Sparda Bank Nürnberg verurteilt und einem Darlehensnehmer Recht gegeben.

Der die Fehlerhaftigkeit der ihm vorgelegten Widerrufsbelehrung behauptet hatte.

Der Gesetzgeber hatte zum 11.06.2010 die Vorschriften für das gesetzliche Widerrufsrecht bei Darlehensverträgen neu geregelt. Er hat in der Folge ein gesetzliches Muster zur Verfügung gestellt. Dieses Muster hat die Sparda Bank inhaltlich ohne Abweichung übernommen. Nach Auffassung des Gerichts hat es diese Widerrufsinformation jedoch nicht ausreichend optisch hervorgehoben, so dass der Kunde diese nicht hinreichend zur Kenntnis nehmen konnte.

Das Oberlandesgericht hat jedoch darüber hinaus festgestellt, dass das vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte Muster selbst inhaltlich unzureichend ist. Die seit 30.07.2011 gültige Mustervorlage des Gesetzgebers knüpft den Beginn der Widerrufsfrist an den Erhalt aller sog. Pflichtangaben und benennt drei solcher Pflichtangaben beispielhaft. Das Oberlandesgericht vertritt die Auffassung, dass die lediglich beispielhafte Benennung von Pflichtangaben unzureichend sei, um den Verbraucher zutreffend über den Beginn der Widerrufsfrist zu informieren, da er gezwungen ist, sich selbst durch Lektüre von Gesetzestexten zu erschließen, welche Pflichtangaben existieren und für den Beginn der Widerrufsfrist daher dem Verbraucher mitzuteilen sind.

Dies ist eine sehr wichtige und für viele Bankkunden bahnbrechende Erkenntnis, so Rechtsanwalt Reulein, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, da mit dieser Argumentation schon kleinere Abweichungen vom gesetzlichen Muster die Gesetzlichkeitsfiktion beseitigen können, so dass der Kunde sich eben auf diese unzureichende Belehrung berufen können und zwar ungeachtet dessen, welche Pflichtangaben durch die Bank oder Sparkasse benannt werden.

Denn bislang ist vielfach lediglich die Auffassung vertreten worden, dass die von dem gesetzlichen Muster abweichende Benennung von Angaben als Pflichtangaben, welche überhaupt keine solche Pflichtangaben darstellen, die Belehrung fehlerhaft und den Widerruf möglich macht.

Aus der Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg wird deutlich, dass der Gesetzgeber durch die nachträglich und kurzfristig eingeführte Ausschlussfrist für Darlehen, die bis zum 10.06.2010 abgeschlossen worden sind, keineswegs zur Beruhigung beigetragen und das Widerrufsthema beseitigt hat. Weiterhin bleiben Darlehensverträge, die nach dem 10.06.2010 geschlossen worden sind, widerruflich. Wie die Entscheidung des Oberlandesgerichts Nürnberg zeigt bestehen im Einzelfall gute Chancen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Widerrufs.

Betroffene Darlehensnehmer können Zinsen im erheblichen Umfange ersparen und auch Ansprüche in nicht unerheblicher Höhe, v.a. gerichtet auf Nutzungsentschädigung geltend machen. Auch in diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts von Interesse. Dieses hat das Landgericht Nürnberg-Fürth in seiner Entscheidung bestätigt, welches dem Darlehensnehmer einen Anspruch auf Auskunft über die von der Bank vereinnahmten Nutzungen zugesprochen hat. Somit muss sich der Darlehensnehmer im Zweifel nicht mit unter Umständen niedrigeren pauschalen Nutzungsentschädigungsansprüchen zufrieden geben.

Darlehensnehmer, welche ihr Darlehen nach dem 10.06.2010 abgeschlossen haben, sollten sich daher bei einem auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts spezialisierten Rechtsanwalt über die Möglichkeit eines Widerrufs in ihrem Falle beraten lassen.

Rechtsanwalt/ Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Siegfried Reulein ist seit weit mehr als einem Jahrzehnt schwerpunktmäßig auf dem Gebiet des Bank- und Kapitalmarktrechts tätig. Er berät ausschließlich geschädigte Anleger und Bankkunden aus ganz Deutschland und vertritt deren Interessen vor Gerichten deutschlandweit insbesondere gegen Anlageberater, Banken und Sparkassen sowie Prospektverantwortliche. Dabei konnte er bereits für viele Mandanten Urteile vor Amts-, Land- und Oberlandesgerichten (auch schon durch den BGH bestätigt) sowie positive gerichtliche und außergerichtliche Vergleiche erstreiten.

Im Bereich des Kapitalanlagerechts ist Rechtsanwalt Reulein hauptsächlich mit der Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Vermittlung von geschlossenen Fondsanlagen (z.B. Schifffonds, Immobilienfonds, Film- und Medienfonds, Lebensversicherungsfonds), Genussrechten, (Mittelstands-)Anleihen, partiarischen Darlehen, atypisch stillen Gesellschaften sowie der Geltendmachung von Ansprüchen im Zusammenhang mit dem Kauf einer Schrottimmobilie und der Eingehung von Swap-Geschäften befasst. Im Bereich des Bankrechts berät und vertritt Rechtsanwalt Reulein in allen Fragen des Bankrechts, insbesondere im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Beendigung von Darlehensverträgen. Daneben ist Rechtsanwalt Reulein in den Bereichen des Versicherungs- und des Erbrechts tätig.