Filesharing: Urteil des AG München geht an der Rechtsprechung des BGH vorbei

Filesharing: Urteil des AG München geht an der Rechtsprechung des BGH vorbei
04.12.2014202 Mal gelesen
Das Amtsgericht (AG) München hat mit Urteil vom 19.11.2014 (Az. 171 C 25315/13) eine Filesharing Klage der Tele München Fernseh GmbH + Co Produktionsgesellschaft gegen einen unserer Mandanten vollständig abgewiesen. Diese Entscheidung ist im Ergebnis richtig, jedoch sind die rechtlichen Wertungen, die in der Entscheidung aufgeführt werden, aus unserer Sicht grob falsch und widersprechen in Teilen der Ansicht des Bundesgerichtshofs (BGH).

Zum Sachverhalt

Der Beklagte lebte zum Zeitpunkt der angeblichen Rechtsverletzung (Tausch des Films "Shutter Island in einer Filesharing-Börse) mit seiner Ehefrau und seinen beiden volljährigen Kindern in einem Haushalt, konnte jedoch vor Gericht glaubhaft beweisen, dass er zu diesem Zeitpunkt mit seinem Sohn unterwegs war. In dieser Zeit hatten die Ehefrau und die Tochter selbständigen Zugriff auf den Anschluss. Der Anschluss war ordnungsgemäß mit einem 8 -stelligen Code auf der Basis des Standards WPA2 verschlüsselt.

Die widersprüchliche Begründung des Gerichts

Das Gericht hat die Klage abgewiesen, da sowohl die Tochter, als auch die Ehefrau als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen: "Damit besteht für das Gericht die durch Tatsachen belegte Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufes. Die Alternative, dass es die Tochter oder die Ehefrau oder beide gemeinsam waren, die das Album angeboten haben, ist zur Überzeugung des Gerichtes wahrscheinlicher als der von der tatsächlichen Vermutung gedeckte Geschehensablauf." Das Gericht kommt hier nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH (Bearshare Urt. v. 08.01.2014, IZR 169/12) zwar zum richtigen Ergebnis, aber gleichzeitig die Aussage zu treffen, dass in dieser Konstellation eines Mehrpersonenhaushalts eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers bestand, ist grob falsch. Entgegen der Auffassung des Gerichtes bestand hier gerade keine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers.

AG München ist bekannt dafür die BGH Rechtsprechung außer Acht zu lassen

Es ist nicht das erste Mal, dass das AG München in den Filesharing Verfahren die neueste Rechtsprechung des BGH ignoriert. Neu ist allerdings, dass das Gericht in seiner Urteilsbegründung in einem ersten Teil erst einmal offen zugibt, dass bei einem von mehreren Personen genutzten Anschluss keinerlei Anknüpfungspunkte für eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers gibt, hinterher aber eine quasi eigene ergebnisorientierte Wertung vornimmt.

So führt das Gericht in seiner Urteilsbegründung zunächst treffsicher aus: "Das Gericht kennt keine Studie oder andere wissenschaftliche Untersuchungen, in denen das Nutzungsverhalten von Anschlussinhabern und anderen Personen mit faktischer Zugangsmöglichkeit untersucht worden wären. Die These, das ein Anschlussinhaber in erster Linie den Internetanschluss selbst nutze, geht zur vollen Überzeugung des Richters an der Lebenswirklichkeit vorbei."

Weiter zitiert das Gericht dann aber einen Satz aus einer alten Entscheidung des BGH, um zu rechtfertigen, dass es trotz fehlender rechtlicher Anhaltspunkte eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers gibt. Das Argument für diese Wertung ist, dass der BGH das Konstrukt der tatsächlichen Vermutung zur Schaffung eines sinnvollen Lastenausgleichs geschaffen hat: "Der Bundesgerichtshof hat das Konstrukt der tatsächlichen Vermutung entwickelt, um den besonderen Herausforderungen in Tauschbörsenpiraterie gerecht zu werden und einen sinnvollen Lastenausgleich zu schaffen".

Fast im gleichen Atemzug führt das Gericht allerdings an, dass es nicht einfach sei diesen sinnvollen Lastenausgleich im Einzelfall vorzunehmen und eine Gesamtbetrachtung des Einzelfalls erfolgen müsse. Am Ende der vorgenommenen Gesamtbetrachtung kommt der Richter zu dem Schluss, dass hier eine faktische Inhaberhaftung verneint werden müsse, da diese nicht gesetzlich vorgesehen sei. Verwirrend? Finden wir auch.

Hier das Urteil im Volltext: Urteil Amtsgericht München

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