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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 19.05.2023, Az.: BVerwG 5 C 2.22
Einstellung des Revisionsverfahrens betreffend einen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Gewährung einer Geldleistung zur Erfüllung des Förderanspruchs nach § 24 SGB VIII
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.05.2023
Referenz: JurionRS 2023, 26451
Aktenzeichen: BVerwG 5 C 2.22
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2023:190523B5C2.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Bayern - 13.01.2021 - AZ: 12 BV 16.1676

BVerwG - 26.01.2022 - AZ: BVerwG 5 B 10.21 (5 C 2.22)

BVerwG, 19.05.2023 - BVerwG 5 C 2.22

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 5. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 19. Mai 2023
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Störmer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Holtbrügge und Preisner
beschlossen:

Tenor:

Das Revisionsverfahren wird eingestellt.

Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 13. Januar 2021 und das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 30. Juni 2016 sind, soweit sie nicht rechtskräftig geworden sind, wirkungslos.

Die Klägerin und die Beklagte tragen die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz je zur Hälfte. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt die Klägerin.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache, soweit er in der Revisionsinstanz noch anhängig war, übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO einzustellen. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs und das Urteil des Verwaltungsgerichts sind, soweit sie nicht rechtskräftig geworden sind, für wirkungslos zu erklären (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog).

2

Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Billigem Ermessen entspricht es in der Regel, demjenigen Verfahrensbeteiligten die Verfahrenskosten aufzuerlegen, der das erledigende Ereignis aus eigenem Willensentschluss herbeigeführt hat oder der ohne das erledigende Ereignis bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich unterlegen wäre (BVerwG, Beschlüsse vom 3. April 2017 - 1 C 9.16 - NVwZ 2017, 1207 Rn. 7 und vom 14. Dezember 2021 - 5 C 3.20 - ZBR 2022, 261 jeweils m. w. N.). Danach entspricht es billigem Ermessen, der Beklagten die in den Vorinstanzen entstandenen Kosten des Verfahrens auch hinsichtlich des in der Revisionsinstanz nur noch anhängigen Feststellungsbegehrens aufzuerlegen, diese sei der Klägerin gegenüber zu einer verbindlichen Vorgabe von Kündigungsfristen in einer "Tagespflegevereinbarung" nicht berechtigt. Dem ist mit der Neufassung der Kostenentscheidung unter Einbeziehung der Kostenentscheidungen der Vorinstanzen - soweit sie rechtskräftig geworden sind - Rechnung zu tragen (1.). Die Kosten des Revisionsverfahrens hat mit Blick auf § 155 Abs. 4 VwGO die Klägerin zu tragen (2.).

3

1. Die Beklagte wäre in der Sache bezüglich der im Revisionsverfahren allein noch anhängigen Frage, ob die Vorgabe verbindlicher Kündigungsfristen für das Rechtsverhältnis zwischen der Kindertagespflegeperson und den Personensorgeberechtigten zulässig ist, voraussichtlich unterlegen (vgl. im Ergebnis auch OVG Münster, Urteil vom 22. August 2014 - 12 A 591/14 - juris Rn. 112 ff.), wenn das erledigende Ereignis - hier die Aufgabe der beruflichen Tätigkeit durch die Klägerin - nicht eingetreten wäre.

4

Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs sowie den Einlassungen der Beklagten in den vorinstanzlichen Verfahren macht diese faktisch die Zahlung der laufenden Geldleistungen nach § 23 Abs. 1 SGB VIII an die Kindertagespflegeperson vom Abschluss einer dreiseitigen Tagespflegevereinbarung abhängig, die auch das Rechtsverhältnis zwischen der Tagespflegeperson und den Personensorgeberechtigten regelt und deren Inhalt auch hinsichtlich der Kündigungsregelungen von der Beklagten vorgegeben wird. Die Frage der Rechtmäßigkeit eines solchen Vorgehens beurteilt sich daher in erster Linie danach, ob es mit dem gesetzlichen Anspruch (vgl. BT-Drs. 16/9299 S. 14) der Kindertagespflegeperson auf Zahlung der Geldleistungen aus § 23 Abs. 1 SGB VIII vereinbar ist (vgl. auch OVG Lüneburg, Urteil vom 8. August 2018 - 10 KN 3/18 - juris Rn. 30).

5

Dieser öffentlich-rechtliche Anspruch auf Gewährung einer Geldleistung setzt voraus, dass die Geldleistung zur Erfüllung des Förderanspruchs nach § 24 SGB VIII gewährt wird. Dies bedeutet, dass sie grundsätzlich nur zu leisten ist, wenn gegenüber einem nach dieser Vorschrift förderberechtigten Kind Tagespflegeleistungen im von den Eltern gewünschten Umfang bewilligt und nach Maßgabe des § 22 SGB VIII durch die Kindertagespflegeperson erbracht werden. Dazu muss eine hierzu geeignete Person die Tagespflegeleistungen in geeigneten Räumen erbringen (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), wobei die persönlichen Eignungsvoraussetzungen in § 23 Abs. 3 SGB VIII konkretisiert werden. Zudem muss die von der Kindertagespflegeperson erbrachte Leistung inhaltlich den Anforderungen des § 22 Abs. 2 bis 4 SGB VIII genügen. Diesem normativen Zusammenhang ist nicht zu entnehmen, dass die Vereinbarung bestimmter Kündigungsfristen im Rechtsverhältnis zwischen Kindertagespflegepersonen und Personensorgeberechtigten eine weitere selbständige Bedingung für das Entstehen des Anspruchs auf die Geldleistung sein könnte. Ebenso wenig ist dem genannten normativen Zusammenhang zu entnehmen, dass die Erfüllung der gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen eine solche Vereinbarung erforderlich machen könnte. Mit der Erforderlichkeit zur Verwirklichung der Grundsätze und Ziele der Förderung (§ 22 Abs. 3 SGB VIII) ist es überdies - anders als das Verwaltungsgericht gemeint hat (vgl. UA S. 42 ff.) - nicht ohne Weiteres gleichzusetzen, dass bestimmte Kündigungsfristen zur Verwirklichung dieser Grundsätze aus Sicht der Beklagten (im Sinne einer Geeignetheit) "dienen" können, zumal in Betracht zu ziehen ist, ob insoweit den berechtigten Interessen auch des Kindes bzw. seiner Personensorgeberechtigten in Abwägung mit den Interessen der Kindertagespflegeperson nicht grundsätzlich bereits durch die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen hinreichend Rechnung getragen wird (vgl. Woitkewitsch, MDR 2018, 314 <318>).

6

Ob diesbezüglich etwas anderes hinsichtlich der vertraglichen Vereinbarung von Zuzahlungsverboten etwa mit Blick auf die Zwecke der Sachkostenerstattung nach § 23 Abs. 2 Nr. 1 SGB VIII (BVerwG, Urteil vom 24. November 2022 - 5 C 1.21 - juris Rn. 38) sowie des Anerkennungsbetrages nach § 23 Abs. 2 Nr. 2 SGB VIII (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2018 - 5 C 18.16 - Buchholz 436.511 § 23 SGB VIII Nr. 3 Rn. 18) gilt, bedarf hier angesichts der insoweit rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs keiner Vertiefung. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob Landesrecht auf der Grundlage von § 26 Satz 1 SGB VIII (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 24. November 2022 - 5 C 9.21 - juris Rn. 35) eine vertragliche Vereinbarung bestimmter Kündigungsfristen zu einer weiteren Voraussetzung des Geldleistungsanspruchs erheben kann. Denn eine landesrechtliche Regelung mit einem solchen Inhalt lässt sich weder den Erwägungen der Vorinstanzen noch dem Vortrag der Beteiligten entnehmen und ist auch sonst nicht erkennbar.

7

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens waren demgegenüber nach der vorrangigen Regelung des § 155 Abs. 4 VwGO (vgl. Neumann/Schaks, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 155 Rn. 77 m. w. N) der Klägerin aufzuerlegen. Nach dieser Vorschrift können ausscheidbare Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, diesem auferlegt werden. Ein Verschulden eines Beteiligten im Sinne des § 155 Abs. 4 VwGO liegt vor, wenn dieser unter Außerachtlassung der erforderlichen und ihm zumutbaren Sorgfalt durch sein Verhalten einen anderen Beteiligten oder das Gericht zu kostenrelevanten Prozesshandlungen oder Entscheidungen veranlasst hat. Es kann etwa dann anzunehmen sein, wenn ein Beteiligter es unterlässt, auf einen Umstand hinzuweisen, der in seiner Sphäre liegt und der für das Verfahren von Bedeutung ist.

8

Die Klägerin hat nach dem unbestritten gebliebenen Vorbringen der Beklagten ihre berufliche Tätigkeit bereits im Herbst 2021 und damit noch vor der Zulassung der Revision aufgegeben, ohne dies dem Senat mitzuteilen. Hätte sie dies unverzüglich getan, wären die Kosten des Revisionsverfahrens nicht entstanden, weil der Senat die Revision nicht zugelassen hätte.

9

3. Die Nichterhebung von Gerichtskosten folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Dr. Störmer

Holtbrügge

Preisner

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