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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 12.12.2011, Az.: BVerwG 2 B 34.11
Anforderungen an ein Zuweisungsgesetz bei Zuweisung der Revisionsinstanz in Disziplinarsachen an das Bundesverwaltungsgericht durch den Landesgesetzgeber
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 12.12.2011
Referenz: JurionRS 2011, 34092
Aktenzeichen: BVerwG 2 B 34.11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Magdeburg - 04.11.2009 - AZ: 8 A 19/08 MD

OVG Sachsen-Anhalt - 02.12.2010 - AZ: 10 L 1/10

Fundstellen:

NVwZ 2012, 514-515

NVwZ 2012, 7

VR 2012, 138

ZTR 2012, 254

BVerwG, 12.12.2011 - BVerwG 2 B 34.11

Amtlicher Leitsatz:

Der Landesgesetzgeber ist berechtigt, in Disziplinarsachen keine Revisionsinstanz zu eröffnen.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 12. Dezember 2011
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Herbert,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. von der Weiden und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Thomsen
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 2. Dezember 2010 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde ist entgegen der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsurteils unzulässig, weil das Landesdisziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt (DG LSA) für landesrechtliche Disziplinarverfahren eine Revisionsinstanz nicht eröffnet (vgl. auch Entwurfsbegründung LTDrucks 4/2364 S. 81).

2

Der Bundesgesetzgeber hat nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unter anderem die Kompetenz, Verfassung und Verfahren der Verwaltungsgerichte zu regeln. Von dieser Kompetenz hat er durch Erlass der Verwaltungsgerichtsordnung Gebrauch gemacht und das verwaltungsgerichtliche Verfahren erschöpfend geregelt. Auch bei umfassender und erschöpfender Regelung eines Gegenstandes der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund sind landesrechtliche Regelungen jedoch insoweit zulässig, als das Bundesrecht Vorbehalte zugunsten der Landesgesetzgebung enthält. Einen solchen Vorbehalt enthält § 187 Abs. 1 VwGO. Nach dieser Vorschrift können die Länder den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit übertragen sowie dabei die Besetzung und das Verfahren regeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juli 1970 - 2 BvL 8/70 - BVerfGE 29, 125 [BVerfG 22.07.1970 - 2 BvL 8/70] <137 ff.> m.w.N.).

3

Sachsen-Anhalt hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Nach § 45 Satz 1 Halbs. 1 DG LSA nehmen die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit die Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit nach dem Landesdisziplinargesetz wahr.

4

§ 187 Abs. 1 VwGO belässt dem Landesgesetzgeber nicht nur die Kompetenz, den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit Aufgaben der Disziplinargerichtsbarkeit zu übertragen. Er eröffnet ihm auch die Möglichkeit, die Besetzung und das Verfahren abweichend von den Regelungen der Verwaltungsgerichtsordnung zu regeln, ohne dass er dabei eine umfassende eigenständige Verfahrensregelung treffen müsste. Der Landesgesetzgeber kann sich auf den Erlass einiger abweichender Verfahrensbestimmungen beschränken (BVerfG, Beschluss vom 22. Juli 1970 a.a.O. S. 146 f.). Diese Kompetenz umfasst die Befugnis, den Instanzenzug abweichend vom Regelfall der Verwaltungsgerichtsordnung zu regeln.

5

Der Landesgesetzgeber in Sachsen-Anhalt hat eine Revisionsinstanz für das Disziplinarverfahren nicht eingeführt. Nach Art. 99 GG kann dem Bundesverwaltungsgericht für den letzten Rechtszug durch Landesgesetz die Entscheidung in solchen Sachen zugewiesen werden, bei denen es sich um die Anwendung von Landesrecht handelt. Die Vorschrift eröffnet den Ländern damit die Möglichkeit, Zuständigkeiten von Bundesgerichten im Bereich des Landesrechts und damit auch im Bereich des Disziplinarrechts durch Landesgesetz zu begründen (vgl. zum Verhältnis zu § 127 BRRG: BVerfG, Beschluss vom 2. Februar 1960 - 2 BvF 5/58 - BVerfGE 10, 285 <292 f., 301 f.> und BVerwG, Urteil vom 29. April 2010 - BVerwG 2 C 77.08 - BVerwGE 137, 30[BVerwG 29.04.2010 - BVerwG 2 C 77.08] <31> = Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 37 Rn. 6; zum Personalvertretungsrecht: BVerwG, Beschluss vom 13. Januar 1961 - BVerwG 7 P 3.60 - BVerwGE 11, 336[BVerwG 13.01.1961 - BVerwG VII P 3.60] <337>, Urteile vom 16. Dezember 1977 - BVerwG 7 P 27.77 und 28.77 - Buchholz 238.3A § 106 BPersVG Nr. 1 S. 4 und zum Rundfunkgebührenrecht: Beschluss vom 9. Januar 1990 - BVerwG 7 B 199.89 - [...] Rn. 4). Für eine solche Zuweisung genügt eine allgemeine Verweisungsnorm wie § 3 DG LSA, mit der zur Ergänzung des Landesdisziplinargesetzes die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung für entsprechend anwendbar erklärt werden, nicht. Es bedarf vielmehr nach Art. 99 GG einer ausdrücklichen landesgesetzlichen Zuweisung an das Bundesverwaltungsgericht als Revisionsinstanz. Eine solche enthält das Disziplinargesetz des Landes Sachsen-Anhalt nicht.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 i.V.m. § 47 Abs. 3 GKG. Die Vorschriften des Landesdisziplinargesetzes kann das Bundesverwaltungsgericht nicht anwenden, weil der Instanzenzug zu ihm nicht eröffnet ist.

Herbert

Dr. von der Weiden

Thomsen

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