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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 25.11.2009, Az.: BVerwG 8 C 12.08
Entscheidung über die Frage der vermögensrechtlichen Berechtigung in einem Rückübertragungsrechtsstreit vorab durch Teilurteil; Räumlicher Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes in Anbetracht des alliierten oder bundesdeutschen Rückerstattungsrechts oder Wiedergutmachungsrechts
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 25.11.2009
Referenz: JurionRS 2009, 31867
Aktenzeichen: BVerwG 8 C 12.08
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Berlin - 24.01.2008 - AZ: 29 A 260.07

nachgehend:

BVerwG - 01.03.2010 - AZ: BVerwG 8 C 48.09 (8 C 12.08)

Fundstelle:

BVerwGE 135, 272 - 286

BVerwG, 25.11.2009 - BVerwG 8 C 12.08

Amtlicher Leitsatz:

  1. 1.

    In einem Rückübertragungsrechtsstreit kann über die Frage der vermögensrechtlichen Berechtigung nicht vorab durch Teilurteil entschieden werden.

  2. 2.

    Der räumliche Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 VermG erfasst keine Schädigungen, die sich im Gebiet der alliierten Besatzungszonen ereignet haben und bereits unter das alliierte oder bundesdeutsche Rückerstattungs- oder Wiedergutmachungsrecht fielen. Dies gilt auch, wenn der entzogene Vermögenswert nach der Schädigung in das spätere Beitrittsgebiet verbracht und dort enteignet worden war.

In der Verwaltungsstreitsache
...
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2009
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Gödel,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Pagenkopf,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. von Heimburg,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Deiseroth und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab
für Recht erkannt:

Tenor:

Das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Januar 2008 wird aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I

1

Die Kläger begehren die Rückübertragung des ... Verlages, der bis 1936 in F. ansässig war und von einer offenen Handelsgesellschaft (OHG) betrieben wurde. Persönlich haftende Gesellschafter waren seit 1922 der Verlagsbuchhändler Wilhelm O. und seine Schwester Brandine O., "Halbjuden" im Sinne der nationalsozialistischen Rassenideologie, der Ehemann ihrer Schwester Johanna, Dr. Dietrich B., der als "jüdisch versippt" galt, sowie der frühere Prokurist Adolf N., der Mitglied der jüdischen Gemeinde F. war. Brandine O. trat zum 31. Dezember 1933 aus der Gesellschaft aus. Die verbliebenen Gesellschafter zeigten dem Registergericht unter dem 5. und 8. Mai 1936 das Ausscheiden Dr. Dietrich B. an. Unter dem 11./12. Mai 1936 teilten Wilhelm O. und Adolf N. dem Registergericht unter Vorlage einer entsprechenden notariellen Erklärung vom 7. Mai 1936 mit, sie hätten das von ihnen betriebene Handelsgeschäft an den Verlagsbuchhändler Dr. Albert H. veräußert. Er führe den Verlag unter der bisherigen Firma als Einzelkaufmann mit Wirkung ab dem 27. April 1936 fort. Der Sitz des Unternehmens sei nach P. verlegt worden. Die Veräußerung des Verlages ging auf eine Anordnung der Reichsschrifttumskammer zurück. Am 14. Mai 1936 wurde die Auflösung der OHG im Handelsregister eingetragen. Wilhelm O. verstarb 1942 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Er wurde von seinem Sohn Wilhelm Heinrich O., dem Rechtsvorgänger der Kläger zu 1 bis 3, beerbt. Der Kläger zu 4 ist Rechtsnachfolger nach Dr. Dietrich und Johanna B. sowie beider Sohn Dr. Werner B.

2

Nach Kriegsende wurde das Betriebsvermögen des ... Verlages aufgrund des SMAD-Befehls Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 beschlagnahmt und gemäß SMAD-Befehl Nr. 64 vom 17. April 1948 enteignet. Am 24. September 1948 wurde die Firma im Handelsregister gelöscht. 1952 ging das frühere Betriebsvermögen einschließlich der Firmenrechte auf die ... GmbH über. Sie brachte es in die von ihr mitgegründete, in Ost-Berlin ansässige ... GmbH Berlin ein. Diese Gesellschaft wurde 1954 in das Register C der volkseigenen Wirtschaft überführt. Dr. H. hatte seinen Wohnsitz bereits 1947 nach West-Berlin verlegt.

3

Der dort gestellte Rückerstattungsantrag Adolf N., der unter anderem die Firmenrechte zurückverlangte, wurde mit Bescheid vom 10. April 1951 abgelehnt, da die entzogenen Gegenstände sich nicht im Zuständigkeitsbereich der Berliner Wiedergutmachungsämter befänden.

4

In einem von Brandine O. und Johanna B. eingeleiteten Rückerstattungsverfahren machte Dr. Werner B. als Rechtsnachfolger geltend, der Verlag sei auf Anordnung der NSDAP veräußert worden, und begehrte Schadensersatz nach Art. 30 des Gesetzes Nr. 59 der Militärregierung Deutschland - Amerikanisches Kontrollgebiet - vom 10. November 1947 (ABl Ausgabe G S. 1) - US-Rückerstattungsgesetz (US-REG) - i.V.m. § 2a Abs. 2 des Bundesrückerstattungsgesetzes (BRüG) vom 19. Juli 1957 (BGBl. I S. 734) i.d.F. der Änderung durch Gesetz vom 2. Oktober 1964 (BGBl. I S. 809). Nach einem Hinweis des Wiedergutmachungsamtes, das Vorbringen sei "zu wenig begründet", betrieb er das Verfahren nicht weiter.

5

Heinrich O. erreichte in mehreren Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren seit 1948 Wiedergutmachungsleistungen unter anderem für Einkommenseinbußen wegen der Veräußerung des Verlages. 1958 meldete er "Entschädigungsansprüche wegen des Verlustes des Goodwills und der sonstigen Vermögenswerte des ... Verlages ..." an. Auf den Einwand der Oberfinanzdirektion F., die Ansprüche seien nicht ausreichend substanziiert und könnten nicht von ihm allein geltend gemacht werden, betrieb Heinrich O. das Verfahren nicht weiter. Dieses und das Rückerstattungsverfahren Dr. Werner B. wurden schließlich verbunden, an die Wiedergutmachungskammer des Landgerichts F. - ... - verwiesen und dort nach einer weiteren vergeblichen Betreibensaufforderung ruhend gestellt.

6

Der 1962/63 mit dem ...-Verlag organisatorisch zusammengefasste ... Verlag B. wurde 1990 an das Eigentum des Volkes veräußert und nach dem Treuhandgesetz in eine GmbH i.A. umgewandelt.

7

Unter dem 16. Oktober 1990 beantragte Heinrich O. sowohl bei dem Magistrat der Stadt P. als auch bei den Stadtbehörden B., jeweils auch im Namen Dr. Werner B. und der Witwe Adolf N., die Rückübertragung des ... Verlages. Am 10. April 1991 reichte er eine Vollmacht Dr. Werner B. nach.

8

Am 18. September 1991 veräußerte die Treuhandanstalt die ... GmbH i.A. und den ...-Verlag an die ... ...gesellschaft mbH i.G. Der Gesamtkaufpreis betrug 1 Mio. DM, von denen 100 000 DM auf die Geschäftsanteile an der ... GmbH i.A. entfielen.

9

Mit Bescheid vom 27. August 2003 lehnte das Landesamt zu Regelung offener Vermögensfragen B. den Rückübertragungsantrag und die Gewährung einer Entschädigung ab. Das Vermögensgesetz sei nicht anwendbar, weil der Sitz des Unternehmens im Schädigungszeitpunkt außerhalb des Beitrittsgebiets gelegen habe.

10

Mit ihrer dagegen fristgerecht erhobenen Klage haben die Kläger zu 1 bis 3 und die Rechtsvorgängerin des Klägers zu 4 begehrt, den nach wie vor in B. ansässigen Verlag ... einschließlich der Firmen- und Verlagsrechte auf sie "in Firma ... Verlag OHG i.L." zurück zu übertragen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Verpflichtung der Beigeladenen zu 2 zur Erlösauskehr festzustellen, weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, die Entschädigungsberechtigung der Kläger nach dem NS-Verfolgtenentschädigungsgesetz festzustellen, sowie äußerst hilfsweise, die Beklagte zur Neubescheidung zu verpflichten.

11

Im Mai 2006 wurde die ... GmbH B. auf die ...-Verlagsgruppe GmbH verschmolzen, in der sie als selbstständige wirtschaftliche Einheit fortgeführt wird.

12

Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte mit dem angegriffenen Teilurteil vom 24. Januar 2008 unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Bescheides verpflichtet festzustellen, dass die ... Verlag OHG i.L. Berechtigte hinsichtlich der 1936 erfolgten Entziehung des ... Verlages ist. Die Entscheidungsgründe führen im Wesentlichen aus, wegen der Vielzahl der streitigen Fragen bestehe ein Bedürfnis, das Problem der Berechtigung vorab durch Teilurteil zu klären. Die Berechtigung der ... Verlag OHG i.L. ergebe sich daraus, dass die Gesellschaft 1936 durch den Verkauf ihres Unternehmens im Sinne des § 1 Abs. 6 Vermögensgesetz (VermG) geschädigt worden sei. Der Anwendung dieser Vorschrift stehe nicht entgegen, dass der Sitz der Gesellschaft seinerzeit noch nicht im Beitrittsgebiet gelegen habe. Zwar setze § 1 Abs. 6 VermG einen räumlichen Bezug der Schädigung zu diesem Gebiet voraus. Nach dem Sinn und Zweck der Regelung, teilungsbedingte Wiedergutmachungslücken zu schließen, genüge für die Gebietsbezogenheit jedoch, dass eine Entziehung nach den in der Bundesrepublik geltenden Regelungen nicht habe wieder gutgemacht werden können, weil der Vermögenswert nach der Schädigung in das Gebiet der späteren DDR oder den sowjetischen Sektor Berlins verbracht und dort enteignet worden sei. Dies treffe hier wegen der Verlegung des Unternehmenssitzes nach P. im Mai 1936 zu. Ob nach der rückerstattungsrechtlichen Rechtsprechung trotzdem ein Schadensersatzanspruch bestanden haben könne, müsse nicht geklärt werden. Dieser sei weder mit dem vermögensrechtlichen Rückübertragungsanspruch identisch, noch könne er ihn ersetzen. Das Anmeldequorum nach § 6 Abs. 1a VermG werde erreicht, da der Anteil Dr. Dietrich B. nach § 6 Abs. 6 Satz 4 VermG in die Berechnung einbezogen werden müsse.

13

Auf die Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen zu 2 gegen die Nichtzulassung der Revision im verwaltungsgerichtlichen Teilurteil hat der Senat mit Beschluss vom 18. August 2008 - BVerwG 8 B 40.08 - die Revision zugelassen.

14

Über das Vermögen der Beigeladenen zu 1 wurde nach Erlass eines vorläufigen Verfügungsverbots und Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters am 1. September 2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Dies hat der Insolvenzverwalter dem Bundesverwaltungsgericht am 22. Dezember 2008 mitgeteilt und erklärt, das verwaltungsgerichtliche Verfahren aufzunehmen.

15

Mit ihrer Revisionsbegründung rügt die Beklagte die Verletzung des § 1 Abs. 6 VermG. Die Vorschrift sei nur anzuwenden, wenn der entzogene Vermögenswert sich im Zeitpunkt der Schädigung im Beitrittsgebiet befunden habe. Das spätere Verbringen dorthin könne keinen Rückübertragungsanspruch begründen. Eine Wiedergutmachung sei bereits nach dem Rückerstattungsrecht möglich gewesen, da die Wiedergutmachungsrechtsprechung auf den Ort der Entziehung abgestellt, und dieser im Gebiet der amerikanischen Besatzungszone gelegen habe.

16

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Januar 2008 aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen,

hilfsweise,

das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Januar 2008 aufzuheben und die Sache zu anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

17

Die Beigeladene zu 2 schließt sich dem Revisionsvorbringen der Beklagten an und trägt ergänzend vor, eine analoge Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG komme ebenfalls nicht in Betracht. Über die vermögensrechtliche Berechtigung habe auch nicht durch Teilurteil entschieden werden dürfen. Der Klagegegenstand sei nicht teilbar. Da Haupt- und Hilfsanträge verschiedene Anspruchsinhaber beträfen, bestehe die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen.

18

Die Beigeladene zu 2 beantragt,

das Teilurteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 24. Januar 2008 aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen.

19

Die Kläger beantragen,

die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen zu 2 zurückzuweisen.

20

Sie verteidigen das angegriffene Teilurteil und meinen, die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 6 VermG bestimme sich allein nach der Belegenheit des Vermögenswerts im Zeitpunkt der Anmeldung vermögensrechtlicher Ansprüche. Wie im Rückerstattungsrecht müsse ein nachträgliches Gelangen in den Geltungsbereich des Gesetzes genügen. Im Übrigen sei die Schädigung hier erst in P. als dem Erfüllungsort des Veräußerungsvertrages vollendet worden. § 1 Abs. 6 VermG sei zumindest analog anzuwenden. Dass eine rückerstattungsrechtliche Wiedergutmachungslücke bestehe, ergebe sich schon aus dem Scheitern der Bemühungen um eine Rückerstattung des in B. ansässigen Verlages. Fälle nachträglicher Sitzverlegung in das Beitrittsgebiet dürften nach Art. 3 Abs. 1 GG nicht anders behandelt werden als Fälle des Gebietstauschs. Der Gleichheitssatz verbiete auch eine Schlechterstellung gegenüber Unternehmen, die in den alten Bundesländern ansässig seien und ihre im Beitrittsgebiet belegenen Vermögensgegenstände nach § 3 Abs. 1 Satz 4 VermG zurückverlangen könnten. Eine unterschiedliche Behandlung der Inlandsschädigungen widerspreche zudem den Verpflichtungen der Beklagten aus ihrer Vereinbarung mit den Drei Westmächten vom 27./28. September 1990 (BGBl. II S. 1386).

21

Die Beigeladenen zu 1 und 3 haben keinen Antrag gestellt.

22

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragt, ihm eine Schriftsatzfrist einzuräumen, damit er Stellung nehmen könne zur Frage, ob und inwieweit in der vorliegenden Fallkonstellation Schadensersatzansprüche nach Art. 22 ff. US-REG in Betracht gekommen wären. Diesen Antrag hat der Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung durch mündlich begründeten Beschluss abgelehnt.

II

23

Die Revision ist begründet. Das Teilurteil des Verwaltungsgerichts beruht auf einer unzutreffenden Anwendung des § 110 VwGO und auf einer fehlerhaften Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 6 VermG. Es stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO).

24

1.

Das Verwaltungsgericht durfte über die vermögensrechtliche Berechtigung der ... OHG i.L. nicht durch Teilurteil nach § 110 VwGO entscheiden.

25

a)

Ein Teilurteil kann nach § 110 VwGO nur ergehen, wenn der vorab zu entscheidende und der verbleibende Teil des Streitgegenstandes voneinander wechselseitig rechtlich und tatsächlich unabhängig sind. Das ist der Fall, wenn der Teil, über den vorab durch Teilurteil entschieden worden ist, hätte abgetrennt werden und der übrige Teil Gegenstand eines selbstständigen Verfahrens hätte sein können. Dazu darf die Entscheidung über den verbleibenden Teil keine Fragen aufwerfen, über die schon durch das Teilurteil entschieden worden ist (Urteil vom 8. Juni 1995 - BVerwG 4 C 4.94 - NVwZ 1996, 381 <382>, insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 98, 339; Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 110 Rn. 6 f.). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

26

Allerdings kann über die vermögensrechtliche Berechtigung getrennt von den weiteren, vom Verwaltungsgericht ausgeklammerten Voraussetzungen der mit dem Hauptantrag begehrten Rückübertragung entschieden werden. Die noch ausstehende Entscheidung über die Rückübertragung selbst ist von der vorab entschiedenen Frage der Berechtigung jedoch nicht rechtlich und tatsächlich unabhängig. Sie bildet keinen im Verhältnis dazu selbstständigen Verfahrensgegenstand. Jede Entscheidung über die Rückübertragung des Unternehmens wirft zwangsläufig die Frage der Berechtigung auf, die bereits Gegenstand des Teilurteils war. Die von der Berechtigung zu unterscheidenden weiteren Rückübertragungsvoraussetzungen lassen sich auch nicht als unabhängiger Teil des Streitgegenstandes im Sinne eines Rückübertragungsanspruchs "im Übrigen" formulieren, sondern sind als zusätzliche Bedingungen der Rückübertragung einzuordnen.

27

Aus dem Fehlen wechselseitiger Unabhängigkeit der Berechtigung und des sie voraussetzenden Rückübertragungsanspruchs - und nicht, wie die Beigeladene zu 2 meint, aus der Verschiedenheit der Inhaber der Ansprüche auf Rückübertragung und Erlösauskehr - ergibt sich auch die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen über die beiden Teile des Streitgegenstandes. Wird durch Teilurteil über die Berechtigung entschieden, bleibt der weitergehende Antrag auf Rückübertragung rechtshängig, ohne dass eine Bindung an das Teilurteil vor dessen Rechtskraft prozessrechtlich sichergestellt wäre. So könnte das Verwaltungsgericht noch vor rechtskräftiger Entscheidung über die vermögensrechtliche Berechtigung über die bei ihm noch anhängige Frage des Rückübertragungsanspruchs, und dabei - nochmals und mit ebenfalls der Rechtskraft fähigem Urteil - über die bereits in der Revisionsinstanz anhängige Vorfrage der Berechtigung entscheiden.

28

b)

Eine abweichende, zur Zulässigkeit des Teilurteils führende Beurteilung lässt sich auch nicht aus dem Urteil vom 11. Januar 2001 - BVerwG 7 C 10.00 - (BVerwGE 112, 335 <338 f.> = Buchholz 428 § 2 VermG Nr. 53) herleiten. Es bestätigt zwar ein Teilurteil, das den damaligen Beklagten zur Feststellung der Rückübertragungsberechtigung verpflichtete. Dabei interpretiert es das Teilurteil aber dahingehend, dass mit der Rückübertragungsberechtigung bereits der gesamte Streitgegenstand behandelt, und nur eine außerprozessuale Bedingung der Umwandlung des Rückübertragungsanspruchs in einen Anspruch auf Erlösauskehr - nämlich der Ausgang einer Anfechtungsklage gegen eine Grundstücksverkehrsgenehmigung - offen geblieben sei (Urteil vom 11. Januar 2001 - BVerwG 7 C 10.00 - a.a.O. S. 338 f.). Die hier streitige Frage der Unternehmensrückübertragung hängt dagegen nicht von einer außerprozessualen Bedingung ab, sondern von Voraussetzungen, die das Verwaltungsgericht im Rückübertragungsrechtsstreit selbst aufzuklären hat, wie etwa dem Fortbestand und der Vergleichbarkeit des Unternehmens und dem Fehlen von Rückübertragungsausschlussgründen. Da das angegriffene Teilurteil diese Fragen bewusst offen lässt, stellt es gerade keine Rückübertragungsberechtigung im Sinne des Urteils vom 11. Januar 2001 fest.

29

c)

Dass die Berechtigungsfeststellung im Verhältnis zur Rückübertragungsverpflichtung ein Minus darstellt (vgl. Urteile vom 29. September 1993 - BVerwG 7 C 39.92 - BVerwGE 94, 195 <197> = Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 3 und vom 24. Februar 1994 - BVerwG 7 C 20.93 - BVerwGE 95, 155 <163> = Buchholz 112 § 6 VermG Nr. 5), begründet noch keine Selbstständigkeit der über die Berechtigungsfrage hinausgehenden Frage des Rückübertragungsanspruchs. Die Zulässigkeit eines verwaltungsgerichtlichen Teilurteils lässt sich auch nicht aus der Ermächtigung der Vermögensämter zum Erlass von Teilbescheiden nach § 30 Abs. 1 Satz 2 und 4 VermG begründen. Mangels vergleichbarer, eine stufenweise Entscheidung gestattender verwaltungsprozessualer Vorschriften bleiben die Verwaltungsgerichte nach § 88 VwGO an das Klagebegehren gebunden und haben es, soweit es nicht teilbar ist, spruchreif zu machen. Verwaltungsverfahrensrechtliche Spezialregelungen können diese Pflicht nicht einschränken.

30

2.

Das angegriffene Teilurteil verletzt § 1 Abs. 6 VermG. Seine Annahme, die ... OHG i.L. sei Berechtigte gemäß § 1 Abs. 6 VermG, stützt sich auf eine fehlerhafte Abgrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs der Vorschrift und verkennt, dass dieser sich auf die Entziehung von Vermögenswerten im Beitrittsgebiet beschränkt. Auf Schädigungen, die in den Geltungsbereich des alliierten Rückerstattungs- oder des bundesdeutschen Wiedergutmachungsrechts fallen, ist § 1 Abs. 6 VermG nicht anzuwenden. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts gilt dies auch, wenn eine Rückgabe des entzogenen Gegenstandes nach diesen Vorschriften daran scheiterte, dass der Vermögenswert nach der Entziehung in das Gebiet der späteren DDR oder in den sowjetischen Sektor Berlins verbracht und dort enteignet worden war.

31

a)

§ 1 Abs. 6 Satz 1 VermG begründet Rückübertragungsansprüche für Bürger und Vereinigungen, denen durch NS-Verfolgungsmaßnahmen auf dem Gebiet der späteren DDR und des sowjetischen Sektors von Berlin Vermögen entzogen wurde (Urteile vom 27. Mai 1997 - BVerwG 7 C 67.96 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 112 S. 338 und vom 19. Februar 2009 - BVerwG 8 C 4.08 - ZOV 2009, 190 Rn. 19 f.). Dazu muss die Schädigungsmaßnahme selbst, und nicht nur der betroffene Vermögenswert, einen räumlichen Bezug zum späteren Beitrittsgebiet aufweisen. Dieser Gebietsbezug liegt vor, wenn die Schädigung sich im Beitrittsgebiet ereignete, der Vermögensverlust also dort eingetreten ist. Das setzt voraus, dass der Vermögenswert im Zeitpunkt der Schädigung im Beitrittsgebiet belegen war (Urteil vom 19. Februar 2009 - BVerwG 8 C 4.08 - a.a.O.; Dietsche/Toussaint, in: Kimme, Offene Vermögensfragen, § 1 Abs. 6 VermG, Stand: November 2007, Rn. 6.2; Brettholle/Schülke, in: Rädler/Raupach/Bezzenberger, Vermögen in der ehemaligen DDR, § 1 VermG, Stand: November 2001, Rn. 108). Dieses Erfordernis wird auch in der Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG in den Fällen des Gebietstauschs nicht aufgegeben, sondern vorausgesetzt (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2004 - BVerwG 7 C 2.04 - BVerwGE 122, 286 <288 f.> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 31 und vom 23. Februar 2006 - BVerwG 7 C 4.05 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 35).

32

Der weitergehenden, dem angegriffenen Teilurteil zugrunde liegenden Auffassung, nach der § 1 Abs. 6 VermG sämtliche teilungsbedingten Vermögensverluste erfassen (vgl. Neuhaus, in: Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, § 1, Stand: Juli 2004, Rn. 134) und deshalb auch eingreifen soll, wenn ein im Gebiet der alliierten Besatzungszonen entzogener Vermögenswert in das Beitrittsgebiet verbracht und dort später enteignet wurde, folgt der Senat nicht. Sie vernachlässigt die entstehungsgeschichtlich bedingte Beschränkung des räumlichen Geltungsbereichs des Vermögensgesetzes und verkennt seinen Sinn und Zweck, einen Ausgleich - nur - derjenigen Schädigungen zu ermöglichen, die nicht bereits dem alliierten und bundesdeutschen Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsrecht unterfielen (so für Schädigungen im Ausland bereits die Beschlüsse vom 23. August 2000 - BVerwG 8 B 60.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 6 S. 22 f. m.w.N. und vom 5. September 2000 - BVerwG 8 B 176.00 -).

33

b)

Das Vermögensgesetz wurde noch vor dem Beitritt der DDR von deren Volkskammer erlassen und konnte nach dem völkerrechtlichen Territorialitätsprinzip Geltung nur in deren damaligen Hoheitsgebiet beanspruchen. Seine Fortgeltung als partikulares Bundesrecht erweitert den räumlichen Geltungsbereich nicht (Urteil vom 9. Dezember 2004 - BVerwG 7 C 2.04 - a.a.O.). Auch die Regelung der örtlichen Zuständigkeit in § 35 Abs. 2 und 3 VermG und der daran anknüpfende § 3 Abs. 5 VermG deuten darauf hin, dass das Vermögensgesetz sich auf Vermögenswerte im Beitrittsgebiet bezieht. Allerdings folgt daraus entgegen der Auffassung der Kläger nicht, dass die aktuelle Belegenheit im Beitrittsgebiet schon genügte, die Anwendbarkeit des Vermögensgesetzes zu begründen, selbst wenn die Schädigung sich nicht dort ereignete. Für die unmittelbare Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG müssen vielmehr beide Voraussetzungen erfüllt sein.

34

c)

Dass nicht nur der räumliche Geltungsbereich des Vermögensgesetzes auf das Beitrittsgebiet begrenzt, sondern auch der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 VermG auf Schädigungen im Beitrittsgebiet beschränkt bleiben sollte, ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Regelung. Sie soll die Wiedergutmachungslücke schließen, die sich daraus ergab, dass in der sowjetischen Besatzungszone und in der DDR keine dem alliierten und bundesdeutschen Wiedergutmachungsrecht gleichwertigen Vorschriften galten (Urteile vom 6. April 1995 - BVerwG 7 C 5.94 - BVerwGE 98, 137 <143> = Buchholz 112 § 1 VermG Nr. 42 und vom 27. Mai 1997 - BVerwG 7 C 67.96 - a.a.O.; Beschlüsse vom 23. August 2000 - BVerwG 8 B 60.00 - a.a.O. und vom 5. September 2000 - BVerwG 8 B 176.00 -). § 1 Abs. 6 VermG dient dem Ausgleich verfolgungsbedingter vor dem 8. Mai 1945 erfolgter Vermögensverluste im späteren Beitrittsgebiet, die mangels Anwendbarkeit rückerstattungs- und wiedergutmachungsrechtlicher Vorschriften in der Nachkriegszeit nicht geltend gemacht werden konnten (vgl. die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum Entwurf des Zweiten Vermögensrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1992, BTDrucks 12/2944 S. 50, wonach die im Beitrittsgebiet Geschädigten vermögensrechtlich nicht besser und nicht schlechter gestellt werden sollen, als sie bei Anwendung des alliierten Rückerstattungsrechts gestanden hätten).

35

Dagegen begründet das Vermögensgesetz in Fällen, die bereits diesem Recht unterfielen, keine neuen oder darüber hinausgehenden Ansprüche. Wurde der konkrete Vermögensverlust vom alliierten oder bundesdeutschen Rückerstattungs- oder Wiedergutmachungsrecht erfasst, kommt eine zusätzliche Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG nicht in Betracht. Diese Vorschrift bezweckt weder eine Doppelregelung für solche Schädigungen, noch eine "Nachbesserung" der im alliierten oder bundesdeutschen Wiedergutmachungsrecht geregelten Rechtsfolgen. Das gilt auch, wenn die einschlägigen Vorschriften keine Naturalrestitution ermöglichten, sondern den Geschädigten auf die Geltendmachung von Sekundäransprüchen verwiesen.

36

Dies verkennt das angegriffene Teilurteil, indem es den Begriff der Wiedergutmachung auf die Naturalrestitution verkürzt. Seine Annahme, auf die Anwendbarkeit rückerstattungsrechtlicher Schadensersatzvorschriften komme es nicht an, weil ein solcher Anspruch dem vermögensrechtlichen Restitutionsanspruch nicht entspreche und ihn auch nicht ersetzen könne, wird dem Sinn und Zweck der nachträglichen Wiedergutmachung nach § 1 Abs. 6 VermG nicht gerecht. Sie soll nicht rückerstattungsrechtlich bereits geregelte Rechtsfolgen auf vermögensrechtliches Niveau anheben oder eine nachträgliche Naturalrestitution gewährleisten, sondern nur eine Regelung für diejenigen verfolgungsbedingten NS-Schädigungen schaffen, für die bisher kein Wiedergutmachungsrecht galt.

37

Die Entziehung von Vermögenswerten im Gebiet der alliierten Besatzungszonen unterfiel dem dort geltenden Rückerstattungsrecht auch dann, wenn der entzogene Vermögenswert nach der Schädigung in das spätere Beitrittsgebiet verbracht worden war. Zwar ermöglichte das Rückerstattungsrecht in solchen Fällen keine Naturalrestitution. Es normierte aber Schadensersatzansprüche, die in der rückerstattungsrechtlichen Rechtsprechung so ausgelegt wurden, dass sie diese Fallkonstellation erfassten. Dies durfte der Senat nach § 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen, ohne den Klägern die beantragte Schriftsatzfrist zur Frage der Anwendbarkeit der §§ 22 ff. US-REG einzuräumen. Die Prozessbeteiligten mussten auch ohne vorherigen Hinweis damit rechnen, dass rückerstattungsrechtliche Schadensersatzregelungen Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung sein könnten, da das Verwaltungsgericht die Möglichkeit des Bestehens solcher Ansprüche ausdrücklich angesprochen hatte. Dass seine Annahme, darauf komme es nicht an, nicht in Frage gestellt werden würde, konnten die Prozessbeteiligten wegen der umfassenden Angriffe der Revision nicht annehmen, zumal die Revisionsbegründung der Beklagten ausdrücklich auf die Möglichkeit einer rückerstattungsrechtlichen Wiedergutmachung einging. Außerdem ergab sich aus den von den Klägern selbst vorgelegten Wiedergutmachungsakten, dass ein Verfahren betreffend eines Schadensersatzanspruchs nach Art. 30 US-REG i.V.m. § 2a Abs. 2 BRüG noch ruhte. Die Erörterung damit zusammenhängender Fragen konnte daher nicht überraschen.

38

Das alliierte Rückerstattungsrecht erfasste alle Schädigungen von Vermögenswerten, die in seinem räumlichen Anwendungsbereich entzogen wurden oder später dorthin gelangten. Als Kriterium für den Ort der Entziehung setzte sich in der rückerstattungsrechtlichen Rechtsprechung das Kriterium der Belegenheit des Vermögenswerts im Zeitpunkt der Schädigung durch (ORG Berlin, Entscheidung vom 11. Mai 1956 - ORG/A/2 - RzW 1956, 205 <206 f.> = ORGE 5, 170 <172>; Harmening/Hartenstein/Osthoff, Rückerstattungsgesetz, Bd. 1, 1950, Einleitung Bl. Nr. 56 A 1 und Art. 1 Anm. III 3a; Schwarz, Die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, Bd. 1, Rückerstattung nach den Gesetzen der Alliierten Mächte, 1974, S. 99 ff., 102, 105 f.; Wirth, a.a.O., Bd. 2, Das Bundesrückerstattungsgesetz, 1981, S. 143 <151 ff., 182 ff.>). Im Interesse möglichst umfassender Wiedergutmachung bezog die Rechtsprechung außerdem die Fälle ein, in denen außerhalb des Geltungsbereichs entzogene Gegenstände oder deren Surrogate zu einem späteren Zeitpunkt in den Geltungsbereich verbracht worden waren (ORG Berlin, Entscheidungen vom 11. Mai 1956 - ORG/A/2 - a.a.O. und vom 1. November 1961 - ORG/A/1663 - RzW 1962, 115 f.; vgl. zu Ost-Berlin die Spezialregelungen in §§ 5, 5a, BRüG). Das Kriterium des Verbringens in den Geltungsbereich trat also - alternativ - neben das Kriterium der Belegenheit im Zeitpunkt der Entziehung, ohne es zu ersetzen. Unanwendbar war das Rückerstattungsrecht nur, wenn der entzogene Gegenstand im Zeitpunkt der Schädigung nicht im Geltungsbereich belegen war und auch später nicht dorthin verbracht wurde (vgl. ORG Berlin, Entscheidung vom 11. Mai 1956 - ORG/A/2 - a.a.O., Schwarz, a.a.O. S. 105 f.). War dagegen eine von beiden Voraussetzungen erfüllt, griffen die rückerstattungsrechtlichen Regelungen ein.

39

Entgegen der Auffassung der Kläger entfiel ihre Anwendbarkeit auch nicht etwa, wenn der in ihrem Geltungsbereich entzogene Vermögenswert anschließend in das Beitrittsgebiet oder in das Ausland verbracht wurde. Das Verbleiben des Vermögenswerts im Geltungsbereich des Rückerstattungsrechts war nur Voraussetzung für die Naturalrestitution und den Anspruch auf Kaufpreisnachzahlung, weil dieser den Verzicht auf eine noch mögliche Naturalrestitution voraussetzte (ORG Berlin, Entscheidung vom 16. Januar 1969 - ORG/A/4896 - ORGE 27, 8 <13>; zu im Ergebnis gleichen, aber abweichend begründeten Entscheidungen vgl. Schwarz, a.a.O. S. 104 m.w.N.). Dagegen erfassten die Schadensersatzregelungen auch Fallkonstellationen, in denen die Rückgabe des entzogenen Vermögenswerts daran scheiterte, dass er sich nicht mehr im Geltungsbereich der Rückerstattungsgesetze befand (CoRA, Entscheidung Nr. 9 vom 30. März 1950, Fall 45, RzW 1949/50, 242 f.; OLG Frankfurt, Entscheidungen vom 5. September 1949 - 2 W 173/49 - RzW 1949, 10 f. und vom 26. September 1949 - 2 W 176/49 - RzW 1949, 61 <62>; ORG Berlin, Entscheidung vom 6. März 1975 - ORG/A/6487 - ORGE 32, 33 <34>). Soweit rückerstattungsrechtliche Schadensersatzansprüche voraussetzten, dass die Rückgabe des entzogenen Vermögenswerts unmöglich geworden (vgl. Art. 30 US-REG) oder dieser verlorengegangen war (vgl. Art. 26 Abs. 2 des Gesetzes Nr. 59 der Militärregierung Deutschland - Britisches Kontrollgebiet - vom 12. Mai 1949 (ABl Nr. 28 S. 1169) - BREG; Art. 26 Abs. 3, Art. 27 Abs. 2 der Anordnung BK/0 (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 (VOBl für Groß-Berlin Teil I S. 221) - REAO; § 12 Abs. 1 BRüG), genügte es, dass der Rückgabeanspruch wegen Verbringens des Gegenstandes außerhalb des Geltungsbereichs der Rückerstattungsgesetze nicht oder jedenfalls nicht auf zumutbare Weise durchsetzbar war (vgl. OLG Frankfurt, Entscheidung vom 5. September 1949 - 2 W 173/49 - a.a.O.; ORG Berlin, Entscheidungen vom 25. September 1959 - ORG/A/1773 - RzW 1960, 62 zum Verbringen eines Schreibtisches nach Potsdam - und vom 6. März 1975 - ORG/A/6487 - a.a.O. zum Verbringen von Gemälden in die Niederlande; von Godin/von Godin, Rückerstattungsgesetze, 2. Aufl. 1950, Art. 30 US-REG, Anm. 3, 7 und 8b, 10 a.E.; Kubuschok/Weißstein, Rückerstattungsrecht der Britischen und Amerikanischen Zone, 1950, BZ 26 AZ 30, 31, 33, 34, Anm. 9 und BZ 51 AZ 59, Anm. 6). Die in der Literatur teilweise vertretene engere Auslegung, die eine objektive Unmöglichkeit oder jedenfalls den Verbleib des Gegenstandes im Geltungsbereich forderte (Harmening/Hartenstein/Osthoff, a.a.O. Art. 26 Anm. V 4 a; Goetze, Die Rückerstattung in Westdeutschland und Berlin, 1950, US-REG Art. 29 Anm. 5 S. 233) konnte sich in der Rechtsprechung nicht durchsetzen.

40

Fiel die Schädigung eines im Gebiet der alliierten Besatzungszonen entzogenen Vermögenswertes in den Anwendungsbereich des Rückerstattungsrechts, liegt keine Wiedergutmachungslücke vor, die eine Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG nach dessen Sinn und Zweck rechtfertigen könnte. Es genügt, dass das Rückerstattungsrecht für eine solche Fallkonstellation überhaupt eine Regelung bereitstellte. Unerheblich ist dagegen, ob im konkreten Fall die Tatbestandsvoraussetzungen eines rückerstattungsrechtlichen Primär- oder Sekundäranspruchs erfüllt waren, ob die Wiedergutmachungsbehörden seinerzeit die einschlägigen Vorschriften zutreffend angewendet hatten und ob bereits Wiedergutmachungsleistungen erbracht wurden. § 1 Abs. 6 VermG gewährleistet kein Mindestmaß der Wiedergutmachung im Einzelfall, sondern nur, dass die nicht dem Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsrecht unterfallenden verfolgungsbedingten Vermögensverluste im Beitrittsgebiet nunmehr geltend gemacht werden können.

41

Das für diese Abgrenzung maßgebliche Kriterium der Belegenheit im Zeitpunkt der Schädigung wird auch in der Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG in den Fällen des Gebietstauschs nicht aufgegeben (vgl. Urteile vom 9. Dezember 2004 - BVerwG 7 C 2.04 - BVerwGE 122, 286 <288 f.> = Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 31 und vom 23. Februar 2006 - BVerwG 7 C 4.05 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 35). Sie zeigt nur auf, dass sich aus der Verschränkung der Begrenzungen des räumlichen und des zeitlichen Anwendungsbereichs verschiedener Wiedergutmachungsregelungen die Unanwendbarkeit aller in Betracht kommenden Vorschriften ergeben kann, wenn die Schädigung nicht dem Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsrecht unterfiel, weil sie sich im Beitrittsgebiet ereignete und der entzogene Gegenstand bis zum Ablauf der rückerstattungsrechtlichen Anmeldefristen dort verblieb, jedoch vor Inkrafttreten des Vermögensgesetzes durch Gebietstausch aus dem Beitrittsgebiet ausschied und deshalb nicht mehr vom Geltungsbereich der vermögensrechtlichen Regelungen erfasst werden konnte. In solchen Fällen, in denen weder das Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsrecht noch das Vermögensgesetz unmittelbar anzuwenden sind, kann nur eine Analogie die normative Lücke schließen.

42

Der Ansatz der Kläger, das rückerstattungsrechtliche Kriterium des Verbringens in den Geltungsbereich des Gesetzes entsprechend im Vermögensrecht anzuwenden, verfehlt dagegen das Ziel der Lückenschließung. Er geht einerseits darüber hinaus, soweit er eine doppelte Anwendung von Wiedergutmachungsvorschriften auf die Entziehung von Vermögenswerten im Geltungsbereich des Rückerstattungsrechts ermöglicht, und lässt andererseits Wiedergutmachungslücken offen in Fällen, in denen im Beitrittsgebiet entzogene Vermögenswerte bei Inkrafttreten des Vermögensgesetzes dort nicht mehr vorhanden waren. Wenn die ins Beitrittsgebiet verbrachten Vermögenswerte im Ausland geschädigt wurden, hätte der Auslegungsansatz sogar eine systemwidrige Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 6 VermG über die Inlandsgrenzen hinaus zur Folge (vgl. Beschlüsse vom 23. August 2000 - BVerwG 8 B 60.00 - Buchholz 428 § 1 Abs. 6 VermG Nr. 6 und vom 5. September 2000 - BVerwG 8 B 176.00 -).

43

d)

Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet keine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 6 VermG über die nicht vom Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsrecht erfassten Schädigungen im Beitrittsgebiet hinaus. Entgegen der Auffassung der Kläger gilt dies auch für die Fälle, in denen Unternehmen im Gebiet der alliierten Besatzungszonen geschädigt, anschließend in das Beitrittsgebiet verlegt und dort enteignet wurden.

44

Als Beurteilungsmaßstab ist der Gleichheitssatz hier in der Ausprägung des Willkürverbots heranzuziehen. Denn bei der Regelung des Wiedergutmachungsrechts steht dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung, der nur durch das Willkürverbot begrenzt wird (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Februar 2004 - 1 BvR 1948/00 - VIZ 2004, 220 <221>).

45

Dass Unternehmensschädigungen im Anwendungsbereich des Rückerstattungsrechts auch bei nachträglicher Sitzverlegung in das Beitrittsgebiet nicht vom Vermögensgesetz erfasst werden, führt nicht zu einer willkürlichen Diskriminierung der Betroffenen im Vergleich zu Unternehmensträgern, die - zumindest als Rest- oder Spaltgesellschaft - im Gebiet der alliierten Besatzungszonen ansässig geblieben sind, und die nun vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich ihres früheren, im Beitrittsgebiet entzogenen Betriebsvermögens geltend machen können. Der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung liegt darin, dass Ansprüche hinsichtlich der Schädigung eines Unternehmens, das im Geltungsbereich des Rückerstattungsrechts belegen war, nach den rückerstattungsrechtlichen Vorschriften geltend gemacht werden konnten, während die Entziehung von Unternehmen und Unternehmensgegenständen im Beitrittsgebiet nicht in den Anwendungsbereich des Rückerstattungsrechts fiel.

46

Aus dem Willkürverbot lässt sich auch keine Verpflichtung ableiten, für Schädigungen im Geltungsbereich des Rückerstattungsrechts ergänzende vermögensrechtliche Ansprüche vorzusehen, um eine nachträgliche Naturalrestitution zu ermöglichen. Der Gesetzgeber konnte sich willkürfrei darauf beschränken, für die nicht vom Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsrecht erfassten Schädigungen im Beitrittsgebiet eine dem Niveau dieser Regelungen in etwa entsprechende Wiedergutmachung vorzusehen. Im Hinblick auf die besonderen Umstände im Beitrittsgebiet war er nicht verpflichtet, auch die Ausgestaltung des Rückerstattungsrechts zu übernehmen, oder umgekehrt dessen Regelungen an das Vermögensrecht anzupassen. Es genügte sicherzustellen, dass jede Schädigung im Gebiet des heutigen Inlands entweder vom Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsrecht oder vom Vermögensrecht erfasst wurde. Dass dies den Betroffenen nicht in jedem Einzelfall eine Naturalrestitution garantiert, gilt nicht nur für die im Anwendungsbereich des Rückerstattungsrechts, sondern auch für die im Beitrittsgebiet Geschädigten. Sie müssen sich in vielen Fällen damit abfinden, dass eine Rückübertragung der ihnen entzogenen Vermögenswerte ausgeschlossen ist, obwohl sie in der Nachkriegszeit bei Anwendbarkeit alliierten Rückerstattungsrechts im Beitrittsgebiet noch möglich gewesen wäre.

47

Entgegen der Auffassung der Kläger verlangt Art. 3 Abs. 1 GG in der Ausprägung des Willkürverbots schließlich nicht, die in den Fällen des Gebietstauschs praktizierte analoge Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG auf die Fälle des nachträglichen Verbringens im Anwendungsbereich des Rückerstattungsrechts geschädigter Gegenstände in das Beitrittsgebiet zu erstrecken. In den Fällen des Gebietstauschs ist die analoge Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG erforderlich, um überhaupt Wiedergutmachungsrecht zur Anwendung zu bringen. Dagegen konnten Schädigungen im Anwendungsbereich des Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsrechts bereits nach dessen Vorschriften geltend gemacht werden.

48

e)

Aus Ziffer 4c der Vereinbarung der Bundesrepublik Deutschland mit den Drei Mächten vom 27./28. September 1990 zu dem Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten sowie zu dem Vertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen (BGBl. II S. 1386) ergibt sich keine Verpflichtung, den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 6 VermG auf Fälle nachträglichen Verbringens entzogener Vermögenswerte in das Beitrittsgebiet zu erstrecken. Die vertragliche Regelung verlangt weder eine schlichte Geltungserstreckung rückerstattungsrechtlicher Regelungen unter Wiedereröffnen bereits abgelaufener Anmeldefristen noch für bereits vom Rückerstattungsrecht erfasste Fälle weitergehende Wiedergutmachungsregelungen zu schaffen. Vielmehr gestattet sie eine Ausgestaltung des Vermögensrechts, die unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Beitrittsgebiet für dort erlittene Schädigungen eine dem Rückerstattungsrecht im Wesentlichen gleichwertige Wiedergutmachung vorsieht. Diesem Erfordernis genügt eine Auslegung des § 1 Abs. 6 VermG, die dessen Anwendungsbereich auf Entziehungen im Beitrittsgebiet beschränkt.

49

3.

Das angegriffene Teilurteil beruht auf der Verletzung sowohl des § 110 VwGO als auch des § 1 Abs. 6 VermG. Bei zutreffender Auslegung der prozessualen Vorschrift hätte es die Sache spruchreif machen und durch Endurteil entscheiden müssen. Bei korrekter Abgrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 6 VermG hätte es eine vermögensrechtliche Berechtigung verneint, da es von einer Schädigung im Geltungsbereich der alliierten Rückerstattungsgesetze, nämlich von einem Vermögensverlust in F. ausging.

50

4.

Das Teilurteil erweist sich nach § 144 Abs. 4 VwGO auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Bei zutreffender Anwendung des § 1 Abs. 6 VermG scheidet eine vermögensrechtliche Berechtigung der ... OHG i.L. aus, weil das geschädigte Unternehmen im Zeitpunkt seiner Veräußerung noch im Gebiet der amerikanischen Besatzungszone und nicht schon im Beitrittsgebiet belegen war und seine Entziehung daher unter das Rückerstattungsrecht fiel.

51

In Fällen der Unternehmensschädigung ist für die Belegenheit des Vermögenswerts auf den Sitz des Unternehmens im Zeitpunkt der Entziehung abzustellen. Die ... OHG, die bis zu ihrer Auflösung in F. ansässig war, verlor ihr Verlagsunternehmen nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts durch einen verfolgungsbedingten Zwangsverkauf im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 und 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b REAO. Die entgeltliche Veräußerung des Verlagsunternehmens führte zu einem unmittelbaren Vermögensverlust der Gesellschaft als des bisherigen Unternehmensträgers. Dieser Verlust trat, wie das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen hat, bereits ein, als der Unternehmenssitz noch in F. lag.

52

a)

Bei Schädigungen durch Zwangsverkauf ist der Vermögensverlust auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Kausalgeschäfts, und nicht erst auf den Vollzug des Erfüllungsgeschäfts zu datieren (Urteil vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.98 - BVerwGE 108, 157 <162 f.> = Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 167). Das gilt nicht nur für die Anwendung der Vermutungsregel des § 1 Abs. 6 Satz 2 VermG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 und 3 REAO, sondern auch für die Bestimmung des Schädigungszeitpunkts in anderen vermögensrechtlichen Zusammenhängen. Dies trägt dem bereits im alliierten Rückerstattungsrecht entwickelten und von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG übernommenen faktischen Enteignungsbegriff Rechnung. Die danach maßgebliche tatsächliche vollständige und endgültige Verdrängung des Berechtigten aus seiner Rechtsposition tritt bei Zwangsveräußerungen schon mit Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts ein, weil dies die Grundlage für eine Durchsetzung der Rechtsübertragung auch gegen den Willen des Geschädigten schafft (Urteil vom 16. Dezember 1998 - BVerwG 8 C 14.98 - a.a.O.).

53

b)

Mangels noch vorhandener Unterlagen zum Verlagsverkauf hat das Verwaltungsgericht aus den in den Akten enthaltenen Urkunden zur Anmeldung der Veräußerung zum Handelsregister geschlossen, dass die Sitzverlegung nach dem Abschluss des Veräußerungsvertrags und der Betriebsübernahme durch den Erwerber geschah. Diese Sach- und Beweiswürdigung ist nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen. Auch die Einwände der Kläger richten sich nicht gegen die Feststellungen zur zeitlichen Abfolge tatsächlicher Ereignisse, sondern allein gegen die rechtliche Annahme, für den Schädigungszeitpunkt sei der Abschluss des Kausalgeschäfts und nicht dessen Erfüllung maßgeblich.

54

An einer Entscheidung in der Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist der Senat gehindert, weil das Verfahren nur in dem durch Teilurteil entschiedenem Umfang in der Revisionsinstanz anhängig, eine Entscheidung durch Teilurteil aber nicht zulässig ist. Es bleibt deshalb dem Verwaltungsgericht überlassen, nach der Zurückverweisung gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO erneut über das Klagebegehren zu entscheiden und dabei die gebotenen Konsequenzen aus der Begrenzung des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 6 VermG auf Schädigungen im Beitrittsgebiet zu ziehen.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 33 334 EUR festgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung bemisst sich nach § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 2 GKG. Für die Feststellung der vermögensrechtlichen Berechtigung sind zwei Drittel des Wertes des zurückverlangten Unternehmens anzusetzen, der nach dem erzielten Veräußerungserlös mit 50 000 EUR beziffert wird.

Gödel
RiBVerwG Dr. Pagenkopf
Dr. von Heimburg ist mit dem Ende des Monats Dezember 2009 in den Ruhestand getreten und deshalb verhindert zu unterschreiben. Gödel
Dr. Deiseroth
Dr. Held-Daab

Verkündet am 25. November 2009

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