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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 12.02.1991, Az.: BVerwG 1 C 20.90

Sammlungsrechtliche Erlaubnispflicht; Persönliche Mitgliederwerbung; Vereinigungsfreiheit; Mitgliedsbeitrag; Anspruch auf rechtliches Gehör

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
12.02.1991
Aktenzeichen
BVerwG 1 C 20.90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 12531
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG München - 05.04.1989 - AZ: M 7 K 89.610
VGH Bayern - 21.11.1989 - AZ: 21 B 89.1654

Fundstellen

  • BVerwGE 88, 9 - 13
  • BayVBl 1991, 504-505
  • DVBl 1991, 943-945 (Volltext mit amtl. LS)
  • DÖV 1991, 644-645 (Volltext mit amtl. LS)
  • JuS 1992, 251-252 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1992, 79-80 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1991, 2037-2038 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 1991, 873 (amtl. Leitsatz)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die sammlungsrechtliche Erlaubnispflicht für eine persönliche Mitgliederwerbung steht im Einklang mit der in Art. 9 I GG gewährleisteten Vereinigungsfreiheit, wenn die Mitgliederwerbung in der Form der Straßen- oder Haussammlung erfolgt und auf die Erbringung von Spenden an eine Vereinigung abzielt.

  2. 2.

    Die aufgrund einer persönlichen Mitgliederwerbung übernommene Verpflichtung zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrages steht einer vereinsexternen für einen wohltätigen Zweck erbrachten Spende gleich, wenn nach den gesamten Umständen die finanzielle Zuwendung gegenüber der Gewinnung neuer, durch eigene Tätigkeit die Vereinbarung bei der Erfüllung etwaiger wohltätiger Zwecke tragender Mitglieder im Vordergrund steht.

  3. 3.

    Räumt das Gericht einem Beteiligten eine Frist zur Äußerung ein (hier durch Anhörung vor Erlaß einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach Art. 2 § 5 I EntlG), dann verletzt es grundsätzlich den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es vor Ablauf der Äußerungsfrist entscheidet.

Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 1991
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Meyer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scholz-Hoppe und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gielen und Dr. Kemper
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Beschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 21. November 1989 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.

Gründe

1

I.

Die Klägerin wirbt durch bei ihr angestellte Werber von Haus zu Haus Mitglieder für den ... e.V. .... Zweck des Vereins ist nach § 2 seiner Satzung, ohne Ansehen der Person zur Erhaltung und zum Schutz von Leben und Gesundheit durch den Einsatz eigener Mittel und Organisation beizutragen, insbesondere durch Kranken- und Arzneimitteltransportflüge bei Unglücksfällen. Nach § 4 Abs. 1 der Satzung schließt der Verein als Versicherungsnehmer eine Versicherung ab, die das Kostenrisiko für eine medizinisch erforderlich werdende Flugrückholung seiner Mitglieder abdeckt. Im Falle eines Vereinsbeitritts ist für die Einzelmitgliedschaft jährlich ein Betrag von 98 DM, für die Familienmitgliedschaft von 144 DM zu zahlen. Nach Auffassung des Beklagten handelt es sich bei der Werbung um eine nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 des Bayerischen Sammlungsgesetzes erlaubnispflichtige Sammlung. Die Klägerin erstrebt im vorliegenden Verfahren die Feststellung, daß die von ihr vorgenommene Mitgliederwerbung für den ... nicht nach dieser Vorschrift erlaubnispflichtig sei. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.

2

Im Berufungsverfahren hat der Verwaltungsgerichtshof die Klägerin unter dem 26. Oktober 1989 auf die Möglichkeit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach Maßgabe des Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 EntlG hingewiesen und ihr Gelegenheit gegeben, sich hierzu bis zum 27. November 1989 zu äußern. In einem zwischen dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin und dem Berichterstatter am 15. November 1989 geführten Telefongespräch hat dieser sich dahin geäußert, daß substantiell Neues nicht mehr vorgetragen werden könne, und dazu geraten, die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs abzuwarten.

3

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch der Klägerin am 25. November 1989 zugestellten Beschluß vom 21. November 1989 die Berufung im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, die Mitgliederwerbung sei erlaubnispflichtig, weil der an den ... zu entrichtende Mitgliedsbeitrag eine Spende ohne Gegenleistung darstelle; die bei der Werbung von Mitgliedern angebotene Flugrückholkostenversicherung beruhe auf einem selbständigen Versicherungsvertrag. Dies ergebe sich aus der Satzung sowie dem ursprünglich verwendeten Beitrittsformular, das gesondert eine Beitrittserklärung für die ... Vereinsmitgliedschaft und einen Antrag auf Flugrückholkostenversicherung vorsehe. Die persönliche Mitgliederwerbung sei auch nicht nach Art. 5 Abs. 1 des Bayerischen Sammlungsgesetzes erlaubnisfrei, da sie nicht in den dort genannten Formen, sondern von Haus zu Haus erfolge. Durch die Erlaubnispflicht werde nicht unzulässig in das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG eingegriffen.

4

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und macht geltend: Das Berufungsgericht habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es vor Ablauf der eingeräumten Äußerungsfrist entschieden habe. Dadurch sei es ihr unmöglich gewesen nachzuweisen, daß die Werbung von Vereinsmitgliedern nicht auf eine unentgeltliche Spende, sondern auf eine Vereinsmitgliedschaft ziele, die mit Gegenleistungen des ... verbunden sei. Eine Gegenleistung stelle insbesondere der mit der Vereinsmitgliedschaft verbundene Versicherungsschutz dar. Ein seit Oktober 1989 verwendetes Beitrittsformular sehe nur noch eine Beitrittserklärung zum Verein vor, die die Flugrückholversicherung einschließe. Durch die vom Berufungsgericht angenommene Erlaubnispflicht werde darüber hinaus in den Kernbereich der durch Art. 9 Abs. 1 GG gewährleisteten Vereinsautonomie eingegriffen, ohne daß überwiegende Interessen des Gemeinwohls diesen Eingriff rechtfertigten.

5

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung: Ein Gehörsverstoß scheide aus, da nach dem am 15. November 1989 zwischen dem Berichterstatter und dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin geführten Telefongespräch alles Wesentliche vorgetragen gewesen sei. Dieser habe sich konkludent mit einer Verkürzung der Anhörungsfrist einverstanden erklärt. Auch fehle es an einer Kausalität zwischen einem etwaigen Verfahrensmangel und der Entscheidung des Berufungsgerichts. Die sammlungsrechtliche Erlaubnispflicht greife nicht in das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit ein.

6

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Zurückverweisung der Sache an den Verwaltungsgerichtshof.

7

1.

Die Klägerin macht zu Recht geltend, daß der ihr zustehende Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) verletzt worden ist.

8

a)

Der Anspruch auf rechtliches Gehör schließt das Recht der Beteiligten ein, sich zu allen Tatsachen zu äußern, auf die das Urteil gestutzt wird. Den Beteiligten muß hinreichend Zeit für eine Äußerung zur Verfügung stehen. Räumt das Gericht einem Beteiligten eine Frist zur Äußerung ein, dann verletzt es grundsätzlich den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es vor Ablauf der Äußerungsfrist entscheidet (BVerfGE 12, 110 [BVerfG 24.01.1961 - 2 BvR 402/60] <113>; 34, 344 <346>; 42, 243 <246 f.>). So liegt es hier.

9

b)

Das Berufungsgericht hat durch den am 25. November 1989 zugestellten Beschluß vom 21. November 1989 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen, ohne den Ablauf der ihr bis zum 27. November 1989 eingeräumten Äußerungsfrist abzuwarten. Diese Äußerungsfrist bezog sich zwar unmittelbar auf die nach Art. 2 § 5 Abs. 1 Satz 1 EntlG in Aussicht genommene Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, schloß aber gleichzeitig auch die Gelegenheit zur Ergänzung des materiellen Berufungsvorbringens ein.

10

c)

Die Klägerin hat weder ausdrücklich noch konkludent erklärt, daß ein weiterer Vortrag nicht erfolgen werde, so daß sich ein Abwarten der Äußerungsfrist nicht erübrigte. Es kann dahingestellt bleiben, ob dem von ihrem Prozeßbevollmächtigten mit dem Berichterstatter am 15. November 1989 geführten Telefongespräch überhaupt eine rechtliche Bedeutung für eine Verkürzung der Äußerungsfrist zukommen kann (vgl. zum fernmündlich erklärten Verzicht auf mündliche Verhandlung BVerwGE 62, 6; Urteil vom 7. November 1980 - BVerwG 1 C 101.76 - Buchholz 401.8 Verwaltungsgebühren Nr. 12; Urteil vom 22. Juni 1982 - BVerwG 2 C 78.81 - Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 13 S. 7). Selbst wenn man davon ausgeht, könnte dies im vorliegenden Fall nicht die vor Ablauf der Äußerungsfrist getroffene Entscheidung des Berufungsgerichts rechtfertigen. Nach einer - insoweit unstreitigen - dienstlichen Äußerung des Berichterstatters hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin bei dem Telefongespräch zwar einem Hinweis des Berichterstatters, daß substantiell Neues nicht mehr vorgetragen werden könne und es ratsam sei, die Entscheidung des Berufungsgerichts abzuwarten, nicht widersprochen. Daraus folgt aber noch nicht ein Verzicht auf weiteren Vortrag im Berufungsverfahren. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin war auch nicht verpflichtet, weiteres Vorbringen ausdrücklich anzukündigen. Dazu war er ohne Rücksprache mit seinem Mandanten, für die ihm eine angemessene Zeit einzuräumen ist (BVerfGE 8, 89 <91>), möglicherweise nicht einmal in der Lage. Es kann daher keine Rede davon sein, daß die im August 1989 vorgenommene Änderung der Satzung und des Beitrittsformulars bereits in dem Telefongespräch am 15. November 1989 hätte erwähnt oder jedenfalls ein Schriftsatz dazu hätte angekündigt werden müssen.

11

d)

Aufgrund der Versagung rechtlichen Gehörs ist die Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 138 Nr. 3 VwGO als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen. Der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe sich nicht innerhalb der Frist bis zum 27. November 1989 schriftsätzlich geäußert, geht deshalb fehl, weil nach Zustellung der Entscheidung an die Klägerin am 25. November 1989 kein Anlaß zu weiterem Vortrag bestand. Der unterbliebene Vortrag der Klägerin lag auch nicht neben der Sache, sondern betraf die für das Berufungsgericht entscheidungserhebliche Frage, ob die bei der Mitgliederwerbung übernommene Verpflichtung zur Zahlung eines Jahresbeitrags eine Spende beinhalte oder nicht. Denn mit der von der Klägerin geltend gemachten und unter Beweis gestellten Einbeziehung des Versicherungsschutzes in die Mitgliedschaftsrechte war die Annahme einer echten Gegenleistung für den gezahlten Mitgliedsbeitrag nicht ausgeschlossen. Es bedarf dazu weiterer tatsächlicher Feststellungen unter Berücksichtigung des bisher nicht gewürdigten Vorbringens der Klägerin. Die Entscheidung des Berufungsgerichts konnte unter diesen Umständen keinen Bestand haben.

12

2.

Eine abschließende Entscheidung in der Sache (§ 144 Abs. 3 Nr. 1 VwGO) zugunsten der Klägerin scheidet aus. Bundesrecht verbietet nicht eine sammlungsrechtliche Erlaubnispflicht für die Aufforderung zu Geldspenden in der Form persönlicher Mitgliederwerbung zugunsten von Vereinigungen.

13

a)

Das Berufungsgericht leitet die Erlaubnispflicht einer Sammlung von Geldspenden durch persönliche Mitgliederwerbung an der Haustür aus Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 des Bayerischen Sammlungsgesetzes - BaySammlG - vom 11. Juli 1963 (GVBl. S. 147), zuletzt geändert durch Gesetz vom 7. September 1982 (GVBl. S. 728), ab. Es hält Art. 5 Abs. 1 BaySammlG, der auch für Sammlungen in der Form der persönlichen Mitgliederwerbung an Stelle der Erlaubnis- lediglich eine Anzeigepflicht vorsieht, hier für nicht anwendbar. Auslegung und Anwendung des Bayerischen Sammlungsgesetzes betreffen nichtrevisibles Landesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Revisibel ist allerdings die Frage, ob die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung und Anwendung des Landesrechts mit Bundesrecht, insbesondere den im Grundgesetz gewährleisteten Grundrechten vereinbar ist.

14

b)

Einer Prüfung bedarf es hierzu nur bezüglich der Erlaubnispflicht, da diese allein den Gegenstand des Rechtsstreits bildet. Nur in diesem Rahmen kommt es auf die von der Revision geäußerten Bedenken gegen das Bayerische Sammlungsgesetz an. Insbesondere sind die gegen den Versagungstatbestand des Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BaySammlG (Häufung von Straßen- oder Haussammlungen in einem Gebiet) aus Art. 9 Abs. 1 GG erhobenen Einwände für die rechtliche Zulässigkeit der Erlaubnispflicht irrelevant, solange andere Versagungstatbestände wie hier insbesondere die in Art. 2 Abs. 1 Nr. 2 (keine Gewähr für ordnungsgemäße Durchführung der Sammlung und Verwendung ihres Ertrages für den Sammlungszweck) und in Nr. 3 (offensichtliches Mißverhältnis zwischen Unkosten und Reinertrag der Sammlung) genannten mit Rücksicht auf das Schutzbedürfnis der um Spenden gebotenen Dritten vor der Verfassung Bestand haben. Zur Rechtmäßigkeit der Erlaubnispflicht kommt es schließlich auch nicht auf das klägerische Vorbringen an, der ... sei zur Deckung der Kosten bei der Erfüllung seiner satzungsmäßigen Zwecke auf die Erteilung einer Erlaubnis angewiesen.

15

c)

Die sammlungsrechtliche Erlaubnispflicht für eine persönliche Mitgliederwerbung steht im Einklang mit der in Art. 9 Abs. 1 GG gewährleisteten Vereinigungsfreiheit, wenn sie sich auf solche Fälle persönlicher Mitgliederwerbung bezieht, die in der Form der Straßen- oder Haussammlung auf die Erbringung von Spenden an eine Vereinigung abzielen.

16

aa)

Die Vereinigungsfreiheit umfaßt das Recht auf Entstehen und Bestehen einer Vereinigung (BVerfGE 13, 174 [BVerfG 18.10.1961 - 1 BvR 730/57] <175>; 80, 244 <253>) einschließlich der autonomen Führung der Vereinsgeschäfte (BVerfGE 50, 290 <354>). Voraussetzung für die Existenz einer Vereinigung ist ihr Mitgliederbestand und damit zusammenhängend auch die Möglichkeit der Gewinnung neuer Mitglieder. Die Mitgliederwerbung wird daher vom Schutz des Art. 9 Abs. 1 GG erfaßt (Scholz in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 9 GG Rn. 82; von Münch, Grundgesetz, 2. Aufl. 1981, Art. 9 Rn. 19 Stichwort: Mitgliederwerbung; ders. in BK, Art. 9 Abs. GG Rn. 47; ebenso für die Mitgliederwerbung von Koalitionen nach Art. 9 Abs. 3 GG: BVerfGE 28, 295 [BVerfG 26.05.1970 - 2 BvR 664/65] <305>; 57, 220 <245 f.>) und zur Gewährleistung eines effektiven Grundrechtsschutzes in ihrem Kernbereich vor staatlichen Eingriffen ebenso geschützt wie Vereinsbestand und Vereinstätigkeit (BVerfGE 30, 227 <241>; 62, 354 <373>; 80, 244 <253>). Unter Würdigung der Bedeutung der Vereinigungsfreiheit und der mit ihr verbundenen Freiheit vor staatlichen Beschränkungen und Kontrollen dürfen Mitgliedschaft, Mitgliedschaftserwerb, aber auch die persönliche Mitgliederwerbung als solche nicht durch einen Erlaubnisvorbehalt behindert werden, selbst wenn der Mitgliedschaftserwerb mit finanziellen Aufwendungen durch die Verpflichtung zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrages verbunden sein mag.

17

bb)

Andererseits gibt Art. 9 Abs. 1 GG den Vereinigungen für ihre Tätigkeit nicht mehr Rechte, als Einzelpersonen zustehen (BVerwGE 10, 199 <201>; vgl. auch BVerfGE 50, 290 <353>; 54, 237 <251>; 70, 1 <25>). Die Sammlung von Spenden durch und für Vereinigungen ist daher den gleichen gesetzlichen Bestimmungen unterworfen wie eine entsprechende Tätigkeit von Einzelpersonen. Das gilt insbesondere auch für die gesetzlich vorgesehene Erlaubnispflicht für Straßen- und Haussammlungen. Der mit Art. 1 BaySammlG angestrebte umfassende Schutz Dritter, die bei einer Sammlung auf der Straße oder an der Haustür einem psychischen Druck der Werber (Sammler) ausgesetzt sind, kann nur vor Durchführung der Sammlung effektiv sein. Ein präventiver Erlaubnisvorbehalt für die Sammlung von Spenden belastet andererseits Vereinigungen wie Einzelpersonen nur geringfügig. Daher ist gegen einen auf die Prüfung sammlungsrechtlicher Aspekte beschränkten Erlaubnisvorbehalt für die in der Form der persönlichen Mitgliederwerbung auf der Straße oder an der Haustür ergehende Aufforderung zur Erbringung von Spenden - auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit - nichts einzuwenden. Er berührt einerseits den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit nur in einem bestimmten Rand- und nicht im Kernbereich und ist andererseits zum Schutz anderer Rechtsgüter, namentlich der Willensfreiheit der von den Werbern angesprochenen Personen und deren Recht, einer Vereinigung fernzubleiben (negative Vereinigungsfreiheit; vgl. BVerfGE 10, 89 [BVerfG 29.07.1959 - 1 BvR 394/58] <102>; 50, 290 <354>), gerechtfertigt.

18

cc)

Freilich muß die von Dritten als Mitgliedsbeitrag erwartete Leistung einer Spende vergleichbar sein, um von dem sammlungsrechtlichen Erlaubnisvorbehalt erfaßt zu werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Verpflichtung zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrages nicht; bereits dann stets als eine zur Erlaubnispflicht führende Spende im Sinne der sammlungsrechtlichen Vorschriften anzusehen ist, wenn dem Mitgliedsbeitrag keine oder nur eine unwesentliche Gegenleistung der Vereinigung an ihre Mitglieder gegenübersteht. Mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlich gewährleistete Vereinigungsfreiheit muß vielmehr dazukommen, daß nach den gesamten Umständen die finanzielle Zuwendung gegenüber der Gewinnung neuer, durch eigene Tätigkeit die Vereinigung bei der Erfüllung etwaiger wohltätiger Zwecke tragender Mitglieder im Vordergrund steht. Denn nur dann kann ein Mitgliedsbeitrag einer vereinsextern für einen wohltätigen Zweck erbrachten Spende gleichgesetzt werden.

19

d)

Die sammlungsrechtliche Erlaubnispflicht nach Art. 1 Abs. 1 BaySammlG verletzt auch nicht andere Vorschriften des Bundesrechts. Sie ist insbesondere mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, da sie eine verhältnismäßige Berufsausübungsregelung zum Schutz der Allgemeinheit darstellt. Die in Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit schließt ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt im Bereich des Sammlungswesens ebenfalls nicht aus (BVerfGE 20, 150 [BVerfG 05.08.1966 - 1 BvF 1/61] <159 ff.>). Zivilrechtliche Vorschriften des Bundesrechts betreffen gegenüber dem dem öffentlichen Recht zuzuordnenden Sammlungsrecht von vornherein einen anderen Regelungsgegenstand. Das Vereinsgesetz schließlich verbietet nur speziell gegen Vereine gerichtete Beschränkungen und läßt die sich aus allgemeinen Gesetzen ergebenden Verpflichtungen für jedermann unberührt (Schnorr, öffentliches Vereinsrecht, 1965, § 1 VereinsG Rn. 8, 23).

20

Nach alledem ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Nr. 2 VwGO unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Berufungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 100.000 DM festgesetzt.

Meyer
Dr. Diefenbach
Dr. Scholz-Hoppe
Gielen
Dr. Kemper