Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 29.09.1987, Az.: BVerwG 4 B 191.87
Ausnahmevorschrift; Analogie; Nutzungsänderung einer Anlage; Privilegierung
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 29.09.1987
- Aktenzeichen
- BVerwG 4 B 191.87
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1987, 12780
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Kassel - 03.11.1986 - AZ: II/3 E 1049/86
- VGH Hessen - 10.07.1987 - AZ: 3 UE 3356/86
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BRS 47, 216 - 217
- DÖV 1988, 381-382
- NVwZ 1988, 357 (Volltext mit amtl. LS)
- NuR 1988, 86
- StädteT 1988, 282
- UPR 1988, 73
Amtlicher Leitsatz
§ 35 Abs. 4 BauGB ist als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Eine analoge Anwendung von Abs. 4 Nr. 1 auf die Nutzungsänderung einer baulichen Anlage, die nicht nach Nrn. 1 bis 3, sondern allenfalls nach Nrn. 4 und 5 des § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert waren, kommt nicht in Betracht.
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 29. September 1987
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Schlichter
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Gaentzsch und Dr. Dr. Berkemann
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Juli 1987 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 33.000 DM festgesetzt.
Gründe
Die Revision kann aus den in der Beschwerdeschrift geltend gemachten Gründen nicht zugelassen werden (§ 132 Abs. 2 und 3 VwGO).
Die Entscheidung des Berufungsgerichts weicht im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht von den in der Beschwerdeschrift genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ab. Die Beschwerde selbst weist zutreffend darauf hin, daß das Bundesverwaltungsgericht in den Entscheidungen vom 31. Mai 1983 - BVerwG 4 C 16.79 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 202 = RdL 1983, 203) und vom 7. Februar 1986 - BVerwG 4 C 30.83 - (Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 230 = RdL 1986, 148) die Frage nicht entschieden hat, ob § 35 Abs. 4 auch auf die Nutzungsänderung von Anlagen anwendbar sei, die nicht nach § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BBauG privilegiert waren. Folglich kann das Berufungsgericht mit der Annahme, § 35 Abs. 4 BBauG sei ebenso wie § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB auf die Nutzungsänderung ehemals nicht gemäß § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3, sondern allenfalls gemäß § 35 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 BBauG (BauGB) privilegierter Vorhaben nicht anwendbar, nicht von den genannten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts abweichen.
Die Rechtssache hat auch nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung. Eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB, der gemäß § 236 Abs. 1 BauGB nunmehr statt des § 35 Abs. 4 BBauG anzuwenden wäre, auf die Nutzungsänderung ehemals gemäß § 35 Abs. 1 Nrn. 4 und 5 BBauG (BauGB) privilegierter Vorhaben kommt nicht in Betracht. § 35 Abs. 4 BauGB ist eine Ausnahmevorschrift und schon deshalb eng auszulegen (s. auch Beschluß des Senats vom 4. September 1987 - BVerwG 4 CB 34.87 - zu § 35 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 BBauG, § 35 Abs. 4 Nr. 3 BauGB). Der Gesetzgeber hat trotz der von der Beschwerde teilweise auch zitierten Stimmen im Schrifttum für eine erweiternde Auslegung des § 35 Abs. 4 BBauG auf die Nutzungsänderung auch ehemals nach den Nrn. 4 und 5 des § 35 Abs. 1 BBauG privilegierter baulicher Anlagen im Baugesetzbuch daran festgehalten, daß die Vergünstigung des § 35 Abs. 4 BauGB nur der Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zugute kommt, die im Sinne des § 35 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BauGB einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb, einem Landwirt zu Wohnzwecken oder einer Landarbeiterstelle gedient haben. Angesichts des eindeutigen Wortlauts und Willens des Gesetzes, die Nutzungsänderung anderer baulicher Anlagen im Außenbereich nicht zu erleichtern, käme eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB, wie sie die Beschwerde für verfassungsrechtlich geboten hält, nur in Betracht, wenn die gesetzlich gewollte Einengung auf Fälle ehemals lanwirtschaftlich genutzter baulicher Anlagen verfassungswidrig wäre. An der Verfassungsgemäßheit dieser Einengung hat der Senat keine Zweifel. Es ist keine sachwidrige Differenzierung, wenn der Gesetzgeber bestimmte Öffentliche Belange, die allgemein das Bauen wie auch die Nutzungsänderung vorhandener baulicher Anlagen im Außenbereich hindern (§ 35 Abs. 2 BauGB), nur gegenüber der Nutzungsänderung solcher baulicher Anlagen nicht gelten läßt, die zulässigerweise im Zusammenhang mit einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder einer Landarbeiterstelle errichtet worden sind und nicht auch der aus einem anderen Grund privilegiert im Außenbereich errichteten baulichen Anlagen. Der Umstand, daß im Zusammenhang mit einem landwirtschaftlichen Betrieb errichtete bauliche Anlagen auf einer - die Privilegierung rechtfertigenden - für Generationen gedachten Planung beruhen (s. Urteil des Senats vom 11. April 1986 - BVerwG 4 C 67.82 - Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 234), dem nunmehr durch den raschen Strukturwandel in der Landwirtschaft der Boden entzogen wird, ist ein sachlicher Grund, der die Begünstigung des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB für den dort bezeichneten engen Kreis landwirtschaftsbezogener baulicher Anlagen im Unterschied zu anderen baulichen Anlagen rechtfertigt, die z.B. im Rahmen eines ortsgebundenen gewerblichen Betriebs oder wegen nachteiliger Wirkungen auf die Umgebung im Außenbereich zulässigerweise errichtet worden sind und die Erleichterung nicht erfahren.
Scheidet eine analoge Anwendung des § 35 Abs. 4 Nr. 1 BauGB auf die Nutzungsänderung ehemals nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 oder 5 BBauG (BauGB) privilegierter baulicher Anlagen aus, dann stellt sich auch nicht die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Frage, ob als Voraussetzung für die analoge Anwendung eine Privilegierung dieser Anlage nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BBauG (BauGB) materiellrechtlich vorgelegen haben muß oder ob es genügt, daß die Anlage in Anwendung dieser Vorschrift bauaufsichtlich genehmigt worden ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf 33.000 DM festgesetzt.
[D]ie [Entscheidung]über den Streitwert [beruht] auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Dr. Gaentzsch
Dr. Dr. Berkemann