Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 06.04.1984, Az.: BVerwG 6 P 12.82
Zustimmung eines Personalrates zu einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung; Umsetzung eines Beamten
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 06.04.1984
- Aktenzeichen
- BVerwG 6 P 12.82
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1984, 15838
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OVG Niedersachsen - 29.01.1982 - AZ: P OVG L 2/80 (Nds)
Rechtsgrundlagen
Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat
am 6. April 1984
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Gützkow und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Schinkel, Nettesheim, Ernst und Dr. Seibert
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Oberverwaltungsgerichts für die Länder Niedersachsen und Schleswig-Holstein - Fachsenat für Personalvertretungssachen des Landes Niedersachsen - vom 29. Januar 1982 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In den Monaten September und Oktober 1978 setzte der Oberstadtdirektor der Stadt W., der Beteiligte zu 1), zwei bis dahin im Stadtkrankenhaus, einer personalvertretungsrechtlich verselbständigten Dienststelle, verwendete Beamte mit deren Einverständnis in die Stammdienststelle der Stadtverwaltung und einen Beamten von dort zum Stadtkrankenhaus um. Dies gab er dem bei der Stadtverwaltung W. gebildeten Gesamtpersonalrat, dem Antragsteller, lediglich zur Kenntnis, weil er die Umsetzungen nicht als mitbestimmungspflichtige Versetzungen im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 4 Nds. PersVG ansah. Der Antragsteller hält die Umsetzungen demgegenüber für mitbestimmungspflichtige Versetzungen und versagte vorsorglich seine Zustimmung.
Der Antragsteller vermochte den Beteiligten zu 1) nicht von der Richtigkeit seiner Rechtsauffassung zu überzeugen und hat deswegen das personalvertretungsrechtliche Beschlußverfahren eingeleitet. Er ist der Auffassung, der personalvertretungsrechtliche Gehalt von Begriffen, die aus dem öffentlichen Dienstrecht übernommen seien, stimme nicht mit deren dienstrechtlicher Bedeutung überein. Er müsse vielmehr durch Auslegung ermittelt werden, wobei davon auszugehen sei, daß der Gesetzgeber dem Personalrat ein möglichst umfassendes Mitbestimmungsrecht in sozialen und personellen Angelegenheiten habe einräumen wollen. Geschehe das, dann müsse die Umsetzung zu oder von einer personalvertretungsrechtlich verselbständigten Dienststelle als Versetzung im Sinne des Personalvertretungsrechts behandelt werden. Der Antragsteller hat die Feststellung begehrt, daß die ohne seine Zustimmung vorgenommene Umsetzung der drei Beamten sein Mitbestimmungsrecht verletze.
Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) hat das Beschwerdegericht den Antrag abgelehnt, im wesentlichen aus folgenden Gründen:
Dem Antragsteller habe das von ihm beanspruchte Mitbestimmungsrecht nicht zugestanden, weil es sich bei den den Gegenstand des Verfahrens bildenden Maßnahmen nicht um Versetzungen im Sinne von § 78 Nds. PersVG gehandelt habe. Als Versetzung sei im beamtenrechtlichen Sinne des Begriffes die Übertragung eines anderen Dienstpostens bei einer anderen Behörde desselben oder eines anderen Dienstherrn anzusehen. Im Bereich des Personalvertretungsrechts trete an die Stelle des Behördenwechsels der Dienststellenwechsel, wobei als Dienststelle im Sinne des Personalvertretungsrechts nur eine nach Organisation und Aufgabenbereich selbständige Verwaltungseinheit anzusehen sei. Die Umsetzung zwischen organisatorisch unselbständigen, lediglich personalvertretungsrechtlich verselbständigten Teilen einer Dienststelle erfülle diese Anforderungen nicht. Nach dem Sinn und Zweck des § 6 Abs. 3 Nds. PersVG entfalte die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung von Dienststellen Rechtswirkungen nur im Bereich der Personalvertretungen. Die Organisation der Dienststelle und den Inhalt der an sie anknüpfenden Begriffe des Personalvertretungsgesetzes lasse sie unberührt. Insbesondere bleibe sie ohne Auswirkung auf die Abgrenzung der mitbestimmungspflichtigen Tatbestände. Die gegenteilige Auffassung würde dazu führen, daß Umsetzungen im dienstrechtlichen Sinne in weiterem Umfang in die Mitbestimmung einbezogen würden als nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz, obwohl sie nach niedersächsischem Personal Vertretungsrecht nicht mitbestimmungspflichtig seien.
Gegen diesen Beschluß richtet sich die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Antragstellers, mit der er an seiner Rechtsauffassung festhält, eine Umsetzung von und zu personalvertretungsrechtlich verselbständigten Dienststellenteilen sei als Versetzung im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 4 Nds. PersVG anzusehen.
Der Beteiligte zu 1) tritt der Rechtsbeschwerde entgegen und verteidigt den angefochtenen Beschluß.
Die bei der Hauptverwaltung der Stadt W. und bei deren Stadtkrankenhaus gebildeten Personalräte, die Beteiligten zu 2) und 3), haben sich zu der Rechtsbeschwerde nicht geäußert.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht hat das vom Antragsteller in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht ohne Rechtsfehler verneint.
Nach § 78 Abs. 1 Nr. 4 des Personalvertretungsgesetzes für das Land Niedersachsen i.d.F. vom 3. November 1980 (GVBl. S. 400) - Nds. PersVG -, auf den sich das Begehren des Antragstellers allein stützen kann, bestimmt der Personalrat bei der "Versetzung" von Beamten mit. Zum Inhalt des Begriffes "Versetzung" im Personalvertretungsrecht hat der Senat im Beschluß vom 22. März 1984 - BVerwG 6 P 26.82 - ausgeführt:
"Was unter dem Begriff 'Versetzung' zu verstehen ist, bestimmt das niedersächsische Personalvertretungsgesetz weder in dieser Vorschrift noch an anderer Stelle. Dessen bedurfte es jedoch auch nicht; denn § 78 Nds. PersVGübernimmt - ebenso wie das Bundespersonalvertretungsgesetz und die übrigen Landespersonalvertretungsgesetze - die Begriffe, die die einzelnen, in der Vorschrift geregelten Mitbestimmungstatbestände bezeichnen, aus dem Beamtenrecht, soweit er die Mitbestimmungsbefugnis in Personalangelegenheiten der Beamten festlegt, und aus dem Tarifrecht, soweit er die entsprechenden Befugnisse in Personalangelegenheiten der Angestellten und Arbeiter bestimmt. Die Ansicht der Rechtsbeschwerde, im Personalvertretungsrecht sei eine abweichende Sinngebung dieser Begriffe geboten, verkennt den Gegenstand der Mitbestimmung der Personalvertretung in Personalangelegenheiten. Die Vorschriften, welche die Mitbestimmung in diesen Angelegenheiten regeln, sollen der Personalvertretung nämlich nicht unabhängig von dem für das Beschäftigungsverhältnis des einzelnen Bediensteten maßgebenden Statusrecht eine möglichst weitreichende Beteiligung an Maßnahmen des Dienststellenleiters ermöglichen, die sich irgendwie auf einen Beschäftigten auswirken; sie sollen vielmehr nur festlegen, an welchen das konkrete Beschäftigungsverhältnis eines Bediensteten betreffenden, nach den für dieses Beschäftigungsverhältnis maßgebenden Vorschriften zulässigen Maßnahmen die Personalvertretung mitzubestimmen hat. Welche derartigen Maßnahmen unter die vom Personal Vertretungsrecht aus dem Beamten- oder Tarifrecht übernommenen Begriffe unterzuordnen sind, ist daher in erster Linie in Bestimmungen des jeweils in Betracht kommenden Statusrechts und deren Auslegung in Rechtsprechung und Rechtspraxis zu entnehmen. Allerdings hat der Senat wiederholt betont, daß die Begriffsbestimmungen und -inhalte des Beamten- und Tarifrechts für das Personalvertretungsrecht nicht abschließend verbindlich sind, sondern daß anhand des vom Gesetzgeber mit der Beteiligung des Personalrats an personellen Angelegenheiten verfolgten Zwecks ermittelt werden muß, ob der personalvertretungsrechtliche Gehalt dieser Begriffe über ihren dienstrechtlichen hinausgeht (BVerwGE 50, 186 lt;191gt; m.w.Nachw.). Das danach mögliche Auseinanderfallen von dienst- und personalvertretungsrechtlicher Bedeutung eines mit dem gleichen Begriff bezeichneten Tatbestandsmerkmals darf aber nicht dazu führen, daß der verwendete Begriff im Personal Vertretungsrecht seine Bezeichnungsgenauigkeit und damit seine Aussagekraft als gesetzliches Tatbestandsmerkmal verliert. Das wäre der Fall, wenn ein solcher Begriff im Personal Vertretungsrecht auf Sachverhalte angewendet würde, denen ein oder mehrere wesentliche Elemente ihres dienstrechtlichen Begriffsinhalts fehlen.
Hiervon ausgehend kann die Umsetzung des S. innerhalb der Universität H. personalvertretungsrechtlich nicht als Versetzung im Sinne des § 78 Abs. 2 Nr. 4 Nds. PersVG angesehen werden. Denn das wesentliche Merkmal einer Versetzung ist sowohl im Beamtenrecht als auch nach dem für das Angestelltenverhältnis des F. maßgebenden Bundesangestelltentarifvertrag der Wechsel der Dienststelle. ...
Aus der Besonderheit, daß § 78 Abs. 2 Nds. PersVG - anders als § 75 Abs. 1 Nr. 3, § 76 Abs. 1 Nr. 4 BPersVG und die Mehrzahl der entsprechenden Bestimmungen der übrigen Landespersonalvertretungsgesetze - die 'Umsetzung' nicht unter den mitbestimmungspflichtigen Tatbeständen nennt, ergibt sich nichts anderes. Insbesondere kann nicht daraus, daß die Vorschrift den Begriff 'Versetzung' ohne den im Bundespersonalvertretungsgesetz enthaltenen Zusatz 'zu einer anderen Dienststelle' verwendet, geschlossen werden, er umfasse auch die 'Umsetzung' innerhalb der Dienststelle."
Für die Beurteilung, ob die Beamten, die der Beteiligte zu 1) vom Stadtkrankenhaus zur Stammdienststelle der Stadtverwaltung umgesetzt hat, im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 4 Nds. PersVG "versetzt" worden sind, kommt es sonach entscheidend darauf an, ob der Wechsel eines Beschäftigten von einer Nebenstelle oder einem Dienststellenteil, der gemäß § 6 Abs. 3 Nds. PersVG personalvertretungsrechtlich verselbständigt worden ist, zur Stammdienststelle oder umgekehrt als Dienststellenwechsel im Sinne des für ihn maßgebenden Statusrechts anzusehen ist. Das hat das Beschwerdegericht mit Recht verneint.
Die personalvertretungsrechtliche Verselbständigung einer Nebenstelle oder eines Dienststellenteils hat ausschließlich Bedeutung für den Aufbau der Personalvertretung; sie hat zur alleinigen Folge, daß für die verselbständigte Teileinheit der Dienststelle alle personalvertretungsrechtlichen Einrichtungen gesondert zu bilden sind. Dies geschieht, um die für ein sachgerechtes Wirken der Personalvertretung erforderliche Nähe von Personalrat und vertretenen Beschäftigten zu schaffen. Eine Erweiterung der sachlichen Beteiligungsbefugnisse der Personalvertretung soll und kann damit nicht erreicht werden. Sie werden durch das Personalvertretungsgesetz bindend festgelegt und inhaltlich abschließend bestimmt. Daher verbietet es sich, die gesetzlich festgelegten Grenzen der Mitbestimmung der Personalvertretung in Personalangelegenheiten dadurch zu überschreiten, daß die zuständige Personalvertretung aus der - der Entschließung der Mehrheit der wahlberechtigten Beschäftigten überlassenen (§ 6 Abs. 3 Nds. PersVG) - "Vervielfältigung" einer verwaltungsorganisatorisch einheitlichen Dienststelle durch personalvertretungsrechtliche Verselbständigungsbeschlüsse den Anspruch herleitet, an jedem Wechsel eines Beschäftigten zwischen einzelnen dieser "Dienststellen" als an einer "Versetzung" im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 4 Nds. PersVG mitzubestimmen. Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht stets betont, daß der verwaltungsorganisatorische Aufbau der Dienststelle und die Befugnisse ihres Leiters von der personalvertretungsrechtlichen Verselbständigung einzelner Nebenstellen oder Dienststellenteile unberührt bleiben (BVerwGE 12, 194 <195>[BVerwG 14.04.1961 - VII P 4/60]; 14, 287 <288>[BVerwG 22.06.1962 - VII P 8/61]). Damit aber bleibt sie auch ohne Einfluß auf das Beschäftigungsverhältnis des einzelnen Bediensteten. Ob er im Sinne des § 78 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 4 Nds. PersVG "versetzt" wird, beurteilt sich mithin nach den Grundsätzen, die der Senat in dem oben wiedergegebenen Beschluß vom 22. März 1984 entwickelt hat, auf der Grundlage des auf sein Beschäftigungsverhältnis anzuwendenden Statusrechts und nach Maßgabe des verwaltungsorganisatorischen Aufbaus der Dienststelle, der er angehört.
Aus alledem folgt, daß dem Antragsteller die von ihm in Anspruch genommene Befugnis, bei der Umsetzung von Beamten zwischen dem Stadtkrankenhaus und der Stammdienststelle der Stadtverwaltung in W. mitzubestimmen, nicht zusteht.
Dr. Schinkel
Nettesheim
Ernst
Dr. Seibert