Bundessozialgericht
Beschl. v. 10.02.2025, Az.: B 8 SO 10/24 B
Bestimmung der Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen); Berücksichtigung einer zugeflossenen Zuwendung aus einem US-amerikanischen Konjunkturpaket ("American Rescue Plan of 2021") als Einkommen; Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde
Bibliographie
- Gericht
- BSG
- Datum
- 10.02.2025
- Aktenzeichen
- B 8 SO 10/24 B
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2025, 11795
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:BSG:2025:100225BB8SO1024B0
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 07.06.2022 - AZ: S 81 SO 440/21
- LSG Niedersachsen-Bremen - 18.04.2024 - AZ: L 8 SO 69/22
Rechtsgrundlagen
Redaktioneller Leitsatz
Soweit lediglich die Frage aufgeworfen wird, "wie eine Einmalzahlung einer US-amerikanischen Coronahilfe sozialrechtlich einzustufen ist, insbesondere ob diese zulasten des Empfängers als 'Einkommen' zu werten und auf Sozialleistungen nach dem SGB XII anzurechnen ist", fehlt es angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung an ausreichenden Darlegungen zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit dieser Frage.
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 10. Februar 2025 durch die Vorsitzende Richterin Krauß sowie die Richter Prof. Dr. Luik und Stäbler
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. April 2024 wird als unzulässig verworfen.
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem bezeichneten Urteil Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt P, H, beizuordnen, wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für den Zeitraum von August bis November 2021. Die Klägerin wendet sich gegen die Berücksichtigung einer im Mai 2021 zugeflossenen Zuwendung aus einem US-amerikanischen Konjunkturpaket ("American Rescue Plan of 2021") als Einkommen.
Die 1940 geborene Klägerin bezieht eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund und eine US-amerikanische Rente. Zudem erhält sie von der Beklagten ergänzend Grundsicherungsleistungen. Im Mai 2021 erhielt die Klägerin von der US-amerikanischen Regierung aus dem Konjunkturpaket "American Rescue Plan" (US-Corona-Soforthilfe) einen Scheck über 1400 US-Dollar, den sie gegen eine Bearbeitungsgebühr und eine Gutschrift in Euro einlöste. Die Beklagte bewilligte ua für die Zeit von August bis November 2021 zunächst vorläufig und im Laufe des Klageverfahrens endgültig Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung dieser US-Corona-Soforthilfe als Einkommen (Bescheide der herangezogenen Landeshauptstadt Hannover vom 8.7.2021 und 17.8.2021 in Gestalt des Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 15.11.2021; Bescheid vom 13.1.2022). Die auf höhere Leistungen ohne Berücksichtigung der US-Corona-Soforthilfe gerichtete Klage ist erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts <SG> Hannover vom 7.6.2022; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Niedersachsen-Bremen vom 18.4.2024). Das LSG hat ua ausgeführt, die US-Corona-Soforthilfe sei gemäß § 82 SGB XII in voller Höhe als Einkommen zu berücksichtigen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht. Zugleich beantragt sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht in der erforderlichen Weise dargelegt worden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Frage formuliert, ihre abstrakte Klärungsbedürftigkeit, ihre konkrete Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf auch des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG vom 2.3.1976 - 12/11 BA 116/75 - SozR 1500 § 160 Nr 17; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 148 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13; BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39; BSG vom 9.10.1986 - 5b BJ 174/86 - SozR 1500 § 160a Nr 59; BSG vom 22.7.1988 - 7 BAr 104/87 - SozR 1500 § 160a Nr 65). Diesen Darlegungserfordernissen genügt das Vorbringen der Klägerin nicht.
Soweit die Klägerin die Frage aufwirft, "wie eine Einmalzahlung einer US-amerikanischen Corona Hilfe sozialrechtlich einzustufen ist, insbesondere ob diese zulasten des Empfängers als 'Einkommen' zu werten und auf Sozialleistungen nach dem SGB XII anzurechnen ist", ist schon fraglich, ob damit überhaupt eine Rechtsfrage ausreichend konkret formuliert ist. Jedenfalls fehlt es angesichts der bereits vorliegenden Rechtsprechung an ausreichenden Darlegungen zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit dieser Frage. Die Klägerin behauptet zwar, es bestehe keine gesetzliche Grundlage für die Einstufung einer ausländischen Sonderzahlung als Einkommen, ohne sich aber mit der Rechtsprechung des BSG zum Einkommensbegriff und insbesondere zur Qualifizierung auch von ausländischen Zahlungen als zu berücksichtigendes Einkommen auseinanderzusetzen (vgl zum Einkommensbegriff allgemein zuletzt BSG vom 8.12.2022 - B 8 SO 4/21 R - BSGE 135, 189 = SozR 4-3500 § 43 Nr 5, RdNr 15 mwN; zur Berücksichtigung ausländischer Einnahmen im Anwendungsbereich des § 11 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - <SGB II> bereits BSG vom 5.9.2007 - B 11b AS 49/06 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 7 RdNr 22 und im Anschluss zur Berücksichtigung solcher Einnahmen im Anwendungsbereich des § 82 SGB XIIBSG vom 30.6.2016 - B 8 SO 3/15 R - BSGE 121, 283 = SozR 4-3500 § 82 Nr 11, RdNr 22 ff). Soweit sie ferner ausführt, es habe sich bei der Zahlung um einen Ausgleich in einer Sondersituation gehandelt, sodass die Zahlung für den Betroffenen anrechnungsfrei zu bleiben habe, macht sie der Sache nach Härtegesichtspunkte geltend. Dabei setzt sie sich aber nicht mit der Rechtsprechung des Senats auseinander, wonach § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII die Funktion einer allgemeine Härteklausel zukommt, die auch bei ausländischen Einnahmen zur Anwendung kommen kann (vgl BSG vom 30.6.2016 - B 8 SO 3/15 R - BSGE 121, 283 = SozR 4-3500 § 82 Nr 11, RdNr 23; BSG vom 9.6.2011 - B 8 SO 20/09 R - BSGE 108, 241 = SozR 4-3500 § 82 Nr 8, RdNr 24-25). Weshalb es im Anschluss an diese Entscheidungen einer Fortentwicklung im Grundsätzlichen durch das BSG bedürfen sollte, führt die Klägerin nicht aus.
Zudem fehlt es an genügenden Ausführungen zur Breitenwirkung bei einem Sachverhalt, der soweit ersichtlich einen Einzelfall betrifft. Die Klägerin behauptet nur, dass noch mehrere gleichartige Streitfälle anhängig sind bzw die zu klärenden Fragen nachwirken und deshalb ausnahmsweise auch nach dem Abschluss des genannten Konjunkturpakets weiterhin Klärungsbedürftigkeit besteht; nähere Ausführungen fehlen aber (vgl dazu nur BSG vom 17.8.2012 - B 11 AL 40/12 B - RdNr 5; BSG vom 8.7.2021 - B 8 SO 97/20 B - RdNr 6). Allein darauf, dass künftig ähnliche Sachverhaltskonstellationen eintreten könnten, kann eine Grundsatzrevision nicht gestützt werden.
Aus den dargelegten Gründen kann der Klägerin auch PKH nicht bewilligt werden. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG i.V.m. § 121 Abs 1 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.