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Bundessozialgericht
Beschl. v. 26.03.2024, Az.: B 2 U 8/24 B
Nichtzulassung der Revision in einem Verfahren wegen der Gewährung von Hinterbliebenenleistungen; Fehlende Klärungsbedürftigkeit aufgeworfener Fragen
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 26.03.2024
Referenz: JurionRS 2024, 13408
Aktenzeichen: B 2 U 8/24 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2024:260324BB2U824B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

SG Stuttgart - 17.02.2023 - AZ: S 10 U 1818/22

LSG Baden-Württemberg - 14.12.2023 - AZ: L 6 U 1484/23

BSG, 26.03.2024 - B 2 U 8/24 B

Redaktioneller Leitsatz:

Allein die Infragestellung des Ergebnisses der tatgerichtlichen Beweiswürdigung führt nicht zur Zulassung der Revision.

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 26. März 2024 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Roos sowie die Richterin Dr. Karl und den Richter Dr. Wahl
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. Dezember 2023 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Die Beteiligten streiten in dem der Beschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob der Klägerin Hinterbliebenenleistungen zu gewähren sind.

2

Das SG hat die ablehnenden Entscheidungen der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Witwenrente und Sterbegeld zu gewähren sowie die Kosten der Überführung an den Ort der Bestattung zu erstatten (Urteil vom 17.2.2023). Das LSG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 14.12.2023).

3

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG rügt die Klägerin eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.

II

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht ordnungsgemäß dargelegt worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

5

1. Die Klägerin wendet sich im Rahmen ihres Vorbringens zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zunächst gegen die die Berufungsentscheidung eigenständig tragende Bewertung des LSG, wonach dieses sich nicht davon habe überzeugen können, dass sich der verstorbene Ehemann der Klägerin auf einem Weg zu einem Geschäftsessen befunden habe. Diese Bewertung ist, wie die Klägerin auch selbst ausführt, das Ergebnis der Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, die als solche nicht mit der Verfahrensrüge angegriffen werden kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 i.V.m. § 128 Abs 1 Satz 1 SGG). Der Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) beinhaltet sowohl die Befugnis als auch die Pflicht des Tatsachengerichts, nachdem der Sachverhalt vollständig und abschließend ermittelt ist, das Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der erhobenen Beweise frei nach der inneren Überzeugungskraft der jeweiligen Beweismittel und des Beteiligtenvortrages unter Abwägung aller Umstände darauf zu würdigen, ob die maßgebenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bzw im Falle geringerer Anforderungen im Maße des jeweiligen Überzeugungsgrades feststehen. Mit ihrem Vortrag, dass man von einem bestimmten Geschehensablauf bereits aufgrund weniger tatsächlicher Anhaltspunkte ausgehen könne, stellt die Klägerin daher das Ergebnis einer Beweiswürdigung aus ihrer Sicht dar, was nicht zur Zulassung der Revision führen kann. Zugleich rügt die Klägerin damit die Richtigkeit der Entscheidung der Vorinstanz. Dies geht indes über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Rüge eines bloßen Rechtsanwendungsfehlers nicht hinaus (vgl BSG Beschlüsse vom 11.1.2024 - B 2 U 17/23 B - juris RdNr 13 mwN, vom 6.11.2023 - B 2 U 14/23 B - juris RdNr 15 mwN, vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4 und vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10 = juris RdNr 2). Einen der Nichtzulassungsbeschwerde zugänglichen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hat die Klägerin demgegenüber nicht geltend gemacht. Ein solcher wäre auf Grundlage des geschilderten Verfahrensablaufes unabhängig davon auch nicht ersichtlich. In der Folge hat das BSG im Beschwerdeverfahren von dem Ergebnis der Beweiswürdigung des LSG, dass die Fahrt des Ehemanns der Klägerin nicht auf ein Treffen im Rahmen eines Geschäftsessens gerichtet war, auszugehen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 i.V.m. § 128 Abs 1 Satz 1 SGG; s dazu 2.).

6

2. Die Klägerin legt mit ihrem weiteren Vorbringen die gerügte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dar (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Beschwerdeführer müssen daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Beschwerdeführer müssen mithin, um ihrer Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit, also Entscheidungserheblichkeit, sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihnen angestrebten Entscheidung, sog Breitenwirkung, darlegen (stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 11.1.2024 - B 2 U 17/23 B - juris RdNr 4, vom 24.5.2023 - B 2 U 81/22 B - juris RdNr 5 und vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5, jeweils mwN).

7

Die Beschwerdebegründung bezeichnet insgesamt noch hinreichend eine Rechtsfrage. Dem Vorbringen ist zu entnehmen, dass die Klägerin eine Verletzung von § 8 SGB VII als revisible Norm des materiellen Bundesrechts (§ 162 SGG) rügt. Die Klägerin hält es für grundsätzlich bedeutsam, ob

"bei dem Versuch das unvorhergesehene Abrollen des Fahrzeugs und damit weitere Schäden zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass mit dem Fahrzeug der ursprünglich versicherte Weg fortgesetzt werden kann, Versicherungsschutz besteht."

8

Indes erfüllt das Vorbringen im Weiteren nicht die Anforderungen an die Darlegung einer Grundsatzrüge. So enthält die Beschwerdebegründung keinen hinreichenden Vortrag zur Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der benannten Frage. Dem Darlegungserfordernis der Klärungsbedürftigkeit genügt insbesondere trotz Benennung einer konkreten Entscheidung (BSG Urteil vom 28.2.1962 - 2 RU 178/60 - BSGE 16, 245 = SozR Nr 36 zu § 543 RVO) die bloße Behauptung nicht, das BSG habe sich mit der Frage noch nicht befasst (vgl zu den Anforderungen zB BSG Beschlüsse vom 6.11.2023 - B 2 U 14/23 B - juris RdNr 9 mwN und vom 10.5.2023 - B 2 U 123/22 B - juris RdNr 5 mwN). Auch lässt allein die Tatsache, dass ein anderer Senat des LSG im Parallelverfahren (anh B 2 U 18/23 R) eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache angenommen und deswegen die Revision zugelassen hat, die Darlegungsanforderungen an eine Klärungsbedürftigkeit jedenfalls nicht vollends entfallen.

9

Unabhängig davon legt die Beschwerdebegründung jedenfalls die (konkrete) Klärungsfähigkeit der Frage nicht dar, dh ihre Entscheidungserheblichkeit in dem Sinne, dass ihre Klärung im Revisionsverfahren erwartet werden kann. Denn nur unter dieser Voraussetzung ist die angestrebte Entscheidung geeignet, in künftigen Revisionsverfahren die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern oder die Fortbildung des Rechts zu fördern. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt werden, dass es für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt (zB BSG Beschlüsse vom 24.5.2023 - B 2 U 77/22 B - juris RdNr 11, vom 15.8.2022 - B 2 U 147/21 B - juris RdNr 11, vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 und vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48 = juris RdNr 4, jeweils mwN).

10

Hierzu ist auch darzulegen, dass das LSG die im Fragetext genannten Tatsachen für das BSG bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl zB BSG Beschlüsse vom 9.2.2023 - B 2 U 24/22 B - juris RdNr 9 mwN und vom 15.8.2022 - B 2 U 147/21 B - juris RdNr 11 mwN). Hiermit setzt sich die Beschwerdebegründung indes nicht auseinander. Dies steht hier insbesondere deswegen einer Zulässigkeit der Beschwerde entgegen, weil das LSG konträr zu dem im Fragetext aufgeführten "versicherten Weg" zu der Bewertung gelangt ist, dass der Ehemann der Klägerin zu keinem Zeitpunkt der gegenständlichen Fahrt eine versicherte Tätigkeit ausgeübt und sich damit weder insgesamt noch im Anschluss an eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit nach Verlassen des öffentlichen Verkehrsraums auf einem "versicherten Weg" befunden hat. An diese Beweiswürdigung ist das Beschwerdegericht im Rahmen seiner Zulassungsentscheidung gebunden. Wird wie hier eine Entscheidung des LSG auf mehrere voneinander unabhängige Begründungsstränge gestützt, die jeder für sich genommen die Entscheidung tragen, muss mit der Beschwerdebegründung für jeden Begründungsstrang des LSG mindestens ein Zulassungsgrund formgerecht gerügt werden (stRspr; zB BSG Beschlüsse vom 30.8.2004 - B 2 U 401/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 3 mwN, vom 18.6.2002 - B 2 U 34/01 R - SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22 = juris RdNr 15, vom 16.2.2017 - B 9 V 73/16 B - juris RdNr 6, vom 23.8.2011 - B 14 AS 47/11 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 21 RdNr 17 mwN und vom 24.9.1980 - 11 BLw 4/80 - SozR 1500 § 160a Nr 38 S 55 = juris RdNr 3, jeweils mwN; B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 160a RdNr 13f mwN; Karmanski in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 160a RdNr 75 mwN; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 160a RdNr 81, Stand 17.11.2023).

11

Daran fehlt es hier, weil die Feststellungen des LSG bzgl der selbständig tragenden Begründung, es habe zu keinem Zeitpunkt eine versicherte Tätigkeit vorgelegen, nicht mit zulässigen Verfahrensrügen angegriffen worden sind (dazu 1.). Diese Bindung entfällt auch nicht deswegen, weil ein anderer Senat des LSG in einem Verfahren eines weiteren Hinterbliebenen zu einer anderen Bewertung und einer im Grundsatz versicherten Fahrt zu einem Geschäftsessen gelangt ist. Denn maßgeblich ist stets das jeweilige Verfahren.

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3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

13

4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).

14

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

Roos

Wahl

Karl

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