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Bundessozialgericht
Beschl. v. 13.11.2023, Az.: B 7 AS 23/23 B
Beschwerde gegen den Bescheid zur Erstattung von Leistungen
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.11.2023
Referenz: JurionRS 2023, 48342
Aktenzeichen: B 7 AS 23/23 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2023:131123BB7AS2323B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

SG Hamburg - 08.09.2022 - AZ: S 22 AS 2089/18

LSG Hamburg - 26.01.2023 - AZ: L 4 AS 209/22 D

Rechtsgrundlage:

§ 41a Abs. 6 SGB II

BSG, 13.11.2023 - B 7 AS 23/23 B

Redaktioneller Leitsatz:

Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit der gerichtlichen Entscheidung kann die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen.

Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat am 13. November 2023 durch
die Vorsitzende Richterin S. Knickrehm sowie die Richterinnen
Siefert und Neumann
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 26. Januar 2023 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

2

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

3

Der Kläger formuliert folgende Rechtsfragen:

"1. Handelt es sich um den bloßen Austausch der Rechtsgrundlage und nicht um eine Umdeutung (Konversion), wenn eine Erstattungsforderung zunächst auf § 41a Abs 6 SGB II und erst im Widerspruchsbescheid auf §§ 40 Abs 1 S 1 SGB II, § 50 Abs 1, Abs 3 SGB X gestützt wird und wenn die Rechtsgrundlage im Verfügungssatz des Ausgangsbescheides in einem Klammerzusatz genannt wurde?"

"2. Gilt für einen Erstattungsbescheid nach § 50 SGB X bei der Form nach getrennt voneinander erlassenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden, die wechselseitig aufeinander bezogen sind (rechtliche Einheit), das Recht zum Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides, wenn sich zwischen dem Zeitpunkt des Erlasses des Aufhebungsbescheides und dem Zeitpunkt des Erlasses des Erstattungsbescheides die Erstattungsvorschriften ändern?"

4

Die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Fragen in einem angestrebten Revisionsverfahren, in dem die Rechtmäßigkeit der Erstattung von Leistungen für November und Dezember 2014 in Höhe von 1200 Euro (Bescheid vom 9.5.2017) im Streit steht, hat der Kläger jedoch nicht hinreichend dargelegt. Dem Kläger waren, nachdem mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.12.2014 zunächst ab 1.10.2014 bewilligte Leistungen für November und Dezember 2014 auf Grundlage der §§ 48 SGB X, 40 SGB II, 330 SGB III aufgehoben worden waren, mit Bescheid vom 23.12.2014 vorläufig Leistungen für November 2014 bis April 2015 bewilligt worden. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 9.5.2017 erfolgte die abschließende Festsetzung von Leistungen in geringerer Höhe als vorläufig bewilligt für November 2014 bis Februar 2015. Mit Erstattungsbescheid ebenfalls vom 9.5.2017, gestützt auf § 41a Abs 6 SGB II, verlangte das beklagte Jobcenter 1200 Euro erstattet; im Widerspruchsbescheid (vom 23.5.2018) gab der Beklagte als Rechtsgrundlage für die Aufhebung und Erstattung § 48 Abs 1 Satz 1, Satz 2 Nr 3 SGB X, § 50 SGB X an.

5

Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Über die aufgeworfene Rechtsfrage müsste das Revisionsgericht also - in Ergänzung zur abstrakten Klärungsfähigkeit - konkret-individuell sachlich entscheiden müssen (BSG vom 25.6.1980 - 1 BA 23/80 - SozR 1500 § 160 Nr 39 und BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31). Dies erfordert es, dass der Beschwerdeführer den nach seiner Auffassung vom Revisionsgericht einzuschlagenden Weg der Nachprüfung des angefochtenen Urteils und damit insbesondere den Schritt darlegt, der die Entscheidung der als grundsätzlich bezeichneten Rechtsfrage notwendig macht (BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31).

6

Soweit der Kläger mit Frage 1 geklärt wissen möchte, ob es sich bei der Angabe einer Rechtsgrundlage im Klammerzusatz eines Verfügungssatzes und einer späteren Ersetzung durch eine andere Rechtsgrundlage um einen Fall einer Umdeutung oder des Auswechselns der Rechtsgrundlage im Sinne des Nachschiebens von Gründen handelt, ist bereits fraglich, ob es sich überhaupt um eine abstrakt klärungsfähige Rechtsfrage oder nicht vielmehr nur um Fragen der Auslegung eines Verwaltungsakts im konkreten Einzelfall handelt. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Denn es fehlt jedenfalls an einer ordnungsgemäßen Darlegung der Klärungsfähigkeit der von ihm aufgeworfenen Frage. Der Kläger hat zwar zur Begründung der Klärungsfähigkeit ua vorgetragen, es verbleibe nach der Klärung, wie der Verfügungssatz auszulegen sei, eine grundsätzliche Rechtsfrage zum Verhältnis und Regelungsinhalt der beiden Ermächtigungsnormen § 41a Abs 6 SGB II und § 50 Abs 1 und 3 SGB X. § 41a Abs 6 SGB II habe die Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen zum Regelungsgegenstand, während § 50 Abs 1 und 3 SGB X die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen zum Gegenstand habe.

7

Damit ist aber eine Klärungsfähigkeit im og Sinne nicht dargelegt. Beide Normen zielen auch nach dem Vortrag des Klägers auf die gleiche Rechtsfolge, nämlich die Erstattung von Leistungen, ab. Vor diesem Hintergrund erschließt sich eine verbleibende grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage nicht. Soweit der Kläger - zumindest im Rahmen der Wiedergabe des Sachverhalts im Rahmen der Beschwerdebegründung - den Bescheid vom 22.12.2014 aufführt, setzt er sich in der Beschwerdebegründung weder mit dessen Bestandskraft noch dem Umstand auseinander, dass mit Bescheid vom 23.12.2014 für die Zeit ab 1.11.2014 (erneut) Leistungen bewilligt worden sind, wenn auch nur unter dem Vorbehalt der Vorläufigkeit. Woraus sich in dieser Konstellation ein Erstattungsbegehren des Beklagten, gleichgültig, auf welcher Rechtsgrundlage, hätte ergeben sollen, legt er ebenfalls nicht dar. Wenn der Kläger, unter Berücksichtigung seines im Beschwerdeverfahren wiedergegebenen Vortrags vor dem LSG, zudem meint, es sei vorliegend vom Fall einer Umdeutung auszugehen und die formellen Voraussetzungen für eine Umdeutung nach Maßgabe des § 43 SGB X hätten nicht vorgelegen, kritisiert er damit im Ergebnis nur die Richtigkeit der Entscheidung des LSG, das von einem Austausch der Begründung ausgegangen war. Darauf kann die Zulassung der Revision aber nicht gestützt werden. Denn Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).

8

Was die zweite aufgeworfene Frage anbelangt, kann schon nach dem Vortrag des Klägers nicht nachvollzogen werden, weshalb diese vorliegend einer Klärung zugeführt werden könnte. Nach seiner eigenen Wiedergabe des Sachverhalts erfolgte mit Bescheid vom 9.5.2017 die abschließende Festsetzung einer Leistung und mit Bescheid vom gleichen Tag die Verfügung über die Erstattung zu viel gezahlter vorläufiger Leistungen. Auf die Anfechtung dieses Erstattungsbescheids (in der Gestalt des Widerspruchsbescheids) ist das Klageverfahren begrenzt. Wenn aber beide Bescheide am gleichen Tag erlassen wurden, ist schon nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie sich Fragen intertemporalen Rechts stellen sollen. Seine bloße Behauptung, im Zeitpunkt "der Aufhebungsentscheidung" habe nach § 40 Abs 4 SGB II aF ein modifiziertes Erstattungsrecht gegolten, führt - auch vor dem Hintergrund des zur fehlenden Klärungsfähigkeit hinsichtlich Rechtsfrage 1 Ausgeführten - nicht weiter. Denn der Kläger legt nicht schlüssig dar, warum es nach vollständiger Aufhebung der durch Bescheid vom 18.9.2014 erfolgten Leistungsbewilligung ua für die Monate November und Dezember 2014 mit bestandskräftigem Bescheid vom 22.12.2014 auf Grundlage des § 48 SGB X, der vorläufigen Leistungsbewilligung durch Bescheid vom 23.12.2014, der die abschließende Festsetzung durch bestandskräftigen Bescheid vom 9.5.2017 und die im vorliegenden Verfahren allein streitgegenständliche Erstattungsforderung durch Bescheid vom gleichen Tag folgte, noch auf Fragen intertemporalen Rechts im Verhältnis Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung ankommen soll. Zudem setzt er zwar voraus, dass auch im Anwendungsbereich der §§ 45, 48, 50 SGB X Aufhebungs- und Erstattungsbescheid eine rechtliche Einheit bilden (können). Ausführungen dazu, warum dies außerhalb des § 41a SGB II der Fall sein sollte, fehlen jedoch. Zudem gilt auch insoweit, dass Fragen der inhaltlichen Richtigkeit der LSG-Entscheidung die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen können.

9

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

S. Knickrehm

Neumann

Siefert

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