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Bundessozialgericht
Beschl. v. 19.07.2023, Az.: B 6 KA 31/22 B
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Bezeichnung einer Divergenz; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.07.2023
Referenz: JurionRS 2023, 36484
Aktenzeichen: B 6 KA 31/22 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2023:190723BB6KA3122B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Rheinland-Pfalz - 23.08.2022 - AZ: L 5 KA 18/21

SG Mainz - 27.10.2021 - AZ: S 2 KA 12/20

BSG, 19.07.2023 - B 6 KA 31/22 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Zur Bezeichnung einer Divergenz ist es erforderlich, dass das LSG seiner Entscheidung tragend einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG widerspricht – hier verneint für Abweichungen zu Entscheidungen des BSG in einem Rechtsstreit über die Zulässigkeit eines Regresses wegen der Verordnung von Verbandmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung.

2. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist – hier verneint für Rechtsfragen zum Vorrang der Richtgrößenprüfung vor der Durchführung einer Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit.

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 6 KA 31/22 B
LSG Rheinland-Pfalz 23.08.2022 - L 5 KA 18/21
SG Mainz 27.10.2021 - S 2 KA 12/20
……………………………………..,
Klägerin und Beschwerdegegnerin,
Prozessbevollmächtigte: …………………………………,
g e g e n
Beschwerdeausschuss der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung für die Wirtschaftlichkeitsprüfung in Rheinland-Pfalz,
Maximilianstraße 22, 67433 Neustadt,
Beklagter und Beschwerdeführer,
beigeladen:
1. AOK Rheinland-Pfalz/Saarland
- Die Gesundheitskasse,
Virchowstraße 30, 67304 Eisenberg,
Beschwerdeführerin,
2. Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz - Hauptverwaltung,
Isaac-Fulda-Allee 14, 55124 Mainz.
Der 6. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. Juli 2023 durch
die Vorsitzende Richterin Prof. Dr. O p p e r m a n n , die Richterinnen J u s t und Dr. L o o s e sowie die ehrenamtliche Richterin Dr. M ü l l e r und den ehrenamtlichen Richter W o g g a n
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerden des Beklagten und der Beigeladenen zu 1. gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 23. August 2022 werden zurückgewiesen.

Der Beklagte und die Beigeladene zu 1. tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens als Gesamtschuldner mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2.

Der Streitwert wird auf 77.797,42 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Streitig ist ein Regress wegen der Verordnung von Verbandmitteln. Die Klägerin, eine Fachärztin für Innere und Allgemeinmedizin, war im Bezirk der zu 2. beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie verordnete im Falle einer Versicherten der zu 1. beigeladenen Krankenkasse verschiedene Verbandmittel. Nachdem die Beigeladene zu 1. einen Antrag auf Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Verbandmittel gestellt hatte, setzte die Gemeinsame Prüfungseinrichtung für die Wirtschaftlichkeitsprüfung einen Regress für die Quartale 1/2015 bis 2/2017 iHv 77.797,42 Euro (netto) fest (Prüfbescheid vom 5.11.2018). Zwar ließen die Patientenunterlagen die Notwendigkeit einer Wundversorgung bei der Versicherten über einen sehr ausgedehnten Zeitraum erkennen. Die Versorgung sei jedoch ausschließlich unter Verwendung hochpreisiger Verbandsstoffe erfolgt, was nicht notwendig gewesen sei. Den Widerspruch der Klägerin wies der beklagte Beschwerdeausschuss als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 3.2.2020).

2

Auf die Klage der Klägerin, mit welcher diese ua geltend gemacht hat, dass durch die Wundbehandlung stationäre Krankenhausbehandlungen der Versicherten hätten vermieden werden können, die zuvor mehrfach jährlich als chirurgische Interventionen erforderlich gewesen seien, hat das SG den Bescheid des Beklagten aufgehoben und diesen zur Neubescheidung über den Widerspruch der Klägerin verpflichtet (Urteil vom 27.10.2021). Bei dem Fall der Versicherten handele es sich um einen besonders schweren Einzelfall, der ein besonderes Wundmanagement erforderlich gemacht habe. Die Vergleichbarkeit der preislich günstigeren Verbandmittel werde im Bescheid des Beklagten zwar behauptet, jedoch in keiner Weise plausibel gemacht.

3

Gegen dieses Urteil hat allein der Beklagte Berufung eingelegt, welche das LSG mit der Maßgabe zurückgewiesen hat, dass der Beklagte über den Regress wegen der Verordnung von Verbandmitteln in den Quartalen 1/2017 und 2/2017 neu zu entscheiden habe (Urteil vom 23.8.2022). Der Regress wegen unwirtschaftlicher Verordnung im Einzelfall bleibe für die Quartale 1/2015 bis 4/2016 schon aufgrund des Vorrangs der Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V aF ohne Erfolg. Unerheblich sei, dass hier eine Richtgrößenprüfung tatsächlich nicht durchgeführt worden sei. Nach Sinn und Zweck der Regelungen zur Wirtschaftlichkeitsprüfung schließe bereits die Möglichkeit einer Richtgrößenprüfung eine Einzelfallprüfung hinsichtlich der hier im Raum stehenden Missachtung (nur) des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebotes im Einzelfall aus. Für die Quartale 1/2017 und 2/2017, für die Richtgrößenprüfungen gesetzlich nicht mehr vorgesehen seien, gelte dies allerdings nicht. Abweichend von der Entscheidung des SG sei insoweit der Ansatz des Beklagten nicht zu beanstanden, dass bei festgestellter, zu Unrecht erfolgter Verordnung hochpreisiger Verbandmittel eine Gegenrechnung zu preiswerteren Produkten nicht erfolgen müsse.

4

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG machen die Beigeladene zu 1. und der Beklagte die grundsätzliche Bedeutung und Rechtsprechungsabweichungen geltend (Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).

II

5

A. Die Beschwerde des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

6

1. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG sind nicht erfüllt. Hierzu ist erforderlich, dass das LSG seiner Entscheidung tragend einen Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der einem Rechtssatz in einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG widerspricht. Eine Divergenz im Sinne der genannten Vorschrift liegt nicht schon vor, wenn das LSG einen Rechtssatz aus einer oberstgerichtlichen Entscheidung nicht beachtet oder unrichtig angewandt hat, sondern erst dann, wenn es diesem Rechtssatz widersprochen, also einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung einer Revision wegen Divergenz (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.11.2017 - B 6 KA 43/17 B - juris RdNr 13 mwN). Nach diesen Maßstäben führt die von dem Beklagten geltend gemachte Divergenz nicht zu einer Revisionszulassung.

7

a) Nach Auffassung des Beklagten ist den Entscheidungen des BSG vom 13.5.2015 (B 6 KA 18/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 51) und vom 11.9.2019 (B 6 KA 21/19 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 60, - B 6 KA 22/19 R - juris und - B 6 KA 23/19 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 61) zu entnehmen, dass "die von dem Bundessozialgericht festgestellte Sperrwirkung nur dann gilt, wenn eine Richtgrößenprüfung faktisch auch durchgeführt wurde" bzw "eine Sperrwirkung nur dann in Betracht kommt, wenn eine andere Prüfmethode auch tatsächlich durchgeführt wurde" (Beschwerdebegründung S 5). Dagegen vertrete das LSG die Auffassung, dass bereits die Möglichkeit einer Richtgrößenprüfung einer Einzelfallprüfung wegen Missachtung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebotes entgegenstehe. Eine Divergenz ist damit nicht aufgezeigt. Der Rechtssatz, den der Beklagte den Urteilen des Senats vom 13.5.2015 und 11.9.2019 entnommen haben will, ist dort so bereits nicht enthalten. Zwar ist es zutreffend, dass der Senat entschieden hat, dass neben einer Richtgrößenprüfung keine Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit statthaft ist (Urteil vom 13.5.2015 - B 6 KA 18/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 51 RdNr 45 und Urteile vom 11.9.2019 - B 6 KA 21/19 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 60 RdNr 30 und B 6 KA 22/19 R - juris RdNr 26 f; vgl auch BSG Urteil vom 11.9.2019 - B 6 KA 23/19 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 61 RdNr 17). Die Urteile betrafen dabei allerdings immer Konstellationen, in denen ein Zusammentreffen von Richtgrößenprüfung und Einzelfallprüfung auf Antrag im gleichen Abrechnungszeitraum vorlag. Für die vom LSG entschiedene Konstellation treffen die Entscheidungen des Senats dagegen keine Aussage.

8

b) Der Beklagte nimmt weiterhin auf die Entscheidung des Senats vom 19.10.2011 (B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33) Bezug und erläutert hierzu, diesem sei der Grundsatz zu entnehmen, dass das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Ärzte zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung zugänglich sein müsse. Dem widerspreche die Entscheidung des LSG. Unabhängig davon, dass sich dem Vortrag bereits kein abstrakter Rechtssatz entnehmen lässt, den das LSG aufgestellt haben soll, widersprechen sich die Aussagen jedenfalls nicht. Das LSG hat Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht grundsätzlich in Frage gestellt. Es geht vielmehr davon aus, dass in der streitbefangenen Konstellation die Voraussetzungen für einen Regress wegen der unwirtschaftlichen Verordnung von Verbandmitteln im Einzelfall nicht vorgelegen haben. Die Voraussetzungen von § 106 Abs 2 Satz 4 SGB V aF iVm § 10 Abs 2 der Prüfvereinbarung seien nicht erfüllt, weil die Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 5a Satz 3 SGB V Vorrang habe. Hierzu nimmt das LSG zunächst Bezug auf die Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 11.9.2019 - B 6 KA 21/19 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 60 und vom 13.5.2015 - B 6 KA 18/14 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 51), wonach die Wirtschaftlichkeit der Verordnungsweise in Einzelfällen "neben" der Prüfung nach Richtgrößen nicht mehr geprüft werden kann. Weitergehend führt es sodann aus, dass nach Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelungen in § 84 Abs 6, § 106 Abs 5a SGB V aF bereits die Möglichkeit einer Richtgrößenprüfung eine Einzelfallprüfung ausschließe, soweit es allein um die Missachtung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebotes im Einzelfall gehe (Urteilsumdruck S 24). Soweit der Beklagte geltend machen möchte, dass das LSG die vom BSG aufgestellten Grundsätze unzutreffend auf den Fall der Klägerin angewandt habe, handelt es sich nicht um eine zulässige Divergenzrüge, sondern um eine Subsumtionsrüge, die keinen gesetzlichen Revisionszulassungsgrund iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG darstellt.

9

2. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache liegen nicht vor. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Für die Geltendmachung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache muss in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung bezeichnet und zudem aufgezeigt werden, inwiefern diese in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich), klärungsbedürftig sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (stRspr; zB BSG Beschluss vom 30.8.2004 - B 2 U 401/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff; BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5; BSG Beschluss vom 12.9.2018 - B 6 KA 12/18 B - juris RdNr 5; jeweils mwN). Dem wird die Beschwerde der Beklagten nicht gerecht.

10

Der Beklagte hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig:

"ob der Vorrang der Richtgrößenprüfung auch dann eine Sperrwirkung für die Durchführung einer Einzelfallprüfung wegen Unwirtschaftlichkeit entfaltet, wenn eine solche gar nicht eingeleitet wurde."

11

Der Beklagte hat bereits nicht hinreichend dargelegt, dass sich die auf eine Richtgrößenprüfung nach altem Recht beziehende Rechtsfrage (noch) grundsätzliche Bedeutung hat. Dass und unter welchen Voraussetzungen ein Regress wegen der Überschreitung des Richtgrößenvolumens für Arzneimittel- bzw Verbandmittelverordnungen durchzuführen war, war für die hier betroffenen Quartale in § 84 Abs 6, § 106 Abs 5a bis 5d SGB V idF des Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 17.7.2009 (BGBl I 1990) im Einzelnen geregelt. Seit den Änderungen durch das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz vom 16.7.2015 (BGBl I 1211) wird die Durchführung von Richtgrößenprüfungen nicht mehr bundesgesetzlich geregelt. Gemäß § 106b Abs 1 Satz 1 SGB V wird die Wirtschaftlichkeit der Versorgung mit ärztlich verordneten Leistungen ab dem 1.1.2017 vielmehr anhand von Vereinbarungen geprüft, die von den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen gemeinsam und einheitlich mit der KÄV zu treffen sind. Damit hat die von dem Beklagten formulierte Frage nicht mehr geltendes Recht zum Gegenstand (vgl für Fragen der Richtgrößenprüfung bereits BSG Beschluss vom 17.11.2022 - B 6 KA 19/22 B - juris RdNr 9; BSG Beschluss vom 7.3.2022 - B 6 KA 15/22 B - juris RdNr 10). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG ist die Auslegung einer Rechtsnorm, bei der es sich um bereits außer Kraft getretenes Recht handelt, regelmäßig nicht von grundsätzlicher Bedeutung, weil die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtsfrage daraus erwächst, dass ihre Klärung nicht nur für den Einzelfall, sondern im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung erforderlich ist (BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 10; BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 6 KA 68/16 B - juris RdNr 8; jeweils mwN). Bei Rechtsfragen zu bereits außer Kraft getretenem Recht kann eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses nicht mehr geltenden Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 6 KA 68/16 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 26.5.2021 - B 6 KA 26/20 B - juris RdNr 25; jeweils mwN).

12

Solche Umstände müssen in der Beschwerdebegründung dargelegt werden. Hierzu reicht es jedenfalls nicht aus, wenn vorgetragen wird, dass zu dieser Frage "nur die bereits zitierten bundessozialgerichtlichen Entscheidungen ergangen" seien und sich "anderweitige Ausführungen in Gesetz und Lehre, die die Frage beantworten", nicht finden. Der Vortrag des Beklagten, es gebe bei der Gemeinsamen Prüfungseinrichtung in Rheinland-Pfalz noch 18 Verfahren mit einem Streitwert von 250.000 Euro, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die bloße Behauptung, es sei noch eine erhebliche Anzahl von Altfällen nicht bestandskräftig abgeschlossen, genügt regelmäßig nicht (vgl BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 6 KA 69/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl auch BSG Beschluss vom 28.6.2017 - B 6 KA 84/16 B - juris RdNr 6).

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B. Auch die Beschwerde der Beigeladenen zu 1. hat keinen Erfolg.

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1. Soweit die Beigeladene zu 1. die - sich auf eine Richtgrößenprüfung nach altem Recht beziehende - Rechtsfrage für klärungsbedürftig hält:

"Schließt bereits die abstrakte Möglichkeit einer Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V a.F. (Fassung bis 31.12.2016) eine Einzelfallprüfung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise (betreffend Verordnungszeiträume bis einschließlich 31.12.2016) aus, obwohl die Richtgrößenprüfung nicht durchgeführt wurde?",

hat sie bereits nicht hinreichend dargelegt, dass diese Rechtsfrage (noch) grundsätzliche Bedeutung hat. Wie bereits ausgeführt, ist die Durchführung von Richtgrößenprüfungen seit 1.1.2017 nicht mehr bundesgesetzlich geregelt (vgl RdNr 11). Damit hat die von der Beigeladenen zu 1. formulierte Frage nicht mehr geltendes Recht zum Gegenstand.

15

Zwar ist es zutreffend, dass den Urteilen des Senats nicht entnommen werden kann, dass allein die abstrakte Möglichkeit einer Richtgrößenprüfung nach § 106 Abs 2 Satz 1 Nr 1 SGB V aF eine Einzelfallprüfung wegen unwirtschaftlicher Verordnungsweise stets ausschließt (vgl bereits RdNr 7). Jedoch kann bei einer Rechtsfrage zu bereits außer Kraft getretenem Recht eine Klärungsbedürftigkeit nur anerkannt werden, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage dieses nicht mehr geltenden Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihrer Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat (BSG Beschluss vom 12.1.2017 - B 6 KA 68/16 B - juris RdNr 8; BSG Beschluss vom 26.5.2021 - B 6 KA 26/20 B - juris RdNr 25; jeweils mwN). Solche Umstände hat die Beigeladene zu 1. in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend dargelegt. Insoweit genügt es nicht, wenn sie vorträgt, dass die Rechtsfrage "tatsächlich noch eine Vielzahl von offenen, noch zu entscheidenden gleichgelagerten Verfahren betrifft" oder "dass nicht davon ausgegangen werden [könne], dass Verfahren, die die Verordnungszeiträume bis 31.12.2016 betreffen, bereits im Wesentlichen abgeschlossen sind" ( Beschwerdebegründung S 5). Auch der pauschale Vortrag der Beigeladenen zu 1., es gebe noch 47 Verfahren (30 Klageverfahren, 17 Widerspruchsverfahren) in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Saarland mit derselben Problematik, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Die Beigeladene zu 1. kann sich ihrer Darlegungspflicht nicht dadurch entziehen, dass sie den Senat insofern um einen Hinweis zur Notwendigkeit einer "detaillierten Gesamtaufstellung" bittet (Beschwerdebegründung S 6).

16

2. Auch die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen einer Rechtsprechungsabweichung nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG sind nicht erfüllt.

17

Die Beigeladene zu 1. entnimmt den Entscheidungen des BSG vom 19.10.2011 (B 6 KA 38/10 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 33) und vom 12.12.2001 (B 6 KA 7/01 R - SozR 3-2500 § 106 Nr 55) die Aussage:

"Das Abrechnungs- und Verordnungsverhalten aller Ärzte muss zu jeder Zeit einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung unterliegen."

18

Dem stellt die Beigeladene zu 1. folgenden Rechtssatz des LSG gegenüber:

"Die rein theoretische Möglichkeit der Richtgrößenprüfung ist ausreichend und schließt andere Prüfungen aus."

19

Hierzu erläutert die Beigeladene zu 1., das LSG widerspreche damit dem vom BSG aufgestellten Gebot einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung. Hierbei übersieht die Beigeladene zu 1. allerdings, dass das LSG Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht grundsätzlich in Frage stellt (vgl dazu bereits RdNr 8). Im Kern rügt sie mit ihren diesbezüglichen Ausführungen lediglich die - ihrer Ansicht nach - falsche Entscheidung des LSG im Hinblick auf die Frage des Verhältnisses von Richtgrößenprüfung und Einzelfallprüfung. Dies wird besonders deutlich, wenn sie in ihrer Beschwerdebegründung ausführt, das LSG widerspreche "dem vom 6. Senat aufgestellten Gebot einer effektiven Wirtschaftlichkeitsprüfung" (Beschwerdebegründung S 8). Mit der Unrichtigkeit einer Entscheidung kann eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht begründet werden.

20

C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2, § 159 Satz 2, § 162 Abs 3 VwGO.

21

D. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der von den Beteiligten nicht angegriffenen Festsetzung des LSG (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG).

Prof. Dr. Oppermann

Just

Dr. Loose

Dr. Müller

Woggan

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