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Bundessozialgericht
Beschl. v. 08.02.2023, Az.: B 5 R 150/22 B
Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren; Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 08.02.2023
Referenz: JurionRS 2023, 20114
Aktenzeichen: B 5 R 150/22 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2023:080223BB5R15022B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 27.06.2022 - AZ: L 13 R 590/21

SG Freiburg - 14.01.2021 - AZ: S 8 R 4628/19

BSG, 08.02.2023 - B 5 R 150/22 B

Redaktioneller Leitsatz:

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist – hier verneint für Rechtsfragen zur Anerkennung von im Herkunftsland zurückgelegten Kindererziehungszeiten beim selbst nicht fremdrentenberechtigten Ehegatten.

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 5 R 150/22 B
LSG Baden-Württemberg 27.06.2022 - L 13 R 590/21
SG Freiburg 14.01.2021 - S 8 R 4628/19
..................................,
Klägerin und Beschwerdeführerin,
Prozessbevollmächtigter: .............................................,
gegen
Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg,
Gartenstraße 105, 76135 Karlsruhe,
Beklagte und Beschwerdegegnerin.
Der 5. Senat des Bundessozialgerichts hat am 8. Februar 2023 durch die Vorsitzende Richterin Dr. D ü r i n g , die Richterinnen Dr. H a n n e s und H a h n sowie den ehrenamtlichen Richter Dr. B u r d e n s k i und die ehrenamtliche Richterin H i l d e n h a g e n
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe

I

1

Die 1953 geborene Klägerin begehrt eine höhere Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung. Sie lebte mit ihrem Ehemann zunächst in Kasachstan. Dort zog sie die gemeinsamen, 1977 und 1984 geborenen Kinder auf. Am 10.8.1994 siedelten die Eheleute nach Deutschland über. Der Ehegatte der Klägerin wurde als Spätaussiedler anerkannt. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 26.3.2019 die von der Klägerin bis zum 31.12.2012 zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten verbindlich fest, ohne dabei Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung anzuerkennen. Sie lehnte die von der Klägerin am 12.2.2019 beantragte Anerkennung der Zeiten vielmehr ausdrücklich ab, weil die Kinder im Ausland erzogen worden seien (Bescheid vom 10.7.2019; Widerspruchsbescheid vom 18.10.2019).

2

Das SG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 14.1.2021). Während des von der Klägerin angestrengten Berufungsverfahrens hat die Beklagte ihr Regelaltersrente bewilligt, ohne dabei Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung zu berücksichtigen (Bescheid vom 7.9.2021). Das LSG hat befunden, Gegenstand des Verfahrens sei nunmehr allein der Bescheid vom 7.9.2021, über den durch Klage zu entscheiden sei. Es hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin könne keine höhere Rente unter Berücksichtigung der geltend gemachten Zeiten beanspruchen. Die Erziehung in Kasachstan stehe einer inländischen Erziehung nicht gleich. Auch aus dem Fremdrentengesetz (FRG) ergebe sich keine Gleichstellung, weil die Klägerin nicht dem persönlichen Anwendungsbereich des FRG unterfalle.

3

Die Klägerin hat gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung Beschwerde zum BSG eingelegt, die sie mit Schriftsatz vom 22.8.2022 begründet hat. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.

II

4

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat keinen Erfolg. Es kann dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung in jeder Hinsicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form genügt (vgl hierzu zB BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4; BSG Beschluss vom 24.11.2022 - B 5 R 146/22 B - juris RdNr 6; vgl zu der Möglichkeit, die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offenzulassen, BSG Beschluss vom 16.10.2019 - B 13 R 175/18 B - juris RdNr 8). Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu.

5

Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl etwa BSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 12 mwN; BSG Beschluss vom 16.11.2022 - B 5 R 112/22 B - juris RdNr 7). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt regelmäßig, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich entschieden ist (stRspr, zB BSG Beschluss vom 16.4.2013 - B 14 AS 206/12 - juris RdNr 6 mwN; vgl zu den - hier nicht in Betracht kommenden - Fällen einer fortbestehenden oder erneuten Klärungsbedürftigkeit zB Leitherer in MeyerLadewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 8b f mwN). Als bereits höchstrichterlich geklärt anzusehen ist eine Rechtsfrage auch dann, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; aus jüngerer Zeit zB BSG Beschluss vom 8.2.2017 - B 13 R 294/16 B - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 5 R 12/21 B - SozR 4-2600 § 137b Nr 2 [vorgesehen] RdNr 4).

6

Die Klägerin wirft folgende Frage auf,

"Umfassen die nach § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI genannten 'Pflichtbeitragszeiten des Ehegatten' auch nach dem FRG gleichgestellte Zeiten des Ehegatten?",

die sie auch wie folgt formuliert:

"Sind die nach § 15 FRG Bundesrecht gleichgestellten Beitragszeiten des fremdrentenberechtigten Ehegatten keine Pflichtbeitragszeiten i.S.d.§ 56 Abs 3 SGB VI?"

7

Die Klägerin will damit im Kern geklärt wissen, ob eine vor der Ausreise im Herkunftsland erfolgte Kindererziehung durch den selbst nicht fremdrentenberechtigten Ehegatten eines nach dem FRG berechtigten Versicherten einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleichsteht (§ 56 Abs 1 Satz 2 Nr 2 iVm Abs 3 Satz 3 SGB VI). Die aufgeworfene Rechtsfrage kann auf Grundlage der bereits zu §§ 1, 28b FRG und zu § 56 SGB VI ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne Weiteres verneint werden.

8

Das BSG hat sich bezüglich der Anerkennung von Kindererziehungszeiten zwar in erster Linie mit der Anerkennung von Kindererziehungszeiten beim fremdrentenberechtigten Ehegatten befasst (vgl insbesondere BSG Beschluss vom 24.11.2020 - B 5 R 172/20 B - juris; BSG Beschluss vom 25.2.2020 - B 13 R 284/18 B). Es hat aber bereits dabei herausgestellt, im Herkunftsland zurückgelegte Kindererziehungszeiten seien nicht allein deswegen entgegen der gesetzlich vorgesehenen Zuordnung beim fremdrentenberechtigten Elternteil anzuerkennen, weil ihre Anerkennung bei seinem nicht fremdrentenberechtigten Ehegatten ausscheide (vgl BSG Beschluss vom 25.2.2020 - B 13 R 284/18 B - juris RdNr 7). Das BSG hat damit, wie die Klägerin selbst einräumt, offensichtlich vorausgesetzt, dass eine Zuordnung der im Ausland zurückgelegten Erziehungszeiten beim erziehenden, aber nicht fremdrentenberechtigten Ehegatten des fremdrentenberechtigten Elternteils ausgeschlossen ist.

9

Der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 1 und § 28b FRG lassen sich genügend weitere Anhaltspunkte für diese Auffassung entnehmen. Wie das BSG bereits entschieden hat, erstreckt sich seit Inkrafttreten des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl I 2094) zum 1.1.1993 der Spätaussiedlerstatus (§ 4 Bundesvertriebenengesetz iVm § 1 Buchst a FRG) nicht mehr auf den Ehegatten eines Spätaussiedlers. Bei Personen, die wie die Klägerin und ihr Ehemann nach dem 31.12.1992 aus den Republiken der ehemaligen Sowjetunion ausgereist sind, bleibt der Ehegatte eines Spätaussiedlers, der nicht selbst Spätaussiedler ist, vielmehr von den Leistungen des FRG ausgeschlossen (vgl BSG Urteil vom 23.6.1999 - B 5 RJ 44/98 R - SozR 3-5050 § 1 Nr 4 S 11; BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 13 RJ 39/98 R - juris RdNr 23). Diesen Grundsatz hat das BSG auch in Bezug auf im Herkunftsland zurückgelegte Kindererziehungszeiten betont, deren Anerkennung von der selbst nicht fremdrentenberechtigten Ehegattin eines Spätaussiedlers begehrt worden war (vgl BSG Beschluss vom 29.9.2021 - B 5 R 178/21 B - juris RdNr 8). Der Rechtsprechung des BSG lässt sich ferner entnehmen, dass die Regelung in § 28b FRG, wonach die Kindererziehung im jeweiligen Herkunftsgebiet derjenigen im Bundesgebiet für die Anrechnung und Bewertung der darauf beruhenden Versicherungszeiten gleichgestellt wird, nur den in § 1 FRG genannten Personen zugutekommt (vgl BSG Urteil vom 12.2.2009 - B 5 R 39/06 R - BSGE 102, 248 = SozR 4-5050 § 15 Nr 6, RdNr 29; BSG Urteil vom 8.8.1990 - 1 RA 81/88 - BSGE 67, 171, 174 f = SozR 3-5050 § 15 Nr 2 S 5 f). Die Differenzierung zwischen Ehegatten von nach dem Stichtag ausreisenden Spätaussiedlern und Ehegatten von Personen, die vor dem 1.1.1993 ausgereist sind, hat das BSG für verfassungskonform erachtet (vgl BSG Urteil vom 26.1.2000 - B 13 RJ 39/98 R - juris RdNr 24 ff; das BVerfG hat die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, vgl BVerfG [Kammer] Beschluss vom 25.8.2000 - 1 BvR 934/00; vgl auch BSG Beschluss vom 29.9.2021 - B 5 R 178/21 B - juris RdNr 8).

10

In der Rechtsprechung des BSG ist zudem geklärt, in welchen Konstellationen die Erziehung durch einen Elternteil im Ausland, der selbst keine Pflichtbeitragszeiten wegen Beschäftigung oder selbstständiger Tätigkeit im zeitlichen Zusammenhang mit der Kindererziehung hat, nach § 56 Abs 3 Satz 3 SGB VI einer Erziehung im Inland gleichsteht. Die Vorschrift erfasst (nur) Fallgestaltungen, in denen die Erziehenden vor der Geburt oder während der Kindererziehung in derart enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben stehen, dass die - typisierende und pauschalierende - Grundannahme des Gesetzes Platz greifen kann, während dieser Zeit seien ihnen nicht wegen der Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im Wesentlichen wegen der Kindererziehung deutsche Rentenanwartschaften entgangen (vgl grundlegend BSG Urteil vom 17.11.1992 - 4 RA 15/91 - BSGE 71, 227, 231 = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 16 und BSG Urteil vom 23.10.2003 - B 4 RA 15/03 R - BSGE 91, 245 = SozR 4-2600 § 56 Nr 1 RdNr 16; zuletzt BSG Urteil vom 21.10.2021 - B 5 R 28/21 R - BSGE 133, 64 = SozR 4-2600 § 56 Nr 11, RdNr 22 mwN). Eine solche Konstellation liegt bei einer Kindererziehung im Herkunftsland ersichtlich nicht vor, die vor der Ausreise geleistet wurde, im Fall der Klägerin sogar bis zu 17 Jahre vorher. Allein der Umstand, dass die vom Ehegatten des erziehenden Elternteils bei einem ausländischen Träger zurückgelegte Beitragszeit nach der Ausreise kraft Gesetzes den inländischen Zeiten gleichgestellt wird (§ 15 Abs 1 Satz 1 FRG), vermittelt der Erziehungsperson während des Ablaufs dieser Zeit keine enge Beziehung zum Arbeits- und Erwerbsleben der Bundesrepublik Deutschland.

11

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Dr. Düring

Dr. Hannes

Hahn

Dr. Burdenski

Hildenhagen

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