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Bundessozialgericht
Beschl. v. 02.11.2022, Az.: B 12 KR 16/22 B
Sozialversicherungsbeitragspflicht für eine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer; Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 02.11.2022
Referenz: JurionRS 2022, 44029
Aktenzeichen: B 12 KR 16/22 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2022:021122BB12KR1622B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Niedersachsen-Bremen - 15.03.2022 - AZ: L 16 KR 404/20

SG Hannover - 10.06.2020 - AZ: S 86 KR 1697/16

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 02.11.2022 - B 12 KR 16/22 B

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 12 KR 16/22 B
LSG Niedersachsen-Bremen 15.03.2022 - L 16 KR 404/20
SG Hannover 10.06.2020 - S 86 KR 1697/16
……………………………………….,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter: ………………………………….,
g e g e n
Betriebskrankenkasse Mobil,
Hühnerposten 2, 20097 Hamburg,
Beklagte und Beschwerdegegnerin,
beigeladen:
Jobcenter Region Hannover,
Vahrenwalder Straße 245, 30179 Hannover,
Prozessbevollmächtigte: ………………………………………. .
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 2. November 2022 durch
den Vorsitzenden Richter H e i n z sowie die Richterinnen Prof. Dr. W a ß e r und Dr. P a d é
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 15. März 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob der Kläger in der Zeit vom 28.8.2015 bis zum 24.3.2016 als Beschäftigter oder wegen eines Anspruchs auf Krankengeld bei der beklagten Krankenkasse pflichtversichert war.

2

Der 1977 geborene Kläger gründete im Jahr 2005 als alleiniger Gesellschafter die S GmbH, deren einziger Geschäftsführer er ist. Im April 2013 verkaufte er die Gesellschaftsanteile zu einem Kaufpreis von 100 Euro an seinen Vater. Ab Januar 2008 bezog der Kläger ergänzend zu seinem vertraglich vereinbarten Geschäftsführergehalt von monatlich 650 Euro (ab 21.4.2008), 530 Euro (ab 1.9.2008), 500 Euro (ab 1.7.2011) und 100 Euro (Arbeitsvertrag vom 18.4.2013) Arbeitslosengeld II vom beigeladenen Jobcenter. In der Zeit vom 20.8.2012 bis zum 19.8.2013 bezog er Elterngeld in Höhe von 1747,64 Euro monatlich, danach erneut Arbeitslosengeld II. Nachdem bei der Prüfung eines Weiterbewilligungsantrags Auffälligkeiten aufgetreten waren, ermittelte das beigeladene Jobcenter und forderte den Kläger mit Schreiben vom 21.8.2015 zur Vorlage von Kontounterlagen auf.

3

Am 25.9.2015 erklärte der Kläger mit Wirkung zum 28.8.2015 als pflichtversicherter Arbeitnehmer seinen Beitritt zur Beklagten. Dabei legte er einen auf den 28.8.2015 datierten geänderten, von ihm in doppelter Eigenschaft als Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschriebenen Geschäftsführer-Arbeitsvertrag vor, der ein Monatsgehalt von 4550 Euro brutto vorsieht. Die Beklagte gewährte dem Kläger zunächst nach Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen Krankengeld ab 15.9.2015. Nach weiteren Ermittlungen teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass eine Pflichtversicherung aufgrund Beschäftigung ab 28.8.2015 nicht vorgelegen habe. Der Kläger habe ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis fingiert, um Entgeltersatzleistungen in Anspruch nehmen zu können (Bescheid vom 20.4.2016; Widerspruchsbescheid vom 4.8.2016).

4

Das SG hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben (Urteil vom 10.6.2020). Das LSG hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zwischen dem Kläger und der S GmbH habe kein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis bestanden. Die Umstände der Erhöhung des Entgelts zum 28. statt zum 1. oder 15. wie üblich, der zeitliche Zusammenhang mit dem Schreiben des Jobcenters über die Aufforderung, Kontounterlagen vorzulegen, die enge familiäre Beziehung zum alleinigen Gesellschafter, der Kaufpreis von nur 100 Euro für die GmbH, die Vereinbarung eines Entgelts nahe an der Jahresarbeitsentgeltgrenze und die wirtschaftliche Situation der S GmbH ließen nur den Schluss auf ein fingiertes Arbeitsverhältnis zu. Dafür spreche auch die Tatsache, dass der Beitritt zur Beklagten erst nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit rückwirkend erklärt worden sei und dieselbe Krankheit bereits Anfang des Jahres 2015 bescheinigt worden sei. Es könne zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden, dass er die Schwere seiner psychischen Erkrankung nicht wahrgenommen habe und seit dem 28.8.2015 bis zu seiner Erkrankung täglich 8 Stunden Arbeitsleistung als Geschäftsführer der GmbH verrichtet habe. Ein betriebswirtschaftliches Gutachten sei nicht notwendig, da der Kläger seine Geschäftsunterlagen vorgelegt habe. Auf die Ortsüblichkeit des vereinbarten Entgelts komme es nicht an (Urteil vom 15.3.2022).

5

Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.

II

6

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

7

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

8

Es fehlt bereits an der Formulierung einer hinreichend konkreten Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts mit höherrangigem Recht (vgl BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN). Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).

9

Selbst wenn aber eine solche Rechtsfrage mit dem Satz "dass festzustellen sein wird, dass ein Fremdgeschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, der acht Stunden täglich beschäftigt ist und dessen monatliches Entgelt mit € 4.550,00 brutto als ortsüblich und angemessen zu bewerten ist, stets der Sozialversicherungspflicht unterworfen ist und zwar auch dann, wenn die für seine Vergütung zu Grunde liegende Vergütungsvereinbarung zivilrechtlich als angreifbar oder sogar nichtig eingeschätzt wird", als aufgeworfen unterstellt würde, wäre jedenfalls deren Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt. Es fehlt jegliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG zur Bewertung von Rechtsverhältnissen als Beschäftigungsverhältnis (vgl BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 17/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 63; BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 1/21 R - BSGE 133, 57 = SozR 4-2400 § 7 Nr 60, RdNr 13 ff; BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 R 8/20 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 56; BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 KR 25/19 R - BSGE 132, 97 = SozR 4-2400 § 7 Nr 55; BSG Urteil vom 27.4.2021 - B 12 R 16/19 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 58, jeweils mwN), zur Statuszuordnung von GmbH-Geschäftsführern (vgl BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R - BSGE 133, 245 = SozR 4-2400 § 7 Nr 61; siehe auch BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 R 20/19 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen; BSG Urteil vom 1.2.2022 - B 12 R 19/19 R - juris, jeweils mwN), zur Abgrenzung von geringfügiger sozialversicherungsfreier zu sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung (vgl BSG Urteil vom 19.10.2021 - B 12 R 10/20 R - SozR 4-2400 § 7 Nr 59 RdNr 41 mwN) und zur sozialversicherungsrechtlichen Bewertung von aufgrund eines zivilrechtlichen Scheingeschäfts nichtigen Arbeitsverträgen (BSG Urteil vom 29.9.1998 - B 1 KR 10/96 R - SozR 3-2500 § 5 Nr 40; BSG Urteil vom 4.12.1997 - 12 RK 3/97 - BSGE 81, 231, 239 = SozR 3-2500 § 5 Nr 37 S 146; BSG Beschluss vom 23.4.2021 - B 12 KR 102/20 B - juris RdNr 8). Aus der Beschwerdebegründung wird nicht deutlich, inwiefern die Frage mithilfe dieser Rechtsprechung nicht beantwortet werden kann.

10

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das angefochtene Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine solche Abweichung ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage zum Bundesrecht die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht. Insoweit genügt es nicht darauf hinzuweisen, dass das LSG seiner Entscheidung nicht die höchstrichterliche Rechtsprechung zugrunde gelegt hätte. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Divergenz. Sie liegt daher nicht schon dann vor, wenn das angefochtene Urteil nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG entwickelt hat, sondern erst dann, wenn das LSG diesen Kriterien auch widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe bei seiner Entscheidung herangezogen hat (vgl BSG Beschluss vom 12.5.2005 - B 3 P 13/04 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 6 RdNr 5; BSG Beschluss vom 16.7.2004 - B 2 U 41/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 4 RdNr 6, jeweils mwN).

11

Es fehlt bereits an der Benennung eines Rechtssatzes des LSG. Der Vortrag des Klägers beschränkt sich darauf, die inhaltliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils zu rügen und seine vom LSG abweichende Würdigung der Tatsachen vorzutragen. Die Behauptung, die Entscheidung des Berufungsgerichts sei inhaltlich unrichtig, kann jedoch nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

12

3. Soweit der Kläger die von ihm gestellten Beweisanträge zitiert, macht er einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen genügenden Weise geltend. Bei einer Sachaufklärungsrüge muss die Beschwerdebegründung hierzu folgendes dartun: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren prozessordnungsgerechten und bis zuletzt aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund deren bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung hätten drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 13.4.2015 - B 12 KR 109/13 B - juris RdNr 11 mwN). Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht gerecht.

13

Der Kläger zeigt ua nicht auf, inwiefern auf der Grundlage der Rechtsauffassung des LSG die von ihm beantragte Beweiserhebung entscheidungserheblich gewesen sein soll. Vielmehr macht der Kläger selbst geltend, das LSG habe die unter Beweis gestellten Tatsachen als wahr unterstellt. Aus der Beschwerdebegründung wird nicht hinreichend deutlich, warum und inwieweit sich das LSG dennoch zu weiterer Sachverhaltsaufklärung hätte gedrängt fühlen müssen.

14

4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

15

5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Heinz

Prof. Dr. Waßer

Dr. Padé

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