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Bundessozialgericht
Beschl. v. 05.09.2022, Az.: B 8 SO 55/21 B
Übernahme der Kosten für eine Schulbegleitung; Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 05.09.2022
Referenz: JurionRS 2022, 39616
Aktenzeichen: B 8 SO 55/21 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2022:050922BB8SO5521B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Baden-Württemberg - 15.07.2021 - AZ: L 7 SO 3124/19

SG Freiburg - 25.07.2019 - AZ: S 4 SO 5166/18

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG

BSG, 05.09.2022 - B 8 SO 55/21 B

in dem Rechtsstreit
BSG Az.: B 8 SO 55/21 B
LSG Baden-Württemberg 15.07.2021 - L 7 SO 3124/19
SG Freiburg 25.07.2019 - S 4 SO 5166/18
………………………………….,
Kläger und Beschwerdeführer,
Prozessbevollmächtigter: ………………………………..,
g e g e n
Landkreis Emmendingen,
Bahnhofstraße 2 - 4, 79312 Emmendingen,
Beklagter und Beschwerdegegner,
beigeladen:
…………………………………….. .
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 5. September 2022 durch
die Vorsitzende Richterin K r a u ß sowie die Richter Dr. B i e r e s b o r n und Prof. Dr. L u i k
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

I

1

Streitig ist die Übernahme der Kosten für eine Schulbegleitung.

2

Der Kläger leidet ua an frühkindlichem Autismus, Epilepsie und Mikrozephalie mit psychomotorischer Retardierung, hat nach einer Entscheidung des Schulamts F Anspruch auf ein sonderpädagogisches Bildungsangebot im Bereich der geistigen Entwicklung und besucht eine private sonderpädagogische Schule, die in Trägerschaft der Beigeladenen steht. Diese hat mit der Stadt F eine Vereinbarung nach § 75 Abs 3 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe (SGB XII) in der bis zum 25.4.2019 geltenden Fassung (im Folgenden alte Fassung <aF>) abgeschlossen, die ua Leistungsangebote zu einem Leistungstyp I.4.2 "tagesstrukturierendes Angebot für Menschen mit Behinderungen in der (Sonder-)Schule" enthält. Der Beklagte bewilligte die Kostenübernahme für die teilstationäre Betreuung des Klägers in der Schule (Bescheid vom 28.6.2018), lehnte aber für das Schuljahr 2018/2019 dessen weitergehenden Antrag auf Kostenübernahme für eine Schulbegleitung in Form der Eins-zu-eins-Betreuung unter Hinweis auf die genannte Vereinbarung ab (Bescheid vom 31.8.2018; Widerspruchsbescheid vom 4.10.2018). Die hiergegen erhobene Klage ist erfolgslos geblieben (Urteil des Sozialgerichts <SG> Freiburg vom 25.7.2019; Urteil des Landessozialgerichts <LSG> Baden-Württemberg vom 15.7.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die als Fortsetzungsfeststellungsklage zulässige Klage sei unbegründet, weil eine Leistungspflicht des Beklagten im Schuljahr 2018/2019 nicht bestanden habe. Die über den Kernbereich der pädagogischen Betreuung hinausgehende erforderliche Schulbegleitung bzw Unterrichtsassistenz mit dem geltend gemachten erhöhten Betreuungsaufwand unterfalle dem Leistungsangebot der genannten Vereinbarung, an die die Beigeladene gebunden sei. Die Finanzierung der Unterrichtsassistenz des Klägers, der zur Zielgruppe des Leistungstyps I.4.2 gehöre, sei durch die Vergütungsvereinbarung erfasst.

3

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) geltend, zu der er die Frage aufwirft, ob Schüler mit einer wesentlichen Behinderung Eingliederungshilfe als Pflichtleistung beanspruchen können, wenn die von einer Vereinbarung zwischen Schul- und Eingliederungshilfeträger erfassten bedarfsdeckenden Leistungen im konkreten Einzelfall nicht erbracht und der individuell bestehende Eingliederungshilfebedarf nicht von der Schule gedeckt werde. Der Kläger benötige eine engmaschige Eins-zu-eins-Betreuung.

II

4

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

5

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (Bundessozialgericht <BSG> vom 2.3.1976 - 12/11 BA 116/75 - SozR 1500 § 160 Nr 17 und BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/75 - SozR 1500 § 160a Nr 13; BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39; BSG vom 9.10.1986 - 5b BJ 174/86 - SozR 1500 § 160a Nr 59 und BSG vom 22.7.1988 - 7 BAr 104/87 - SozR 1500 § 160a Nr 65). Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer eine konkrete Frage formulieren, deren (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit und (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (Breitenwirkung) darlegen (vgl nur BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

6

Der Kläger formuliert zwar eine Rechtsfrage, trägt aber schon nicht ausreichend zu deren abstrakter Klärungsbedürftigkeit vor. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass bei Bestehen von Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII aF keine Ansprüche von Leistungsberechtigten auf Beitritt des Sozialhilfeträgers zu einer höheren Schuld bestehen, weil die Leistungsberechtigten nicht außerhalb dieser Vereinbarungen zur Zahlung von Entgelten verpflichtet sind (vgl BSG vom 6.12.2018 - B 8 SO 9/18 R - BSGE 127, 92 = SozR 4-3500 § 75 Nr 13, RdNr 34 ff). Die vereinbarten Maßnahmepauschalen gehen danach zulässigerweise von Durchschnittswerten aus und "Ausreißer" nach oben wie unten sind systemimmanent, weshalb keine höheren Vergütungen wegen eines abweichenden Betreuungsaufwands verlangt werden können. Ebenso ist geklärt, dass auch weitere Leistungsansprüche unter dem Gedanken des Systemversagens ausscheiden (vgl BSG vom 6.12.2018 - B 8 SO 9/18 R - BSGE 127, 92 = SozR 4-3500 § 75 Nr 13, RdNr 43; ebenso BSG vom 6.12.2016 - B 8 SO 11/18 R). Der Kläger hat sich mit dieser Rechtsprechung, die das LSG zitiert hat, an keiner Stelle auseinandergesetzt und dargelegt, welche weiteren Rechtsfragen sich angesichts dieser Rechtsprechung noch stellen könnten. Mit dem Hinweis, es liege noch keine Rechtsprechung des BSG zu Schulen in privater Trägerschaft vor, wird nicht deutlich, welche Auswirkungen dies für die Rechtsprechung zu §§ 75 ff SGB XII aF haben sollte.

7

Im Kern macht der Kläger die Unrichtigkeit des angegriffenen Urteils geltend, was die Zulassung der Revision aber nicht begründen kann (vgl nur BSG vom 7.12.2020 - B 8 SO 22/20 B - RdNr 19; BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).

8

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.

Krauß

Dr. Bieresborn

Prof. Dr. Luik

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