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Bundessozialgericht
Beschl. v. 17.04.2015, Az.: B 13 R 24/15 B
Neuberechnung einer Rente im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X; Rüge des Übergehens eines Beweisantrags; Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 17.04.2015
Referenz: JurionRS 2015, 15822
Aktenzeichen: B 13 R 24/15 B
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Thüringen - 01.10.2014 - AZ: L 3 R 81/12

SG Meiningen - S 7 R 1676/09

BSG, 17.04.2015 - B 13 R 24/15 B

Redaktioneller Leitsatz:

1. Ein in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt.

2. Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht.

3. Die behauptete Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall - z.B. die Nichtbeachtung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder die fehlerhafte Anwendung dortiger Maßstäbe - rechtfertigt nicht die Zulassung wegen Divergenz.

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 24/15 B

L 3 R 81/12 (Thüringer LSG)

S 7 R 1676/09 (SG Meiningen)

....................,

Kläger und Beschwerdeführer,

Prozessbevollmächtigter: .....................................,

gegen

Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland,

Kranichfelder Straße 3, 99097 Erfurt,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 17. April 2015 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. S c h l e g e l sowie den Richter Dr. K a l t e n s t e i n und die Richterin Dr. O p p e r m a n n

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 1. Oktober 2014 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

1

Das Thüringer LSG hat mit Urteil vom 1.10.2014 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X einen Anspruch des Klägers auf Neuberechnung seiner Rente unter Zugrundelegung von Entgeltpunkten statt Entgeltpunkten (Ost) für rentenrechtliche Zeiten vor dem 19.5.1990 verneint. Zutreffend habe die Beklagte für diese Zeiten Entgeltpunkte (Ost) berücksichtigt, weil der Kläger nicht bereits am 18.5.1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland ohne das Beitrittsgebiet begründet habe.

2

Gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt. Er beruft sich auf einen Verfahrensmangel und eine Rechtsprechungsabweichung.

3

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 19.3.2015 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, denn er hat die Zulassungsgründe des Verfahrensmangels und der Divergenz nicht ordnungsgemäß dargetan (vgl § 160 Abs 2 Nr 2 und 3 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

4

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne, müssen für die Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

5

Wird - wie vorliegend - ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gerügt, muss die Beschwerdebegründung hierzu folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zur weiteren Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (zum Ganzen s BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

6

Der Kläger hat nicht aufgezeigt, dass er einen entsprechenden (prozessordnungsgemäßen) Beweisantrag gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG gestellt und bis zuletzt vor dem Berufungsgericht aufrechterhalten hat. Ein - wie hier - in der Berufungsinstanz anwaltlich vertretener Beteiligter kann nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seinem Urteil wiedergibt (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN). Nach Sinn und Zweck des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG soll die Sachaufklärungsrüge die Revisionsinstanz nur dann eröffnen, wenn das Tatsachengericht vor seiner Entscheidung durch einen Beweisantrag ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass ein Beteiligter die Sachaufklärungspflicht des Gerichts (§ 103 SGG) noch nicht als erfüllt ansieht (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 9 S 21; Nr 31 S 52).

7

Diesen aufgezeigten Maßstäben genügt die Beschwerdebegründung nicht, wenn der Kläger lediglich vorträgt, das LSG habe zu Unrecht die von ihm benannte Zeugin I. R. nicht gehört, weil diese Zeugin von großer Wichtigkeit dafür gewesen wäre, dass er sich bereits vor dem 19.5.1990 überwiegend im Gebiet der damaligen Bundesrepublik Deutschland und insbesondere in Hannover aufgehalten habe. Insofern fehlt es bereits an konkretem Vortrag, ob der Kläger einen entsprechenden Antrag bis zuletzt vor dem Berufungsgericht in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten habe. Es ist auch nicht dargetan, dass das LSG einen solchen Antrag im Urteil wiedergegeben habe. Entsprechendes gilt für den behaupteten Antrag des Klägers auf "Einvernahme seiner Ehefrau" und für seinen Vortrag, dass "auch die Anhörung des Cousins W. M. R. erforderlich gewesen wäre". Sofern der Kläger insgesamt mit der Beweiswürdigung durch das LSG nicht einverstanden sein sollte, kann hierauf nach der ausdrücklichen Bestimmung in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden.

8

2. Divergenz liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn das Urteil des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung. Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies: Die Beschwerdebegründung muss erkennen lassen, welcher abstrakte Rechtssatz in der in Bezug genommenen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht. Ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das BSG die oberstgerichtliche Rechtsprechung im Revisionsverfahren seiner Entscheidung zugrunde zu legen haben wird (stRspr, vgl zum Ganzen: BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 10 RdNr 4; BSG SozR 1500 § 160a Nr 67 S 89 ff; BSG SozR 1500 § 160a Nr 14 S 22).

9

Der Kläger trägt vor, das BSG habe sich bereits in verschiedenen Entscheidungen zu dem Problem "gewöhnlicher Aufenthalt" geäußert. So zB im Beschluss vom 5.2.2009 (B 13 R 491/08 B) sowie im Urteil vom 31.10.2012 (B 13 R 1/12 R - BSGE 112, 116 = SozR 4-1200 § 30 Nr 6). Das LSG sei "in der Subsumtion" von dem Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt" von der Rechtsprechung des BSG abgewichen. Hierauf beruhe "auch im Wesentlichen" die angefochtene Entscheidung des LSG.

10

Dieser Vortrag genügt nicht den aufgezeigten Anforderungen an die Bezeichnung einer Divergenz. Es mangelt bereits daran, dass der Kläger es versäumt hat, einen tragenden abstrakten Rechtssatz aus den zitierten Entscheidungen des BSG einem diesem widersprechenden, tragenden abstrakten Rechtssatz aus dem Urteil des LSG gegenüberzustellen. Im Ergebnis macht der Kläger mit seinem Vortrag nichts anderes als die inhaltliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend. Die behauptete Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall - zB die Nichtbeachtung von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder die fehlerhafte Anwendung dortiger Maßstäbe - rechtfertigt aber nicht die Zulassung wegen Divergenz (stRspr, vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 ff). Das Beschwerdevorbringen des Klägers geht daher über eine im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtliche Subsumtionsrüge nicht hinaus.

11

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

12

4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

13

5. Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Prof. Dr. Schlegel
Dr. Kaltenstein
Dr. Oppermann

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