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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 29.08.2018, Az.: AnwZ (Brfg) 55/17
Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts wegen Vermögenverfalls
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.08.2018
Referenz: JurionRS 2018, 34350
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 55/17
ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:290818BANWZ.BRFG.55.17.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Bayern - 17.07.2017 - AZ: BayAGH I - 5 - 3/17

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

BGH, 29.08.2018 - AnwZ (Brfg) 55/17

Redaktioneller Leitsatz:

Befindet sich ein Rechtsanwalt in Vermögensverfall, so ist ihm die Zulassung zur Rechtsawaltschaft zu widerrufen. Dies ist der Fall, wenn der Anwalt im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung im Schuldnerverzeichnis eingetragen war, ohne dass die den Eintragungen zugrunde liegenden Forderungen bereits getilgt waren.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richterin Lohmann, den Richter Bellay sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Wolf
am 29. August 2018
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 5. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 17. Juli 2017 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger wurde im Jahr 1995 erstmals zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Im Jahre 2012 wurde ihm die Zulassung entzogen, weil er keine Berufshaftpflichtversicherung unterhielt. Seit dem 25. Juni 2015 ist er wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen und ist Mitglied der Beklagten. Mit Bescheid vom 3. Januar 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Die Klage des Klägers gegen den Widerrufsbescheid ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt der Kläger die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

2

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

3

1. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 3; vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 3). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn sie nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (BGH, Beschluss vom 24. November 2014 - NotZ (Brfg) 7/14, WM 2015, 898 Rn. 8; vgl. auch BVerfGE 134, 106 = NJW 2013, 3506 [BVerfG 16.07.2013 - 1 BvR 3057/11] Rn. 40).

4

a) Im maßgeblichen Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) befand sich der Kläger in Vermögensverfall.

5

aa) Der Kläger war in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis eingetragen (§ 882b ZPO). Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wird der Vermögensverfall des Rechtsanwalts dann widerlegbar vermutet.

6

Der Kläger hat allerdings in der Klageschrift behauptet, die den Eintragungen zugrunde liegenden Forderungen bereits vor Erlass des Widerrufsbescheides getilgt zu haben. Ihm ist zuzugeben, dass der Anwaltsgerichtshof diesen Vortrag nachlässig behandelt hat. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils ist sein Vortrag zutreffend wiedergegeben worden. In den Entscheidungsgründen heißt es demgegenüber, der Kläger habe nicht bestritten, dass die zugrunde liegenden Forderungen im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides noch offen waren. Die Richtigkeit des angefochtenen Urteils wird damit aber nicht in Frage gestellt. Der Kläger hat die behauptete vollständige Erfüllung der Forderungen weder nachvollziehbar dargestellt noch in geeigneter Weise - etwa durch Überweisungen, Quittungen oder die entwerteten Titel - belegt. Die Beklagte hat die fehlende Nachprüfbarkeit der Angaben des Klägers und die fehlenden Belege schon in der Klageerwiderung gerügt, ohne dass der Kläger dies zum Anlass genommen hat, seinen Vortrag zu ergänzen. Den Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Kläger nicht wahrgenommen, so dass er auch nicht ergänzend befragt werden konnte. Auch in der Begründung des Zulassungsantrags wiederholt der Kläger nur seinen unzureichenden Vortrag aus dem Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof. Wie schon in der ersten Instanz verweist er auf Anlagen, die nicht beigefügt sind.

7

Der Senat hat daher davon auszugehen, dass der Kläger im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung im Schuldnerverzeichnis eingetragen war, ohne dass die den Eintragungen zugrunde liegenden Forderungen bereits getilgt waren. Zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung hat der Rechtsanwalt ein auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs bezogenes vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten vorzulegen und konkret darzulegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet waren (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2017 - AnwZ (Brfg) 61/16, juris Rn. 4 mwN; st. Rspr.). Das ist hier nicht erfolgt.

8

bb) Überdies hat der Kläger die Beweisanzeichen, die unabhängig von der gesetzlichen Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO den Schluss auf seinen Vermögensverfall zulassen, nicht entkräftet. Der Kläger hat Zwangsvollstreckungsaufträge, Steuerrückstände und eine teilweise noch offene Geldbuße aus einem anwaltsgerichtlichen Verfahren eingeräumt. Er hätte nunmehr darlegen müssen, wie er - wiederum bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufs - seine Schulden begleichen wollte. Das hat er nicht getan. Der pauschale Hinweis auf Zahlungsvereinbarungen, die er geschlossen habe, und auf Forderungspfändungen, aus denen das Finanzamt sich befriedigt habe, reicht dazu nicht aus.

9

b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtssuchenden (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) lässt sich ebenfalls nicht verneinen. Der Kläger verweist darauf, dass er keine Fremdgelder entgegen nehme oder verwalte und dass er keine unangemessenen Vorschüsse verlange. Mehr könne er als Einzelanwalt nicht tun. Das reicht jedoch nicht aus. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden, wobei den Rechtsanwalt hierfür die Feststellungslast trifft. Die Annahme einer derartigen Sondersituation setzt mindestens voraus, dass der Rechtsanwalt seine anwaltliche Tätigkeit nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - AnwZ (Brfg) 11/17, juris Rn. 15; vom 21. Februar 2018 - AnwZ (Brfg) 72/17, juris Rn. 12; vom 5. März 2018 - AnwZ (Brfg) 52/17, juris Rn. 8). Selbst auferlegte Beschränkungen des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts sind grundsätzlich nicht geeignet, eine Gefährdung der Rechtsuchenden auszuschließen (BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2017, aaO Rn. 17 mwN).

10

2. Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, juris Rn. 21 mwN). Der Kläger meint, es sei nicht angemessen, nur auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides abzustellen; denn damit habe eine Klage von vornherein keine Aussicht auf Erfolg. Die Frage des für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs maßgeblichen Zeitpunkts ist jedoch durch die Grundsatzentscheidung vom 29. Juni 2011 (AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187) längst geklärt.

III.

11

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Kayser

Lohmann

Bellay

Schäfer

Dr. Wolf

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