Bundesgerichtshof
Urt. v. 24.03.2016, Az.: VII ZR 201/15
Abzug des vom Auftragnehmer i.R.e. Einheitspreisvertrags kalkulierten Zuschlags für Wagnis als ersparte Aufwendung von der Vergütung; Absicherung des allgemeinen unternehmerischen Risikos; Zahlung einer restlichen Vergütung aus einem gekündigten Bauvertrag
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 24.03.2016
- Aktenzeichen
- VII ZR 201/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 14516
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:BGH:2016:240316UVIIZR201.15.0
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Düsseldorf - 25.04.2014 - AZ: 18b O 30/14
- OLG Düsseldorf - 23.07.2015 - AZ: I-5 U 53/14
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 209, 278 - 290
- BBB 2016, 53
- BauR 2016, 1153-1157
- BauR 2017, 1089
- BauSV 2017, 70-71
- FSt 2017, 303-307
- IBR 2016, 328
- IBR 2016, 332
- JZ 2016, 375
- MDR 2016, 645-646
- NJW 2016, 8
- NJW 2016, 2944-2946
- NZBau 2016, 5
- NZBau 2016, 548-551
- WM 2016, 1797-1801
- ZfBR 2016, 465-468
Amtlicher Leitsatz
VOB/B (2006) § 8 Nr. 1 Abs. 2
Der vom Auftragnehmer im Rahmen eines Einheitspreisvertrags auf der Grundlage des Formblatts 221 (VHB 2008) kalkulierte Zuschlag für Wagnis ist nicht als ersparte Aufwendung von der Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2006) in Abzug zu bringen, da hiermit das allgemeine unternehmerische Risiko abgesichert werden soll (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 30. Oktober 1997 - VII ZR 222/96, BauR 1998, 185).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 24. März 2016 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, den Richter Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Graßnack, Sacher und Wimmer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Juli 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist.
In diesem Umfang wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin fordert von der Beklagten die Zahlung einer restlichen Vergütung aus einem gekündigten Bauvertrag.
Die Beklagte beauftragte die Klägerin nach öffentlicher Ausschreibung am 3. November 2009 mit den Rohbauarbeiten an einer Wagenhalle für das Zollkriminalamt K. Die VOB/B wurde in Bezug genommen. Innerhalb der unter Denkmalschutz stehenden Halle sollte ein Technikgebäude errichtet werden. Die Auftragssumme belief sich auf 379.583,33 € brutto. In dem Formblatt 221 (Preisermittlung bei Zuschlagskalkulation) des Vergabe- und Vertragshandbuchs für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB 2008), dessen Verwendung die Beklagte für die Angebotsabgabe vorgeschrieben hatte, gab die Klägerin einen Gesamtzuschlag von 15 % an, der sich aus je 5 % für Baustellengemeinkosten, allgemeine Geschäftskosten und Kosten für Wagnis und Gewinn zusammensetzt. Darüber hinaus lag dem Angebot der Klägerin das ausgefüllte Formblatt 223 (Aufgliederung der Einheitspreise) bei. Als Baubeginn war der 23. November 2009 vereinbart. Die Leistung sollte gerechnet ab diesem Zeitpunkt innerhalb von 45 Werktagen abnahmereif fertiggestellt werden.
Bei Besichtigung des Bestandsgebäudes wurden Schäden festgestellt. Die Klägerin legte der Beklagten ein Nachtragsangebot vor, das diese nicht annahm. Mit Schreiben vom 2. Juni 2010 kündigte die Beklagte den Bauvertrag mit sofortiger Wirkung. Die Klägerin erteilte der Beklagten am 8. Juli 2010 eine Schlussrechnung über 90.527,75 € brutto. Die Beklagte leistete hierauf eine Zahlung in Höhe von 35.107,15 €. In einem Schreiben vom 27. September 2010 wies sie weitere Ansprüche der Klägerin als nicht ausreichend begründet zurück und wies zugleich auf die Ausschlusswirkung der Schlusszahlung nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B hin. Mit Anwaltsschreiben vom 1. Oktober 2010 teilte die Klägerin der Beklagten daraufhin mit, dass der von dieser ermittelte Betrag von 35.107,15 € nicht ansatzweise nachvollzogen werden könne, und machte gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B einen Vorbehalt gegen die Schlusszahlung geltend.
Mit der Klage hat die Klägerin zunächst nur den sich nach Abzug der von der Beklagten geleisteten Zahlung ergebenden Betrag aus der ursprünglichen Schlussrechnung in Höhe von 55.420,60 € geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 15. Juli 2011 hat die Klägerin eine um kalkulierte Lohnkosten korrigierte zweite Schlussrechnung mit Datum vom 8. Juli 2010 über einen Betrag von 194.149,93 € vorgelegt. Auf dieser Grundlage hat sie ihre Klage erweitert und zuletzt die Zahlung einer restlichen Vergütung in Höhe von 155.552,22 € zuzüglich Zinsen gefordert. Die Klägerin hat behauptet, sie habe kein Wagnis kalkuliert. Die Beklagte geht demgegenüber davon aus, dass von dem angegebenen Prozentsatz von 5 % für "Wagnis und Gewinn" ein Anteil von 2,5 % auf den Zuschlag für Wagnis entfällt, der als ersparte Aufwendung in Abzug zu bringen sei.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 150.747,73 € zuzüglich anteiliger Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht das landgerichtliche Urteil unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 149.033,87 € zuzüglich anteiliger Zinsen zu zahlen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren auf Klageabweisung gerichteten Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten führt, soweit zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist, zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht führt - soweit für die Revision von Interesse - im Wesentlichen aus, der Klägerin stehe nach der freien Kündigung des zwischen den Parteien im November 2009 geschlossenen Werkvertrags gegen die Beklagte aus § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B (2006) ein Zahlungsanspruch in Höhe von 149.033,87 € zu. Die Parteien hätten unstreitig unter Einbeziehung der VOB/B einen Werkvertrag über Rohbauarbeiten an einer Wagenhalle geschlossen. Die Beklagte könne sich hinsichtlich der aus der zweiten Schlussrechnung der Klägerin geltend gemachten Nachforderungen nicht mit Erfolg auf die Schlusszahlungseinrede berufen. Die Klägerin habe am 1. Oktober 2010 eine wirksame Vorbehaltserklärung abgegeben, die die Einrede der vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung auch hinsichtlich der zweiten Schlussrechnung mit Datum vom 8. Juli 2010 ausschließe. Nachdem die Klägerin am 1. Oktober 2010 den Vorbehalt gegen die Schlusszahlung geltend gemacht habe und eine prüfbare Schlussrechnung bereits vorgelegen habe, sei ihr die Geltendmachung weiterer Forderungen nicht verwehrt gewesen. Anhaltspunkte für einen Verzicht auf eine Nachforderung seien nicht dargetan. Die Beklagte habe nach der Vorbehaltserklärung der Klägerin nicht darauf vertrauen dürfen, dass diese keine nicht in der ersten Schlussrechnung enthaltenen Nachforderungen geltend machen werde. Es habe von der Klägerin nicht verlangt werden können, mit Vorlage der zweiten Schlussrechnung ihren Vorbehalt zu wiederholen, da aufgrund der Vorbehaltserklärung vom 1. Oktober 2010 überhaupt kein Vertrauenstatbestand zugunsten der Beklagten geschaffen worden sei. Hätte die Beklagte erreichen wollen, dass die Klägerin die in der zweiten Schlussrechnung eingestellten Forderungen nicht würde durchsetzen können, hätte sie auch gegen die Nachforderungen die Schlussrechnungserklärung abgeben und abwarten müssen, ob die Klägerin rechtzeitig den dann erforderlichen Vorbehalt erklärt oder eine Vorbehaltsbegründung abgegeben hätte. Das habe die Beklagte nicht getan. Vor diesem Hintergrund komme es auf die weitere Frage, ob § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 5 VOB/B überhaupt wirksam seien, nicht an.
Im Hinblick auf den Zuschlag für Wagnis habe die Klägerin durch die freie Kündigung der Beklagten keine Aufwendungen erspart. Hierbei handele es sich nicht um Kosten im baubetrieblichen Sinn. Das sogenannte Wagnis sei vielmehr dem Gewinn zuzurechnen, da es die Belohnung für das allgemeine unternehmerische Risiko darstelle. Selbst wenn man dies als spezielles Wagnis des konkreten Bauvertrages ansähe, sei festzustellen, dass sich dieses Wagnis durch die grundlose Kündigung des Auftraggebers gerade verwirklicht habe. Das zeige sich schon durch die erhöhten Kosten für die schwierige Abrechnung und Durchsetzung des Vergütungsanspruches, so dass der damit verbundene Mehraufwand als Risiko entstanden und nicht erspart sei.
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Die Revision der Beklagten ist insgesamt zulässig. Das Berufungsgericht hat die Zulassung der Revision zugunsten der Beklagten nicht wirksam beschränkt.
Das Berufungsgericht hat die Revision zugunsten der Beklagten im Tenor uneingeschränkt zugelassen. Es entspricht allerdings ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass sich auch bei uneingeschränkter Zulassung des Rechtsmittels im Tenor eine wirksame Beschränkung aus den Entscheidungsgründen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 21. Mai 2015 - VII ZR 190/14, BauR 2015, 1515 Rn. 13 ff. = NZBau 2015, 477; Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 152/13, ZfBR 2014, 671 Rn. 31; Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, NZBau 2011, 354 Rn. 11; jeweils m.w.N.). Das bedeutet nicht, dass stets allein aus der Begründung der Zulassung eine Beschränkung auf den Bereich der mitgeteilten Gründe entnommen werden kann. Eine Zulassungsbeschränkung kann in solchen Fällen vielmehr nur angenommen werden, wenn aus den Gründen mit ausreichender Klarheit hervorgeht, dass das Berufungsgericht die Möglichkeit einer Nachprüfung im Revisionsverfahren nur wegen eines abtrennbaren Teils seiner Entscheidung eröffnen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 152/13, aaO; Beschluss vom 14. Mai 2008 - XII ZB 78/07, NJW 2008, 2351 Rn. 16). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Das Berufungsgericht hat die Revision im Hinblick auf die Frage, ob das Wagnis als ersparte Aufwendung anzusehen sei, und zu der von der Beklagten erhobenen Schlussrechnungseinrede mit der Begründung zugelassen, dass es insoweit um das grundsätzliche Verständnis der Reichweite des Vorbehalts gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B gehe. Eine Revisionszulassung zur Klärung abstrakter Rechtsfragen ist unzulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann die Zulassung der Revision jedoch auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffes beschränkt werden, auf den der Revisionskläger selbst seine Revision beschränken könnte (BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - VII ZR 152/13, aaO Rn. 33; Beschluss vom 10. Februar 2011 - VII ZR 71/10, aaO; Beschluss vom 10. September 2009 - VII ZR 153/08, NZBau 2010, 105 [BGH 10.09.2009 - VII ZR 153/08] Rn. 5, jeweils m.w.N.). Nach diesen Maßgaben ist die Zulassung der Revision zugunsten der Beklagten nicht wirksam auf einen Teil des Streitstoffs beschränkt worden. Die vom Berufungsgericht für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage, welche Reichweite der gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B erklärte Vorbehalt hat, ist zwar ausschließlich für die von der Klägerin mit der zweiten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 geltend gemachte weitere Nachforderung im Umfang von 93.613,27 € zuzüglich geltend gemachter anteiliger Zinsen von Bedeutung. Insoweit steht jedoch kein tatsächlich und rechtlich selbständiger Teil des Gesamtstreitstoffes in Rede, auf den die Revisionszulassung wirksam beschränkt werden könnte. Die Klägerin hat unter Einbeziehung weiterer Lohnkosten eine neue einheitliche Schlussrechnung über einen Betrag von 194.149,93 € erstellt. Welche Positionen den Mehrbetrag im Umfang von 93.613,27 € ergeben, ist der Schlussrechnung nicht zu entnehmen. Aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt sich ebenfalls nicht, welche Nachforderungen im Einzelnen von diesem weiteren in die Abrechnung einbezogenen Betrag erfasst sind.
2. Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit zum Nachteil der Beklagten entschieden worden ist. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer restlichen Vergütung gemäß § 649 Satz 2 BGB in Höhe von 149.033,87 € zuzüglich anteiliger Zinsen nicht bejaht werden.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Beklagte den Bauvertrag gemäß § 649 Satz 1 BGB gekündigt hat und der Klägerin infolgedessen ein Vergütungsanspruch nach Maßgabe des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B zusteht. Dies greift die Revision nicht an. Revisionsrechtlich beachtliche Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich.
b) Das Berufungsgericht hält die von der Klägerin vorgelegten Schlussrechnungen für prüfbar. Dies nimmt die Revision ebenfalls hin. Auch dies begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken.
c) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen dagegen nicht seine Annahme, die Klägerin habe auch im Hinblick auf die zweite Schlussrechnung mit Datum vom 8. Juli 2010 einen wirksamen Vorbehalt erklärt und sei mit der sich aus dieser ergebenden Mehrforderung nicht aufgrund der von der Beklagten am 27. September 2010 erhobenen Schlussrechnungseinrede nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ausgeschlossen.
aa) Nach den in der Revision nicht beanstandeten Feststellungen des Berufungsgerichts haben die Parteien die Geltung der VOB/B vereinbart. Maßgeblich ist die VOB/B in der seit dem 1. November 2006 geltenden Fassung. Das Berufungsgericht hat allerdings keine Feststellungen dazu getroffen, ob die VOB/B als Ganzes vereinbart worden und die Regelung in § 16 Nr. 3 VOB/B danach gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB entzogen ist. Zugunsten der Beklagten ist für das Revisionsverfahren daher davon auszugehen, dass dies der Fall ist.
bb) Zu Recht geht das Berufungsgericht zunächst davon aus, dass die Klägerin mit der in der ersten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 abgerechneten Vergütungsforderung trotz der von der Beklagten erhobenen Schlussrechnungseinrede nicht nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ausgeschlossen ist, weil sie sich diese Forderung wirksam nach § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B vorbehalten hat.
(1) Nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B schließt die vorbehaltlose Annahme der Schlusszahlung Nachforderungen aus, wenn der Auftragnehmer über die Schlusszahlung schriftlich unterrichtet und auf die Ausschlusswirkung hingewiesen wird. Nach § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B ist ein Vorbehalt innerhalb von 24 Werktagen nach Zugang der Mitteilung nach Absatz 2 über die Schlusszahlung zu erklären. Er wird hinfällig, wenn nicht innerhalb von weiteren 24 Werktagen eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltenen Forderungen eingereicht oder, wenn das nicht möglich ist, der Vorbehalt eingehend begründet wird. Nach dieser Maßgabe hat die Klägerin die von der Beklagten auf die erste Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 erbrachte Zahlung in Höhe von 35.107,15 €, die die Beklagte in ihrem Schreiben vom 27. September 2010 als Schlusszahlung gekennzeichnet und mit dem Hinweis auf die Ausschlusswirkung nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B verbunden hatte, nicht vorbehaltlos angenommen.
(2) Der von der Klägerin im Schreiben vom 1. Oktober 2010 hierzu erklärte Vorbehalt ist der Beklagten innerhalb der hierfür bestimmten Frist und damit rechtzeitig zugegangen. Die Klägerin war nach den Umständen nicht verpflichtet, innerhalb von weiteren 24 Werktagen eine prüfbare Rechnung über die vorbehaltene Forderung aus der ersten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 einzureichen oder den hierauf gestützten Vorbehalt zu begründen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es der Begründung des Vorbehalts nicht, wenn sich die streitige Forderung aus einer prüfbaren Rechnung ergibt und der Auftraggeber ihr entnehmen kann, in welchem Umfang er über seine Schlusszahlung hinaus noch Ansprüche zu gewärtigen hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1985 - VII ZR 324/83, BauR 1985, 576, Rn. 8; Urteil vom 28. Juni 1984 - VII ZR 278/82, BauR 1984, 645, 646, Rn. 19; Urteil vom 8. November 1979 - VII ZR 113/79, BauR 1980, 178, 179, Rn. 12 m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind erfüllt, soweit es um die sich aus der ersten Schlussrechnung der Klägerin vom 8. Juli 2010 ergebende Vergütungsforderung geht. Die von der Klägerin vorgelegte erste Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 war prüfbar. Die Beklagte konnte dieser Schlussrechnung auch entnehmen, welche Forderung sich die Klägerin durch ihre Erklärung im Schreiben vom 1. Oktober 2010 vorbehalten wollte.
cc) Von Rechtsfehlern beeinflusst ist dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die von der Klägerin am 1. Oktober 2010 abgegebene Vorbehaltserklärung erfasse auch die von ihr mit der zweiten, ebenfalls auf den 8. Juli 2010 datierten, allerdings erst im Laufe des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 15. Juli 2011 vorgelegten Schlussrechnung geltend gemachte weitere Vergütungsforderung, die über die in der ersten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 geltend gemachte Forderung hinausgeht. Die Beklagte kann sich hinsichtlich der mit der zweiten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 abgerechneten Vergütung mit Erfolg auf die Einrede der vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung gemäß § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B berufen, soweit damit eine Vergütung abgerechnet wird, die über die mit der ersten Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 abgerechnete Werklohnforderung hinausgeht.
Diese weitere Forderung hat sich die Klägerin nicht innerhalb der nach § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B maßgeblichen Frist von weiteren 24 Werktagen nach Erklärung des Vorbehalts und damit nicht rechtzeitig vorbehalten. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allein aus der Erteilung einer Schlussrechnung für den VOB-Vertrag ein Vertrauenstatbestand nicht hergeleitet werden. Vielmehr steht es dem Auftragnehmer grundsätzlich frei, weitere Forderungen geltend zu machen (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987 - VII ZR 16/87, BGHZ 102, 392, 394, Rn. 9). Hat der Auftraggeber jedoch nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B wirksam die Einrede der Schlusszahlung erhoben, kann der Auftragnehmer nur innerhalb der Fristen des § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B noch Nachforderungen stellen, die nicht in der bereits überreichten Schlussrechnung enthalten sind (vgl. BGH, Urteil vom 17. Dezember 1987 - VII ZR 16/87, aaO, S. 396 f., Rn. 15; Urteil vom 20. Mai 1985 - VII ZR 324/83, BauR 1985, 576 f., Rn. 10).
Die Klägerin hat im Streitfall binnen der in § 16 Nr. 3 Abs. 5 VOB/B bestimmten Frist weder die ebenfalls auf den 8. Juli 2010 datierte zweite Schlussrechnung vorgelegt noch die darin abgerechnete weitere Vergütungsforderung begründet. Die zweite Schlussrechnung vom 8. Juli 2010 ist der Beklagten vielmehr erst im Laufe des Rechtsstreits mit Schriftsatz vom 15. Juli 2011 übersandt worden. Hinsichtlich der mit der Klageerweiterung geltend gemachten Mehrforderung im Umfang von 93.613,27 € hat die Klägerin danach einen Vorbehalt nicht rechtzeitig erklärt mit der Folge, dass sie mit dieser Forderung nach § 16 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B ausgeschlossen ist.
d) Im Ergebnis zutreffend geht das Berufungsgericht dagegen davon aus, dass es sich bei dem im Rahmen der Einheitspreise für Wagnis und Gewinn kalkulierten Zuschlag nicht um eine infolge der Kündigung der Beklagten ersparte Aufwendung im Sinne des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B handelt.
aa) Der Auftragnehmer ist im Falle der Kündigung des Auftraggebers gemäß § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Erspart sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs diejenigen Aufwendungen, die der Unternehmer ohne die Kündigung gehabt hätte und die infolge der Kündigung entfallen sind (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, BGHZ 143, 79, 83, Rn. 13; Urteil vom 21. Dezember 1995 - VII ZR 198/94, BGHZ 131, 362, 365, Rn. 14). Eine Ersparnis kommt vor allem bei den projektbezogenen Herstellungskosten und den variablen, projektbezogenen Gemeinkosten in Betracht. Gewinn und Allgemeine Geschäftskosten, die nicht projektbezogen anfallen, sind nicht erspart (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1999 - VII ZR 326/98, aaO; Urteil vom 30. September 1999 - VII ZR 206/98, BauR 2000, 126, 128, Rn. 13 = NZBau 2000, 140 [BGH 30.09.1999 - VII ZR 206/98]; Urteil vom 14. Januar 1999 - VII ZR 277/97, BGHZ 140, 263, 269, Rn. 25).
(1) Nach diesen Grundsätzen ist der vom Auftragnehmer neben dem Gewinn kalkulierte Zuschlag für Wagnis im Falle der Kündigung des Werkvertrags durch den Auftraggeber nicht als ersparte Aufwendung von der vereinbarten Vergütung nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B in Abzug zu bringen, wenn mit diesem Zuschlag das allgemeine unternehmerische Risiko für die durch die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers allgemein begründete Verlustgefahr abgesichert werden soll (vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Lederer, VOB/B, 5. Aufl., § 8 Rn. 38; Ingenstau/Korbion/Joussen/Vygen, VOB Teile A und B, 19. Aufl., § 8 Abs. 1 VOB/B Rn. 70; Vygen/Joussen, Bauvertragsrecht nach VOB und BGB, 5. Aufl., Rn. 2845; Kapellmann/Schiffers, Vergütung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, 5. Aufl., Band 2 Rn. 1372; Groß, BauR 2007, 631, 636; Drittler, Nachträge und Nachtragsprüfung beim Bau- und Anlagenbauvertrag, 2. Aufl., 3.2.1 Rn. 34 f.; OLG München, BauR 2013, 1868, 1874 = NZBau 2013, 495). Dieser vom Auftragnehmer kalkulierte Zuschlag ist wie der von ihm kalkulierte Gewinn im Falle einer Kündigung des Werkvertrags durch den Auftraggeber nicht erspart. Denn es handelt sich nicht um Kosten des Auftragnehmers, die infolge der Kündigung des Vertrags entfallen. Die zur Abgeltung des allgemeinen Unternehmerwagnisses kalkulierte Kostenposition dient vielmehr zur Absicherung von Risiken, die mit dem Geschäftsbetrieb als solchem verbunden sind. Ihr stehen keine tatsächlichen Kosten des Auftragnehmers gegenüber. Es kommt demnach auch nicht darauf an, ob sich das Risiko, das mit diesem Wagniszuschlag abgedeckt werden soll, im konkreten Fall verwirklicht hat oder nicht. Der Wagniszuschlag zur Absicherung des allgemeinen Unternehmerrisikos steht dem Auftragnehmer vielmehr unabhängig davon zu, ob die vertraglich vereinbarte Leistung infolge der Kündigung des Vertrags durch den Auftraggeber nicht mehr zur Ausführung gelangt. Denn das durch den Geschäftsbetrieb im Allgemeinen begründete Risiko des Auftragnehmers besteht unabhängig davon, ob im Einzelfall der Vertrag ausgeführt wird. Soweit der Entscheidung des Senats vom 30. Oktober 1997 (VII ZR 222/96, BauR 1998, 185) diesbezüglich etwas anderes entnommen werden könnte, hält der Senat daran nicht fest.
(2) Anders zu beurteilen sind dagegen vom Auftragnehmer kalkulierte Zuschläge für Einzelwagnisse, die die mit der Leistungserstellung in den einzelnen Tätigkeitsgebieten des Betriebs verbundenen Verlustgefahren abgelten sollen. Die für solche Einzelwagnisse kalkulierten Kosten des Auftragnehmers können im Sinne von § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B erspart sein, wenn sie mit der Leistung oder Teilen von ihr verbunden sind, die infolge der Kündigung des Auftraggebers nicht mehr zur Ausführung kommen. Der Auftragnehmer hat sich diese kalkulierten Kosten dann als ersparte Aufwendungen nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B anrechnen zu lassen. Denn er ist das mit dieser Kostenposition vergütete Risiko tatsächlich nicht eingegangen, wenn es nicht zur Ausführung der mit diesem Risiko verbundenen Vertragsleistung kommt (vgl. Dornbusch/Plum, Jahrbuch Baurecht 2000, 160, 170; Groß, BauR 2007, 631, 636).
bb) Nach diesen Grundsätzen sind die von der Klägerin in dem ihrem Angebot beigefügten Formblatt 221 (VHB 2008) ausgewiesenen Zuschläge für Wagnis und Gewinn insgesamt nicht als ersparte Aufwendungen im Sinne des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B anzusehen und daher nicht von der Vergütungsforderung der Klägerin in Abzug zu bringen. Sie betreffen das Wagnis für das allgemeine Unternehmerrisiko sowie den kalkulierten Gewinn. Die Klägerin durfte die Überschrift in dem von der Beklagten vorgeschriebenen Formblatt 221 "Wagnis und Gewinn" dahin verstehen, dass mit dieser Kostenposition der für das allgemeine Unternehmerrisiko kalkulierte Zuschlag angegeben werden sollte. Hierfür spricht insbesondere, dass in dem Formblatt zwischen Wagnis und Gewinn nicht gesondert unterschieden wird und die so ermittelten Zuschläge zur Ermittlung der Einheitspreise im Formblatt 223 auf die für die angebotenen Teilleistungen ermittelten Herstellungskosten jeweils aufzuschlagen waren. Daraus folgt, dass es sich bei der Position "Wagnis und Gewinn" nicht um Kosten handelt, die lediglich ein im Hinblick auf eine bestimmte Teilleistung bestehendes Wagnis abgelten sollen. Die hierfür kalkulierten Kosten der Klägerin sind damit infolge der Kündigung der Beklagten nicht im Sinne des § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B erspart.
Auf den zwischen den Parteien streitigen Umstand, wie der Zuschlag für Wagnis und Gewinn im vorliegenden Fall weiter aufzuschlüsseln wäre, kommt es nicht entscheidend an. Anhaltspunkte dafür, dass in die Vergütung der Klägerin ein auf eine Vertragsleistung bezogenes Einzelwagnis einkalkuliert gewesen ist, das bei Nichtausführung der Leistung als ersparte Aufwendung nach § 649 Satz 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B in Abzug zu bringen wäre, bestehen nicht und werden auch von der Beklagten nicht geltend gemacht.
III.
Das angefochtene Urteil kann aus den unter II. 2. c) genannten Gründen keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO, weil das Berufungsgericht bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob die Parteien die VOB/B als Ganzes vereinbart haben und § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 5 VOB/B gemäß § 310 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB damit einer Inhaltskontrolle entzogen sind. Ist dies nicht der Fall und die Inhaltskontrolle nach Maßgabe des § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB eröffnet, sind die Bestimmungen in § 16 Nr. 3 Abs. 2 und 5 VOB/B wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam (vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - VII ZR 226/05, BauR 2007, 1404, 1406, Rn. 21 = NZBau 2007, 581 [BGH 10.05.2007 - VII ZR 226/05]; Urteil vom 22. Januar 2004 - VII ZR 419/02, BGHZ 157, 346, 347 f., Rn. 9; Urteil vom 9. Oktober 2001 - X ZR 153/99, BauR 2002, 775, 776, Rn. 10; Urteil vom 19. März 1998 - VII ZR 116/97, BGHZ 138, 176, 178, Rn. 14; Urteil vom 17. September 1987 - VII ZR 155/86, BGHZ 101, 357, 363 ff., Rn. 21 ff.). Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Gelegenheit, die erforderlichen Feststellungen nachzuholen.