Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.02.1997, Az.: VI ZR 69/96
Objektive Klagehäufung; Zahlungs- und Feststellungsansprüche; Teilurteil; Gefahr widersprechenden Schlußurteils
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 04.02.1997
- Aktenzeichen
- VI ZR 69/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1997, 13871
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- MDR 1997, 491-492 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1997, 1709-1710 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1997, 601-602 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Bei objektiver Klagehäufung von Zahlungs- und Feststellungsansprüchen darf nicht durch Teilurteil allein über den Grund der Zahlungsansprüche entschieden werden, wenn die Gefahr eines diesem Erkenntnis widersprechenden Schlußurteils über die Feststellungsansprüche besteht.
Tatbestand:
Der seinerzeit 45 Jahre alte, als Maurer tätige Kläger wurde am 8. Dezember 1988 auf einer Baustelle von einem Baukran so fest gegen eine Eisenstrebe gedrückt, daß er eine Beckenquetschung erlitt. Nach notärztlicher Versorgung am Unfallort wurde der Kläger noch am selben Tage in das Krankenhaus der Zweitbeklagten verbracht und dort vom Erst beklagten behandelt, der Drittbeklagte war in der Klinik als Oberarzt tätig. Ein durch den Unfall erfolgter Abriß des Enddarms blieb zunächst unbemerkt, er wurde erst am 10. Dezember 1988 festgestellt und operativ versorgt.
In der Folgezeit kam es bei dem Kläger zu einer lebensgefährlichen Infektion, die mehrere weitere Operationen erforderlich machte. Nach seiner Behauptung ist er jetzt zu 100 % erwerbsunfähig.
Der Kläger sieht in dem nicht sofortigen Erkennen und Versorgen des Enddarmabrisses einen groben Behandlungsfehler, der zu den weiteren Schadensfolgen geführt habe und die Schadensersatzpflicht der Beklagten begründe. Zum Ausgleich seiner bisherigen materiellen und immateriellen Schaden hat der Kläger zuletzt die Zahlung eines Betrages von 43.365 DM und eines Schmerzensgeldes von 150.000 DM, jeweils nebst Zinsen, beansprucht. Des weiteren hat er die Feststellung begehrt, daß die Beklagten ihm auch alle weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus der unterlassenen sofortigen Behandlung des Rektumabrisses zu ersetzen hätten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat durch Teil- und Grund-Urteil die auf Zahlung gerichteten Klageanträge dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Hiergegen richten sich die Revisionen des Beklagten zu 1) sowie der Beklagten zu 2) und 3) , mit denen sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstreben.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht meint, es seien allein die mit der Klage geltend gemachten Zahlungsansprüche dem Grunde nach zur Endentscheidung reif. Da die ärztliche Behandlung des Klägers im Krankenhaus der Zweitbeklagten grob fehlerhaft gewesen sei, habe den Beklagten der Nachweis oblegen, da die verzögerte operative Versorgung des Darmabrisses für das infektiöse Geschehen bei dem Kläger und die darauf beruhenden Folgen nicht kausal gewesen sei. Dieser Beweis sei von den Beklagten nicht erbracht worden. Bezüglich der nicht von den Zahlungsanträgen umfaßten Schadensfolgen sei der Rechtsstreit noch nicht entscheidungsreif, insoweit bedürfe es noch weiterer Feststellungen.
II. Das Berufungsurteil hält einer Überprüfung nicht stand. Mit Recht rügen beide Revisionen, daß das Berufungsgericht ein unzulässiges Teilurteil erlassen hat.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf bei einheitlichem Klageanspruch ein Teilurteil nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des Anspruchs unabhängig ist, so daß die Gefahr einander widersprechender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (BGHZ 107, 236, 242; 120, 376, 380, Urteile vom 10. Oktober 1991 - III ZR 93/90 - VersR 1992, 382 = BGHR ZPO § 301 Abs. 1 Schadensersatz 3, vom 8. November 1995 - VIII ZR 269/94 - BGHR ZPO § 301 Abs. 1 Hilfsaufrechnung 2 und vom 23. Januar 1996 - VI ZR 387/94 - VersR 1996, 779, 780 = BGHR ZPO § 301 Abs. 1 Schadensersatz 6). Dasselbe gilt für den gemäß § 301 Abs. 1 ZPO gleichstehen den Fall, daß von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen, wie sie hier vom Kläger mit den Zahlungs- und den Feststellungsanträgen verfolgt werden, nur einer oder ein Teil als zur Endentscheidung reif erachtet wird. Auch dann ist zu fragen, ob sich eine bei dem einen Anspruch zu prüfende Frage bei dem mit diesem in objektiver Klagehäufung verbundenen anderen Anspruch in gleicher Weise stellt, so daß nicht auszuschließen ist, daß das Gericht in diesem Punkt im Verlauf der weiteren Verhandlung über den anderen Anspruch zu abweichenden Erkenntnissen gelangt. Diese Gefahr ist insbesondere dann gegeben, wenn mehrere aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitete prozessuale Ansprüche im Klagegrund übereinstimmen. Sie macht den Erlaß eines Teilurteils über nur einen der miteinander verbundenen Klageansprüche unzulässig (BGH, Urteil vom 27. Mai 1992 - IV ZR 42/91 - VersR 1992, 1087, 1088 = BGHR ZPO § 301 Abs. 1 Teil-Grundurteil, siehe auch Urteil vom 11. April 1990 - XII ZR 32/89 - NJW 1991, 570 f).
2. Hiergegen hat das Berufungsgericht im Streitfall verstoßen. Da die Begründung, mit der es die auf Zahlung gerichteten Schadensersatzansprüche des Klägers dem Grunde nach für gerechtfertigt gehalten hat, als bloßes Urteilselement weder in Rechtskraft erwachst, noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren über die mit den Feststellungsantragen geltend gemachten Schaden bindet (vgl. MünchKommZPO, § 318 Rdn. 3 (Musielak) mit § 322 Rdn. 81 und 83 (Gottwald)), besteht die prozessuale Möglichkeit, daß das Berufungsgericht nach weiterer Verhandlung in bezug auf die Feststellungsansprüche einen groben Behandlungsfehler als Grundlage für das Schadensersatzbegehren des Klägers verneint. Diese Gefahr einander widersprechender Entscheidungen macht das angefochtene Grund und Teilurteil unzulässig (BGH, Urteile vom 11. April 1990 - XII ZR 32/89 - und vom 27. Mai 1992 - IV ZR 42/91 -, jeweils aaO.).
III. Das Berufungsurteil ist deshalb auf die Verfahrensrügen der Revisionen aufzuheben und der Rechtsstreit zur Herbeiführung einer einheitlichen Entscheidung gemäß § 565 Abs. 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.