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Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.12.1995, Az.: V ZB 4/94

Wohnungseigentum; Verwalter; Bauliche Veränderung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
21.12.1995
Aktenzeichen
V ZB 4/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 15593
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BGHZ 131, 346 - 356
  • DB 1996, 722-723 (Volltext)
  • FGPrax 1996, 90-92
  • MDR 1996, 787-788 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJ 1996, 278-279 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1996, 1216-1218 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1996, 787-790 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuM 1996, 240-242 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Holt der Verwalter über die Frage, ob ein wichtiger Grund zur Versagung der Zustimmung zu einer baulichen Veränderung vorliegt, eine Weisung der Wohnungseigentümer ein, hat er, wenn er gewerblich tätig wird, die Eigentümer über die aufgetretenen tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen umfassend aufzuklären; hat er die Rechtsfrage mit der erforderlichen Sorgfalt geprüft, ist es ihm nicht anzulasten, wenn er gleichwohl einen Rechtsirrtum unterliegt.

2. Bestehen ernstliche Zweifel, ob ein wichtiger Grund zur Versagung der beantragten Zustimmung zur baulichen Veränderung des Wohnungseigentums vorliegt, ist der Verwalter, auch wenn er gewerblich tätig wird, befugt, die Wohnungseigentümer um eine Weisung anzugehen.

Gründe

1

I. Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer einer im vierten Obergeschoß gelegenen Wohnung, zu der auch die darüber befindlichen Dachräume gehören. In der Teilungserklärung ist bestimmt:

2

"Den Eigentümern... wird bereits jetzt das Recht eingeräumt, jeweils durch entsprechende bauliche Maßnahmen eine Verbindung zwischen der jeweiligen im 4. Obergeschoß gelegenen Wohnung und der darüber befindlichen Dachgeschoßfläche innerhalb der betreffenden Sondereigentumseinheit auf ihre Kosten herbeizuführen. Die Eigentümer dieser... Wohneinheiten haben das Recht, die jetzige Nutzung der Dachgeschoßflächen zu verändern, soweit dem bauaufsichtliche Vorschriften, oder die Bestimmungen dieser Gemeinschaftsordnung über die Nutzung des Sondereigentums nicht entgegenstehen; sie dürfen also die Dachgeschoßflächen insbesondere unter Beachtung der behördlichen Vorschriften auch als Wohnflächen nutzen, dort Dachterrassen anlegen und die für derartige Zwecke erforderlichen Veränderungen vornehmen, auch soweit das die jeweilige Sondereigentumseinheit begrenzende gemeinschaftliche Eigentum betroffen wird.

3

Die betreffenden Wohnungseigentümer bedürfen zu diesen Maßnahmen der Genehmigung des Verwalters, die nur aus wichtigem Grund versagt werden darf. Als wichtiger Grund ist z.B. anzusehen, wenn die begründete Besorgnis besteht, daß die beabsichtigte Baumaßnahme nicht fachgerecht ausgeführt wird. Für alle Umbaumaßnahmen sind die erforderlichen Genehmigungen einzuholen und Fachfirmen mit der Bauausführung zu beauftragen. Dem Verwalter sind die Umbaupläne zur Vervollständigung der Unterlagen einzureichen. "

4

Der während des Verfahrens der sofortigen weiteren Beschwerde verstorbene Ehemann der Beteiligten zu 2 (früherer Beteiligter zu 2) war bis 31. Dezember 1989 Verwalter. Verwalterin ist seither die Beteiligte zu 3, deren Geschäftsführer der frühere Beteiligte zu 2 war.

5

Der Beteiligte zu 1 suchte am 9. August 1989 um Zustimmung des Verwalters zum Ausbau des Dachgeschosses und zu dessen Verbindung mit der darunter befindlichen Wohnung nach. Die Umbaupläne, die Baugenehmigung und eine Liste der beauftragten Fachfirmen legte er vor. Der frühere Beteiligte zu 2 erklärte am 14. August 1989, mangels eigener Fachkenntnisse müsse er zur Überprüfung einen Sachverständigen heranziehen. Zugleich legte er dem Beteiligten zu 1 eine Liste von 13 Fragen und Auflagen vor. Der Beteiligte zu 1 trat dem entgegen und setzte eine Frist zur Erteilung der Zustimmung bis 6. November 1989. Der frühere Beteiligte zu 2 berief eine Eigentümerversammlung auf den 13. Oktober 1989 ein, die einen Beschluß über das Verfahren bei künftigen Dachgeschoßausbauten faßte (TOP 13). Er sah einen Katalog von 18 Vorbedingungen vor, unter anderem die Begutachtung durch einen Sachverständigen, in dessen Vergütung der Ausbauwillige und die Gemeinschaft sich teilen sollten, die Einhaltung von aufzustellenden Ausbaurichtlinien, den Abschluß eines von einem Rechtsanwalt zu fertigenden Mustervertrags, die Vorlage eines Gutachtens darüber, daß der Ausbau die Kapazität der vorhandenen Heizungs- und Warmwasseranlage nicht überschreite, eine Vereinbarung mit dem Verwalter über den "Menschen- und Materialtransport", die besondere Zustimmung des Verwalters für den Abriß und die Entfernung von Gemeinschaftseigentum. Zu den "Besonderheiten im Falle des Ausbaus durch Herrn V. " (Beteiligter zu 1)) faßte die Versammlung folgenden Beschluß:

6

"Die Wohnungseigentümergemeinschaft genehmigt die Entscheidung des Verwalters, die beantragte Verwalterzustimmung zum Dachgeschoßausbau nicht zu erteilen, sondern diese in das Ermessen der heutigen Eigentümerversammlung zu stellen.

7

Herr V. möge die zu TOP 13 beschlossenen Punkte erfüllen, die ihn und seinen Antrag auf Verwalterzustimmung betreffen, damit eine Prüfung der sach- und fachgerechten Ausführung möglich wird. "

8

Das Beschwerdegericht hob am 2. Oktober 1990 im Wohnungseigentumsverfahren auf Antrag des Beteiligten zu 1 die Beschlüsse der Wohnungseigentümergemeinschaft auf und verpflichtete die Beteiligte zu 3, die beantragte Zustimmung zu erteilen. Dem kam sie am 14. Januar 1991 nach.

9

Der Beteiligte zu 1 hat (zuletzt) beantragt, den früheren Beteiligten zu 2 und die Beteiligte zu 3 zur Erstattung der in der Zeit vom 11. August 1989 bis 23. Januar 1991 entstandenen Baukostenerhöhungen, Mietzinsausfälle und weiteren Kosten zu verurteilen. Er hat sie anteilig für die jeweilige Zeit ihrer Verwaltung in Anspruch genommen und von dem früheren Beteiligten zu 2 Zahlung von 31.204, 73 DM, von der Beteiligten zu 3 von 74.890, 50 DM verlangt. Das Amtsgericht und das Landgericht haben die Anträge abgewiesen. Das Kammergericht möchte die sofortige weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückweisen, sieht sich daran aber durch die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 9. Februar 1983 und 18. September 1984 (OLGZ 1985, 133 und 140) gehindert. Es hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

10

II. Die Vorlage ist gemäß §§ 43 ff WEG i.V.m. § 28 Abs. 2 FGG statthaft.

11

1. Das vorlegende Kammergericht geht davon aus, daß der frühere Beteiligte zu 2 und die Beteiligte zu 3 von einer eigenen Entscheidung über die beantragte Zustimmung zu der Baumaßnahme abgesehen und die Entscheidung der Wohnungseigentümerversammlung überlassen haben. Es ist der Auffassung, der Verwalter sei im Zweifelsfalle zu einem solchen Vorgehen berechtigt. Er sei nicht verpflichtet, ein "Einschätzungsrisiko" einzugehen und selbst eine Abwägung zwischen den widerstreitenden Interessen vorzunehmen. Deshalb könne er in einem solchen Falle nicht haften. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht Karlsruhe für die Zustimmung des Verwalters zur Veräußerung von Wohnungseigentum (§ 12 WEG) entschieden, daß der Verwalter, auch wenn ihm - was es offenläßt - nicht verwehrt sein sollte, vor seiner Entschließung eine Entscheidung der Wohnungseigentümergemeinschaft herbeizuführen, letztlich in eigener Verantwortung über die beantragte Zustimmung entscheiden müsse (Beschl. v. 9. Februar 1983, OLGZ 1985, 133).

12

Beide Gerichte sind damit in derselben Rechtsfrage verschiedener Auffassung. Zwar können die Umstände, die einen wichtigen Grund zur Versagung der Zustimmung bilden, in den Fällen der baulichen Veränderung und der Veräußerung des Wohnungseigentums verschieden sein. Die vom Kammergericht für entscheidungserheblich gehaltene Frage, ob der Verwalter die Zustimmungsentscheidung in eigener Verantwortung zu treffen habe oder mit der Folge, daß seine Haftung ausscheidet, der Wohnungseigentümergemeinschaft überlassen kann, ist aber hier wie dort dieselbe.

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Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe beruht auch, was § 28 Abs. 2 FGG voraussetzt, auf der abweichenden Beurteilung der Rechtsfrage. Zwar hatte in dem vom Oberlandesgericht entschiedenen Falle der Verwalter, nachdem er die Stellungnahme des Verwaltungsbeirats eingeholt hatte, selbst die Zustimmung zu der beantragten Veräußerung versagt. Später hatte aber auf Antrag des Eigentümers die Wohnungseigentümerversammlung erneut über die Zustimmung entschieden und diese abgelehnt. Das Oberlandesgericht hat trotz dieses Beschlusses eine Haftung des Verwalters für den Fall bejaht, daß er sich in einem verschuldeten Irrtum über das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Versagung der Zustimmung befunden hatte. Dies setzte voraus, daß es rechtlich vom Fortbestehen der Verantwortlichkeit des Verwalters ausging, mithin die Frage, ob der Verwalter die Entscheidung der Gemeinschaft überlassen könne, verneinte. Dies kommt auch im Leitsatz seiner Entscheidung zum Ausdruck. Offengelassen hat es lediglich, worauf es für die Frage der Abweichung aber nicht ankommt, ob der Verwalter an einen unanfechtbar gewordenen Beschluß der Eigentümerversammlung gebunden ist.

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2. Die Ansicht des vorlegenden Gerichts, es könne ohne Beantwortung der streitigen Rechtsfrage über die sofortige weitere Beschwerde nicht befinden, ist für den Senat, soweit die Zulässigkeit der Vorlage in Rede steht, bindend (st. Rspr., vgl. BGHZ 116, 392, 394) [BGH 19.12.1991 - V ZB 27/90].

15

III. Die sofortige Beschwerde ist nach § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

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1. Der Beteiligte zu 1 ist, ohne daß es hierzu eines ermächtigenden Beschlusses der Gemeinschaft bedurft hätte, befugt, die Anträge geltend zu machen (§ 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG). Rechtsgrund der Ansprüche ist zwar die Verletzung einer Rechtspflicht, die dem Verwalter gegenüber der Eigentümergemeinschaft oblag, nämlich die Zustimmung zu der beantragten baulichen Veränderung zu erteilen, wenn kein wichtiger Grund dagegen sprach. Ihr Gegenstand ist aber der Ausgleich eines Schadens, der allein dem Beteiligten zu 1 entstanden ist. In einem solchen Falle wächst nicht den Gemeinschaftern als Mitgläubigern, sondern allein dem Geschädigten ein Ersatzanspruch zu. Er unterliegt nicht der Verwaltungszuständigkeit der Gemeinschaft nach § 21 Abs. 1 WEG (BGHZ 115, 253, 257).

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2. Bei der Frage nach der Haftung der Beteiligten zu 2 und 3 ist die Rechtsstellung des Verwalters nach dem Gemeinschaftsrecht (§§ 21 ff WEG, Teilungserklärung) und aufgrund des eingegangenen Verwaltervertrags (§§ 675, 611 ff BGB) auseinanderzuhalten.

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a) Der von der Wohnungseigentümerversammlung am 13. Oktober 1989 getroffene Beschluß war für die Verwalter bindend. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG hat der Verwalter die Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen. Der Gegenstand der Beschlußfassung der Eigentümer unterliegt im Verhältnis zum Verwalter, jedenfalls wenn der unabdingbare Bereich von Verwalteraufgaben und -befugnissen in § 27 Abs. 3 WEG nicht berührt wird, keinen Einschränkungen (vgl. Bay-ObLGZ 1980, 29, 35). Die in der Teilungserklärung vorgesehene Zustimmung des Verwalters zur baulichen Veränderung am Wohnungseigentum gehört nicht zum gesetzlich unabdingbaren Wirkungsbereich des Verwalters, denn sie geht über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums hinaus (§ 27 Abs. 1 Nr. 2, § 22 WEG). Sie war ihm auch nicht mit der Wirkung zugewiesen, daß die Verwaltungsbefugnis der Wohnungseigentümer (§ 21 WEG) insoweit verdrängt gewesen wäre. Der frühere Beteiligte zu 2 setzte sich mithin nicht in Gegensatz zu dem Gemeinschaftsrecht, als er über die beantragte Zustimmung nicht selbst entschied, sondern die Frage der Eigentümerversammlung vorlegte. Diese hat von ihrer Verwaltungsbefugnis (§ 21 WEG) in der Weise Gebrauch gemacht, daß sie dem Verwalter gestattete, von einer eigenen Entscheidung (zunächst) abzusehen, und daß sie darüber hinaus dem Beteiligten zu 1 eine Reihe von Vorbedingungen für die Zustimmung auferlegte. Vor Erfüllung dieser Bedingungen war die Erteilung der Verwalterzustimmung unstatthaft.

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Hieran ändert der Umstand nichts, daß der Beschluß der Versammlung mit Wirkung auch für den Verwalter (§ 45 Abs. 2 WEG) für ungültig erklärt wurde (§ 23 Abs. 4, § 43 Abs. 1 Nr. 4 WEG). Bis zur Ungültigerklärung war der Beschluß wirksam und damit vom Verwalter zu beachten, denn er litt nicht an einem zur Nichtigkeit führenden Mangel, nämlich einem Verstoß gegen zwingendes Recht oder gegen die guten Sitten (zur Bindung des Verwalters an einen Beschluß der Wohnungseigentümergemeinschaft, der später für ungültig erklärt wird, vgl. Bärmann/Pick, WEG, 13. Aufl., § 27 Rdn. 8; Palandt/Bassenge, BGB, 54. Aufl., § 27 WEG Rdn. 4; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., § 27 WEG Rdn. 1; BayObLGZ 1972, 246, 247; WE 1991, 198, 199; möglicherweise a.A. Weitnauer, WEG, 8. Aufl., § 20 Rdn. 2 und § 27 Rdn. 5).

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b) Die nach dem Gemeinschaftsrecht eingetretene Bindung entlastete die Verwalter aber nicht von den ihnen nach dem Verwaltervertrag obliegenden Pflichten. Übernimmt der Verwalter, wovon hier auszugehen ist, vertraglich die Pflicht, die in der Teilungserklärung vorgesehene Zustimmungsentscheidung zu treffen, so hat er hierbei die Sorgfalt zu wahren, die der übernommene Pflichtenkreis erfordert (§ 276 BGB). Dieser kann, je nach dem Inhalt des Verwaltervertrags, verschieden weit gespannt sein. Ein Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft, das die Verwaltung unentgeltlich als Beauftragter ausführt (§§ 662 ff BGB), kann, wenn die Zustimmung zu einer baulichen Veränderung des Wohnungseigentums in Frage steht, in der Regel ohne weiteres die Gemeinschaft um eine Weisung (§ 665 BGB) angehen. Für einen gewerblichen Verwalter - hierzu zählen der frühere Beteiligte zu 2 und die Beteiligte zu 3 - gilt dies nicht in gleicher Weise. Er schuldet aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages mit den Eigentümern eine Leistung, die den kaufmännischen, rechtlich-organisatorischen und technischen Aufgabenbereich der Verwaltung umfassend abdeckt. Läßt er sich, wie der frühere Beteiligte zu 2, für die Bearbeitung der Anträge auf Zustimmung eine Sondervergütung versprechen, hat er, falls erforderlich, auch das sonst für einen gewerblichen Verwalter übliche Maß an Verwaltungsaufwand zu überschreiten. Für die Erfüllung seiner Pflicht haftet er, wenn er, wie jedenfalls die Beteiligte zu 3, Kaufmann ist, mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns (§ 347, §§ 343 bis 345 HGB).

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Der gewerbliche Verwalter darf danach von einer eigenen Entscheidung über den Antrag grundsätzlich nur dann absehen, wenn ernstliche Zweifel daran bestehen, ob die Voraussetzungen der beantragten Zustimmung nach dem Gemeinschaftsrecht gegeben sind. Liegt ein solcher Fall vor, ist er befugt, die Gemeinschaft um eine Weisung (vgl. § 665 BGB) anzugehen. Er hat sie dann aber umfassend über die aufgetretenen tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen aufzuklären und ihr, jedenfalls auf Verlangen, einen Vorschlag zum weiteren Vorgehen zu machen. Die Eigentümerversammlung muß aufgrund der Aufklärung durch den Verwalter in der Lage sein, das Risiko, das sie mit der Zustimmung zu der beabsichtigten Maßnahme oder mit deren Versagung eingeht, zutreffend abzuschätzen. Läßt es der Verwalter hieran schuldhaft fehlen, so haftet er, weil er der Eigentümerversammlung keine ordnungsgemäße Grundlage für die zu treffende Entscheidung verschafft hat. Der Auffassung des vorlegenden Kammergerichts, der Verwalter könne ohne weiteres die Entscheidung über die Zustimmung der Eigentümergemeinschaft zuschieben, kann nicht beigetreten werden.

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c) Dagegen kann es den Verwaltern nicht von vornherein angelastet werden, wenn sie sich über das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Versagung der Zustimmung im Rechtsirrtum befanden. Zwar ist die Rechtsprechung davon ausgegangen, daß den Schuldner grundsätzlich das Risiko, die Rechtslage zu verkennen, trifft. Er handelt danach schuldhaft, wenn er mit der Möglichkeit rechnen mußte, daß das zuständige Gericht einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt (vgl. BGH, Urt. v. 18. April 1974, KZR 6/73, NJW 1974, 1903, 1904 f; BGHZ 89, 296, 302 f; Urt. v. 28. September 1992, II ZR 224/91, VersR 1993, 112); dies gilt auch dann, wenn er bei der Bildung der eigenen Rechtsauffassung mit Sorgfalt vorgegangen ist (BGH, Urt. v. 9. Februar 1951, I ZR 35/50, NJW 1951, 398; Palandt/Heinrichs, aaO., § 285 Rdn. 5). Das Oberlandesgericht Karlsruhe möchte in den vom vorlegenden Kammergericht angeführten Entscheidungen diese Grundsätze auf die Zustimmungserklärung des Verwalters anwenden. Dem ist nicht zu folgen. Die strengen Voraussetzungen, die die Rechtsprechung an die Entschuldbarkeit eines Rechtsirrtums des Schuldners gestellt hat, gehen auf die Überlegung zurück, daß derjenige schuldhaft handelt, der seine Interessen trotz zweifelhafter Rechtslage auf Kosten fremder Rechte wahrnimmt (vgl. BGH, Urt. v. 7. März 1972, VI ZR 169/70, NJW 1972, 1045; MünchKomm-BGB/Hanau, 3. Aufl., § 276 Rdn. 120). So liegen die Dinge beim Rechtsirrtum des Verwalters über die Zustimmungspflicht nicht. Die Entscheidung über die Zustimmung trifft er nicht im eigenen Interesse, er nimmt vielmehr die Interessen Dritter wahr, deren Geschäft er besorgt. In zweifelhafter Rechtslage kann er einer Verletzung seiner Pflicht nicht dadurch vorbeugen, daß er die Zustimmung erteilt. Denn ebenso wie er der Gemeinschaft bei Nichtvorliegen eines dem Vorhaben entgegenstehenden Grundes Zustimmung schuldet, schuldet er. wenn ein solcher Grund doch vorhanden ist, deren Versagung. Kommt er nach ordnungsgemäßer Prüfung der Rechtsfrage zu der Auffassung, die Zustimmung sei nicht oder noch nicht geschuldet, hat er dabei aber die Möglichkeit einer anderen Beurteilung durch das zuständige Gericht in Rechnung zu stellen, müßte er - vom Standpunkt des Oberlandesgerichts Karlsruhe aus - zustimmen; solange andererseits auch die Möglichkeit nicht von der Hand zu weisen ist, daß das Gericht seine Auffassung teilt, hätte er die Zustimmung zu versagen. Einem solchen, nicht lösbaren Pflichtenwiderstreit ist der Verwalter nicht ausgesetzt. Ihm steht vielmehr bei Rechtszweifeln über das Vorliegen eines wichtigen Grundes ein Beurteilungsspielraum offen. Hat er sein Urteil, die rechtlichen Voraussetzungen der beantragten Zustimmung seien nicht erfüllt, mit Sorgfalt gebildet, kann ihm nicht angelastet werden, wenn er gleichwohl irrt und aus diesem Grunde die Zustimmung verweigert. Dasselbe gilt, wenn er in gleicher Lage von einer eigenen Entscheidung absieht und die Eigentümerversammlung anruft oder dieser einen Vorschlag für das weitere Vorgehen unterbreitet.

23

3. Eine Schadensersatzpflicht der Beteiligten zu 2 und 3 wegen Verzuges (§§ 284, 285, 286 Abs. 1 BGB) kommt danach in erster Linie in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Pflicht, die Zustimmung zu erteilen, nicht bestanden. Im anderen Falle hat der frühere Beteiligte zu 2 befugterweise die Eigentümerversammlung um eine Weisung angegangen. Schuldnerverzug konnte deshalb nicht eintreten. Mit der Entscheidung der Versammlung, dem Beteiligten zu 1 Vorbedingungen aufzuerlegen, war das Recht der Verwalter, die Zustimmung zu erteilen, einstweilen entfallen. Eine Haftung kommt bei dieser Fallgestaltung nur noch unter dem Gesichtspunkt in Frage, daß die den früheren Beteiligten zu 2 treffende Pflicht, die Versammlung aufzuklären (Abschnitt 2, Buchst. b und c, vorstehend), oder die Pflicht der Beteiligten zu 3, die Aufklärung nachzuholen, schuldhaft verletzt wurde. Ist dies zu bejahen, sind die Eigentümer, hier der allein geschädigte Beteiligte zu 1, so zu stellen, wie wenn die Aufklärung pflichtgemäß erfolgt wäre.

24

Das Beschwerdegericht hat sich durch seine (vom vorlegenden Kammergericht gebilligte) Rechtsauffassung, aufgrund des Umstandes, daß eine Beschlußfassung durch die Wohnungseigentümer vorliegt, könne eine Verantwortlichkeit des Verwalters nicht in Frage kommen, den Blick auf die entscheidungserheblichen Fragen verstellt. Die Sache ist deshalb nicht zur Endentscheidung reif. Es bedarf noch umfassender tatrichterlicher Würdigung, ob der frühere Beteiligte zu 2 sich seine Rechtsauffassung, er könne die Zustimmung nicht erteilen, angesichts des Inhalts der Teilungserklärung mit der gebotenen Sorgfalt gebildet hat und damit im Rahmen seines Beurteilungsspielraums geblieben ist und ob er die Eigentümerversammlung über die tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen hinreichend aufgeklärt hat. Hierbei kann es auch eine Rolle spielen, ob die von der Versammlung aufgestellten Vorbedingungen, was unter den Beteiligten streitig ist, auf die Initiative des früheren Beteiligten zu 2 zurückgehen. Ebenso wird zu klären sein, ob für die Beteiligte zu 3 Anlaß bestanden hatte, vom Standpunkt ihres Vorgängers abzurücken, und ob, was das Beschwerdegericht offengelassen hat, die Haftung des Verwalters wirksam auf grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz beschränkt war.