Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.12.1995, Az.: IX ZR 57/95
Bürgschaft; Inanspruchnahme; Auslegung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 14.12.1995
- Aktenzeichen
- IX ZR 57/95
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 15428
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BB 1996, 346-348 (Volltext mit amtl. LS)
- BauR 1996, 251-254 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1996, 324-325 (Volltext mit amtl. LS)
- JuS 1996, 555
- MDR 1996, 568 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1996, 717-719 (Volltext mit amtl. LS)
- VuR 1996, 167 (amtl. Leitsatz)
- WM 1996, 193-196 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1996, 62
- ZIP 1996, 172-175 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Wer aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch genommen wird, kann schon im Erstprozeß einwenden, die Bürgschaft sichere nicht die dem Zahlungsbegehren des Gläubigers zugrundeliegende Hauptforderung, sofern sich dies durch Auslegung aus der Bürgschaftsurkunde selbst ergibt.
Tatbestand:
Die Streithelfer der Beklagten beauftragten am 15. August 1990 die B.B.B.-GmbH (nachfolgend: B.B. oder Generalübernehmer) mit der Errichtung eines Bauvorhabens zum Festpreis von 7.164.900 DM. Die Vertragspartner vereinbarten Leistung dieser Summe nach Fertigstellung und Übergabe des Objekts. Die Zahlung sollte fällig werden, sobald der behördliche beanstandungsfreie Abnahmeschein vorlag und die gemeinsame Schlußabnahme durchgeführt war. Zur Sicherung der Zahlungsleistung hatten die Streithelfer dem Generalübernehmer eine selbstschuldnerische Bankbürgschaft auf erstes Anfordern zu übergeben.
Die Klägerin finanzierte der B.B. das Bauvorhaben. Am 15. November 1990 übersandte die beklagte Bank der Klägerin.eine Bürgschaftserklärung, die auszugsweise wie folgt lautet:
Wir übernehmen hiermit im Auftrag ... (Streithelfer) ... gegenüber ... (Klägerin) ... die selbstschuldnerische Bürgschaft bis zum Höchstbetrag von insgesamt
DM 7.165.000 (i.W. Deutsche Mark Siebenmillioneneinhundertfünfundsechzigtausend)
Die Bürgschaft wird zur Sicherstellung der nachstehend aufgeführten Ansprüche übernommen:
Gemäß Generalübernehmervertrag vom 15. August 1990 zwischen B.B. ... und ... (Streithelfer) ... zur schlüsselfertigen Erstellung von einem Bürogebäude ... .
Die Bürgschaft wird fällig nach Fertigstellung und Übergabe des Bauobjektes, Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen des behördlichen beanstandungsfreien Abnahmescheines und der Durchführung der unter § 5 aufgeführten gemeinsamen Schlußabnahme.
Am 11. Dezember 1990 schrieb die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf diese Bürgschaftserklärung,
"... bestätigen wir Ihnen hiermit, daß wir nach Erfüllung der Voraussetzungen gemäß obiger Erklärung auf einmalige und erste Anforderung des Begünstigten Zahlung leisten werden."
Am 28. November 1991 trat die B.B. ihre Ansprüche aus dem Generalübernehmervertrag (nachfolgend: GÜV) zur Sicherheit an die Klägerin ab. Die Streithelfer kündigten den Vertrag aus wichtigem Grund, weil die B.B. den Bauzeitenplan nicht eingehalten hatte. Die Klägerin räumt ein, daß diese Kündigung berechtigt war. Die Streithelfer haben die Abnahme des Objekts verweigert und keine Zahlungen geleistet.
Die Klägerin hat die Beklagte in vollem Umfang aus der Bürgschaft in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht ihr in Höhe von 6.999.600 DM Zug um Zug gegen Rückabtretung der Grundschulden stattgegeben. Mit ihren Revisionen erstreben die Beklagten und die Streithelfer die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen haben Erfolg; die Klage ist unbegründet.
I. Das Berufungsgericht meint, die Beklagte habe sich auch für den Fall der Kündigung des Generalübernehmervertrages vor der Fertigstellung des Bauwerks zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet. Nach dem Wortlaut der Urkunde vom 15. November 1990 habe die Beklagte alle Zahlungsansprüche gegen die Bauherren sicherstellen wollen; denn eine Beschränkung auf den bei Fertigstellung des Bauwerks bestehenden Anspruch sei der Erklärung nicht zu entnehmen. Von einer Bank könne erwartet werden, daß sie zwischen Entstehung und Fälligkeit einer Schuld zu unterscheiden wisse und nicht von Fälligkeit spreche, wenn sie Entstehung meine. Selbst wenn die Bauherren nach dem GÜV lediglich eine Bankbürgschaft für den bei Fertigstellung des Bauwerks bestehenden Zahlungsanspruch hätten beibringen müssen, folge daraus nicht, daß die Beklagte nur eine solche Haftung übernommen habe. Die Klägerin habe trotz der zusätzlichen Sicherheit durch die Grundschulden annehmen dürfen, ihren Interessen solle durch eine "verbesserte" Bürgschaft Rechnung getragen werden.
Die ergänzende Erklärung der Beklagten vom 11. Dezember 1990 beziehe sich auch auf die Forderungen, für die die Urkunde vom 15. November 1990 keine besonderen Fälligkeitsvoraussetzungen aufstelle. Zwar sei bei vorzeitiger Beendigung des GÜV die Hauptforderung möglicherweise geringer als der Festpreis. Die Beklagte könne jedoch bei einer Zuvielforderung sich auf Rechtsmißbrauch berufen oder die Rückzahlung verlangen.
II. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht sieht zutreffend, daß die Erklärungen der Beklagten vom 15. November und 12. Dezember 1990 die Merkmale einer Bürgschaft auf erstes Anfordern erfüllen. Zwar war zu jenem Zeitpunkt noch die B.B. Gläubigerin der Hauptforderung. Die Bürgschaft kann jedoch zugunsten eines künftigen Rechtsnachfolgers des gegenwärtigen Gläubigers übernommen werden (BGH, Urt. v. 14. November 1991 - IX ZR 20/91, NJW 1992, 1448, 1449). Damit ist dem Erfordernis der Gläubigeridentität (BGHZ 115, 177, 183; 95, 88, 93) Genüge getan. Die tatrichterliche Feststellung, die Beklagte sei hier eine Verpflichtung dem künftigen Rechtsnachfolger gegenüber eingegangen, greifen die Revisionen nicht an.
2. Das Berufungsgericht hat die Frage offen gelassen, ob die Erklärung der Beklagten als Bürgschaft oder Garantie anzusehen ist. Da insoweit keine weiteren Tatsachenfeststellungen in Betracht kommen, kann der Senat die Auslegung selbst vornehmen.
Die Beklagte hat eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erteilt. Die Urkunde vom 15. November 1990 verwendet durchgehend das Wort "Bürgschaft" und enthält zudem einen Verzicht auf die Einreden nach §§ 770, 771 BGB. Das Schreiben vom 11. Dezember 1990 bezieht sich auf die vorgenannte Bürgschaftserklärung. Die Ergänzung besteht allein darin, daß die Beklagte dort zusagt, Zahlung auf einmalige und erste Anforderung zu leisten. Mit der Haftung der Beklagten erfüllten die Streithelfer ihre Verpflichtung aus dem GÜV, eine Bürgschaft zu stellen. Eine Auslegung der Urkunden vom 15. November und 12. Dezember 1990 als Garantie ist danach unter jeglichem Gesichtspunkt auszuschließen.
3. Die Revisionen meinen, die Klägerin könne die Beklagte aus der Bürgschaft auf erstes Anfordern schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil die formalen Voraussetzungen gemäß der Erklärung vom 15. November 1990 nicht erfüllt sind. Es liegt kein behördlicher Abnahmeschein vor, und die gemeinsame Schlußabnahme ist nicht erfolgt. Diese Erwägung allein trägt die Klageabweisung jedoch nicht.
Der Hinweis auf die Erfüllung der in der Erklärung vom 15. November 1990 niedergelegten Voraussetzungen schließt eine Auslegung des Schreibens vom 11. Dezember 1990 in dem Sinne nicht aus, die Beklagte sage die Zahlung auf erstes Anfordern im Umfang der in der Urkunde vom 15. November 1990 enthaltenen Haftung zu. In diesem Sinne hat das Berufungsgericht das Schreiben der Beklagten ersichtlich verstanden. Das war möglich und sogar naheliegend. Die Revisionen vermögen insoweit keinen Rechtsfehler aufzuzeigen. Demnach ist die Frage, für welche Ansprüche sich die Beklagte zur Zahlung auf erstes Anfordern verpflichtet hat, nicht ohne Auslegung der Bürgschaftserklärung vom 15. November 1990 zu beantworten.
4. Derjenige, der aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern in Anspruch genommen wird, kann sich schon im Erstprozeß darauf berufen, die Bürgschaft betreffe nicht die dem Begehren des Gläubigers zugrunde liegende Hauptforderung, sofern sich dies durch Auslegung aus der Urkunde selbst ergibt.
a) Der Gläubiger braucht allerdings nicht schlüssig darzulegen, daß die gesicherte Hauptforderung besteht; denn die Bürgschaft auf erstes Anfordern soll dazu dienen, anstelle des früher gebräuchlichen Bardepots dem Gläubiger sofort liquide Mittel zuzuführen. Dieser Zweck wird nur erreicht, wenn alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art, die die Begründetheit der Hauptforderung betreffen, in den Rückforderungsprozeß verwiesen werden, sofern nicht ausnahmsweise klar auf der Hand liegt, daß der Gläubiger eine formale Rechtsstellung mißbraucht (BGHZ 74, 244; BGH, Urt. v. 28. Oktober 1993 - IX ZR 141/93, NJW 1994, 380, 381 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei einem Streit der Parteien über Einzelpunkte der Bürgschaftsverpflichtung, etwa dazu, ob oder bis wann eine Bürgschaft zeitlich begrenzt ist und die Voraussetzungen der Einstandspflicht wieder entfallen sind (BGH, Urt. v. 31. Januar 1985 - IX ZR 66/84, ZIP 1985, 470, 471; v. 13. Juli 1989 - IX ZR 233/88, ZIP 1989, 1108, 1109).
b) Um alles dies geht es im Streitfall jedoch nicht. Hier wendet die Beklagte ein, die von ihr erteilte Bürgschaft beziehe sich nicht auf Ansprüche, wie sie die Klägerin geltend mache. Die Bürgschaft der Beklagten betrifft unstreitig die Vergütungsforderung des Generalübernehmers gemäß § 2 GÜV nach Fertigstellung und Abnahme des Bauwerks. Diese Forderung ist jedoch nicht entstanden; deshalb verlangt die Klägerin allein Zahlung wegen der im Falle berechtigter Kündigung durch den Bauherrn für den Unternehmer nach § 8 GÜV begründeten Ansprüche. Die Beklagte wendet demgegenüber ein, sich insoweit nicht als Bürgin verpflichtet zu haben.
Derjenige, der eine Bürgschaft auf erstes Anfordern erteilt - in erster Linie Banken und Versicherungen -, muß die Möglichkeit haben, seine Haftung inhaltlich so abzugrenzen, daß er erwarten kann, mit Aussicht auf Erfolg nur wegen solcher Forderungen in Anspruch genommen zu werden, für die er tatsächlich in dem erklärten umfassenden Sinne einstehen will. Dies geschieht in der Praxis einmal dadurch, daß die Zahlung von der Erfüllung bestimmter formaler Merkmale abhängig gemacht wird (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1983 - IX ZR 2/83, NJW 1984, 923, 924; v. 28. Oktober 1993 - IX ZR 141/93, NJW 1994, 380, 381). Daneben aber kann die Einstandspflicht auch inhaltlich auf einen bestimmten Anspruch innerhalb eines Vertragsverhältnisses beschränkt werden. Dies folgt schon aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit (ebenso Bydlinski AcP 190, 165, 169).
Hat der Verpflichtete eine entsprechende Eingrenzung vorgenommen, ist diese bereits im Ausgangsprozeß zu beachten. Bei dem Einwand, die der Klage zugrunde liegende Hauptforderung werde durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht gesichert, geht es darum, ob insoweit überhaupt eine gültige Zahlungszusage vorliegt. Umstritten sind Art und Umfang des gedeckten Risikos. Diese Frage betrifft die eingegangene Verpflichtung in ihrem Kern und ist damit so grundlegend, daß ihre Klärung schon im Erstprozeß möglich sein muß (ebenso Canaris, Bankvertragsrecht 4. Aufl. Rdn. 1135). Verlangt der Berechtigte Zahlung aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern für eine Forderung, die durch die Bürgschaft nicht gesichert wird, fehlt es an einer vertragsgemäßen Anforderung der Bürgenleistung. Schon nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats ist die Schlüssigkeit des Klagebegehrens in diesem Punkt zu prüfen (vgl. Senatsurt. v. 28. Oktober 1993 - IX ZR 141/93, NJW 1994, 380, 381). Selbst die stark formalisierte Art der Zahlungszusage rechtfertigt es nicht, die Akzessorietät von Hauptforderung und Bürgschaft zunächst völlig aufzulösen und den Verpflichteten wegen eines Anspruchs zur Leistung zu verurteilen, auf den sich seine Erklärung gar nicht bezieht. Andernfalls würde sich die Gefahr, daß der Gläubiger von der Zahlungszusage Gebrauch macht, obwohl ihm keine gesicherte Hauptforderung zusteht, in einer für den Bürgen kaum mehr vertretbaren Weise erhöhen. Auch im Hinblick auf unabweisbare Interessen seines Auftraggebers, der ihm im Falle der Verurteilung Aufwendungsersatz schuldet, muß dem Bürgen der Einwand möglich sein, seine Verpflichtung umfasse lediglich eine andere Art von Hauptforderung als die, deren Erfüllung der Gläubiger begehrt. Der Gläubiger wird dadurch nicht unangemessen belastet. Sein berechtigtes Interesse daran, durch einen weitgehenden Einwendungsausschluß sofortige Zahlung des Bürgen zu erhalten, erstreckt sich nur auf solche Forderungen, die die Bürgschaft auf erstes Anfordern überhaupt einbezieht. Daher ist es dem Gläubiger zuzumuten, daß die Frage des Geltungsumfangs der Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht in den Rückforderungsprozeß verwiesen wird.
c) Um die Funktion dieses zugunsten des Gläubigers stark formalisierten Sicherungsmittels uneingeschränkt zu erhalten, sind indessen im Erstprozeß nur solche Beschränkungen des verbürgten Risikos auf einzelne Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner beachtlich, die im Wege der Auslegung dem Inhalt der Urkunde selbst zu entnehmen sind. Sonstige unstreitige oder durch Urkunden belegte Umstände dürfen dabei freilich ergänzend berücksichtigt werden (vgl. Canaris, aaO.; BGH, Urt. v. 19. Oktober 1987 - II ZR 256/86, WM 1987, 1455). Diese Anknüpfung an den Aussagegehalt der Urkunde gebietet der auch für eine Bürgschaft auf erstes Anfordern geltende Grundsatz der Garantiestrenge, welcher den Begünstigten vor umständlichen Prüfungspflichten schützen soll (vgl. BGHZ 90, 287, 291).
5. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Bürgschaft der Beklagten erfasse alle Ansprüche des GÜV, ist für den Senat nicht bindend, weil sie anerkannte Auslegungs- und Erfahrungsgrundsätze verletzt und wesentlichen Tatsachenstoff nicht ausreichend berücksichtigt (vgl. Senatsurteil vom 5. Januar 1995 - IX ZR 101/94, NJW 1995, 959).
a) Das Berufungsgericht stützt seine Beurteilung wesentlich darauf, die Bürgschaft werde nach ihrem Wortlaut zur Sicherstellung der Ansprüche aus dem GÜV übernommen. Diese formale Erwägung berücksichtigt nicht hinreichend, daß im nachfolgenden Absatz Fertigstellung und Übergabe des Bauobjekts, das Vorliegen des behördlichen Abnahmescheins sowie die gemeinsame Schlußabnahme - ebenso wie die Rückabtretung der Grundschulden - zur Voraussetzung für die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft erhoben werden. Diese Umstände sind nur für den gem. § 2 GÜV vereinbarten schlüsselfertigen Festpreis von Bedeutung. Sie sind zudem in gleicher Weise als Fälligkeitsvoraussetzungen im GÜV aufgeführt. Die Bürgschaftsurkunde enthält keinen konkreten Hinweis dafür, daß die Verpflichtung der Beklagten auch Ansprüche betrifft, die unabhängig von den beschriebenen Voraussetzungen entstehen. Die bloße Verwendung des Plurals beim Wort "Anspruch" bildet kein aussagekräftiges Indiz, weil im Rechtsverkehr nicht selten der Begriff auch dann in der Mehrzahl verwendet wird, wenn es in Wahrheit nur um eine bestimmte Forderung geht.
b) Das Berufungsgericht erkennt selbst, daß die Streithelfer gem. § 2 a GÜV nur zur Sicherung des Festpreisanspruchs aus § 2 eine Bankbürgschaft zu stellen hatten. Ansprüche des Generalübernehmers im Falle einer berechtigten Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund durch den Bauherrn sind dagegen in § 8 GÜV geregelt. Diese Bestimmung sieht ausdrücklich vor, daß der Bauherr von der Vergütung für die tatsächlich erbrachte Leistung sofort alle ihm wegen der vorzeitigen Vertragsbeendigung gegenwärtig und zukünftig entstehenden wirtschaftlichen Nachteile abziehen darf. Für diesen "Restanspruch" hatten die Vertragspartner keine Sicherung vorgesehen.
Könnte die Klägerin auch diese Forderung gegen die Beklagte geltend machen, stände sie - trotz einer schuldhaften Vertragsverletzung der Zedentin - günstiger als nach Fertigstellung des Objekts, weil sie die insoweit zum Schutz des Bürgen und der Bauherren vorgesehenen förmlichen Voraussetzungen nicht nachzuweisen hätte. Der Gläubiger könnte zudem in der Regel den Gesamtanspruch erheben und den Bürgen wegen aller Einwendungen auf den Rückforderungsprozeß verweisen - wie die Klägerin es hier getan hat -, obwohl es bei vorzeitiger Vertragsbeendigung von vornherein naheliegt, daß nur ein Teil der Vergütung verdient ist und der Bauherr Schadensersatzansprüche hat. Eine solche Rechtsfolge widerspräche dem sowohl mit der Gestaltung der Bürgschaftsurkunde als auch der Vergütungsregelung im GÜV bezweckten Schutz der Beklagten und der Streithelfer vor einer materiell unberechtigten, lediglich auf formale Gründe gestützten Inanspruchnahme.
c) Den Parteien war der Inhalt des GÜV bekannt. Auf dessen Text hatte die Beklagte sich in der Bürgschaftsurkunde teilweise bezogen und einzelne, die Zahlung des Festpreises betreffende, Klauseln aus § 2 nahezu wörtlich übernommen. Nach den eigenen Feststellungen des Berufungsgerichts war kein vernünftiger Grund ersichtlich, der die Beklagte hätte veranlassen können, von sich aus die Haftung über das hinaus zu erweitern, was die Streithelfer als Sicherheit bereitzustellen verpflichtet waren. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, daß eine Geschäftsbank eine so risikoreiche Verpflichtung wie eine Bürgschaft auf erstes Anfordern - noch dazu in einer Höhe von über 7 Mio. DM - von sich aus auf Forderungen erstreckt, für die der Gläubiger eine solche Sicherung gar nicht verlangt hat. Hier kam zudem noch hinzu, daß die Beklagte der Klägerin Grundschulden im Nennwert von 6.885.000 DM abgetreten hatte, die Gläubigerin also eine beachtliche Sicherung auch hinsichtlich aller bei vorzeitiger Vertragsbeendigung in Betracht kommenden Unternehmeransprüche besaß.
6. Da es keiner weiteren tatsächlichen Feststellungen bedarf, kann der Senat die Bürgschaftserklärung der Beklagten selbst auslegen. Aus den oben dargelegten Gründen erfaßte diese die bei berechtigter Kündigung des Bauherrn begründete Forderung des Generalübernehmers nicht. Ob die Parteien, wie die Beklagte und die Streithelfer behaupten, dies vor Erteilung der Erklärungen vom 15. November und 11. Dezember 1990 sogar ausdrücklich vereinbart haben, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn entsprechend dem Vorbringen der Klägerin mündliche Abreden über Inhalt und Umfang der Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht getroffen wurden, können die Erklärungen der Beklagten unter keinen Umständen in dem von der Klägerin geltend gemachten Sinne verstanden werden. Somit ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die erstinstanzliche Entscheidung, mit der Kostenfolge aus §§ 91, 97 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO, wiederherzustellen.