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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.01.1994, Az.: VII ZR 174/92

Vertragsauslegung; Vorgang des Parteiwillens; Gemeindeordnung; Formvorschriften; Beschränkung der Vertretungsmacht

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.01.1994
Aktenzeichen
VII ZR 174/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 15452
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • BauR 1994, 363-366 (Volltext mit amtl. LS)
  • DNotZ 1994, 474-476
  • DÖV 1994, 703 (amtl. Leitsatz)
  • IBR 1994, 183 (Volltext mit red. LS u. Anm.)
  • JurBüro 1994, 338 (Kurzinformation)
  • NJ 1994, 240 (amtl. Leitsatz)
  • NJW 1994, 1528-1530 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1994, 551-554 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZfBR 1994, 123-125 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. Bei der Vertragsauslegung geht ein übereinstimmender Wille der Parteien dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor.

2. Formvorschriften der Gemeindeordnungen, die von den Vertretern der Gemeinden beim Abschluß von Verträgen beachtet werden müssen, sind materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht.

3. Eine Gemeinde kann sich ausnahmsweise dann nicht auf einen Verstoß gegen die Formvorschriften der Gemeindeordnung berufen, wenn das nach der Gemeindeordnung für die Willensbildung zuständige Organ den Abschluß des Verpflichtungsgeschäfts gebilligt hat.

Tatbestand:

1

Die Klägerin, die Schwester des Architekten Dr. P., verlangt aus abgetretenem Recht Architektenhonorar für erbrachte und für nicht ausgeführte Architektenleistungen.

2

Im Jahre 1986 bewarben sich die Architekten Dr. P. und H. um die von der Beklagten geplante Sanierung des Projektes "Amthof" in Bad C. In ihrem Angebotsschreiben vom 4. März 1986, das sie als Architektengemeinschaft abgaben, teilten sie mit, daß "der Schwerpunkt des Büros P. ... die planerische Gestaltung und Ausführung sein" würde und daß das "Büro H. ... vorrangig Ausschreibungsleistung und Objektbetreuung (Bauleitung) erbringen" würde. Aufgrund eines Magistratsbeschlusses erteilte der Bürgermeister der Beklagten der Architektengemeinschaft mündlich den Sanierungsauftrag. Im Anschluß an die Auftragserteilung kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den beiden Architekten der Architektengemeinschaft, weil der Architekt H. die Leistungsphase 5 für sich beanspruchte.

3

Mit Schreiben vom 15. Mai 1986 bat Dr. P. die Beklagte um einen Direktauftrag für die Leistungsphasen 1 bis 5. Nachdem die Architekten sich nicht einigen konnten und mehrere Verhandlungen mit der Beklagten zu keiner Klärung geführt hatten, unterbreitete Dr. P. der Beklagten auf deren Bitte mit Schreiben vom 1. September 1986 vier Lösungsmöglichkeiten zur Beilegung des Konfliktes. Aufgrund eines Magistratsbeschlusses teilte die Beklagte Dr. P. mit Schreiben vom 7. November 1986 mit, daß ihm für den ersten Bauabschnitt des Sanierungsvorhabens die Grundlagenermittlung, Vorplanung, Entwurfsplanung und Genehmigungsplanung abzüglich der Kostenschätzung bzw. des Kostenvoranschlages und daß dem Architekten H. die restlichen Leistungen nach der HOAIübertragen werden. Den mit der Bitte um Unterzeichnung gleichzeitig übersandten Architektenvertrag unterschrieb Dr. P. nicht.

4

Mit Schreiben vom 13. Juli 1987 kündigte die Beklagte Dr. P. Honorarzahlungen für erbrachte Leistungen an und erklärte, daß mit der Abrechnung und Auszahlung des Honorars das Vertragsverhältnis zwischen ihr und Dr. P. beendet sei. Dr. P. widersprach dieser Rechtsansicht der Beklagten und erklärte, daß der ursprünglich mündlich erteilte Auftrag Bestand habe.

5

Die Klägerin, die sich die Honoraransprüche von Dr. P. durch Vertrag vom 27. Mai 1987 hat abtreten lassen, hat mit ihrer Klage Resthonoraransprüche für erbrachte Leistungen in Höhe von 46.038 DM und für nicht erbrachte Leistungen von 118.839,57 DM nebst Zinsen geltend gemacht. Die Beklagte hat die Klagforderung im Hinblick auf erbrachte Leistungen in Höhe von 4.859,25 DM anerkannt.

6

Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil zur Zahlung des anerkannten Betrages verurteilt und die Klage hinsichtlich eines Teilbetrages für erbrachte Leistungen in Höhe von 9.718, 50 DM sowie hinsichtlich des Honorars für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 118.839, 52 abgewiesen. Im übrigen hat es die Entscheidung über die restlichen Honorarforderungen für erbrachte Leistungen dem Schlußurteil vorbehalten. Das Berufungsgericht hat der Klägerin für erbrachte Leistungen weitere 8.151 DM nebst Zinsen zugesprochen und im übrigen das landgerichtliche Urteil bestätigt. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung des Honorars für nicht erbrachte Leistungen in Höhe von 118.839, 57 DM nebst Zinsen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision der Klägerin hat Erfolg, sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

8

I. 1. Das Berufungsgericht hat die Frage, ob der ursprüngliche Architektenvertrag wirksam zustande gekommen ist, mit folgenden Erwägungen dahinstehen lassen:

9

Die Beklagte habe den beiden Architekten als Architektengemeinschaft auf der Grundlage eines Magistratsbeschlusses einen Gesamtauftrag über die Sanierung des Amthofes erteilt. Ob die mündliche Auftragserteilung im Hinblick auf § 71 Abs. 2 Satz 1 der Hessischen Gemeindeordnung ausreiche, oder ob es der Beklagten nach § 242 BGB verwehrt sei, sich auf die fehlende Schriftform zu berufen, könne dahinstehen, weil ein möglicherweise entstandener Anspruch aufgrund des späteren Änderungsvertrages nicht bestehe.

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2. Die Frage der Wirksamkeit des ursprünglichen Architektenvertrages kann hier nicht dahinstehen, weil die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe einen Änderungsvertrag geschlossen, durch den Dr. P. auf einen möglicherweise entstandenen Honoraranspruch verzichtet hat, der rechtlichen Nachprüfung aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht standhält (III).

11

a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes handelt es sich bei den Formvorschriften der Gemeindeordnung, die die Vertreter der Gemeinden beim Abschluß von Verträgen beachten müssen, um materielle Vorschriften über die Beschränkung der Vertretungsmacht, die dem Schutz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften und ihrer Mitglieder dienen (Senat Urteil vom 2. März 1972 - VII ZR 143/70 = NJW 1972, 940, 941; BGH Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77 = NJW 1980, 117, 118; allgemein zu den Kompetenzvorschriften der Gemeindeordnung vgl. BGH Urteil vom 8. Juli 1986 - VI ZR 18/85 = NJW 1986, 2939, 2940 [BGH 08.07.1986 - VI ZR 18/85] = WM 1986, 1106 = WuB IV A § 89 BGB 1.87 van Look; Senat Urteil vom 11. Juni 1992 - VII ZR 110/91 = ZfBR 1992, 269, 270 = BauR 1992, 761, 762 [BGH 11.06.1992 - VII ZR 110/91]; HdB. priv. BauR (Kleine-Möller) § 6 Rdn. 68 bis 70). Im Hinblick auf diese Schutzfunktion kann sich der Vertragspartner einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nur unter besonderen Umständen nach § 242 BGB darauf berufen, der Einwand der öffentlich-rechtlichen Körperschaft, ihre Verpflichtungserklärung sei wegen eines Verstoßes gegen die Formvorschriften der Gemeindeordnung unwirksam, verstoße gegen den Grundsatz der unzulässigen Rechtsübung (BGH Urteil vom 16. November 1978 - III ZR 81/77 aaO; HdB. priv. BauR (Kleine-Möller) § 6 Rdn. 70 f).

12

Einen derartigen Ausnahmefall hat der Bundesgerichtshof unter anderem dann angenommen, wenn der mit der Formvorschrift bezweckte Schutz deshalb bedeutungslos geworden ist, weil das nach der Gemeindeordnung für die Willensbildung zuständige Organ der öffentlich-rechtlichen Körperschaft den Abschluß des Verpflichtungsgeschäftes gebilligt hat (BGH Urteil vom 8. Juni 1973 - V ZR 72/72 = NJW 1973, 1494, 1495).

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b) Der ursprüngliche Vertrag zwischen der Beklagten und der Architektengemeinschaft ist als wirksam anzusehen, obwohl er der Schriftform des § 71 Abs. 2 der Hessischen Gemeindeordnung nicht genügt. Die besonderen Voraussetzungen, die es rechtfertigen, der Beklagten die Berufung auf die fehlende Schriftform zu verwehren, liegen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Die zuständige Gemeindevertretung hat vor der Erteilung des Auftrags an die Architektengemeinschaft den Vertragsabschluß beschlossen. Sie hat diesen Beschluß später mittelbar dadurch bestätigt, daß sie der von der Beklagten geplanten Änderung des ursprünglich abgeschlossenen Vertrages zugestimmt hat.

14

II. 1. Das Berufungsgericht hat zum Inhalt des ursprünglich abgeschlossenen Architektenvertrages im wesentlichen folgendes ausgeführt:

15

Es könne dahinstehen, ob durch den Vertrag vom 4. März 1986 eine funktionelle Aufgabenverteilung vereinbart worden sei und ob der Architekt Dr. P. berechtigt sei, sein Honorar für nicht erbrachte Leistungen ohne Zustimmung des Architekten H. geltend zu machen, weil ein derartiger Anspruch aufgrund des Änderungsvertrages zwischen Dr. P. und der Beklagten nicht mehr bestehe.

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2. Im Hinblick auf die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, Dr. P. und die Beklagte hätten den ursprünglichen Architektenvertrag durch einen Änderungsvertrag für die Zukunft aufgehoben, sind diese Erwägungen folgerichtig. Die vom Berufungsgericht nicht geklärten Rechtsfragen sind allerdings entscheidungserheblich, weil die Annahme eines Änderungsvertrages mit Aufhebungswirkung durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnet (III.).

17

a) Der Senat kann den ursprünglichen Vertrag nicht abschließend selbst auslegen, weil nicht auszuschließen ist, daß zum Inhalt des Vertrages weitere tatsächliche Feststellungen zu erwarten sind. Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Verhandlung folgende Erwägungen zu berücksichtigen haben:

18

Die in dem Angebotsschreiben der beiden Architekten vom 4. März 1986 enthaltene funktionelle Aufteilung spricht dafür, daß die beiden Architekten jedenfalls intern ihre Aufgaben nach Leistungsphasen und das Honorar entsprechend aufteilen wollten. Die anschließende Auseinandersetzung der beiden Architekten über die Zuordnung der Leistungsphase 5 und der Umstand, daß die Beklagte mit Zustimmung des Architekten H. dem Architekten Dr. P. das Honorar für erbrachte Leistungen direkt ausgezahlt hat, spricht dafür, daß entgegen dem Wortlaut des Angebots vom 4. März 1986 keine Aufgabenverteilung nach Schwerpunkten mit möglichen Überschneidungen gemeint war, sondern eine ausschließliche Funktions-, Aufgaben- und Honoraraufteilung nach den im Angebot angesprochenen Leistungsphasen. Eine derartige Aufgabenteilung würde auch einer in der Praxis üblichen Vertragsgestaltung entsprechen.

19

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes geht ein überstimmender Wille der Parteien dem Wortlaut des Vertrages und jeder anderweitigen Interpretation vor (BGH Urteil vom 15. März 1978 - VIII ZR 180/76 = BGHZ 71, 75, 77 f; Urteil vom 5. Oktober 1988 - IVa ZR 91/87 = NJW 1989, 526, 527, insoweit in BGHZ 105, 250 nicht abgedruckt; Senat Urteil vom 30. April 1992 - VII ZR 78/91.= NJW 1992, 2489 = ZfBR 1992, 218 = BauR 1992, 680).

20

Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß jedenfalls die beiden Architekten im Innenverhältnis eine andere Aufgabenverteilung treffen wollten, so daß in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin zu unterstellen ist, daß eine eindeutige Aufgaben-, Funktions- und Honoraraufteilung vereinbart worden ist. Für die Entscheidung des Rechtsstreits kommt es auf die weitere Frage, ob diese Aufteilung auch Gegenstand der Vereinbarung zwischen der Architektengemeinschaft und der Beklagten war, nicht an, weil Dr. P. aus anderen Rechtsgründen berechtigt sein könnte, eine etwaige Honorarforderung selbständig ohne Zustimmung des Architekten H. gegen die Beklagte geltend zu machen (c).

21

b) Hinsichtlich der Zuordnung der Leistungsphase 5 zu den Aufgaben der beiden Architekten innerhalb der Architektengemeinschaft liegt eine die Revision bindende Auslegung des Berufungsgerichts nicht vor, weil das Berufungsgericht auch diese Frage offengelassen hat. Das Berufungsgericht wird bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung folgendes zu beachten haben:

22

Die in dem Angebotsschreiben der Architektengemeinschaft vom 4. März 1986 enthaltene Aufteilung zwischen planerischen Gestaltung und Ausführung einerseits und den Ausschreibungsunterlagen und der Objektbetreuung andererseits spricht dafür, daß Dr. P. die Leistungsphase 1 bis 5 und H. die Leistungsphasen 6 bis 9 erbringen sollte. Diese nach dem Wortlaut naheliegende Auslegung wird durch den engen sachlichen Zusammenhang der Leistungsphasen 1 bis 4 und der Leistungsphase 5 bestätigt. Mit dem relativ hohen Honoraranteil von 25 % für die Leistungsphase 5 werden wirtschaftlich die in den Leistungsphasen 1 bis 4 erbrachten Vorarbeiten für die Leistungsphase 5 mit abgegolten. Die Zuordnung der Leistungsphase 5 zum Aufgabenbereich des Architekten H. würde zu dem unausgewogenen und wenig interessengerechten Ergebnis führen, daß Dr. P. für seine Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 nur die relativ niedrig bemessenen Honoraranteile erhalten würde und daß der Architekt H. die Leistungen des Dr. P., die dieser für den relativ geringen Honoraranteil der Leistungsphasen 1 bis 4 erbringen muß, übernehmen und den relativ hohen Honoraranteil für die Leistungsphase 5 verlangen könnte. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die beiden Architekten eine derartige für Dr. P. wirtschaftlich nachteilige Aufgaben- und Honoraraufteilung gewollt und vereinbart haben.

23

c) Die von dem Berufungsgericht nicht entschiedene Frage, ob Dr. P. über seine Honorarforderung unabhängig von der Zustimmung des Architekten H. verfügen konnte, kann ebenfalls nicht offenbleiben. Sie ist, da in der Revisionsinstanz davon auszugehen ist, ein Änderungsvertrag entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht wirksam zustande gekommen ist (III.), entscheidungserheblich für die Sachbefugnis der Klägerin.

24

Nach den für die Revision maßgeblichen Feststellungen des Berufungsgerichts zur Auslegung des ursprünglichen Vertrages sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür, daß die beiden Architekten mit der Aufgaben- und Honoraraufteilung zugleich vereinbart haben, daß jeder von ihnen den ihm zustehenden Honoraranspruch selbständig ohne Zustimmung des anderen geltend machen kann. Für diese Auslegung spricht vor allem der Umstand, daß die Architektengemeinschaft die Aufgabenverteilung und damit mittelbar die Honoraraufteilung in ihrem Angebot gegenüber der Beklagten offengelegt haben. Auf die weitere Frage, ob die Aufgaben- und Funktionsaufteilung zwischen den beiden Gesellschaftern auch Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung zwischen der Architektengemeinschaft und der Beklagten geworden ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

25

III. 1. Das BG meint, der Architektenvertrag zwischen der Architektengemeinschaft und der Beklagten sei von keiner der Parteien gekündigt worden, er sei jedoch durch einen Änderungsvertrag in der Weise geändert worden, daß Dr. P. Honorarforderungen für nicht erbrachte Leistungen nicht mehr zustehen würden:

26

Der ursprüngliche Architektenvertrag sei durch die spätere Vereinbarung vom 9. September 1986/7. November 1986 geändert worden. Nachdem eine Einigung zwischen Dr. P. und H. nicht möglich gewesen sei, hätten beide Architekten der Beklagten gegenüber den Wunsch geäußert, daß die gemeinsame Beauftragung gelöst werden solle. Das Schreiben des Dr. P. vom 1. September 1986, das vier Lösungsvorschläge enthalte, sei keine Diskussionsgrundlage für weitere Verhandlungen, sondern ein rechtsgeschäftliches Angebot, mit dem der Beklagten die Option eingeräumt worden sei, eine der vier Lösungen zu wählen und als Angebot anzunehmen. Dr. P. habe auch keinen Vorbehalt für den Fall erklärt, daß die Beklagte nicht die aus seiner Sicht allein vernünftige Lösung Nr. 4, sondern die für den Architekten H. günstigste Lösung Nr. 1 wählen würde. Ob diese Entscheidung sachdienlich gewesen sei, oder ob sich der Architekt H. gegenüber Dr. P. vertragswidrig verhalten habe, sei in diesem Zusammenhang unerheblich. Das Angebot des Dr. P. sei durch die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 7. November 1986 rechtzeitig angenommen worden.

27

2. Die Erwägungen des Berufungsgerichts, daß der ursprüngliche Architektenvertrag nicht gekündigt worden ist, sind rechtlich nicht zu beanstanden. Hingegen begegnen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu dem Änderungsvortrag durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Berufungsgericht hat bei seiner Auslegung die Voraussetzungen eines rechtsgeschäftlichen Angebots und der korrespondierenden Annahme verkannt und es hat dadurch gegen die gesetzlichen Auslegungsregeln verstoßen, daß es für die Auslegung wesentliche Tatsachen teilweise rechtsfehlerhaft gewürdigt und teilweise nicht berücksichtigt hat.

28

a) Das Schreiben des Dr. P. vom 1. September 1986 ist in sich nicht widerspruchsfrei. Es enthält neben Formulierungen, die auf ein Angebot zur Änderung des ursprünglichen Vertrages und zum Abschluß eines neuen Architektenvertrages hindeuten, zugleich gewichtige Anhaltspunkte dafür, daß das Schreiben als Gesprächsgrundlage zur Beilegung des entstandenen Konfliktes dienen sollte. Der Umstand, daß Dr. P. vier Lösungsmöglichkeiten unterbreitet hat, die sich in ihren rechtlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen für ihn grundlegend unterscheiden, spricht gegen die Annahme, daß er das Schreiben als rechtsgeschäftliches Angebot mit der Konsequenz gewollt hat, daß die Beklagte nach Belieben eine Variante auswählen und annehmen konnte. Das gilt vor allem für die Lösungsvariante 1, die im Ergebnis zu einem Verzicht des Dr. P. ohne jede Gegenleistung auf den aus seiner Sicht durch den ursprünglichen Vertrag begründeten Honoraranspruch für nicht erbrachte Leistungen führen würde. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, aus welchen Gründen Dr. P. ohne weitere Verhandlungen auf eine etwaige Honorarforderung ohne Gegenleistung verzichten wollte. Gegen den Charakter des Schreibens vom 1. September 1986 als rechtsgeschäftliches Angebot spricht ferner der Umstand, daß der ursprüngliche Architektenvertrag nicht von Dr. P. allein, sondern nur von der Architektengemeinschaft hätte geändert werden können. Es fehlt an jeder Feststellung des Berufungsgerichts, daß es sich bei dem Schreiben vom 1. September 1986 um ein gemeinsames Angebot der beiden Architekten in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter der Architektengemeinschaft gehandelt hat.

29

b) Abgesehen davon ist das Berufungsgericht in rechtsirriger Weise davon ausgegangen, daß die Beklagte das Schreiben vom 1. September 1986 als rechtsgeschäftliches Angebot angesehen und angenommen hat. Das Schreiben der Beklagten vom 7. November 1986 enthält keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte ein etwaiges Angebot des Dr. P. auf Änderung des ursprünglichen Vertrages annehmen wollte; in dem Schreiben hat die Beklagte Dr. P. vielmehr den Inhalt eines erneuten Magistratsbeschlusses mitgeteilt und ihm ein Angebot zum Abschluß eines neuen Architektenvertrages in der Weise unterbreitet, daß sie Dr. P. aufgefordert hat, das übersandte Exemplar des Architektenvertrages unterschrieben zurückzusenden. Dieses Angebot hat Dr. P. nicht angenommen. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß Dr. P. nach Treu und Glauben dazu verpflichtet gewesen wäre, dieses Angebot anzunehmen.

30

c) Auch das Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 13. Juli 1987, das vom Berufungsgericht rechtsfehlerhaft bei der Auslegung nicht berücksichtigt worden ist, bestätigt, daß die Beklagte selbst nicht davon ausgegangen ist, daß der ursprüngliche Vertrag durch einen Änderungsvertrag teilweise aufgehoben worden ist. In ihrem Schreiben geht die Beklagte davon aus, daß die Architektengemeinschaft seit dem 15. Mai 1986 nicht mehr bestehe und daß ihre Vertragsbeziehungen zu Dr. P. mit der Auszahlung des von ihr anerkannten Resthonorars beendet worden sei.

31

IV. Die Rechtsgrundlage für eine Honorarforderung der Klägerin für nicht erbrachte Leistungen ist § 324 Abs. 1 BGB. Die Voraussetzungen liegen hier vor; die Dr. P. obliegenden Leistungen sind dadurch unmöglich geworden, daß die Beklagte die Leistungen durch Dr. P. abgelehnt hat und sie durch eine andere Architektengemeinschaft unter Beteiligung des ursprünglichen Mitgesellschafters des Dr. P., des Architekten H., hat erbringen lassen. Für die Berechnung der Höhe des Anspruchs gelten im Rahmen des § 324 Abs. 1 BGB die gleichen Grundsätze, wie im Rahmen des § 649 BGB.