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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 01.07.1992, Az.: XII ZB 82/91

Ausschluß des Versorgungsausgleiches; Notarielle Vereinbarung; Jahresfrist; Unwirksamkeit des Ausschlusses; Einreichung des Scheidungsantrages; Versäumnis von Mitteilungen; Nachlässiges Verhalten; Zustellung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
01.07.1992
Aktenzeichen
XII ZB 82/91
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1992, 14315
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm
AG Essen-Borbeck

Fundstellen

  • FamRZ 1992, 1405-1407 (Volltext mit red. LS)
  • FuR 1993, 52 (red. Leitsatz mit Anm.)
  • NJW-RR 1992, 1346-1347 (Volltext mit red. LS)

Redaktioneller Leitsatz

1. Haben Ehegatten in einem notariellen Vertag einen Ausschluß für einen Versorgungsausgleich vereinbart, so hat der innerhalb der Jahresfrist eingereichte Scheidungsantrag nicht automatisch dessen Unwirksamkeit zur Folge.

2. Antragstellung i. S. d. § 1408 Abs. 2 S. 2 BGB ist die Erhebung des Scheidungsantrages, indem dieser dem Antragsgegner zugestellt wird.

3. Der vereinbarte Ausschluß kann auch unwirksam sein, wenn die Zustellung demnächst im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO erfolgt.

4. "Demnächst" ist zu verneinen, wenn aufgrund eines nachlässigen Verhaltens, z.B. Versäumnis von Mitteilungspflichten, die Zustellung nicht nur kurzfristig versäumt wird.

Hinweise:

Vgl. OLG Zweibrücken - 5 UF 42/94 - vom 28. 10. 1994, FamRZ 1995, 745

Gründe

1

I. Die im Jahre 1946 geborene Ehefrau (Antragstellerin) und der im Jahre 1936 geborene Ehemann (Antragsgegner) schlossen am 16. Dezember 1965 die Ehe, aus der zwei inzwischen volljährige Söhne stammen. Am 14. April 1989 vereinbarten sie in einem notariellen Ehevertrag u.a. den Ausschluß des Versorgungsausgleichs. Noch im gleichen Monat zog die Ehefrau aus der gemeinsamen Ehewohnung aus; seitdem lebten die Parteien getrennt.

2

Am 12. Februar (hier und im folgenden:) 1990 ging beim Amtsgericht - Familiengericht - der Scheidungsantrag der Ehefrau vom 8. Februar ein, in dem ihr Verfahrensbevollmächtigter auf den Ehevertrag mit dem Bemerken hinwies, daß der Ausschluß des Versorgungsausgleichs durch die Stellung des Scheidungsantrages unwirksam werde. Der Amtsrichter veranlaßte noch am Eingangstag die Geschäftsstelle, das Einkommen der Parteien zu erfragen und alsdann den Kostenvorschuß anzufordern. Der entsprechend unter dem 15. Februar aufgeforderte Verfahrensbevollmächtigte erklärte in einem Schriftsatz vom 27. Februar, er werde zum Nettoeinkommen der Parteien gesondert Stellung nehmen. Am 28. Februar zahlte er bei der Gerichtszahlstelle 174 DM ein. Nachdem der vom 5. März datierte Beleg hierüber zu den Akten gelangt war, bestätigte der Amtsrichter durch Schreiben vom 6. März an den Verfahrensbevollmächtigten der Ehefrau den Zahlungseingang und bat diesen "noch einmal, das monatliche Nettoeinkommen beider Parteien anzugeben, damit der Gegenstandswert festgesetzt und überprüft werden kann, ob der eingezahlte Vorschuß ausreichend ist". Unter dem 20. März erinnerte der Richter an die umgehende Erledigung seines Schreibens vom 6. März. Der Verfahrensbevollmächtigte teilte mit Schriftsatz vom 2. April mit, er habe die Ehefrau entsprechend erinnert. Mit Schriftsatz vom 23. Mai, der beim Amtsgericht am 30. Mai einging, teilte er mit, die Ehefrau habe ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 DM und der Ehemann von 4.000 DM. Durch Beschluß vom gleichen Tage (30. Mai) setzte das Amtsgericht den Streitwert auf vorläufig 16.500 DM fest, worauf die Geschäftsstelle den zu zahlenden Vorschußrest auf die Verfahrensgebühr und die Zustellungsauslagen mit 138 DM berechnete. Unter dem 6. Juni wurde der Verfahrensbevollmächtigte der Ehefrau entsprechend zur Zahlung aufgefordert. Die Ehefrau zahle diesen Restbetrag am 10. Juli bei der Gerichtskasse ein. Daraufhin verfügte der Amtsrichter unter dem 12. Juli die Zustellung der Antragsschrift und bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung. Der Scheidungsantrag wurde dem Ehemann am 18. Juli zugestellt.

3

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat durch Urteil vom 4. Oktober 1990 die Ehe der Parteien geschieden und ausgesprochen, daß ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet; zur Begründung ist ausgeführt, daß der vertragliche Ausschluß des Versorgungsausgleichs nicht durch einen binnen Jahresfrist gestellten Scheidungsantrag unwirksam geworden sei. Der Scheidungsausspruch ist rechtskräftig. Die gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich eingelegte Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter, den Versorgungsausgleich durchzuführen.

4

II. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht ist - wie schon das Familiengericht - rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, daß der vertragliche Ausschluß des Versorgungsausgleichs Bestand hat.

5

1. Ehegatten können durch einen zur Niederschrift eines Notars geschlossenen Vertrag vereinbaren, daß zwischen ihnen im Falle der Scheidung der Ehe kein Versorgungsausgleich stattfindet (§§ 1408 Abs. 2 Satz 1, 1410 BGB). Der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung steht nicht entgegen, daß einer der Ehegatten oder beide zur Zeit des Vertragsschlusses schon ernsthaft mit der Möglichkeit der Scheidung rechneten (Senatsbeschlüsse vom 2. Februar 1983 - IVb ZB 702/81 - FamRZ 1983, 459 und vom 17. Dezember 1986 - IVb ZB 144/84 - FamRZ 1987, 365). Demgemäß kommt hier dem Umstand keine Bedeutung zu, daß sich die Ehegatten noch im gleichen Monat April 1989, in dem sie den Ehevertrag schlossen, getrennt haben.

6

2. Der vereinbarte Ausschluß des Versorgungsausgleichs wird gemäß § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB unwirksam, wenn innerhalb eines Jahres nach Vertragsschluß der Scheidungsantrag gestellt wird. Antragstellung im Sinne dieser Vorschrift bedeutet Erhebung des Scheidungsantrages durch Zustellung der Antragsschrift an den Antragsgegner (Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1984 - IVb ZB 153/82 - FamRZ 1985, 45). Als der Scheidungsantrag dem Ehemann am 18. Juli 1990 zugestellt wurde, waren bereits mehr als 15 Monate seit dem Vertragsschluß vergangen; die in § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB bestimmte Jahresfrist war somit überschritten.

7

3. Allerdings ist der Scheidungsantrag vor Ablauf der Frist beim Gericht eingegangen. In einem solchen Fall ist die Regelung des § 270 Abs. 3 ZPO zu beachten: Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden, so tritt diese Wirkung bereits mit der Einreichung des Antrages ein, sofern die Zustellung demnächst erfolgt. Diese Bestimmung ist auch auf den Lauf der Jahresfrist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB anzuwenden (Senatsbeschluß vom 17. Oktober 1984 aaO. S. 47). Auch sie verhilft der weiteren Beschwerde indessen nicht zum Erfolg. Denn der Scheidungsantrag ist nicht "demnächst" zugestellt worden.

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a) Ob eine Zustellung "demnächst" erfolgt ist, beurteilt sich nach dem Sinn und Zweck der in § 270 Abs. 3 ZPO getroffenen Regelung. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs soll die Partei bei der von Amts wegen bewirkten Zustellung vor Nachteilen durch Zustellungsverzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebes bewahrt werden, da sie von der Partei nicht beeinflußt werden können (BGHZ 103, 20, 28 m.w.N.). Hingegen sind der Partei Verzögerungen zuzurechnen, die sie oder ihr Prozeßbevollmächtigter (§ 85 Abs. 2 ZPO) bei gewissenhafter Prozeßführung hätten vermeiden können. Eine Zustellung "demnächst" nach Einreichung der Klage bzw. des Scheidungsantrages bedeutet daher eine Zustellung innerhalb einer den Umständen nach angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Bevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan haben. Das ist nicht der Fall, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, durch nachlässiges - auch nur leicht fahrlässiges - Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat (vgl. Senatsurteile vom 8. Juni 1988 - IVb ZR 92/87 - BGHR ZPO § 270 Abs. 3, demnächst 2 = FamRZ 1988, 1154, und vom 11. Dezember 1991 - XII ZR 269/90 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH, Urteil vom 21. März 1991 - III ZR 94/89 - BGHR aaO., demnächst 6 = NJW 1991, 1745, jeweils m.w.N.).

9

Weil eine Partei berechtigt ist, eine Frist bis zum letzten Tag auszunutzen, wird die Dauer einer Verzögerung erst vom Tage des Fristablaufs gemessen (BGH, Urteil vom 7. April 1983 - III ZR 193/81 - VersR 1983, 831, 832). Welche nach dem 14. April 1990 verstrichene Zeit noch als geringfügig angesehen werden könnte, bedarf keiner Entscheidung. Denn die hier eingetretene Verzögerung bis zum 18. Juli 1990 kann, soweit sie auf einer auch nur leichten Nachlässigkeit der Ehefrau oder ihres Verfahrensbevollmächtigten beruht, jedenfalls nicht mehr als geringfügig und damit unschädlich behandelt werden (vgl. im einzelnen zu den in der Rechtsprechung als noch geringfügig beurteilten Zeitspannen die Nachweise im Senatsurteil vom 8. Juni 1988 aaO.).

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b) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Ehefrau habe in zweifacher Weise eine nicht unerhebliche Verzögerung der Zustellung durch ihr Verhalten verursacht. Sie habe die (wiederholten) gerichtlichen Anfragen nach den Einkommensverhältnissen der Parteien erst mit Schriftsatz vom 23. Mai 1990 beantwortet und auf die dann unter dem 6. Juni 1990 versandte Aufforderung den restlichen Kostenvorschuß erst am 10. Juli 1990 eingezahlt. In beiden Fällen hätten sie oder ihr Bevollmächtigter die jeweils verursachten Verzögerungen vermeiden können, wenn sie mit der gebotenen Beschleunigung gehandelt hätten.

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Diese Beurteilung greift die weitere Beschwerde ohne Erfolg an. Für die Zustellung eines Scheidungsantrages gelten keine von den allgemeinen Vorschriften abweichenden Regeln. Das Familiengericht durfte daher die Zustellung davon abhängig machen, daß die mit dem Eingang der Antragsschrift fällig gewordene Gebühr für das Verfahren im allgemeinen einschließlich der Auslagen für die Zustellung geleistet wurde (§ 65 Abs. 1 Satz 1 GKG). Die zur Feststellung des Streitwertes an die Ehefrau gerichtete Aufforderung, die Einkommensverhältnisse der Parteien darzulegen, diente diesem Zweck und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war die Ehefrau zwar nicht verpflichtet, bereits in der Antragsschrift den Streitwert darzulegen (BGHZ 69, 361, 363). Sie mußte aber die Rückfragen des Gerichts in angemessener Zeit beantworten; denn anders als in dem vom IV. Zivilsenat (durch Urteil vom 15. Januar 1992 - IV ZR 13/91 - VersR 1992, 433 [BGH 15.01.1992 - IV ZR 13/91]) entschiedenen Fall war die Rückfrage hier geboten, weil sich aus dem Inhalt der Antragsschrift keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Nettoeinkünfte der Ehefrau ergaben, die gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG für den Wert des Streitgegenstandes in Ehesachen bestimmend sind. Die von der weiteren Beschwerde befürchtete Möglichkeit, daß es der Ehegatte eines Antragstellers in der Hand habe, durch die Verweigerung von Angaben über sein Einkommen den Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift mitzubestimmen, veranlaßt keine abweichende Beurteilung. Welche Rechtsfolge eingetreten wäre, wenn die Ehefrau nicht in der Lage gewesen wäre, das Einkommen des Ehemannes anzugeben, etwa weil er ihr entsprechende Auskünfte vorenthielt, kann dahinstehen. Sie hat derartige Gründe für ihre wochenlange Untätigkeit nicht vorgetragen; sie hat nicht einmal geltend gemacht, daß ihr die Einkommensverhältnisse des Ehemannes nicht bekannt gewesen seien. Als Grund für die Verzögerung hat sie lediglich vortragen lassen, sie sei "bis April 1990" an Gürtelrose erkrankt gewesen und habe ihren Bevollmächtigten nicht informieren können. Abgesehen davon, daß eine solche Krankheit sie an einer wenigstens telefonischen Auskunft nicht gehindert hätte, fehlt es für die Zeit ab 1. Mai 1990 an jeder Erklärung für die nachlässige Behandlung der Sache. Das Familiengericht war nicht verpflichtet, ohne Sachvortrag von sich aus nach weiteren Gründen zu forschen, die die Ehefrau an der Förderung des Verfahrens gehindert haben könnten.

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Der weiteren Beschwerde kann auch nicht in der Ansicht gefolgt werden, der Bevollmächtigte der Ehefrau habe darauf vertrauen können, daß die Zustellung der Antragsschrift erfolgen werde, nachdem er einen Gebührenvorschuß von 174 DM eingezahlt hatte, denn dem Gericht sei es möglich gewesen, den Streitwert vorläufig nach diesem Vorschuß zu berechnen. Es kann offenbleiben, ob ein solches Vertrauen gerechtfertigt gewesen wäre, wenn der Richter diese Einzahlung nicht mit seiner (wiederholten) Aufforderung beantwortet hätte, das Nettoeinkommen der Parteien umgehend mitzuteilen, damit der Gegenstandswert festgesetzt und überprüft werden könne, ob der eingezahlte Vorschuß ausreiche. Jedenfalls nach diesem Hinweis mußte der Verfahrensbevollmächtigte bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennen, daß sich das Gericht nicht mit dem eingezahlten Vorschuß begnügte und die Zustellung von der Einzahlung eines Gebührenvorschusses abhängig machte, der einem nach den wirklichen Einkommensverhältnissen der Parteien berechneten Streitwert entsprach.

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Der weiteren Beschwerde kann schließlich auch nicht in der Auffassung gefolgt werden, das Amtsgericht habe dem Interesse der Ehefrau an einer baldigen Zustellung der Antragsschrift Vorrang vor den fiskalischen Interessen einräumen müssen. Wenn die Ehefrau die Frist des § 1408 Abs. 2 Satz 2 BGB wahren wollte, oblag es ihr als Antragstellerin, alles Erforderliche zu tun, um eine Verzögerung der Zustellung zu vermeiden. Dem Gericht war es schon aus Gründen der Rücksichtnahme auf die ebenso berechtigten Interessen der Gegenseite verwehrt, von der durch das Gesetz grundsätzlich vorgeschriebenen Sachbehandlung abzuweichen. Der Amtsrichter hätte die Zustellung des Scheidungsantrages ohne vorherige Zahlung der erforderten Gebühr verfügen können, wenn die Ehefrau glaubhaft gemacht hätte, daß eine Verzögerung ihr einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden bringen werde, da für einen solchen Fall die Vorschrift des § 65 Abs. 1 GKG nicht gilt (§ 65 Abs. 7 Nr. 4 GKG). Ein derartiger Sachvortrag fehlte indessen. Insbesondere reichte dafür nicht der Hinweis in der Antragsschrift auf den vertraglichen Ausschluß des Versorgungsausgleichs aus. Die Ehefrau hätte mindestens darlegen und glaubhaft machen müssen, daß ihr bei Fortwirkung des Ausschlusses ein ins Gewicht fallender Verlust entstehe, weil in der Ehezeit der Ehemann die werthöheren Anwartschaften auf eine auszugleichende Versorgung erworben habe.