Bundesgerichtshof
Urt. v. 31.01.1990, Az.: XII ZR 21/89
Angemessener Unterhalt; Billigkeitsabwägung
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 31.01.1990
- Aktenzeichen
- XII ZR 21/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 14435
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- FamRZ 1990, 979-981 (Volltext mit red. LS)
- FamRZ 1990, 979, 981
- JurBüro 1990, 419 (Kurzinformation)
- NJW-RR 1990, 578-580 (Volltext mit red. LS)
Redaktioneller Leitsatz
Der eigene angemessene Unterhalt i. S. von § 1581 BGB, bei dessen Gefährdung die Billigkeitsabwägung einzusetzen hat, ist der eheangemessene Unterhalt des Unterhaltspflichtigen nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Tatbestand:
Die Parteien waren miteinander verheiratet. Nachdem sie seit 1984 getrennt gelebt hatten, wurde ihre Ehe im Jahre 1987 geschieden. Sie streiten um den Anspruch der Antragsgegnerin auf nachehelichen Unterhalt für die Zeit ab Rechtskraft des Scheidungsurteils, die gemäß § 629a Abs. 3 ZPO am 17. Dezember 1987 eingetreten ist.
Beide Parteien sind im Jahre 1939 geboren. Der Antragsteller (fortan: Ehemann) ist als Schlossermeister bei einem W Großunternehmen der Energieversorgung beschäftigt. Die Antragsgegnerin (fortan: Ehefrau) hat keine abgeschlossene Berufsausbildung. Sie war, abgesehen von einer Aushilfstätigkeit als Verkäuferin in den Monaten Juni und Juli 1988, bisher nicht erwerbstätig.
Aus der Ehe sind zwei Töchter hervorgegangen, die am 25. März 1963 geborene Ute und die am 19. Juli 1964 geborene Elke. Für Elke leistet der Ehemann noch Unterhalt in Höhe von monatlich 587,50 DM und erhält er das gesetzliche Kindergeld von monatlich 50 DM. Zur Zahlung des Kindesunterhalts in der genannten Höhe hat ihn das Amtsgericht - Familiengericht - Grevenbroich am 17. Juli 1986 verurteilt, wobei es davon ausgegangen ist, daß er der Tochter Elke - ebenso wie damals noch der Tochter Ute - den Tabellenunterhalt von 550 DM sowie 37,50 DM als Anteil an dem damaligen Kindergeld schulde.
Die Parteien waren je zur ideellen Hälfte Miteigentümer eines Einfamilienhauses. Im April 1988 übernahm der Ehemann mit Wirkung ab 1. Juni 1988 den Miteigentumsanteil der Ehefrau gegen Zahlung von rund 150.000 DM. Ende Mai 1988 räumte die Ehefrau das Haus, in dem sie bis dahin kostenlos gewohnt hatte.
Die Ehefrau ist zu 1/6 Miterbin nach ihrem seit längerem verstorbenen Vater. Die Erbengemeinschaft ist Miteigentümerin zu 1/2 eines Miethauses und eines Einfamilienhauses; die andere ideelle Hälfte beider Grundstücke gehört der Mutter der Ehefrau. Das Einfamilienhaus wird von der Mutter und seit Juni 1988 auch von der Ehefrau bewohnt.
Im Scheidungsverfahren hat die Ehefrau vor dem Amtsgericht - Familiengericht - nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 729, 08 DM geltend gemacht; ein ebenso hoher Betrag war ihr zuvor in einem anderen Verfahren als Trennungsunterhalt zugesprochen worden. Das Amtsgericht hat in dem Verbundurteil vom 3. Juni 1987 den Antrag auf nachehelichen Unterhalt jedoch zurückgewiesen, weil die Ehefrau ihren Unterhaltsbedarf aus dem Ertrag zumutbarer und erreichbarer Berufstätigkeit decken könne.
Die Ehefrau hat die Abweisung des Antrags auf nachehelichen Unterhalt mit der Berufung angegriffen und monatlich 730 DM ab Rechtskraft des Scheidungsausspruchs verlangt. Das Berufungsgericht hat den Ehemann nach diesem Antrag verurteilt. Dagegen richtet sich dessen - zugelassene - Revision, mit der er die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen will.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung, der Ehefrau Aufstockungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB in der beantragten Höhe zuzusprechen, im wesentlichen wie folgt begründet:
Ihr an den ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichteter voller Unterhaltsbedarf belaufe sich auf mindestens 2.100 DM monatlich. Dabei ist es davon ausgegangen, daß das monatliche Bruttogehalt des Ehemanns im Jahre 1988 mindestens 6.505,29 DM betragen und auch im Dezember 1987 bereits etwa diese Höhe erreicht habe. Bei Anwendung der Steuerklasse III, die entgegen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geboten sei, entspreche dies unter Beachtung eines Kinderfreibetrages, der Kirchensteuer und der anfallenden Sozialabgaben einem Nettoeinkommen von monatlich 4.534,03 DM. Im Rahmen der Bedarfsberechnung erhöhe sich dieser Betrag um das dem Ehemann gezahlte Kindergeld (50 DM) und den Wert des mietfreien Wohnens im eigenen Hause (400 DM). Er verringere sich andererseits um die Krankenversicherung des Ehemanns (253,64 DM), um - pauschalierte - berufsbedingte Aufwendungen (214,02 DM) und um den Tabellenunterhalt für die Tochter Elke (550 DM) auf monatlich 3.966,37 DM. 50% hiervon (gerundet: 2.000 DM) sowie trennungsbedingter Mehrbedarf von mindestens 100 DM, der der Ehefrau schon durch die getrennte Haushaltsführung entstehe, ergäben ihren Gesamtbedarf von monatlich 2.100 DM.
Diesen Bedarf könne die Ehefrau aus eigenen anzurechnenden Einkünften nur teilweise decken, nämlich für die Zeit vor dem 1. Juni 1988 in Höhe von 430 DM durch den Vorteil mietfreien Wohnens, für die Zeit ab 1. Juni 1988 in Höhe von ebenfalls 430 DM aus Zinsen sowie für die gesamte Anspruchszeit aus bei der Übernahme zumutbarer Arbeit erzielbaren Erwerbseinkünften von 800 DM - alle Beträge monatlich und netto. Daher stehe ihr der verlangte Aufstockungsunterhalt von monatlich 730 DM zu. Diesen eingeschlossen verfüge sie monatlich erst über 1.960 DM. Unter diesen Umständen komme es nicht darauf an, ob die Ehefrau die rechtliche Möglichkeit habe und gehalten sei, Ansprüche gegen die Erbengemeinschaft nach ihrem Vater geltend zu machen. Denn solche Ansprüche würden nach Lage der Dinge den bis zur vollen Deckung ihres Unterhaltsbedarfs von 2.100 DM noch fehlenden monatlichen Betrag von 140 DM keinesfalls übersteigen.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß das Berufungsgericht die Anspruchsgrundlage in § 1573 Abs. 2 BGB gesehen hat; auch die Revision erhebt solche nicht. Nach dieser Vorschrift hat ein geschiedener Ehegatte Anspruch auf Aufstockungsunterhalt, wenn er eine Erwerbstätigkeit ausübt, die Einkünfte aber zu seinem vollen Unterhalt nicht ausreichen. Entsprechendes gilt, wenn dem Berechtigten wegen Verletzung seiner Erwerbsobliegenheit fiktive Einkünfte anzurechnen sind, diese aber seinen vollen Unterhalt nicht decken würden (Senatsurteile vom 10. Februar 1988 - IVb ZR 16/87 - FamRZ 1988, 927, 929 und vom 24. Januar 1990 - XII ZR 2/89 - zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Die Revision beanstandet jedoch zu Recht, daß das Berufungsgericht bei der Berechnung des Unterhaltsbedarfs der Ehefrau statt von den tatsächlichen Nettoeinkünften des Ehemannes, die auf der Besteuerung nach der Steuerklasse I beruhen, von solchen ausgegangen ist, wie sie sich bei einer Besteuerung nach der Steuerklasse III ergeben würden. Wie der Senat wiederholt, zuletzt mit den zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteilen vom 24. und 31. Januar 1990 (XII ZR 2/89 und XII ZR 35/89) entschieden hat, sind Einkünfte, die die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmt haben, in der Höhe in die Bemessung des Unterhaltsbedarfs einzustellen, wie sie sich jeweils unter Berücksichtigung der gesetzlich bestimmten Abzüge als Nettobeträge ergeben. Auf die genannten Urteile, in denen die Gegenargumente geprüft und für nicht durchgreifend erachtet worden sind, wird verwiesen.
Der Bedarfsberechnung ist daher ein geringeres Nettoeinkommen des Ehemanns zugrunde zu legen. Seine Höhe ist bisher nicht festgestellt; das Berufungsurteil nennt - außer Nettoeinkommenszahlen auf der Grundlage einer Besteuerung nach der Steuerklasse III - nur Bruttoeinkünfte des Jahres 1988, die annähernd in gleicher Höhe auch bereits im Dezember 1987 erzielt worden seien. Der Senat vermag das tatsächliche monatliche Nettoeinkommen auf der Grundlage der Besteuerung nach der Steuerklasse I nicht festzustellen. Dem steht, abgesehen von dem verfahrensrechtlichen Hindernis, das § 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufstellt, bereits entgegen, daß die bei den Akten befindlichen Gehaltsauskünfte für das Jahr 1988, auf die sich das Berufungsgericht gestützt hat, nur die Bezüge für die Monate Januar bis Oktober nennen. Die Höhe der Bruttobezüge für die Monate November und Dezember 1988 hat das Berufungsgericht lediglich - und ohne ersichtliche Grundlage - jeweils mit "Mindestbrutto ... 5.026,00 DM" angesetzt. Weil aber eine Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Ehefrau auf der Grundlage des tatsächlichen Manneseinkommens zu geringeren Beträgen führen wird, bedarf es nunmehr genauer Einkommenswerte, um entscheiden zu können, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe sich ein Unterhaltsanspruch der Ehefrau ergibt. Konnte das Berufungsgericht bisher von "Mindestbrutto"-Beträgen ausgehen, da bereits sie nach seiner Auffassung zur vollständigen Zuerkennung des verlangten Unterhalts führten, so wird dies bei Berücksichtigung der Besteuerung nach der Steuerklasse I sowie angesichts des Durchgreifens von Revisionsrügen zu weiteren Punkten (s. unten 4 - 6) nicht mehr möglich sein. Deshalb ist die Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geboten.
3. Die Revision wendet sich weiter dagegen, daß das Berufungsgericht bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Ehefrau auch das von dem Ehemann bezogene staatliche Kindergeld von monatlich 50 DM zu seinem die ehelichen Lebensverhältnisse bestimmenden Einkommen gerechnet hat. Dieser Angriff bleibt ohne Erfolg. Das Kindergeld soll den Eltern die Unterhaltsgewährung für das Kind erleichtern. Es wirkt einkommenserhöhend, da es nicht an das Kind weitergegeben zu werden braucht. Im Innenverhältnis der Eltern steht es beiden anteilig zu, wenn beide dem Kind Unterhalt leisten (Senatsurteil vom 11. Mai 1988 - IVb ZR 89/87 - BGHR BGB § 1606 Abs. 3 Ausgleichsanspruch, familienrechtlicher 2 = FamRZ 1988, 834). Hier aber erbringt nur noch der Ehemann Unterhaltsleistungen an die volljährige Tochter, so daß das Kindergeld, das an ihn ausgezahlt wird, allein ihm zusteht und deshalb in voller Höhe sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen steigert.
4. Soweit das Berufungsgericht im Rahmen der Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse berücksichtigt hat, daß der Ehemann der Tochter Elke wie bereits während der Ehe auch jetzt noch Unterhalt leistet, entspricht das der Rechtslage. Das Einkommen eines Ehegatten, der ein gemeinschaftliches - auch volljähriges - Kind unterhält, ist im Regelfall erst nach dem Abzug des Kindesunterhalts anrechenbar (Senatsurteil vom 25. Februar 1987 - IVb ZR 36/86 - BGHR BGB § 1578 Abs. 1 Satz 1 Quotenunterhalt 1 = FamRZ 1987, 456, 458 f. m.w.N.). Gegen diesen Vorwegabzug, der sich zugunsten des Revisionsklägers auswirkt, wendet sich die Revision nicht. Sie beanstandet indessen, daß der Abzug nur in Höhe von 550 DM vorgenommen worden ist. Der Ehemann zahle der Tochter Elke nicht nur diesen Tabellenunterhalt, sondern aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Grevenbroich vom 17. Juli 1986 monatlich 587,50 DM. Daher sei dieser Betrag zu berücksichtigen.
Damit hat die Revision Erfolg. Der Ehemann ist mehr als drei Jahre vor der Ehescheidung rechtskräftig zu Unterhaltszahlungen an die damals bereits volljährige Tochter in Höhe von monatlich 587,50 DM verurteilt worden. Die Belastung hat daher in dieser Höhe die ehelichen Lebensverhältnisse mitgeprägt. Sie besteht in eben dieser Höhe fort.
Allerdings hat der Bundesgerichtshof in dem Urteil vom 23. Januar 1980 (IV ZR 2/78 - FamRZ 1980, 555, 556 f.) den Standpunkt vertreten, der Anspruch eines nach § 1609 BGB bevorrechtigten Unterhaltsgläubigers sei auch dann, wenn ein nachrangiger Bedürftiger gegen den Unterhaltspflichtigen bereits einen rechtskräftigen Titel über seinen Unterhaltsanspruch erstritten habe, so zu beurteilen, wie es im Falle gleichzeitiger Entscheidung über die Ansprüche zu geschehen hätte. Das betraf jedoch die Prüfung der Leistungsfähigkeit eines nach §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtigen Verwandten und kann auf die Bestimmung des an den - tatsächlich gelebten - ehelichen Lebensverhältnissen ausgerichteten Unterhaltsbedarfs eines geschiedenen Ehegatten (1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht übertragen werden. In dem Urteil vom 26. April 1989 (IVb ZR 59/89 - FamRZ 1989, 842, 843) hat der Senat den - dort allerdings nicht angegriffenen - Vorwegabzug von Unterhalt für ein volljähriges Kind im Rahmen der Bestimmung des eheangemessenen Unterhaltsbedarfs in Höhe des titulierten Anspruchs gebilligt. Dasselbe hat im vorliegenden Fall zu gelten, zumal die titulierte Verpflichtung die gesetzliche nur verhältnismäßig geringfügig übersteigt.
5. Die Revision rügt weiter, daß das Berufungsgericht bei der Bestimmung des Unterhaltsbedarfs der Ehefrau von der Hälfte des unterhaltspflichtigen Einkommens des Ehemanns ausgegangen ist. Sie macht geltend, dem erwerbstätigen Ehegatten müsse der sogenannte Erwerbstätigenbonus zugebilligt werden. Wenn der dem Ehemann verbleibende Bonus - wie üblich - mit einem Siebtel des anrechenbaren Erwerbseinkommens angesetzt werde, belaufe sich der Unterhaltsbedarf der Ehefrau nur auf 3/7 - statt 1/2 - des unterhaltspflichtigen Manneseinkommens.
Auch dieser Angriff der Revision hat Erfolg. Bereits bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen muß dem erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen ein die Hälfte des verteilungsfähigen Einkommens maßvoll übersteigender Betrag verbleiben. Das hat der Senat - nach der Verkündung des angefochtenen Urteils - unter Auseinandersetzung mit den teilweise abweichenden Meinungen in Literatur und Rechtsprechung entschieden und damit seine frühere Rechtsprechung zu dieser Frage bestätigt und weiterentwickelt (Urteil vom 26. April 1989 aaO.). Das Berufungsurteil enthält dazu keine neuen Gesichtspunkte.
Bei der erneuten Befassung wird das Berufungsgericht Anlaß zu der Prüfung haben, ob es gerechtfertigt ist, zugunsten des Ehemannes 5% seines Nettoeinkommens für berufsbedingten Aufwand anzusetzen, obwohl er auf Befragen im Termin keine nennenswerten Aufwendungen nennen konnte. Für den Fall, daß das Berufungsgericht erneut zu einem solchen Ansatz kommt, wird bei der tatrichterlichen Bemessung der Hohe der gebotenen, maßvollen Abweichung von der Halbteilung des Einkommens zu beachten sein, daß diese Abweichung dann, wenn die berufsbedingten Aufwendungen mit dem Satz von 5% des Nettoeinkommens gedeckt sind, allein noch dazu dient, einen Anreiz zur Erwerbstätigkeit zu schaffen (vgl. zu dem doppelten Zweck des sogenannten Erwerbstätigenbonus die Senatsurteile vom 16. September 1981 - IVb ZR 674/80 - FamRZ 1981, 1165, 1166, vom 19. Juni 1985 - IVb ZR 31/84 - FamRZ 1985, 908, 910 und vom 16. Dezember 1987 - IVb ZR 1988, 265, 267). Das könnte nahelegen, den Erwerbstätigenbonus geringer als sonst üblich zu bemessen.
6. Schließlich begegnet, wie die Revision richtig sieht, auch der Ansatz eines trennungsbedingten Mehrbedarfs der Ehefrau (in Höhe von monatlich 100 DM) aufgrund des bisherigen Parteivortrags Bedenken. Der Tatrichter ist zwar befugt, die Höhe des trennungsbedingten Mehrbedarfs zu schätzen (§ 287 ZPO). Jedoch sind die auftretenden Mehrkosten vom Unterhaltsberechtigten konkret darzulegen (Senatsurteile vom 4. November 1981 - IVb ZR 625/80 - FamRZ 1982, 255, 257 und vom 1. Juni 1983 - IVb ZR 389/81 - FamRZ 1983, 886, 887; vgl. auch das bereits genannte Senatsurteil vom 24. Januar 1990). Bisher hat die Ehefrau keine trennungsbedingten Mehrkosten geltend gemacht, vielmehr in dem Schriftsatz vom 10. November 1987 ihren - mit ca. 1.900 DM bezifferten - Gesamtunterhaltsbedarf, von dem sie bei ihrer Forderung nach monatlich 730 DM nachehelichem Unterhalt ausgegangen ist, ausdrücklich "ohne trennungsbedingten Mehrbedarf" errechnet.
Eine weitere Beanstandung der Revision in diesem Zusammenhang geht dahin, daß das Berufungsgericht, wenn es Mehrkosten in Höhe von monatlich 100 DM schon durch die getrennte Haushaltsführung zugrunde lege, einen trennungsbedingten Mehrbedarf jedenfalls in dieser Höhe auch auf Seiten des Ehemanns hätte berücksichtigen müssen. Dem kann jedoch nur eingeschränkt zugestimmt werden. Wie sich durch trennungsbedingte Mehrkosten der Unterhaltsbedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen erhöhen kann, so kann die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten durch bei ihm entstehenden trennungsbedingten Mehrbedarf eingeschränkt werden. Nach dem zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmten Urteil des Senats vom 18. Oktober 1989 (IVb ZR 89/88) ist eigener angemessener Unterhalt im Sinne von § 1581 BGB, bei dessen Gefährdung die Billigkeitsabwägung einzusetzen hat, der eheangemessene Unterhalt des Pflichtigen nach § 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB. Zu diesem gehört - ebenso wie auf seiten des Berechtigten - auch ein etwa geltend gemachter und konkret bezeichneter trennungsbedingter Mehrbedarf. Falls der Ehemann solchen im erneuten Berufungsverfahren geltend macht, wird dem im Rahmen einer etwa erforderlichen Prüfung der Anwendung des § 1581 BGB nachzugehen sein.
7. Die Revision wendet sich schließlich gegen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht darlegt, daß die anzurechnenden Eigeneinkünfte der Ehefrau ihren Unterhaltsbedarf jedenfalls in Höhe der verlangten und zugesprochenen 730 DM monatlich ungedeckt lassen. Sie macht geltend, über die fiktiven monatlichen Einkünfte aus Erwerbstätigkeit in der vom Tatrichter geschätzten Höhe von 800 DM, den Vorteil mietfreien Wohnens in der Zeit vor dem 1. Juni 1988 (monatlich 430 DM) und über Zinseinkünfte in der Zeit ab 1. Juni 1988 (ebenfalls monatlich 430 DM) hinaus hätte das Berufungsgericht auch für die Zeit ab 1. Juni 1988 einen Vorteil mietfreien Wohnens in noch festzustellender Höhe berücksichtigen müssen. Denn die Ehefrau wohne seitdem in dem Einfamilienhaus, das zur Hälfte im Miteigentum ihrer Mutter und zur anderen Hälfte im Miteigentum der Erbengemeinschaft stehe, welcher sie selbst angehöre. Nach der Feststellung des Berufungsgerichts habe sie sich dort eine Wohnung ausgebaut. Mangels gegenteiliger Feststellungen sei davon auszugehen, daß sie dort mietfrei wohne.
Das ist indessen vor dem Tatrichter bisher nicht behauptet worden; die Revision rügt auch nicht, daß das Berufungsgericht insoweit Parteivortrag unberücksichtigt gelassen habe (§ 286 ZPO). Selbst wenn die Ehefrau jetzt mietfrei wohnte, wäre zudem davon auszugehen, daß die in der Einräumung mietfreien Wohnens zu sehende Freigebigkeit der Mutter sowie der fünf weiteren Mitglieder der Erbengemeinschaft - wie regelmäßig - nach der mutmaßlichen Willensrichtung der Zuwendenden nicht zu einer Entlastung des unterhaltspflichtigen Ehemannes führen, sondern nur die unterhaltsberechtigte Ehefrau selbst unterstützen soll (vgl. Senatsurteil vom 6. März 1985 - IVb ZR 74/83 - FamRZ 1985, 584, 585 m.w.N.); abweichende, besondere Umstände sind nicht vorgetragen.
Für die weitere Behandlung der Sache weist der Senat noch auf folgendes hin: Das Berufungsurteil läßt nicht erkennen, ob beim Ansatz der fiktiven monatlichen Nettoeinkünfte der Ehefrau aus Erwerbstätigkeit in der geschätzten Höhe von 800 DM auch auf ihrer Seite ein Erwerbstätigenbonus berücksichtigt worden ist. Das ist erforderlich; die Ehefrau muß so gestellt werden, als erzielte sie das erreichbare Erwerbseinkommen.