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Bundesgerichtshof
Urt. v. 29.01.1988, Az.: V ZR 271/86

Belastung eines Grundstücks mit einem Erbbaurecht; Einsturzgefahr bei durchhängenden Betondeckenplatten; Übertragung eines Erbbaurechts; Einwilligung in eine Grundbuchumschreibung; Vereinbarung einer Instandhaltungspflicht; Wirksamkeit einer im Erbbaurechtsvertrag getroffenen Heimfallregelung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
29.01.1988
Aktenzeichen
V ZR 271/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1988, 13662
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Köln - 25.06.1986
LG Köln

Fundstellen

  • DB 1988, 1694-1695 (Volltext mit amtl. LS)
  • MDR 1988, 661 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1988, 715-717 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Firma B.-L. GmbH (vormals M.- und H. gesellschaft mbH),
vertreten durch die Geschäftsführer Eduard H. und Klaus H. M.-G., B. A. 4, F.,

Prozessgegner

1. Irene P.-A., K. 34, M.,

2. Dr. Wolfgang P., J.-H.-Platz 13, K.,

Amtlicher Leitsatz

Ist im Zeitpunkt der Ausübung des Heimfallrechts die dafür vertraglich vorausgesetzte Pflichtverletzung gegeben, so verstößt die Durchsetzung dieses Rechts grundsätzlich nicht deswegen gegen Treu und Glauben, weil der Erbbauberechtigte die verletzte Pflicht nachgeholt hat.

In dem Rechtsstreit
hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 1988
durch
den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes Dr. Thumm und
die Richter Prof. Dr. Hagen, Dr. Vogt, Dr. Räfle und Dr. Lambert-Lang
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 25. Juni 1986 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten erkannt worden ist.

In diesem Umfang wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Kläger sind als Erben ihres 1976 verstorbenen Vaters, des Landwirts Günter P., Eigentümer eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks. Das Erbbaurecht hatte der Erblasser durch notariellen Vertrag vom 7. August 1968 der Firma K. & M. S. GmbH für die Dauer von 75 Jahren bestellt. Zweck des Erbbaurechts war nach § 2 des Vertrages die Errichtung von Betriebsgebäuden und -anlagen, die für die Herstellung von Lebensmitteln sowie für den Handel mit Lebensmitteln und anderen Verbrauchsgütem geeignet sind. Für das in das Erbbaugrundbuch eingetragene Erbbaurecht wurden u.a. folgende Inhaltsvereinbarungen getroffen:

"§ 3
Verpflichtungen des Erbbauberechtigten

...

3.
Der Erbbauberechtigte ist verpflichtet, die errichteten Gebäude und Anlagen in gutem und betriebsfähigem Zustand zu erhalten. ...

§ 6
Heimfallanspruch

Der Erbbauberechtigte ist verpflichtet, das Erbbaurecht dem Grundstückseigentümer zurückzuübertragen, wenn ...

c)
der Erbbauberechtigte den Bestimmungen des § 3 Ziffern 3 bis 7 dieses Vertrages trotz Abmahnung mit angemessener Fristsetzung zuwiderhandelt und mit dieser Zuwiderhandlung den mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgten Zweck wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet, ...

§ 7
Entschädigung beim Heimfall oder bei Beendigung des Erbbaurechts

Im Falle der Ausübung des Heimfallrechts oder bei Beendigung des Erbbaurechts gehen die auf dem Grundstück errichteten Gebäude und Anlagen gegen eine im Sinne des § 32 der Verordnung über das Erbbaurecht vom 15. Januar 1919 vom Grundstückseigentümer an den Erbbauberechtigten zu zahlende angemessene Entschädigung in das Eigentum des Grundstückseigentümers über. Mit dieser Vergütung gilt auch der Verlust der Berechtigung aus dem Erbbaurecht selbst, und zwar sowohl bei Ausübung des Heimfallanspruchs als auch bei Beendigung des Erbbaurechts, als abgegolten.

Der Grundstückseigentümer hat statt dessen wahlweise das Recht, die Herstellung des ursprünglichen Zustands des Grundstücks auf Kosten des Erbbauberechtigten zu verlangen. Dieses Wahlrecht ist binnen einem Jahr nach Ausübung des Heimfallanspruchs oder der Beendigung des Erbbaurechts dem Erbbauberechtigten gegenüber zu erklären. ..."

2

Durch notariellen Vertrag vom 24. Juni 1971 übertrug die K. & M. S. GmbH das Erbbaurecht mit dem auf dem Erbbaugelände errichteten Einkaufsmarkt der Beklagten. Diese übernahm in § 2 des Vertrages alle Rechte und Pflichten aus dem Erbbaurechtsvertrag vom 7. August 1968. Der Erblasser stimmte dem Übertragungsvertrag zu.

3

Die Beklagte vermietete das Objekt zunächst an die frühere Erbbauberechtigte, die später in Konkurs geriet. Seit 1978 ist der Einkaufsmarkt an die Rewe Handelsgesellschaft Leibbrand oHG vermietet.

4

Am 2. November 1983 besichtigten der Kläger zu 2 und einer der Geschäftsführer der Beklagten das Gebäude. Nach Besichtigung von zwei Büroräumen und des Daches äußerten die Beteiligten übereinstimmend, daß sich das Objekt "in keinem guten Zustand" befinde. Mit Schreiben vom 18. November 1983 teilten die Kläger der Beklagten u.a. folgendes mit:

"Wir mahnen ... gem. § 6 c unter Fristsetzung von zwei Monaten ab Zugang dieses Schreibens die Verbringung der Gebäude und Anlagen in einen guten Zustand an.

Insbesondere die zum Teil geradezu verrotteten Fassadenteile (Eternit), die ungepflegten Verwaltungs- und Nebenräume sowie das gesamte Dach entsprechen auch nicht annähernd einem guten Zustand des Gebäudes.

Wir schlagen vor, daß binnen einer Woche ab Zugang dieses Schreibens wir uns auf einen Sachverständigen verständigen, der Ihnen im einzelnen vorgibt, welche Teile des Gebäudes zu sanieren sind. Wenn wir hierauf keine entsprechende Antwort erhalten, werden wir wohl nicht umhin können, ein entsprechendes Beweissicherungsverfahren einzuleiten."

5

Darauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 25. November 1983 u.a.:

"Gelegentlich des Besuches haben wir - wie Sie - feststellen müssen, daß sich die Gebäude und Anlagen rein äußerlich in keinem guten Zustand befinden. Wir haben diese Feststellungen sofort an die Firma R. Handelsgesellschaft L. oHG weitergegeben und diese gebeten, für die Beseiseitigung der Mängel Sorge zu tragen.

Ungeachtet dessen werden wir unseren Hausarchitekten - wie üblich - beauftragen, das Objekt zu besichtigen, und von diesem alle Mängel im einzelnen feststellen zu lassen. Sodann werden wir den Mieter ... auffordern, in einer angemessenen Frist für eine Mängelbeseitigung zu sorgen.

Auf keinen Fall können wir uns damit einverstanden erklären, daß Sie uns für die Verbringung der Gebäude und Anlagen in einen baulich einwandfreien Zustand - im Hinblick auf die derzeitigen Witterungsverhältnisse - eine Frist von zwei Monaten setzen.

Wir sind auch nicht bereit, Kosten für einen zusätzlichen Sachverständigen und dessen Begutachtung zu übernehmen. Es bleibt Ihnen selbstverständlich unbenommen, nach Durchführung der von uns ergriffenen Maßnahmen und der Beseitigung der festgestellten Mängel durch unseren Mieter, daß Sie sich selbst oder ein von Ihnen Beauftragter von der Durchführung überzeugen."

6

Auf Antrag der Kläger beschloß das Amtsgericht Köln zur Sicherung des Beweises die Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. P. Der Sachverständige besichtigte am 2. Juli 1984 den Einkaufsmarkt und teilte den Parteien am 16. Juli 1984 mit, daß möglicherweise Einsturzgefahr bei den durchhängenden Betondeckenplatten bestehe.

7

Mit Schreiben an die Beklagte vom 16. Juli 1984 machten die Kläger ihr Heimfallrecht geltend und begehrten die Übertragung des Erbbaurechts. Im Laufe des Rechtsstreits verlangten sie mit Schriftsatz vom 5. Juli 1985 unter Hinweis auf ihr vertragliches Wahlrecht die Herstellung des ursprünglichen Zustands des Grundstücks.

8

Mit der Klage haben die Kläger Übertragung des Erbbaurechts und Einwilligung in die Grundbuchumschreibung beansprucht. Darüber hinaus haben sie die Feststellung begehrt, daß die Beklagte ihnen zum Ersatz desjenigen Schadens verpflichtet sei, der daraus entstehe, daß sie am 17. Juli 1984 die Übertragung des Erbbaurechts abgelehnt habe.

9

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat den Feststellungsantrag als unzulässig abgewiesen, dagegen die Verurteilung zur Leistung - unter Neufassung des erstinstanzlichen Urteils - aufrechterhalten.

10

Mit der Revision will die Beklagte Abweisung der Klage in vollem Umfang erreichen.

11

Die Kläger beantragen,

das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

12

I.

Das Berufungsgericht hält den Heimfallanspruch für begründet. Es führt aus: Das Gebäude des Einkaufsmarkts sei im Zeitpunkt der Abmahnung vom 18. November 1983 in keinem guten Zustand gewesen. Die Vereinbarung der Instandhaltungspflicht gehöre zum Inhalt des Erbbaurechts und wirke gegen die Beklagte; zu vermuten sei, daß entsprechende Grundbucheintragungen erfolgt seien. Die Abmahnung mit den darin beispielhaft angegebenen Baumängeln sei ausreichend bestimmt gewesen, weil bei der vorausgegangenen Ortsbesichtigung übereinstimmend festgestellt worden sei, daß der Bauzustand nicht den Anforderungen entspreche. In Anbetracht des Inhalts ihres Antwortschreibens sei der Beklagten zudem nach Treu und Glauben versagt, sich darauf zu berufen, daß ihr die Mängel nicht genau genug mitgeteilt worden seien. Ob die Fristsetzung von zwei Monaten zu kurz gewesen sei, könne dahinstehen, da jedenfalls die bis zur Ausübung des Heimfallrechts verstrichene Zeit von fast acht Monaten eine angemessene Frist dargestellt habe. Dafür spreche eine "tatsächliche Vermutung". Selbst wenn in den acht Monaten die umfassende Sanierung nicht vollständig hätte abgeschlossen werden können, könne sich die Beklagte hierauf deswegen nicht berufen, weil sie bis zur Ausübung des Heimfallrechts an dem Gebäude selbst nichts getan und über Vorbereitungsarbeiten die Kläger nicht unterrichtet habe. Verjährung oder Verwirkung sei nicht eingetreten. Auch die Behauptung der Beklagten, sie habe inzwischen das Objekt mit "Millionenaufwand" saniert, stehe dem Heimfallanspruch nicht entgegen. Ein Zurückbehaltungsrecht wegen eines Anspruchs auf Heimfallentschädigung stehe der Beklagten nicht zu, weil der Anspruch infolge der von den Klägern nach § 7 Abs. 2 des Vertrages getroffenen Wahl entfalle. Die Verpflichtung der Kläger zur Freistellung der Beklagten von grundschuldgesicherten Forderungen ergebe sich schon kraft Gesetzes (§ 33 Abs. 2 ErbbauVO) und rechtfertige daher keine Zurückbehaltung.

13

II.

Diese Ausführungen halten der Revision nicht in allen Punkten stand.

14

1.

Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß die Beklagte als Einzelrechtsnachfolgerin der Koch & Mann Süd GmbH an die im Erbbaurechtsvertrag vom 7. August 1968 getroffene Heimfallvereinbarung gebunden ist.

15

a)

Das Erbbaurecht ist unstreitig in das Erbbaugrundbuch eingetragen worden. Eintragungsbewilligung und Eintragungsantrag, die beide im Vertrag enthalten waren, erstreckten sich auch auf den vertragsmäßigen Inhalt des Erbbaurechts. Da eine davon abweichende Grundbucheintragung nicht behauptet worden ist, hatte das Berufungsgericht keinen Anlaß, nur zu "vermuten", daß die Eintragung entsprechend der Bewilligung vorgenommen worden ist. Die sich auf diese Vermutung beziehende Revisionsrüge ist aber jedenfalls schon deshalb unerheblich, weil die Beklagte mit Zustimmung des Vaters der Kläger "alle Rechte und Pflichten" aus dem Erbbaurechtsvertrag übernommen hat (§ 2 Abs. 1 des Übertragungsvertrages vom 24. Juni 1971). Infolgedessen ist sie mindestens in die schuldrechtlichen Inhaltsvereinbarungen ihrer Rechtsvorgängerin eingetreten.

16

b)

Gegen die Wirksamkeit der im Erbbaurechtsvertrag getroffenen Heimfallregelung bestehen keine Bedenken. Der hier gemäß § 6 c i.V.m. § 3 Nr. 3 des Vertrages geltend gemachte Heimfallgrund einer Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung, die "Gebäude und Anlagen in gutem und betriebsfähigem Zustand zu halten", entspricht mit diesem vertraglichen Inhalt dem Bestimmtheitserfordernis des § 2 Nr. 4 ErbbauVO. Denn was unter einem so umschriebenen Bauzustand zu verstehen ist, kann jeder Erbbauberechtigte bei verständiger Sicht unschwer beurteilen.

17

2.

Nach tatrichterlicher Feststellung war das Gebäude im Zeitpunkt der Abmahnung vom 18. November 1983 nicht "in gutem und betriebsfähigem Zustand". Die umfangreichen und schwerwiegenden Baumängel werden im Berufungsurteil im einzelnen belegt.

18

Die Revisionsrüge, dabei habe das Berufungsgericht das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Mues "übersehen", trifft nicht zu. Der Tatrichter hat sich auch mit der als übergangen gerügten Behauptung befaßt, der Geschäftsbetrieb sei durch die Baumängel nicht unterbrochen worden. Die Würdigung, der Bau habe sich gleichwohl in keinem "guten" Zustand befunden, ist rechtlich einwandfrei. Da die Beklagte verpflichtet war, das Gebäude sowohl in einem guten als auch in einem betriebsfähigen Zustand zu halten, lag eine Verletzung dieser Pflicht schon dann vor, wenn zwar der Geschäftsbetrieb noch möglich blieb, aber der Bauzustand mangelhaft war.

19

3.

Die nach § 6 c des Erbbaurechtsvertrages nötige Abmahnung haben die Kläger mit Schreiben vom 18. November 1983 erklärt.

20

Insoweit ist das Berufungsgericht der Meinung, das Schreiben habe die Mängel nicht im einzelnen zu bezeichnen brauchen, weil bei der vorausgegangenen Besichtigung Einigkeit bestanden habe, daß der bauliche Zustand nicht den vertraglichen Anforderungen entspreche. Ob diese Ansicht zutrifft oder ob, wie die Revision meint, eine genauere Angabe der Mängel geboten gewesen wäre, kann indessen dahinstehen. Denn in diesem Punkt wird das angefochtene Urteil jedenfalls von der Hilfsbegründung getragen, daß sich die Beklagte entgegen Treu und Glauben zu ihrem eigenen Verhalten in Widerspruch setze, wenn sie sich jetzt darauf berufe, das Abmahnungsschreiben habe sie über die zu beseitigenden Mängel im Unklaren gelassen.

21

Die Abmahnung hat die Beklagte in ihrem Antwortschreiben vom 25. November 1983 als das Ergebnis übereinstimmender beiderseitiger Feststellungen anerkannt. Zugleich hat sie erklärt, sie wolle die "Mängel im einzelnen" nicht durch einen, wie von den Klägern vorgeschlagen, gemeinsam zu beauftragenden Sachverständigen, sondern durch ihren Hausarchitekten feststellen lassen, und sie werde sodann für die Mängelbeseitigung sorgen. Damit hat die Beklagte deutlich gemacht, daß sie aufgrund der Abmahnung selbst wisse, was zu tun sei, und dazu keine weiteren Angaben der Kläger benötige. Unter diesen Umständen ist der Standpunkt des Berufungsgerichts sachgerecht, daß die Beklagte nach dem Gebot von Treu und Glauben den Klägern jetzt nicht entgegenhalten darf, die Abmahnung habe ihr keine Klarheit über die zu beseitigenden Mängel gegeben.

22

4.

Das Berufungsgericht läßt offen, ob die von den Klägern gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung von zwei Monaten zu kurz war, weil jedenfalls mit der Abmahnung die nach § 6 c des Erbbaurechtsvertrages erforderliche angemessene Frist in Lauf gesetzt worden sei und eine "tatsächliche Vermutung" dafür spreche, daß die bis zur Ausübung des Heimfallrechts am 16. Juli 1984 verstrichene Zeitspanne von fast acht Monaten die angemessene Frist gewesen sei.

23

Mit dieser Begründung läßt sich das Berufungsurteil nicht aufrechterhalten, wie die Revision zutreffend rügt.

24

a)

Richtig ist der Ausgangspunkt, daß bei einer unangemessenen Fristsetzung die angemessene Frist in Lauf gesetzt wird. Dieser für gesetzlich erforderliche Fristsetzungen geltende Grundsatz (vgl. etwa zu § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB Senatsurt. v. 21. Juni 1985, V ZR 134/84, NJW 1985, 2640) ist unbedenklich auch auf den vorliegenden Fall einer vertraglich vereinbarten Fristsetzung anwendbar.

25

b)

Das Berufungsgericht hätte jedoch über die streitige Frage, in welcher Frist die Vorbereitung und Durchführung der notwendigen Baumaßnahmen hätte abgeschlossen werden können, nicht ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen entscheiden dürfen. Dies rügt die Revision mit Recht. Sie weist zutreffend darauf hin, daß der Sachverständige P. die erforderliche Bausanierung als "langwierige" und "umfangreiche Aktion" bezeichnet hat. Die richtige Einschätzung der dazu nötigen Zeitdauer setzt bautechnische Kenntnisse und Erfahrungen voraus. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht dargelegt, daß es selbst über die besondere Sachkunde verfügt, die für die Beurteilung dieser Frage unerläßlich ist (vgl. BGH Urt. v. 14. April 1954, VI ZR 41/53, LM ZPO § 276 [E] Nr. 6 und v. 27. Mai 1982, III ZR 201/80, NJW 1982, 2874). Auch wenn das Berufungsgericht annehmen konnte, die Beklagte sei zunächst nur schleppend und unzulänglich vorgegangen, so ist damit noch nicht gesagt, daß die Bauschäden tatsächlich schon in den knapp acht Monaten bis zur Ausübung des Heimfallrechts hätten behoben sein können.

26

c)

Das angefochtene Urteil wird in diesem Punkt auch nicht von der Hilfserwägung getragen, daß der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt sei, sich auf die zu kurze Fristsetzung zu berufen.

27

Nach § 6 c des Erbbaurechtsvertrages durften die Kläger erst nach Ablauf einer angemessenen Frist das Heimfallrecht ausüben. Aus dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben kann sich allerdings für einen Gläubiger die Befugnis ergeben, auch ohne Fristsetzung oder ohne deren Einhaltung diejenige Rechtsfolge geltend zu machen, die sonst von der Fristsetzung abhängig ist. Das gilt z.B. im Bereich des § 326 BGB unter der hier nicht vorliegenden Voraussetzung einer grundlosen und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Schuldners (vgl. BGH Urt. v. 18. September 1985, VIII ZR 249/84, NJW 1986, 661 m.w.N.). Ebenso wird, insbesondere bei werkvertraglichen Gewährleistungsansprüchen (§ 634 Abs. 1 BGB, § 13 Nr. 5 VOB/B), eine Fristsetzung dann für entbehrlich gehalten, wenn sich der Schuldner als so unzuverlässig erwiesen hat, daß der Gläubiger nicht mehr auf eine ordnungsgemäße Erfüllung vertrauen kann (vgl. BGHZ 46, 242, 245;  92, 308, 311 [BGH 16.10.1984 - X ZR 86/83];  vgl. auch BGH Urt. v. 19. Februar 1969, VIII ZR 58/67, NJW 1969, 975, 976 [BGH 19.02.1969 - VIII ZR 58/67] betr. kaufvertragliche Lieferpflichten). In diese Richtung scheint das Berufungsurteil hinzuzielen.

28

Ob sich diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall übertragen läßt, kann indessen dahingestellt bleiben. Denn die Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben nicht, daß den Klägern infolge des Verhaltens der Beklagten nicht mehr zuzumuten war, den Ablauf der angemessenen Frist abzuwarten.

29

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts war die Beklagte nicht gehalten, die Kläger über "Vorbereitungsmaßnahmen" zu unterrichten. Die Beklagte hatte den Klägern mit Schreiben vom 25. November 1983 mitgeteilt, welche Schritte sie zur Mängelbeseitigung unternehmen wolle. Es wäre daher, wie die Revision zutreffend ausführt, Sache der Kläger gewesen, sich über den Stand der Angelegenheit zu erkundigen, wenn sie davon ihr weiteres Vorgehen hätten abhängig machen wollen.

30

Auch soweit das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang feststellt, die Beklagte habe zunächst nur sehr schleppend gehandelt und bis zu der Besichtigung durch den Sachverständigen P. "ernsthafte Maßnahmen praktisch nicht ergriffen", genügt das nicht. Denn das bloße Hinauszögern der zur Mängelbeseitigung gebotenen Maßnahmen ist ein Verhalten, dem gerade durch die Fristbestimmung ein Ende gesetzt werden soll. Für die Annahme, die Beklagte habe sich nach der Abmahnung als derart unzuverlässig erwiesen, daß die Kläger nicht mehr auf eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung hätten vertrauen können, müßten daher besondere Umstände hinzukommen. Solche können etwa dann vorliegen, wenn der Schuldner schon vergebliche Nachbesserungsversuche vorgenommen hat (BGHZ 92, 308, 311) [BGH 16.10.1984 - X ZR 86/83] oder wenn er der Aufforderung, in einer bestimmten Frist seine Bereitschaft zur Mängelbeseitigung zu erklären, nicht nachgekommen ist (BGH Urt. v. 26. Juni 1969, VII ZR 91/67, Schäfer/Finnern Z. 2.414 Bl. 224 ff), ebenso wenn er bereits eine ihm zulässigerweise für den Beginn der Mängelbeseitigung gesetzte Frist hat verstreichen lassen (BGH Urt. v. 8. Juli 1982, VII ZR 301/80, ZfBR 1982, 211, 212).

31

So liegen die Dinge hier aber nicht. Es geht vielmehr allein darum, ob die Beklagte bei zügiger und sachgemäßer Leistung die Bausanierung in den knapp acht Monaten bis zur Ausübung des Heimfallrechts hätte bewältigen können. Da auch dies - wie dargelegt - nicht rechtsfehlerfrei festgestellt ist, muß das Berufungsurteil aufgehoben werden. Die noch erforderlichen Feststellungen sind nachzuholen.

32

5.

Auf der Grundlage der im Berufungsurteil getroffenen Feststellungen ist die Sache nicht schon aus anderen Gründen zu einer die Klage abweisenden Endentscheidung reif (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

33

a)

Soweit der Heimfallanspruch nach dem Vertrag an die weitere Voraussetzung gebunden ist, daß die Zuwiderhandlung des Erbbauberechtigten den mit der Bestellung des Erbbaurechts verfolgten Zweck wesentlich beeinträchtigt oder gefährdet, stellt das Berufungsgericht eine solche Beeinträchtigung fehlerfrei fest.

34

Daß hier der Zweck des Erbbaurechts vor allem in der Erzielung des Erbbauzinses lag, wie der Tatrichter annimmt, ist rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGHZ 100, 107, 114). Rügen dagegen sind auch nicht erhoben.

35

Zu Unrecht wendet sich die Revision gegen die Feststellung, dieser Zweck sei in Anbetracht der erheblichen Baumängel auch dann wesentlich gefährdet, wenn Zweifel an der finanziellen Leistungsfähigkeit der Beklagten nicht bestehen. Insoweit kommt es nicht lediglich auf die heutige Vermögenslage der Beklagten an, sondern auch darauf, ob das Erbbaurecht mit den zugehörigen Gebäuden auch bei einer womöglich ungünstigen Geschäftsentwicklung und im Falle der Zwangsversteigerung des Rechts seinen Wert behält. Denn davon hängt dann ab, ob der Erbbauzins und die ihn sichernde Reallast durch den Wert des Erbbaurechts gedeckt sind. Zu beanstanden ist daher nicht, daß der Tatrichter auf den Gesichtspunkt der durch die Baumängel eingetretenen erheblichen Minderung des Beleihungswerts abgestellt hat.

36

Die Rüge, die hierzu getroffenen Feststellungen befaßten sich nur mit dem baulichen Zustand und nicht konkret mit dem Wert des Gebäudes, geht fehl. Zu einer Wertermittlung hatte das Berufungsgericht keinen Anlaß, weil es schon nach Art und Umfang der Bauschäden davon ausgehen konnte, daß der Beleihungswert des Erbbaurechts erheblich gesunken ist.

37

Auch mit der Rüge, das Berufungsgericht habe in einer gegen Denkgesetze verstoßenden Weise den Erbbaurechtszweck einmal als wesentlich "beeinträchtigt", an anderer Stelle aber nur als wesentlich "gefährdet" bezeichnet, kann die Revision nicht durchdringen. Denn nach dem Erbbaurechtsvertrag genügte schon eine wesentliche Gefährdung des Zwecks, und diese ist einwandfrei festgestellt.

38

b)

Die Einrede der Verjährung hat das Berufungsgericht zu Recht als unbegründet angesehen.

39

Nach § 4 ErbbauVO verjährt der Heimfallanspruch in sechs Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Grundstückseigentümer Kenntnis von dem Eintritt der Anspruchsvoraussetzung erlangt. Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, wann die Kläger erstmals von dem mangelhaften Bauzustand erfahren hatten. Denn Anspruchsvoraussetzung war nach dem Vertrag nicht nur die Verletzung der Erhaltungspflicht, sondern darüber hinaus eine Abmahnung mit angemessener Fristsetzung und ein Zuwiderhandeln der Beklagten gegen die ihr in dieser Frist obliegende Pflicht zur Mängelbeseitigung. Verjährung war daher, selbst wenn die von den Klägern im Schreiben vom 18. November 1983 gesetzte Frist von zwei Monaten angemessen gewesen wäre, bei Einreichung der Klage am 18. Juli 1984 infolge der auf diesen Zeitpunkt zurückwirkenden Zustellung noch nicht eingetreten (§ 209 Abs. 1 BGB, § 270 Abs. 3 ZPO).

40

c)

Der Ausübung des Heimfallanspruches steht auch nicht der Einwand unzulässiger Rechtsausübung entgegen. Die Auffassung der Revision, das Berufungsgericht hätte berücksichtigen müssen, daß die Beklagte das Bauwerk inzwischen mit "Millionenaufwand" saniert habe, ist nicht stichhaltig.

41

Ist im Zeitpunkt der Ausübung des Heimfallrechts der dafür erforderliche Grund gegeben, so verstößt die Durchsetzung dieses Rechts grundsätzlich nicht deswegen gegen Treu und Glauben, weil der Erbbauberechtigte die verletzte Pflicht nachgeholt hat (Senatsurt. v. 12. Mai 1978, V ZR 36/76, LM RHeimstG Nr. 7 = WM 1978, 1075, 1076 und v. 28. September 1984, V ZR 135/83, NJW 1985, 1464, 1465 a.E.; BGB-RGRK/Räfle 12. Aufl. ErbbauVO § 2 Rdn. 29). Davon kann es unter besonderen Umständen Ausnahmen geben. So hat es der Senat (Urt. v. 21. März 1969, V ZR 104/67, LM RHeimstG Nr. 4 = WM 1969, 633, 634) in dem vergleichbaren Fall eines Heimfallanspruchs aus § 12 RHeimstG als unzulässige Rechtsausübung angesehen, daß der Ausgeber der Heimstätte trotz Aufhebung des Zwangsversteigerungsverfahrens, dessen Einleitung zur Ausübung des Heimfallanspruchs berechtigt hatte, an dem Anspruch festhielt. Das mag unter gleichen Umständen auch für ein zu Wohnzwecken bestelltes Erbbaurecht im Hinblick auf die soziale Zielsetzung der Erbbaurechtsverordnung gelten. Daraus ist jedoch für die vorliegende Sache nichts herzuleiten.

42

Bei dem hier zum Zwecke der Errichtung eines Einkaufsmarkts bestellten Erbbaurecht widerspricht die Durchsetzung des Heimfallanspruchs schon deshalb nicht Treu und Glauben, weil die Kläger jedenfalls eine so schwere Pflichtverletzung, wie sie die Beklagte begangen hat, ungeachtet einer zwischenzeitlichen Schadensbeseitigung nicht hinzunehmen brauchen. Die dem Gesetz entsprechende Heimfallabrede ginge ins Leere, wenn sich die Beklagte hier dem Heimfall entziehen könnte.

43

d)

Da somit der Rechtsstreit noch nicht zu einer klageabweisenden Endentscheidung reif ist, kommt es nicht darauf an, ob der Beklagten ein Zurückbehaltungsrecht zusteht. Die Sache ist daher aus dem unter II. 4. dargelegten Aufhebungsgrund an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Dr. Thumm
Hagen
Vogt
Räfle
Lambert-Lang