Bundesgerichtshof
Urt. v. 09.04.1986, Az.: 3 StR 551/85
Strafbarkeit wegen der Entführung und Ermordung von Hanns Martin Schleyer; Strafbare Handlungen der "Roten Armee Fraktion"; Anforderungen an ein Beweisverwertungsverbot
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 09.04.1986
- Aktenzeichen
- 3 StR 551/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 11869
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 13.03.1985
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHSt 34, 39 - 53
- MDR 1986, 774-776 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1986, 2261-2265 (Volltext mit amtl. LS)
- NStZ 1987, 133
- StV 1986, 325-328
Verfahrensgegenstand
Mord u.a.
Amtlicher Leitsatz
Außerhalb der gesetzlich geregelten Fernmeldeüberwachung ist es auch in Fällen schwerer Kriminalität grundsätzlich unzulässig, das nichtöffentlich gesprochene Wort des Angeklagten mittels einer ihm gegenüber verborgen gehaltenen Abhöranlage auf Tonband aufzunehmen, um Art und Weise seiner Gesprächsführung als Beweismittel gegen seinen Willen verwerten zu können.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 9. April 1986,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Schmidt,
die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Ruß, Zschockelt, Kutzer, Detter als beisitzende Richter,
Bundesanwalt ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwältin ... aus K. als Verteidigerin,
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Auf die Revision des Angeklagten W. wird das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 13. März 1985 aufgehoben, soweit es ihn betrifft. Die Feststellungen zur Person des Angeklagten und zu dessen Beteiligung an den abgeurteilten Straftaten werden mit aufgehoben; die übrigen Feststellungen zum Tatgeschehen bleiben bestehen.
- 2.
Die weitergehende Revision des Angeklagten W. wird verworfen.
- 3.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten W. wegen Beteiligung an der Ermordung der vier Begleiter von Dr. Hanns Martin S. und dessen Entführung sowie wegen Beteiligung an dessen späterer Ermordung durch Mitglieder der "Roten Armee Fraktion (RAF)" zu zweimal lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Es hat ihn für schuldig befunden
"des gemeinschaftlichen Mordes an vier Menschen in Tateinheit mit gemeinschaftlichem erpresserischem Menschenraub, mit gemeinschaftlicher Geiselnahme, mit zwei gemeinschaftlich versuchten Nötigungen eines Verfassungsorgans und mit zwei gemeinschaftlich versuchten schweren räuberischen Erpressungen" sowie "eines weiteren gemeinschaftlichen Mordes".
Nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts schloß sich der Angeklagte der "Roten Armee Fraktion", einer terroristischen Vereinigung, die den "bewaffneten antiimperialistischen Kampf" gegen die Bundesrepublik Deutschland betreibt (UA S. 24), spätestens am 8. Dezember 1976 an (UA S. 32). Im Rahmen der von ihr geplanten sog. Aktion 77 sollte der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie und des Bundesverbands der deutschen Arbeitgeberverbände, Dr. Hanns Martin S. entführt werden, um die Bundesregierung zur Freilassung von gefangenen "RAF"-Mitgliedern und zur Herausgabe erheblicher Geldbeträge zu erpressen. Der Anschlag wurde von einer Tätergruppe vorbereitet und durchgeführt, zu der auch der Angeklagte gehörte. Am 5. September 1977 nahmen Mitglieder dieser Tätergruppe Dr. S. als Geisel und erschossen seine vier Begleiter. Sie nutzten auch die Entführung der Lufthansamaschine "Landshut" durch mit ihnen zusammenarbeitende arabische Luftpiraten aus, um den Forderungen an die Bundesregierung auf Freilassung von "RAF"-Gefangenen und Zahlung erheblicher Geldbeträge Nachdruck zu verleihen. Als Beamte des Bundesgrenzschutzes die "Landshut" in der Nacht zum 18. Oktober 1977 erstürmt und Gudrun E., Jan-Carl R. sowie Andreas B. daraufhin Selbstmord begangen hatten, erkannte die Tätergruppe das endgültige Scheitern der Aktion und erschoß Dr. S..
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat mit einer Verfahrensrüge im wesentlichen Erfolg.
A.
Der Beschwerdeführer beanstandet, daß das Oberlandesgericht das am 7. September 1983 zwischen ihm und dem Leiter der Justizvollzugsanstalt geführte Gespräch ohne sein Wissen abhören ließ und die so hergestellte Tonbandaufnahme durch Abspielen in die Hauptverhandlung eingeführt hat. Darauf beruhe seine Verurteilung, weil das Oberlandesgericht seine Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten auch auf Sachverständigengutachten stütze, die diese Tonbandaufnahme auditiv-phonetisch-sprachwissenschaftlich ausgewertet haben. Die Rüge ist zulässig und begründet.
I.
Der durch den Akteninhalt bestätigte Tatsachenvortrag der Revision ergibt zu dieser Verfahrensrüge folgendes:
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens am 1. Juli 1983 beschloß das Oberlandesgericht in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung am 25. August 1983:
"I.
1.
Es sollen auditiv-linguistische Gutachten zur Frage eingeholt werden, ob die auf Tonbändern gespeicherte Stimme des Sprechers 'A' der Entführer Dr. Hanns Martin S. anhand der sprachlichen Merkmale identisch ist mit der Stimme des Angeklagten Rolf Klemens W. oder ob dieser als Sprecher 'A' auszuschließen ist.2.
Zu Gutachtern werden bestellt ... Die Sachverständigen sollen ein schriftliches Gutachten erstellen und dieses sodann später in der Hauptverhandlung mündlich vortragen.II.
Gemäß § 81 b StPO wird angeordnet:1.
Die Stimme des Angeklagten Rolf Klemens W. darf zum Zwecke der Identifizierung - auch gegen seinen Willen und ohne sein Wissen - auf Tonträger aufgenommen werden. Gespräche mit seinen Verteidigern dürfen nicht aufgenommen werden.2.
Den gemäß Ziffer I dieses Beschlusses bestellten Sachverständigen wird gestattet, zum Zwecke der Befundtatsachenerhebung die Stimme des Angeklagten Rolf Klemens W. zu ihrer Identifizierung - auch gegen seinen Willen und ohne sein Wissen - zu hören. Das Zuhören bei Gesprächen mit den Verteidigern ist nicht zulässig."
Aufgrund dieser Ermächtigung haben Beamte des Bundeskriminalamts am 7. September 1983 das in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf geführte Eingangsgespräch des dorthin verlegten Angeklagten mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt mit dessen Einverständnis, jedoch ohne Wissen des Angeklagten auf Tonband aufgezeichnet. Dieses Tonband und die Aufnahme von dem Sprecher "A" der Entführer ist den gerichtlich bestellten Sachverständigen zur Verfügung gestellt worden, um festzustellen, ob der Angeklagte der Sprecher "A" gewesen ist.
Zu Beginn der Hauptverhandlung am 11. Oktober 1983 befragte der Vorsitzende den Angeklagten, ob er mit der Aufzeichnung seiner Äußerungen in der Hauptverhandlung auf Tonband einverstanden sei. Dabei wies er den Angeklagten darauf hin, daß auch Material für die notwendige Stimmenvergleichung benötigt werde. Da der Angeklagte sein Einverständnis nicht gab, unterblieb eine Tonbandaufzeichnung in der Hauptverhandlung. Am 31. Oktober 1983 wurde er von dem Abhör-Beschluß vom 25. August 1983 und davon unterrichtet, daß inzwischen ein Tonband mit seiner Stimme hergestellt worden und dessen Einführung in die Hauptverhandlung beabsichtigt sei. Die Verteidigung lehnte die für dieses Vorgehen verantwortlichen Richter als befangen ab und beantragte, den Beschluß vom 25. August 1983 aufzuheben und das vom Bundeskriminalamt aufgenommene Tonband zu löschen. Nachdem diese Anträge zurückgewiesen worden waren, beschloß das Oberlandesgericht gegen den Antrag der Verteidigung am 2. Mai 1984, das ohne Wissen des Angeklagten hergestellte Tonband über sein Gespräch mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt im Wege des Abspielens in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen. Es stützte sich dabei im wesentlichen auf die Vorschriften der §§ 81 b, 100 a StPO. Nach Verkündung des Beschlusses wurde das Tonband mehrmals (UA S. 448) in der Hauptverhandlung abgespielt. Das Oberlandesgericht hat fünf Sachverständige, denen es das Tonband schon zur Vorbereitung ihrer Gutachten zur Verfügung gestellt hatte, zu der Frage gehört, ob der Angeklagte ein Sprecher der Entführer gewesen ist, und deren Gutachten bei der Urteilsfindung verwertet.
II.
Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts ist die Rüge der Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Angeklagten am eigenen nichtöffentlich gesprochenen Wort in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO noch genügenden Weise erhoben worden und daher zulässig. Der Vortrag des Beschwerdeführers enthält sämtliche vorstehend unter Ziffer I mitgeteilten Tatsachen, insbesondere den vollständigen Wortlaut des Beschlusses vom 2. Mai 1984, in dessen Gründen auch der genaue Tenor des Beschlusses vom 25. August 1983 wiedergegeben worden ist. Allerdings fehlt die Begründung des Beschlusses vom 25. August 1983. Das führt jedoch nicht zur Unzulässigkeit der Rüge. Denn die Einführung der Tonbandaufnahme in die Hauptverhandlung als Beweismittel beruht, wie das Oberlandesgericht in dem von der Revision ebenfalls mitgeteilten Beschluß vom 8. November 1983 mit Recht hervorgehoben hat, nicht auf dem Anordnungsbeschluß vom 25. August 1983, sondern ausschließlich auf einem späteren, in der für, die Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung zu fassenden Beschluß. Dies ist der von der Revision ausdrücklich beanstandete Beschluß vom 2. Mai 1984.
III.
Die Rüge ist sachlich begründet. Das Oberlandesgericht durfte das Gespräch des Angeklagten mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt am 7. September 1983 nicht heimlich auf Tonband aufnehmen lassen, um eine Anknüpfungstatsache für ein Sachverständigengutachten in dem Strafverfahren gegen den Angeklagten zu gewinnen. Die so hergestellte Aufnahme durfte es nicht als Beweismittel verwerten.
Der Angeklagte hatte hierzu sein Einverständnis nicht erteilt. Auch von einer mutmaßlichen Einwilligung (vgl. hierzu Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 22. Aufl. § 201 Rdn. 30) konnten weder das Oberlandesgericht noch das Bundeskriminalamt noch der - vorweg unterrichtete - Leiter der Justizvollzugsanstalt ausgehen. Niemand hatte den Angeklagten befragt, ob er mit einer Gesprächsaufzeichnung einverstanden sei. Das Oberlandesgericht hat ausdrücklich die Aufnahme auf Tonträger auch ohne Wissen des Angeklagten angeordnet. Um den Abhörerfolg nicht zu gefährden, ist der Angeklagte erst nach Prozeßbeginn informiert worden. Durch die Anträge der Verteidigung, die beteiligten Richter wegen ihrer Mitwirkung an dem Beschluß vom 25. August 1983 für befangen zu erklären und das Tonband sofort zu löschen, haben der Angeklagte und seine Verteidiger unverzüglich nach ihrer Unterrichtung zu erkennen gegeben, daß sie mit der Verwertung des ohne ihr Wissen abgehörten Gesprächs nicht einverstanden sind.
1.
Die gerichtlich angeordnete heimliche Aufnahme des Gesprächs des Angeklagten mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt war ein Eingriff in das verfassungsrechtlich verbürgte Persönlichkeitsrecht am eigenen Wort (vgl. BGHSt 14, 358 [BGH 14.06.1960 - 1 StR 638/59]; 31, 296, 299; BVerfGE 34, 238). Eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für diesen Eingriff bestand nicht. Außerhalb der gesetzlich geregelten Fernmeldeüberwachung ist es auch in Fällen schwerer Kriminalität grundsätzlich unzulässig, das nichtöffentlich gesprochene Wort des Angeklagten mittels einer ihm gegenüber verborgen gehaltenen Abhöranlage auf Tonband aufzunehmen, um Art und Weise seiner Gesprächsführung als Beweismittel gegen seinen Willen verwerten zu können.
a)
Eine gesetzliche Grundlage kann entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts und des Generalbundesanwalts insbesondere nicht in § 81 b StPO gesehen werden.
Nach dieser Vorschrift dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. § 81 b StPO ist durch das Ausführungsgesetz zu dem Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. November 1933 (RGBl. I 1000) in die Strafprozeßordnung eingefügt und durch das Vereinheitlichungsgesetz vom 12. September, 1950 (BGBl. 455) nur unwesentlich sprachlich geändert worden. Hierdurch sollte jeder Behörde, die mit dem Erkennungsdienst oder dem Strafverfahren befaßt ist, insbesondere der Polizei, die Zuständigkeit gegeben werden, die in § 81 b StPO genannten Maßnahmen anzuordnen und ggf. gegen den Willen des Beschuldigten unter Anwendung unmittelbaren Zwangs durchzusetzen (vgl. Schäfer/Wagner/Schafheutle, Gewohnheitsverbrechergesetz 1933 § 81 b Nr. 2; Geerds Jura 1986, 7 ff.). Die Vorschrift des § 81 b StPO, die den rechtsstaatlichen Erfordernissen der Normklarheit und Justitiabilität genügt (BVerfGE 47, 239, 252), erlaubt außer der Aufnahme von Lichtbildern und Fingerabdrücken und der Vornahme von Messungen nicht etwa schlechthin andere Maßnahmen, sondern nur solche, die den genannten ähnlich sind.
Bei der Prüfung, ob die heimliche Aufnahme nichtöffentlicher Gespräche des Beschuldigten zwecks Stimmanalyse als eine solche ähnliche Maßnahme angesehen werden kann, ist nicht nur auf die Vergleichbarkeit mit den in § 81 b StPO ausdrücklich genannten Maßnahmen abzustellen; zu beachten sind auch die allgemeinen Grundsätze über die Benutzung des Beschuldigten als Beweismittel gegen sich selbst und die in § 81 b StPO vorgesehene Anordnungszuständigkeit.
aa)
Aus der Aufzählung der in § 81 b StPO beispielhaft genannten Maßnahmen ergibt sich, daß nur solche Identifizierungsmöglichkeiten in Betracht kommen, die - ohne daß es einer körperlichen Untersuchung im Sinne des § 81 a Abs. 1 StPO bedarf - der Feststellung der körperlichen Beschaffenheit dienen. Nicht unter § 81 b StPO fallen Registrierungen des jeweiligen Ausdrucks des Beschuldigten, z.B. Messungen der Atem- und Pulsbewegungen, um die innere Erregung der Aussageperson zu ermitteln (Peters, Strafprozeß 4. Aufl. S. 330; vgl. auch BGHSt 5, 332; BVerfG NStZ 1981, 446). Dagegen dürfen das Aussehen, Körperteile und -merkmale sowie sonstige für die Individualität einer Person signifikante "dauerhafte Persönlichkeitsgegebenheiten" (Peters a.a.O.) auch gegen seinen Willen fotografiert, vermessen oder in anderer Weise registriert werden, um durch einen Vergleich mit bereits vorliegenden Erkenntnissen feststellen zu können, ob sie auf den Beschuldigten als Täter hindeuten. Die Vorschrift gibt darüber hinaus die Befugnis, den Beschuldigten notfalls mit Zwang in einen solchen Zustand zu bringen, daß die bezeichneten Maßnahmen gegen seinen Willen durchgeführt werden können, z.B. mit Gewalt die Handschuhe auszuziehen sowie seinen Arm und seine Finger zu strecken, damit ein Handflächenabdruck genommen werden kann (vgl. zur Zulässigkeit vorbereitender Maßnahmen: Meyer in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 81 b Rdn. 10).
bb)
Es kann dahinstehen, ob eine längere Sprechprobe überhaupt als eine von § 81 b StPO erfaßte Feststellung einer "dauerhaften Persönlichkeitsgegebenheit" angesehen werden kann. Jedenfalls darf sie nicht mit Zwang durchgesetzt werden (Kleinknecht/Meyer, StPO 37. Aufl. § 81 b Rdn, 8). § 81 b StPO verpflichtet den Beschuldigten nur, die dort genannten Identifizierungsmaßnahmen zu dulden, nicht aber, sie durch aktives Tun selbst herbeizuführen (vgl. Geerds a.a.O. S. 9 Anm. 26, S. 15; Gössel, Strafverfahrensrecht 1977 S. 63). Auch den anderen strafprozessualen Eingriffsermächtigungen gegenüber dem Beschuldigten (z.B. §§ 81, 81 a, 102, 133 ff., 163 a Abs. 3, § 163 b Abs. 1 StPO) liegt die Erwägung zugrunde, daß ein Beschuldigter lediglich gezwungen werden kann, den Augenschein an sich zu dulden. Seine Beweisfunktion als Augenscheinsobjekt darf gegen seinen Willen nur durchgesetzt werden, sofern er lediglich passiv Beteiligter bleibt (vgl. BVerfGE 56, 37, 42: "passive ... Duldungs- und Verhaltenspflichten"; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, 1977 S. 37, 53, 158, 160, 196, 198; Roxin, Strafverfahrensrecht 18. Aufl. S. 88). Es entspricht daher allgemeiner Meinung, daß der Beschuldigte nicht verpflichtet ist, zur eigenen Überführung tätig zu werden und an einer Untersuchungshandlung eines Strafverfolgungsorgans oder eines Sachverständigen aktiv mitzuwirken (z.B. Kleinknecht/Meyer a.a.O. Einl. Rdn. 80, § 81 a Rdn. 11, § 93 Rdn. 2; Boujong in KK § 136 Rdn. 10; Eser, Der Schutz vor Selbstbezichtigung im deutschen Strafprozeßrecht in: Jescheck, Deutsche strafrechtliche Landesreferate zum IX. Internationalen Kongreß für Rechtsvergleichung 1974 S. 136, 145; Eb. Schmidt, Lehrkomm, zur StPO Nachtragsbd. I § 136 Rdn. 19; Kühl JuS 1986, 115, 118). Auch der Bundesgerichtshof hat stets die Freiheit des Beschuldigten betont, selbst darüber zu befinden, ob er an der Aufklärung des Sachverhalts aktiv mitwirken will oder nicht (z.B. BGHSt 5, 332, 334; Urteil vom 24. Juli 1985 - 3 StR 127/85). In Übereinstimmung hiermit hält das Bundesverfassungsgericht den Zwang, durch eigene Aussagen die Voraussetzungen für eine strafgerichtliche Verurteilung liefern zu müssen, für unzumutbar und mit der Würde des Menschen nicht vereinbar (BVerfGE 56, 37, 49).
Der Beschuldigte darf also nicht zu Tests, Tatrekonstruktionen, Schriftproben oder zur Schaffung ähnlicher, für die Erstattung eines Gutachtens notwendiger Anknüpfungstatsachen gezwungen werden. Für die Abgabe einer wissenschaftlich auswertbaren Sprechprobe gilt nichts anderes. Das Verbot, sie vom Beschuldigten zu erzwingen, wäre wirkungslos, wenn es dadurch umgangen werden könnte, daß der Beschuldigte durch ausdrückliche oder konkludente Täuschung darüber, daß sein nichtöffentlich gesprochenes Wort auf Tonträger fixiert wird und einer Stimmvergleichung dienen soll, zum Sprechen veranlaßt werden dürfte (so zutreffend Leineweber in dem juristisch Leitfaden für die kriminalistische Praxis "Die erkennungsdienstliche Behandlung" 1979 S. 40). Die vom Oberlandesgericht in Anspruch genommene Befugnis kann also nicht aus der in § 81 b StPO enthaltenen Ermächtigung zu "ähnlichen" Maßnahmen hergeleitet werden.
cc)
Dieses Ergebnis wird bestätigt, wenn man bei der Auslegung des § 81 b StPO die dort vorgesehene Anordnungskompetenz mitberücksichtigt. § 81 b StPO kennt nämlich - anders als § 98 Abs. 1, § 100 Abs. 1, § 100 b Abs. 1, § 105 Abs. 1 StPO - keinen allgemeinen Richtervorbehalt. Dies bedeutet, daß der Gesetzgeber die in § 81 b StPO vorgesehenen Maßnahmen als solche ansieht, die in die Rechte des Beschuldigten weniger tief eingreifen als die unter Richtervorbehalt gestellten Anordnungen. Es wäre mit dem hohen Rang des Persönlichkeitsrechts am eigenen Wort und mit dem strafprozessualen System der Verteilung von Eingriffskompetenzen auf Gericht, Staatsanwaltschaft und Polizei je nach Art und Gewicht der Untersuchungshandlung gegenüber einem Beschuldigten nicht vereinbar, der Polizei die Entscheidungsbefugnis darüber zu geben, ob heimliche Tonbandaufnahmen zum Zwecke der Stimmanalyse hergestellt werden sollen. Das aber müßte angenommen werden, wenn solche Maßnahmen von § 81 b StPO erfaßt würden. Denn hierunter fallen nur solche Identifizierungsmöglichkeiten, deren Anordnung - wie oben unter a vor aa dargelegt worden ist - auch der Polizei obliegt. Hieran ändert sich nichts dadurch, daß das Oberlandesgericht die beanstandete Anordnung getroffen hat.
dd)
Der erkennende Senat hat schließlich erwogen, ob § 81 b StPO wenigstens insoweit als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommen kann, als es ausschließlich um die Erstellung eines sog. Sonagramms geht, bei dem es auf den Inhalt des gesprochenen Wortes nicht ankommt. Bei der physikalisch-sonagrafischen Untersuchung werden auf technischem Wege die Schallschwingungen (Tonhöhe) und die Schallintensität (Lautstärke) der menschlichen Stimme in ihrer zeitlichen Folge in einem Diagramm grafisch aufgezeichnet. Aus diesen Sonagrammen lassen sich bei bestimmten Lautbildungen aus der zeitlichen Entwicklung von Tonhöhe und Lautstärke individuelle sprechertypische Merkmale erkennen (UA S. 455/456; Leineweber a.a.O. S. 30; Groß/Geerds, Handbuch der Kriminalistik Bd. I 1977 S. 472). Ob eine Aufnahme akustischer Spuren der menschlichen Stimme ohne gleichzeitige Aufnahme des gesprochenen Wortes technisch durchgeführt und sprachwissenschaftlich ausgewertet werden könnte, kann ebenso dahinstehen wie die Frage, ob eine Unterscheidung zwischen der Aufnahme des Klangs der Stimme und der des gesprochenen Wortes rechtlich von Bedeutung wäre. Hier ist eine solche Trennung jedenfalls nicht vorgenommen worden. Die Erkenntnisse des Tatrichters, die er aus dem sachverständigen Vergleich der Erpresserstimme mit der Stimme des Angeklagten auf dem heimlich hergestellten Tonband gewonnen hat, beruhen nicht in erster Linie auf der Auswertung des physikalischen Sonagramms. Die damit beauftragten Gutachter Diplom-Physiker Prof. Dr. Endres und Ingenieur Krause sind nur zu dem Ergebnis gelangt, daß der Angeklagte als Sprecher "A" nicht auszuschließen ist (UA S. 457 f.). Für den Tatrichter wesentlich war das Gutachten des Sprachwissenschaftlers und Germanisten Prof. Dr. Göschel (UA S. 448, 459 ff.), der die Erpresserstimme dem Angeklagten "mit hoher Wahrscheinlichkeit", dem höchstmöglichen Bewertungsgrad seiner Wissenschaft, zugeordnet hat. Er hat die Tonbandaufnahme der Stimme des Angeklagten mit der des Erpressers auditiv-phonetisch-sprachwissenschaftlich verglichen und zu diesem Zweck das Gespräch des Angeklagten mit dem Leiter der Justizvollzugsanstalt "impressionistisch" unter besonderer Beachtung der verwendeten sprachlichen Merkmale abgehört (UA S. 460). Er hat die Texte auf die Benutzung einer Standardaussprache oder regionaler-dialektaler Kennzeichen sowie "die Verwendung der Stilebene Hochsprache im Satzbau" (UA S. 464) untersucht. Indem das in der Hauptverhandlung vorgetragene Gutachten Art und Weise der Unterredung sowie Satzbau und Stil des ohne Wissen und Genehmigung des Angeklagten abgehörten Gesprächs analysiert, hat es nicht lediglich die von der Bedeutung des gesprochenen Wortes unabhängige physikalisch-technische Beschaffenheit seiner Stimme, sondern gerade den sprachlichen Inhalt verwertet und damit in das Verfügungsrecht des Angeklagten über sein nichtöffentlich gesprochenes Wort eingegriffen.
ee)
Die vom Oberlandesgericht vertretene Auslegung des § 81 b StPO kann sich nicht auf Entscheidungen der Strafsenate des Bundesgerichtshofs oder Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts berufen.
Zwar ist in dem Strafverfahren gegen Wisniewski wegen Beteiligung an der Entführung und Ermordung von Dr. Schleyer eine ähnliche Abhöranordnung erlassen worden. Über deren Rechtmäßigkeit hatte der Senat in seinem die Revision des Angeklagten verwerfenden Beschluß vom 10. November 1982 - 3 StR 307/82 (S) - jedoch nicht zu befinden, weil der Beschwerdeführer eine entsprechende Verfahrensrüge nicht erhoben hatte. Im übrigen war in jenem Verfahren das Stimmgutachten in erster Linie auf die Auswertung mündlicher Prozeßerklärungen des Angeklagten gestützt, welche in der Hauptverhandlung mit Einverständnis der Verteidigung und Wissen des Angeklagten auf Tonträger aufgenommen worden waren.
Der Beschluß des erkennenden Senats vom 8. Juli 1985 - 3 StR 69/85 - in dem Strafverfahren gegen Boock (bei Holtz MDR 1985, 981) betrifft eine andere Fallgestaltung. Das Bundeskriminalamt hatte ein Gespräch des Angeklagten mit einem Journalisten in der Vollzugsanstalt mit ausdrücklicher Zustimmung des Angeklagten und des Ermittlungsrichters auf Tonträger aufgenommen, nachdem es den Angeklagten darüber belehrt hatte, daß seine Angaben in dem Strafverfahren gegen ihn verwandt werden können. Als später ein Stimmvergleichsgutachten notwendig wurde, verweigerte der Angeklagte seine Zustimmung zur sprachwissenschaftlichen Auswertung der Tonbandaufnahme. Dies hat der Senat für unbeachtlich erklärt. Er hat dem § 81 b StPO lediglich die Befugnis entnommen, eine in zulässiger Weise von den Strafverfolgungsbehörden hergestellte Tonbandaufnahme zu Zwecken des Stimmvergleichs auch gegen den Willen des Angeklagten zu verwerten, aber nicht das Recht, sich eine solche Sprechprobe durch heimliches Abhören zu verschaffen.
Auch aus dem Beschluß des Vorprüfungsausschusses des Bundesverfassungsgerichts vom 27. September 1982 - 2 BvR 1199/82 (NStZ 1983, 84) läßt sich nichts Gegenteiliges entnehmen. Darin werden keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Auslegung des § 81 b StPO erhoben, die es ermöglicht, eine Gegenüberstellung des Beschuldigten mit Zeugen durch ein Videogerät aufzunehmen und die Filmaufnahme zum Zwecke einer Täteridentifizierung weiteren Zeugen vorzuspielen. Der Beschuldigte muß eine Gegenüberstellung mit Zeugen gemäß § 58 Abs. 2 StPO dulden (vgl. Kleinknecht/Meyer a.a.O. § 58 Rdn. 7 ff.); er ist insoweit "passiv feststellungspflichtig" (vgl. Rogall a.a.O. S. 53). Das Bundesverfassungsgericht hat aus § 81 b StPO lediglich die Befugnis abgeleitet, eine prozessual zulässige Untersuchungshandlung durch Ton- und Bildaufnahmen auch gegen den Willen des Beschuldigten für Beweiszwecke festzuhalten. Daraus kann nicht gefolgert werden, daß eine solche Fixierung gemäß § 81 b StPO auch außerhalb strafprozessualer Untersuchungshandlungen zulässig ist, zumal dann, wenn der Beschuldigte dazu gebracht werden soll, ohne es zu wissen und zu wollen, an seiner Überführung durch Abgabe einer wissenschaftlich auswertbaren Stimmprobe aktiv mitzuwirke
b)
Eine Ermächtigungsgrundlage für die heimliche Herstellung von Tonbandaufnahmen zur Stimmvergleichung ergibt sich auch nicht aus einer analogen Anwendung der §§ 100 a ff. StPO. Diese Vorschriften betreffen die Befugnis, unter den dort genannten Voraussetzungen den Fernmeldeverkehr auf Tonträger aufzunehmen. Rechtsähnlichkeit zwischen solchen Eingriffen und denen der beanstandeten Art besteht zwar insofern, als es auch zum Wesen der in § 100 a StPO zugelassenen Telefonüberwachung gehört, daß sie zur Selbstbelastung des Beschuldigten führen kann, ohne daß dieser davon weiß (BGHSt 33, 217, 223) [BGH 09.05.1985 - 1 StR 63/85]. Jedoch sind die jeweils beeinträchtigten Rechtsgüter nicht identisch. Die §§ 100 a ff. StPO regeln die materiellen und formellen Voraussetzungen des durch Art. 10 Abs. 2 Satz 1 GG zugelassenen Eingriffs in das Fernmeldegeheimnis. Nur in diesen Grenzen lassen sie eine Einschränkung des Rechts am eigenen Wort zu (vgl. Laufhütte in KK vor § 94 Rdn. 4). Das heimliche Abhören eines nichtöffentlichen Gesprächs außerhalb des Fernmeldeverkehrs greift dagegen in das sich aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 GG ergebende allgemeine Recht am gesprochenen Wort ein (BVerfGE 34, 238). Die Entscheidung darüber, ob ein solcher Eingriff unter den in den §§ 100 a ff. StPO genannten oder ähnlichen oder anderen Voraussetzungen zulässig sein soll und ggf. welche organisatorischen und verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zum Schütze dieses Rechtsguts getroffen werden sollen, muß dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben, der den Umfang solcher Grundrechtsbeschränkungen für den Bürger klar erkennbar regeln muß (vgl. BVerfGE 8, 274, 325; 65, 1, 44). Dies erfordert der allgemeine Grundsatz vom Vorbehalt des Gesetzes (vgl. hierzu Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland Bd. I 2. Aufl. 1984 S. 802). Aus ähnlichen Erwägungen hat der Bundesgerichtshof schon für den Bereich des Fernmeldeverkehrs eine erweiternde Auslegung dieser Vorschriften abgelehnt (BGHSt 31, 296, 298).
c)
Nichts anderes gilt für eine Rechtsanalogie zu den §§ 81, 81 a, 81 b, 94 ff. StPO. Diese Bestimmungen geben - wie oben unter a bb ausgeführt - den Strafverfolgungsbehörden gerade nicht die Befugnis, den Beschuldigten durch Gewalt, List, Täuschung oder andere Maßnahmen zu einem aktiven Verhalten zu veranlassen, das als Beweis gegen ihn verwertet werden kann.
d)
Schließlich läßt sich die heimliche Gesprächsaufzeichnung auch nicht nach Notstandsgrundsätzen rechtfertigen. Diese erlauben selbst in Fällen schwerer Kriminalität grundsätzlich nicht, zur Erleichterung der Beweisführung in einer Hauptverhandlung Befugnisse in Anspruch zu nehmen, deren Verbot sich entweder ausdrücklich aus Vorschriften der Strafprozeßordnung oder konkludent aus den sie tragenden Grundgedanken ergibt.
Der Senat hat zwar in der Entscheidung BGHSt 27, 260 aus § 34 StGB, §§ 228, 904 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken entnommen, daß die Verletzung eines Rechts in Kauf genommen werden muß, wenn es nur so möglich erscheint, ein höheres Rechtsgut zu retten. Hier geht es jedoch nicht um solche präventiven Zwecke. Die vom Oberlandesgericht erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens getroffene Anordnung diente - anders als die zulässige Aufnahme der Erpresserstimme während der Entführungsaktion und deren Abspielen unter einer von potentiellen Zeugen wählbaren Telefonnummer (vgl. Lenckner a.a.O. § 201 Rdn, 31) - nicht der Abwehr einer gegenwärtigen, von dem abgehörten, aber noch nicht identifizierten Sprecher ausgehenden Gefahr, sondern ausschließlich dem Zweck, gegenüber einem hinreichend tatverdächtigen Angeklagten ein zusätzliches Beweismittel für die Hauptverhandlung zu schaffen. Es kann offen bleiben, ob aus dem Umstand, daß eine Klärung eines schwerwiegenden Tatvorwurfs mit den in der Strafprozeßordnung zugelassenen Beweismitteln möglicherweise nicht herbeigeführt werden kann, eine gegenwärtige, anders nicht abwendbare Gefahr für ein höherwertiges Rechtsgut hergeleitet werden kann. Das wäre allenfalls für eine ganz außergewöhnliche Situation, die hier nicht vorliegt, in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 31, 304, 307; Stern, Zur Frage des ungeschriebenen Notrechts in: Verfassungsschutz und Rechtsstaat, Hrsgb. Bundesministerium des Innern, 1981 S. 171, 183 f.). Sonst würde die wohlabgewogene gesetzliche Regelung der strafprozessualen Eingriffsbefugnisse verschoben (Roxin JuS 1976, 505, 510). Aus BVerfGE 34, 238 ergibt sich nichts anderes.
Ob in Fällen schwerer Kriminalität die heimliche Tonbandaufzeichnung einer Vernehmung des Beschuldigten zum Zwecke der Stimmidentifizierung zulässig ist (so Boujong in KK § 136 a Rdn. 25 m.w.Nachw.; a.A. Laufhütte in KK vor § 94 Rdn. 4; Dürig in Maunz/Dürig/Herzog, Kommentar zum Grundgesetz - Stand Januar 1985 - Art. 2 Abs. 1 Rdn. 39 f.), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn dieser Eingriff wäre - anders als die vom Oberlandesgericht angeordnete, gezielte Verleitung zum unbewußten Schaffen von Anknüpfungstatsachen für ein Sachverständigengutachten - nicht von vornherein ein Verstoß gegen wesentliche Strukturprinzipien des Strafverfahrensrechts, weil der Beschuldigte vor der Vernehmung nach § 136 Abs. 1 StPOüber sein Weigerungsrecht belehrt werden muß und § 168 a Abs. 2 StPO die Tonbandaufnahme einer Vernehmung auch gegen den Willen des Beschuldigten, wenn auch nicht heimlich, ausdrücklich zuläßt (z.B. Rieß in Löwe/Rosenberg, StPO Ergänzungsbd. 1980 § 168 a Rdn. 7).
2.
Die Unzulässigkeit der gerügten Tonbandaufnahme führt zu dem Verbot, die auf der Auswertung dieser Sprechprobe beruhenden Gutachten als Beweismittel zu verwenden. Zwar folgt aus der rechtswidrigen Erlangung eines Beweismittels durch einen Dritten nicht ohne weiteres die Unverwertbarkeit dieses Beweismittels im Strafverfahren (BGHSt 27, 355, 357). Hier hat nicht ein Dritter, sondern der für die Hauptverhandlung zuständige Spruchkörper - wenn auch in der für Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung vorgesehenen Besetzung - rechtswidrig die Herstellung des Tonbands angeordnet. Da der Angeklagte und sein Verteidiger nach Bekanntwerden der Stimmaufzeichnung die nachträgliche Genehmigung verweigert und der Verwertung widersprochen haben, handelt es sich um ein vom Tatrichter in gesetzwidriger Weise gewonnenes Beweismittel, das er auf legalem Wege im Zeitpunkt der Verwertung nicht hätte erlangen können. Deshalb und im Hinblick auf den hohen Rang des auch durch § 201 StGB geschützten Persönlichkeitsrechts am nichtöffentlich gesprochenen Wort ist es geboten, insoweit ein Verwertungsverbot anzunehmen (vgl. Leineweber a.a.O. S. 40; zur Unverwertbarkeit einer durch Täuschung erlangten Schriftprobe für ein Sachverständigengutachten: Meyer in Löwe/Rosenberg, StPO 23. Aufl. § 93 Rdn. 6, Pelchen in KK § 93 Rdn. 3, Paulus in KMR, 7. Aufl. § 93 Rdn. 2; vgl. ferner BGHSt 14, 358, 364 f. [BGH 14.06.1960 - 1 StR 638/59]; 31, 296; 31, 304, 308; Gössel JZ 1984, 361 ff.).
3.
Entgegen der vom Generalbundesanwalt vertretenen Auffassung beruht das Beweisergebnis des Oberlandesgerichts auf dem Verfahrensverstoß. Zwar heißt es im angefochtenen Urteil: Schon aufgrund des unmittelbaren auditiven Eindrucks und auch aufgrund von Aussagen der Wiedererkennungszeugen habe der Senat die Gewißheit gewonnen, daß der Angeklagte während der Entführungsphase als Sprecher der "RAF" aufgetreten sei (UA S. 431, 444). Diese Urteilsstellen stehen aber in unauflösbarem Widerspruch insbesondere zu folgenden Urteilsausführungen: Die Anhörung der Sachverständigen "hat Beweis ... erbracht" (UA S. 447/448); die Sprecheridentität "hat sich nur durch einen Stimmvergleich aufklären lassen. Um einen solchen Stimmvergleich unter sachkundiger Beratung durch geeignete Sachverständige durchführen zu können, hat das Gericht der auf Tonband aufgezeichneten Stimme des Angeklagten W. bedurft" (UA S. 452/453). "Eine sachverständige Beratung erschien dem Senat im Hinblick auf die schwerwiegenden Schuldvorwürfe ... unerläßlich" (UA S. 453). "Auch auf der Grundlage der Gutachten ... ist der Senat zu der Gewißheit gelangt, daß der Angeklagte W. als Sprecher 'A' der 'RAF' aufgetreten ist" (UA S. 466).
Der erkennende Senat muß daher davon ausgehen, daß die unter Verwertung der rechtswidrigen Stimmaufzeichnung erstellten Sachverständigengutachten zumindest mitursächlich für die Überzeugungsbildung des Tatrichters von der Täterschaft des Angeklagten gewesen sind.
B.
Die übrigen Verfahrensrügen sind - soweit in zulässiger Weise erhoben - jedenfalls im Ergebnis unbegründet.
Da die Möglichkeit besteht, daß der Tatrichter auch ohne Verwertung der heimlich hergestellten Gesprächsaufzeichnung zu einem Schuldspruch kommt, war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Strafsenat des Oberlandesgerichts zurückzuverweisen. Dabei hat der erkennende Senat nach § 353 Abs. 2 StPO diejenigen Feststellungen zum Tatgeschehen aufrechterhalten, die durch die unzulässige Verwertung der Sachverständigengutachten nicht berührt sind. Das gilt insbesondere für die Feststellungen zur Ermordung von Dr. S. und seiner vier Begleiter und zur versuchten Erpressung der Bundesregierung während der Entführung Dr. S., soweit diese Feststellungen unabhängig von einer Beteiligung des Angeklagten getroffen worden sind. Ihre Ergänzung in der neuen Hauptverhandlung wird dadurch nicht ausgeschlossen.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß mit der Aufhebung des Urteils auch die Einziehungsanordnung aufgehoben ist, soweit sie das Oberlandesgericht im Strafverfahren gegen den Angeklagten W., also nicht ausschließlich in dem Strafverfahren gegen Adelheid Sc., ausgesprochen hat. Welche Gegenstände hiervon erfaßt sind, muß ggf. durch Auslegung ermittelt werden.
Ruß
Zschockelt
Kutzer
Detter