Bundesgerichtshof
Urt. v. 18.12.1979, Az.: VI ZR 27/78
Verletzungen auf Grund eines Hausbrandes; Anspruch auf Schmerzensgeld; Vorsätzliche Legung eines Hausbrandes durch einen Erblasser
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 18.12.1979
- Aktenzeichen
- VI ZR 27/78
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1979, 11179
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Schleswig - 16.12.1977
- LG Lübeck
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 76, 279 - 288
- JZ 1980, 526-528 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1980, 747 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1980, 1623-1625 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Freiwilliger Haftpflichtversicherungsschutz des Schädigers darf nicht zur Zubilligung von Beträgen führen, die dessen finanzielle Möglichkeiten sonst schlechthin überschreiten würden (Einschränkung von BGHZ 23, 90 [BGH 15.01.1957 - VI ZR 135/56] = NJW 1957, 674).
- 2.
Ein Billigkeitsanspruch kann sich auch daraus ergeben, daß nach Ableben des schuldunfähigen Schädigers sein Vermögen (hier ein kleines Eigenheim) nicht mehr für seinen angemessenen Unterhalt erforderlicht ist.
Amtlicher Leitsatz
- a)
Ein Billigkeitsanspruch kann sich auch daraus ergeben, daß nach Ableben des schuldunfähigen Schädigers sein Vermögen (hier ein kleines Eigenheim) nicht mehr für seinen angemessenen Unterhalt erforderlich ist.
- b)
Freiwilliger Haftpflichtversicherungsschutz des Schädigers darf nicht zur Zubilligung von Beträgen führen, die dessen finanzielle Möglichkeiten sonst schlechthin überschreiten würden (Einschränkung von BGHZ 23, 90 [BGH 15.01.1957 - VI ZR 135/56]).
- c)
Kein Anspruch für den, der einen psychisch Kranken durch ungehöriges Verhalten leichtfertig zu der schadensursächlichen Tat aufgereizt hat.
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 1979
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Weber und
die Richter Dunz, Dr. Steffen, Dr. Ankermann und Dr. Deinhardt
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 16. Dezember 1977 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Kläger nehmen die Beklagten als Erben des verstorbenen geschiedenen Frührentners Erich H. (künftig: Erblasser) auf Schmerzensgeld in Anspruch, weil sie bei einem durch den Erblasser vorsätzlich gelegten Hausbrand verletzt worden sind.
Die Klägerin zu 1) ist im Jahre 1943 geboren. Sie war und ist nicht berufstätig. Aus der ersten ihrer zwei geschiedenen Ehen ist ein Sohn Andreas B., Kläger zu 3), aus der zweiten eine Tochter Annette W. hervorgegangen (Klägerin zu 2). Weiter hat die Klägerin zu 1) nichtehelich einen Sohn Thomas, einen Sohn Michael, und erst während des noch darzustellenden Sachverlaufs einen Sohn Tobias (Kläger zu 4) geboren. Am Revisionsverfahren sind nur noch die Kläger zu 1) und 4) beteiligt. Alle Kinder befanden sich bei der Klägerin zu 1), ihrer Mutter. Mit der Erstklägerin und ihren Kindern zusammen lebte auch die im Jahre 1922 geborene, verwitwete und nicht berufstätige Mutter der Erstklägerin.
Im Mai 1971 kam die Erstklägerin mit dem Erblasser in Kontakt, nach der Feststellung des angefochtenen Urteils "durch die Zeitung", nach dem Inhalt der im Urteil in Bezug genommenen Aktenstücke über einen Club "R!", der die "Anbahnung von Bekanntschaften" zu seinem Zweck gemacht hatte. Daraufhin nahm der Erblasser im Juli 1971 die Erstklägerin nebst Mutter und allen Kindern in sein kleines Einfamilienhaus auf. Eine Mietzahlung war nicht vorgesehen, doch sollte die Erstklägerin den Erblasser haushaltlich betreuen und pflegen.
Die ursprünglich guten Beziehungen zwischen der Erstklägerin und dem Erblasser verschlechterten sich bald, weil sich jene gegenüber dessen geschlechtlichen Annäherungsbestrebungen und auch Heiratsabsichten ablehnend verhielt, vielmehr einen ihr befreundeten Jugoslawen auch über Nacht als Besuch empfing und überdies schon bei ihrem Einzug wieder mit dem Kläger zu 4) durch einen nicht festgestellten Mann schwanger gewesen war, was sie allerdings damals selbst nicht gewußt haben will. Es kam zu mehrfachen gerichtlichen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf sich der Erblasser um die Räumung seines Hauses durch die Erstklägerin und deren Anhang bemühte und diese auch teilweise am Gebrauch von Küche und Bad hinderte. Die Erstklägerin ihrerseits versuchte, die Entmündigung des Klägers zu veranlassen.
Am 2. Mai 1972 setzte der Erblasser sein Haus in Brand, indem er im Treppenhaus Benzin ausgoß und entflammte. An den dabei erlittenen Brandverletzungen verstarb er selbst am folgenden Tag, die Mutter der Erstklägerin einige Wochen später. Die Erstklägerin erlitt schwere, weithin irreversible Verletzungen, und noch schwerere der damals im Säuglingsalter befindliche Kläger zu 4), der vor allem an den Händen verstümmelt und schwer entstellt ist. Leichte Verletzungen erlitt die Klägerin zu 2), während der Kläger zu 3) unverletzt blieb.
Im gegenwärtigen Rechtsstreit verlangen die Kläger von den Beklagten als Erben des H. Schmerzensgeld, wobei sie sich auf die Vorschrift des § 829 BGB stützen; denn es ist inzwischen unstreitig, daß H. infolge Hirnabbaus für seine Tat nicht verantwortlich war (§ 827 BGB). Ferner begehren die Kläger Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet sind, ihnen alle künftigen Schäden aus den Brandverletzungen zu ersetzen.
Das Landgericht hat durch Teilurteil über die Schmerzensgeldansprüche der Kläger erkannt und der Erstklägerin ein Kapital von 20.000 DM sowie eine monatliche Rente von 240,00 DM zugesprochen, der Zweitklägerin ein Schmerzensgeld von 1.000 DM und dem Viertkläger ein solches von 30.000 DM; den Schmerzensgeldanspruch des Drittklägers hat es abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten, die Abweisung der Klage, soweit mehr als die von ihnen inzwischen gezahlten 21.000 DM gefordert werden, erstreben, zurückgewiesen und auf die Anschlußberufung der Kläger unter Zurückweisung im übrigen die Schmerzensgeldrente für die Erstklägerin auf 350 DM mtl. erhöht, ferner dem Kläger zu 4) zusätzlich eine Schmerzensgeldrente von 400 DM mtl. zugesprochen, wobei es gewisse Abschlagszahlungen und Abtretungen berücksichtigt hat.
Mit ihrer Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage, soweit sie nicht durch ihre Abschlagszahlungen erledigt ist.
Entscheidungsgründe
I
1.
Zur wirtschaftlichen Lage der Beteiligten stellt das Berufungsgericht fest:
Die Erstklägerin und ihre Kinder waren völlig mittellos und lebten ausschließlich von Sozialhilfeleistungen. Die im gleichen Haushalt lebende berufslose Mutter der Erstklägerin hatte nur eine monatliche Witwenrente von 145 DM bezogen. Der Erblasser H. war Erbbauberechtigter hinsichtlich des Hausgrundstücks, in welchem er und die Kläger wohnten; der Verkehrswert des Rechts betrug vor dem Brand 58.000 DM. Er bezog als Kriegsbeschädigter keine Grundrente mehr, weil er diese zum Bau des Hauses hatte kapitalisieren lassen, sondern nur eine Ausgleichsrente, die so gering war, daß er eine zusätzliche Ergänzungs- und Ernährungshilfe vom Sozialamt erhielt. Das Erbbaurecht war mit rund 13.000 DM belastet und durch den Brand um 8.000 DM im Wert gemindert. Außerdem hatte H. noch etwa 3.000 DM persönliche Schulden. Er war haftpflichtversichert, und zwar für Personenschäden mit einer Summe von 1.000.000 DM.
2.
Angesichts dieser Verhältnisse der Beteiligten sieht das Berufungsgericht ein erhebliches wirtschaftliches Gefälle, das es unbillig erscheinen lasse, die Kläger ihren Schaden allein tragen zu lassen. Im übrigen möge sich zwar H. durch das Verhalten der Erstklägerin enttäuscht gesehen haben; andererseits aber wögen die Umstände seiner Tat und ihre Folgen sehr schwer.
Bei der Berechnung der Höhe der Entschädigung sei gem. BGHZ 23, 90 [BGH 15.01.1957 - VI ZR 135/56] auch die Haftpflichtversicherung des Verstorbenen zu berücksichtigen, wenngleich nach § 829 BGB andererseits nur eine billige Entschädigung, nicht aber voller Schadensersatz zu gewähren sei. Auf die weiteren Ausführungen des angefochtenen Urteils, die sich im wesentlichen mit Feststellungen über Natur und Schwere der Verletzungen befassen, wird Bezug genommen.
II
Die Entscheidung des Berufungsgerichts kann keinen Bestand haben.
1.
Zu Unrecht bezweifelt allerdings die Revision, daß ein Geschädigter im Rahmen des durch § 829 BGB eingeräumten Billigkeitsanspruchs auch Schmerzensgeld (§ 847 BGB) verlangen kann. Die Rechtsprechung hat, soweit ersichtlich, diese Zweifel nie geteilt, und es besteht auch für sie kein Anlaß. Das schließt allerdings nicht aus, daß die fürsorglichen Erwägungen, die dem Richter im Rahmen dieser Billigkeitsregelung aufgegeben sind, es nahelegen können, bei nur begrenzter Zugriffsmöglichkeit Schmerzensgeldansprüche gegenüber wichtigeren Ersatzansprüchen, etwa solchen, die den Lebensunterhalt der Geschädigten sichern sollen, zurückzustellen. Dieser Gedanke drängt sich hier insbesondere deshalb auf, weil angesichts der schweren Verletzungen des Klägers Tobias W. mit Wahrscheinlichkeit ein beträchtlicher Erwerbsschaden erwartet werden muß. Das Berufungsgericht wird sich daher gelegentlich der ihm schon aus den anschließend dargelegten Gründen aufzugebenden Neuprüfung zunächst zu fragen haben, ob unter solchen Umständen ein Teilurteil allein über die Schmerzensgeldansprüche überhaupt möglich und sachgemäß erscheint.
2.
Nicht gebilligt werden kann aber vor allem die Art und Weise, wie das Berufungsgericht den freiwillig erworbenen Haftpflichtversicherungsschutz des Erblassers bei der Bejahung und Bemessung des Billigkeitsanspruches nach § 829 BGB berücksichtigt hat. Während vom Erblasser - selbst Empfänger von Fürsorgeleistungen - bei Ausklammerung des Haftpflichtversicherungsschutzes offensichtlich keinerlei Zahlungen hätten erwartet werden können, weil ihm sonst die zu seinem angemessenen Unterhalt erforderlichen Mittel entzogen worden wären (§ 829 BGB a.E.), spricht das Berufungsgericht Schmerzensgeldleistungen zu, die allein schon die Versicherungssumme für Personenschäden (ob sie pauschal zustand, ist nicht festgestellt) zu einem erheblichen Teil in Anspruch nehmen.
Das kann so nicht gebilligt werden.
a)
Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zuzugeben, daß nach den Rechtsprechungsgrundsätzen des erkennenden Senats das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes für die Billigkeitshaftung des § 829 BGB nicht unbeachtlich ist (vgl. BGHZ 23, 90, 100) [BGH 15.01.1957 - VI ZR 135/56]. Schon dasSenatsurteil vom 13. Juni 1958 (VI ZR 109/57 - VersR 1958, 485) hat freilich klargestellt, daß dies nur für die Höhe des Anspruchs gelte und nicht für die Frage, ob ein solcher überhaupt besteht. Auch in späteren Entscheidungen hat der Senat daran festgehalten, daß das Vorhandensein von Versicherungsschutz eine Ersatzpflicht jedenfalls dann nicht begründen kann, wenn sie sonst bei Berücksichtigung aller Umstände nicht bestehen würde. Ein folgendesUrteil vom 26. Juni 1962 (VI ZR 152/61 - VersR 1962, 811) hat die Frage des Einflusses von Versicherungsschutz auf den Anspruch insgesamt offengelassen. Soweit ein weiteresSenatsurteil vom 24. Juni 1969 (VI ZR 15/68 - VersR 1969, 860) von der Auffassung ausgeht, daß der Versicherungsschutz jedenfalls die Höhe des Anspruchs beeinflusse, liegt dies für den damaligen Fall ("spiegelbildliche" Anwendung der Vorschrift im Rahmen des § 254 BGB, überdies für den Bereich der Kfz-Pflichtversicherung) außerhalb der tragenden Gründe. Ähnlich zuletzt dasSenatsurteil vom 24. April 1979 (VI ZR 8/78 - VersR 1979, 645) - "allenfalls die Funktion einer Korrektur hinsichtlich der Höhe des zu zahlenden Betrags".
b)
Indessen ist nicht zu verkennen, daß die Unterscheidung zwischen Grund und Höhe des Billigkeitsanspruches keine brauchbare Eingrenzung für die Berücksichtigung des Haftpflichtversicherungsschutzes bietet. Eine Eingrenzung ist aber unentbehrlich, wenn man nicht bei diesem Anspruch, für dessen Begründung die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners ausschlaggebend sind, jeweils das Vorhandensein eines Vermögens in Höhe der Deckungssumme fingieren wollte, was zu einem mit dem Sinn der Haftungsvorschrift schwerlich zu vereinbarenden Ergebnis führen müßte.
Insbesondere vermag eine Orientierung am Schmerzensgeldanspruch, die die Ausführungen BGHZ 23, 90, 100 [BGH 15.01.1957 - VI ZR 135/56] nahezulegen scheinen, ein brauchbares Abgrenzungskriterium nicht zu bieten. Das ergibt sich schon aus der Wesensverschiedenheit der Anspruchsgrundlagen. Der Schmerzensgeldanspruch ist zwar nach Billigkeit zu bemessen, und dabei sind auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schädigers in Betracht zu ziehen. Dem Grunde nach aber ist dieser Anspruch unabhängig von der Frage, ob der Schuldner zu seiner Befriedigung überhaupt imstande ist (BGHZ 18, 149, 160 [BGH 06.07.1955 - GSZ - 1/55]; Senatsurteil vom 13. Juni 1958 a.a.O. S. 486). Dagegen hängt schon das "ob" des Billigkeitsanspruchs gem. § 829 BGB entscheidend von den gesamten Umständen ab, unter denen ein wirtschaftliches Gefälle vom Schädiger zum Geschädigten an erster Stelle steht, weshalb früher die Vorschrift vielfach als "Millionärsparagraph" (Senatsurteil vom 13. Juni 1958 a.a.O. S. 487 1. Sp.) bezeichnet worden ist. Obwohl nach der Rechtsprechung des Senats auch noch andere Umstände bei der Entscheidung der Frage eine Rolle spielen, ob die Billigkeit eine Entschädigung trotz fehlender Verantwortlichkeit erfordert (zuletzt Senatsurteil vom 24. April 1979 mit Nachw.), ist hier für einen Anspruch jedenfalls schon dann kein Raum, wenn ihn der Schuldner überhaupt nicht oder doch nicht ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts zu befriedigen imstande wäre. Eben darum geht es auch nicht an, hier ebenso wie beim Schmerzensgeldanspruch dem Bestehen einer Haftpflichtversicherung in der Weise Rechnung zu tragen, daß - soweit ihr Schutz reicht - die wirtschaftliche Lage des Schädigers neben den übrigen Bemessungskriterien außer Betracht bleibt.
Daß die Unterscheidung zwischen Grund und Höhe des Anspruchs keine taugliche Eingrenzung bieten kann, wird besonders deutlich, wenn man das Problem mit Hanau (VersR 1969, 291, 292) auf den Groteskfall zuspitzt, daß dem Schädiger an sich nur eine ganz geringfügige Leistung zugemutet werden könnte, die Deckungssumme aber beträchtlich ist (ähnlich schon Pohle MDR 1958, 838, 039).
c)
Deshalb hat sich jede Einbeziehung des Versicherungsschutzes in die Grundlagen für die Bemessung des Anspruchs aus § 829 BGB damit auseinanderzusetzen, daß der Zweck der Haftpflichtversicherung in erster Linie auf die Freistellung des Versicherungsnehmers und damit den Schutz seines Vermögens vor Haftpflichtansprüchen gerichtet ist, und nicht darauf, eine Haftungsgrundlage erst zu schaffen. Dies hat insbesondere Hanau (a.a.O. mit zahlr. Nachw.) hervorgehoben, der dabei das - im Kern aber wohl prozessuale - versicherungsrechtliche "Trennungsprinzip" verletzt sieht; wesentlicher dürfte die vorstehende, allgemeinere Erwägung aus dem Zweck des Haftpflichtversicherungsschutzes sein.
Freilich halten diese Erwägungen die im Schrifttum deutlich überwiegende Ansicht (Nachweise imSenatsurteil vom 24. April 1979 - VI ZR 8/78 - VersR 1979, 645; anzufügen ist noch Kötz, Deliktsrecht 1976 S. 145 ff) nicht davon ab, der grundsätzlichen Berücksichtigung des Versicherungsschutzes bei der Frage nach der Haftung aus § 829 BGB zuzustimmen. Soweit diese Stellungnahmen eine sachliche Begründung geben, verweisen sie insbesondere auf einen Funktionswandel, durch den der Haftpflichtversicherung vermöge ihrer stark gewachsenen Bedeutung im sozialwirtschaftlichen Gefüge ganz allgemein Rückwirkungen auf das Haftungsrecht zukommen soll.
Insoweit ist nicht zu verkennen, daß dieser Funktionswandel wenigstens im Bereich der Pflichtversicherung schon Ausdruck gefunden hat; allein die Tatsache der Versicherungspflicht weist darauf hin, daß auch die Schadloshaltung des Geschädigten und nicht nur die Freistellung des Versicherten in den Versicherungszweck einbezogen ist (vgl. Senatsurteile vom 13. Juni 1958 a.a.O. S. 486 f; vom 24. Juni 1969 a.a.O. S. 861). Bei gewissen Berufshaftpflichtversicherungen, deren Abschluß zwar nicht einer gesetzlichen, wohl aber einer anerkannten Standespflicht des Versicherungsnehmers entspricht, liegt es nicht ferne, ebenfalls schon heute eine solche Zielsetzung anzunehmen. Doch muß dies hier nicht vertieft werden. Jedenfalls im Bereich der freiwilligen Privathaftpflichtversicherung vermag sich der Senat nicht davon zu überzeugen, daß sich der Gedanke des Schutzes des ggf. Geschädigten schon so weit durchgesetzt hätte, daß ihm für die Zielsetzung und die kalkulatorischen Grundlagen der Versicherungsverträge eine Bedeutung eingeräumt werden könnte, die die dem Berufungsurteil offenbar zugrundeliegende Sicht zu rechtfertigen vermöchte. Es mag zwar zutreffen, daß es allgemein dem Wunsch und daher auch dem Interesse eines redlich eingestellten schuldlosen Schädigers entspricht, den Geschädigten möglichst weitgehend entschädigt zu wissen (vgl. etwa Böhmer MDR 1963, 21, 22). So berechtigt indessen dieses Interesse, dem wohl am strukturgerechtesten eine Fremdversicherung Rechnung tragen könnte, sein mag, so läßt sich doch derzeit nicht feststellen, daß es bereits in den vertraglichen Deckungsbereich der privaten Haftpflichtversicherung einbezogen ist. Dies gilt jedenfalls, soweit etwa für die hier ausnahmsweise haftungserhebliche Höhe des Schädigervermögens die Deckungssumme substituiert werden sollte. Damit wäre, da ein vorsichtiger Privatmann in mittleren wirtschaftlichen Verhältnissen mit einer den Wert seines Vermögens übersteigenden Deckungssumme versichert zu sein pflegt, eine vom Gesetz kaum vorgesehene Ausweitung der Billigkeitshaftung erreicht, auf deren Rückwirkung auf die Prämienkalkulation hier nicht weiter eingegangen werden soll.
Daher ist dem Gerechtigkeitsanliegen des § 829 BGB dadurch genügt, daß der Versicherungsschutz zwar als Vermögensbestandteil, aber nicht als ein solcher in Höhe der ggf. verfügbaren Deckungshöchstsumme, sondern im Sinne "einer Korrektur hinsichtlich der Höhe des zu zahlenden Betrags" (obiges Senatsurteil vom 24. April 1979) Berücksichtigung findet, die aber nicht jeden Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Möglichkeiten des Schädigers verliert. Das spricht dafür, trotz der erwähnten versicherungsrechtlichen Bedenken dem Bestehen von Versicherungsschutz im Sinne früherer Senatsentscheidungen immerhin insoweit auf die Höhe des Anspruches Einfluß einzuräumen, als die Grenzen des dem Schädiger mit Rücksicht auf seinen notwendigen Lebensbedarf noch Zumutbaren weiter ausgedehnt werden, weil dieser Lebensbedarf wegen des Versicherungsschutzes ja tatsächlich nicht beeinträchtigt wird. In diesem begrenzten und überschaubaren Umfange kann davon ausgegangen werden, daß sich die Versicherungswirtschaft inzwischen seit der Senatsentscheidung vom 15. Januar 1957 (BGHZ 23, 90 [BGH 15.01.1957 - VI ZR 135/56]) auf eine über den Wortlaut der Versicherungsverträge hinausgehende Risikoerhöhung eingestellt hat. Dagegen mag eine volle Deckung nicht zurechenbarer rechtswidriger Schädigungen zwar im Zuge der geänderten Bedeutung, die dem Versicherungsschutz im heutigen Wirtschaftsgefüge zukommt, wünschenswert sein; er wäre aber, wie schon oben bemerkt, nur durch eine besondere Versicherungsform oder eine Ergänzung der Privathaftpflichtversicherung über ihren eigentlichen Inhalt hinaus zu verwirklichen.
d)
Aus dem Gesagten ergibt sich schon, daß jedenfalls zu Lebzeiten des H. den Klägern ein Anspruch aus § 829 BGB auch nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats zu versagen gewesen wäre, weil er mit Rücksicht auf dessen wirtschaftliche Verhältnisse schon dem Grunde nach nicht bestand; denn das Erbbaurecht war im Sinne des § 829 BGB als "Schonvermögen" zu betrachten. Indessen hat sich das mit dessen kurz darauf erfolgtem Ableben geändert. Mit dem Ableben des Erblassers entfielen dessen Unterhaltsbedürfnisse. Auf das Interesse der Erben am Nachlaß darf es gegenüber dem Anliegen des § 829 BGB, der solche Drittinteressen grundsätzlich nur im Blick auf gesetzliche Unterhaltsansprüche gegen den Erblasser berücksichtigt, jedenfalls bei so schweren Schädigungen wie im Streitfall nicht ankommen. Das mag anders sein, soweit hinterlassenes Vermögen bisher schon die Quelle einer Unterhaltsleistung gebildet hatte. Das ist aber im gegebenen Fall nicht nur nicht festgestellt, sondern auch den Umständen nach auszuschließen, da der Erblasser schon für seinen eigenen Unterhalt auf zusätzliche Fürsorgeleistungen angewiesen gewesen war.
Dem steht nicht entgegen, daß gemäß § 1922 Abs. 1 BGB bereits im Augenblick des Ablebens des Erblassers dessen Vermögen auf die Erben überging, auf deren eigene Vermögensverhältnisse es aber für Bestand und Umfang des Anspruchs aus § 829 BGB nicht ankommen darf. Dieses mehr formale Bedenken darf nicht zu einer Verfälschung des dem § 829 BGB zugrundeliegenden Ausgleichszwecks führen, kann vielmehr mit dem der Rechtsdogmatik auch sonst vertrauten Begriff der "logischen Sekunde" ausgeräumt werden.
Nach allem kann hier als Grundlage für die tatrichterliche Bemessung der Billigkeitsansprüche insgesamt das nachgelassene Vermögen herangezogen werden, und zwar in vollem Umfange. Daß es durch die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers, die ja eben diesem Zweck dient, den Erben doch erhalten bleibt, steht auf einem anderen Blatt.
3.
Die Revision rügt auch mit Recht, daß das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob der Erstklägerin nicht wenigstens im Sinne eines Verschuldens gegen sich (§ 254 BGB) selbst ein so schwerer Vorwurf hinsichtlich der Unglückstat zu machen ist, daß die Billigkeit ihre Entschädigung nicht erfordert.
a)
Nach dem Inhalt der vom Berufungsurteil in Bezug genommenen Akten spricht fast alles dafür, daß diese Klägerin unter Vorspiegelung ihrer Bereitschaft zur Aufnahme intimer, ja ehelicher Beziehungen über einen Club zur Anbahnung von "Bekanntschaften" sich und ihrem zahlreichen Anhang die kostenlose Unterkunft bei dem Erblasser erschlichen hat, ohne - damals schon wieder schwanger und überdies mit einem anderen Mann in intimen Beziehungen stehend - dazu jemals ernstlich bereit gewesen zu sein, und daß sie außerdem die so erschlichene Wohnmöglichkeit mit allen rechtlich verfügbaren Mitteln gegen die vom Erblasser erstrittene Räumung verteidigt hat. Dabei hat sie sich offensichtlich auch bemüht, die Entmündigung des Erblassers, dessen Geisteszustand ihr demnach nicht verborgen gewesen sein kann, zu veranlassen. Sollte all dies zutreffen - das Berufungsgericht trifft dazu keine Feststellungen -, dann könnte der Erstklägerin selbst die Rechtswohltat des § 829 BGB keinesfalls zugutekommen (vgl. dazu die Ausführungen über die Entstehungsgeschichte der Vorschrift im Senatsurteil vom 24. Juni 1969 a.a.O. S. 861, 1. Sp.).
b)
Von einer alsbaldigen Abweisung der Ansprüche der Erstklägerin sieht das Revisionsgericht nur deshalb ab, weil die erforderlichen - aber nach dem jetzigen Streitstand fast unabweislichen - Feststellungen Sache des Tatrichters sind, vor dem die Parteien insoweit auch ihre Belange durch geeignete Beweisanträge wahrzunehmen in der Lage sein müssen. Schon jetzt läßt sich allerdings sagen, daß, wenn sich insoweit nichts Neues ergeben sollte, die Ansprüche der Erstklägerin keinen Bestand haben können, und zwar nicht nur deshalb, weil die dem Tatrichter obliegende Billigkeitsentscheidung in erster Linie darauf bedacht sein muß, die durch den Nachlaßumfang beschränkten verfügbaren Mittel in erster Linie dem Viertkläger zuzuwenden, dem das nicht nur unvorsichtige sondern vermutlich auch anstößige Verhalten seiner Mutter nicht zur Last gelegt werden kann.
Richter Dunz
Richter Dr. Steffen
Richter Dr. Ankermann
Richter Dr. Deinhardt