Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.02.1975, Az.: VIII ZR 144/73
Hautreaktionen auf ein von einem Friseur benutzten Präparates; Schadensersatz wegen Verdienstausfalls ; Nebenwirkungen eines Haartonikums
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 19.02.1975
- Aktenzeichen
- VIII ZR 144/73
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1975, 11370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Zweibrücken - 09.02.1973
- LG Zweibrücken - 26.02.1971
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 64, 46 - 52
- DB 1975, 587-588 (Volltext mit amtl. LS)
- MDR 1975, 483 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1975, 824-825 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Verwaltungsangestellte F. L. in R., G.straße ...
Prozessgegner
Firma O. in W., B.straße ..., Zweigniederlassung der Firma ... B. & Sohn in I.,
vertreten durch die persönlich haftenden Gesellschafter Dr. E. B. und J. L. in I.
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, welche Hinweispflicht den Verkäufer eines kosmetischen Präparates (Haartonicum) trifft, wenn das von ihm hergestellte und vertriebene Mittel allergische Reaktionen auslösen kann.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 1975
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Haidinger und
die Richter Claßen, Braxmaier, Dr. Hiddemann und Merz
für Recht erkannt:
Tenor:
- I.
Auf die Revision des Klägers werden das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 9. Februar 1973 und das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Zweibrücken vom 26. Februar 1971 aufgehoben.
- II.
Die Klage wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
- III.
Im übrigen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Berufung und der Revision - an das Landgericht Zweibrücken zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger - gelernter Friseur - betrieb seit 1955 in R. ein kleines Friseurgeschäft, dem seit 1958 ein vorwiegend von der Friseurkundschaft besuchtes Textileinzelhandelsgeschäft angeschlossen war. Seit Juni 1959 benutzte er in seinem Friseurgeschäft das von der Beklagten hergestellte und von ihr in Großpackungen bezogene Haartonicum V. Ende August 1960 traten bei ihm an den Händen Hautausschläge auf, deren Herkunft zunächst nicht geklärt werden konnte und die in der Folgezeit trotz zunächst ambulanter und dann wiederholter stationärer Behandlungen nicht nachhaltig beseitigt werden konnten. Im März 1961 ermittelte die Universitätshautklinik in Mainz als Ursache für die Hauterkrankung eine Überempfindlichkeit gegen V., von dem der Kläger bis August 1960 insgesamt etwa 150 Friktionspackungen verbraucht und das er auch in der Folgezeit bei seinen jeweils kürzeren Versuchen, seine Tätigkeit wieder aufzunehmen, benutzt hatte. Während die Beklagte den für den Einzelkunden bestimmten Packungen Prospekte mit dem Hinweis beigefügt hatte, daß V. bei besonderer Empfindlichkeit in einzelnen Fällen Hautreaktionen (Allergien) hervorrufen könne und dann zu einem Absetzen geraten werde, enthielten die den Friseurpackungen beigefügten Prospekte - jedenfalls damals - diesen Hinweis nicht. Obwohl der Kläger sofort nach Feststellung der Ursache für seine Erkrankung das Tonicum VAG nicht mehr verwendete, trat der Hautausschlag immer wieder auf. Das veranlaßte ihn, im Juli 1962 seinen Friseurberuf aufzugeben, eine Tätigkeit als Angestellter bei den US-Streitkräften anzunehmen und im Juli 1964 auch das Textilgeschäft zu schließen.
Mit der Begründung, die Beklagte habe dafür einzustehen, daß sich bei ihm zunächst eine monovalente Überempfindlichkeit gegen VAC und seit 1961 eine polyvalente Überempfindlichkeit auch gegen andere im Friseurgewerbe verwendete Mittel gebildet habe, hat der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls in Anspruch genommen, der ihm unter Berücksichtigung seiner Berufsunflihigkeitsrente und seiner tatsächlichen Einkünfte durch die Aufgabe seines früheren Berufes als Friseur und die Schließung seines Textileinzelhandelsgeschäftes entstanden sei. Im Vorprozeß (LG Zweibrücken 2 O 67/62 = OLG Zweibrücken 1 U 63/65) hat das Landgericht zunächst durch Teil-Zwischenurteil vom 2. Oktober 1964 die Zahlungsklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und - nach Zurückweisung der hiergegen eingelegten Berufung - die Beklagte rechtskräftig zur Zahlung von 13.651,01 DM nebst Zinsen verurteilt; die auf Ersatz allen weiteren, dem Kläger durch dio Benutzung des Tonicums V. entstandenen Schadens gerichtete Feststellungsklage sowie die von der Beklagten erhobene negative Peststellungswiderklage hat das Landgericht abgewiesen.
Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger nunmehr den - der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten - Ersatz demjenigen Schadens, der ihm in den Jahren 1962 bis 1966 als Verdienstausfall entstanden sei und über den das Landgericht im Vorprozeß noch nicht entschieden habe. Hätte die Beklagte ihn zumindest auf die mit der Verwendung des Tonicums V. verbundenen Gefahren hingewiesen, so hätte er nicht nur beim ersten Auftreten von Hautreizungen dieses Mittel nicht mehr verwendet, sondern sich auch von Anfang an durch Hautschutzsalben und Desinfektionen wirksam gegen Allergien geschützt, gegebenenfalls von der Verwendung des Mittels überhaupt abgesehen. Die Beklagte bezweifelt, daß der Kläger überhaupt einen solchen Hinweis beachtet hätte; jedenfalls sei der unterbliebene Hinweis, zu dem sie ohnehin nicht verpflichtet gewesen wäre, deswegen für den jetzt geltend gemachten Schaden nicht ursächlich, weil sich nicht feststellen lasse, daß beim ersten Auftreten von Hautreizungen eine polyvalente Überempfindlichkeit noch habe verhindert werden können.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte keinen Erfolg. Mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Landgericht und Berufungsgericht gehen übereinstimmend davon aus, daß über den im vorliegenden Rechtsstreit für die Jahre 1962 bis 1966 geltend gemachten Schadensersatzanspruch noch nicht rechtskräftig entschieden ist. Diese Ansicht ist zutreffend. Es mag richtig sein, daß der Kläger im Vorprozeß ursprünglich mit seinem Zahlungsantrag Ersatz des ihm bis zum 31. Dezember 1961 entstandenen und bereits bezifferbaren Schadens verlangen wollte und sein Feststellungsantrag sich auf den daran anschließenden Zeitraum erstrecken sollte. Maßgebend für den Umfang der Rechtskraft ist jedoch;, worüber das Gericht ausweislich des Urteilstenors und der zu seiner Ergänzung heranzuziehenden Entscheidungsgründe tatsächlich entschieden hat. Insoweit ergibt sich aus dem Endurteil des Landgerichts Zweibrücken vom 14. Mars 1969, daß sich die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 13.651,01 DM nur auf den dem Kläger bis zum 31. Dezember 1961 entstandenen Schaden bezog, die Teilabweisung der Klage also lediglich den für diesen Zeitraum darüber hinaus geltend gemachten Anspruch erfaßte, das Gericht mithin eine Entscheidung über den Verdienstausfall für die Zeit vom 1. Januar 1962 bis zur letzten mündlichen Verhandlung (17. Januar 1969) ausdrücklich weder getroffen hat noch treffen wollte und die Abweisung der Feststellungsklage nur den - im vorliegenden Rechtsstreit nicht streitbefangenen - Zeitraum seit dem 17. Januar 1969 betraf. Da auch die negative Feststellungswiderklage der Beklagten hinsichtlich des jetzt streitigen Zeitraums keinen Erfolg hatte, ist der Kläger nicht gehindert, seinen Schadensersatzanspruch für die Jahre 1962 bis 1966 jetzt noch geltend zu machen. Das ist im übrigen im Revisionsrechtszug unter den Parteien auch nicht mehr streitig.
II.
Auch die Stellung eines unbezifferten Antrags durch den Kläger, die Beklagte zur Zahlung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatzbetrages zu verurteilen, ist im vorliegenden Fall nicht zu beanstanden. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß ausnahmsweise ein unbezifferter Klageantrag dann zulässig ist, wenn die ziffernmäßige Festlegung einer Forderung entscheidend von der Ausübung einer richterlichen Schätzung (§ 287 ZPO) abhängig ist und der Kläger genügend Anhaltspunkte für die vom Gericht festzustellende Schadenshöhe vorgetragen hat (BGHZ 4, 138; BGH Urteil vom 4. November 1969 - VI ZR 85/68 = WM 1970, 201 = NJW 1970, 281 mit weiteren Nachweisen; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl. S. 502). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger hat neben den Angaben über die von ihm bezogene Berufsunfähigkeitsrente und sein und seiner Ehefrau anderweitiges Einkommen eine detaillierte Darstellung über die voraussichtliche Umsatz- und Gewinnentwicklung sowohl des Friseur- als auch des Textilgeschäftes gemacht, die eine größenmäßige Einordnung des von ihm für die Jahre 1962 bis 1966 geltend gemachten Anspruchs ermöglichen. Auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes ist daher im vorliegenden Fall die Stellung eines unbezifferten Klageantrags nicht zu beanstanden.
III.
Dagegen hält die angefochtene Entscheidung sachlich nicht in allen Punkten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
1.
Das Berufungsgericht legt der Beklagten nicht zur Last, daß sie das Haartonicum trotz der ihr bekannten Nebenwirkungen überhaupt in Verkehr gebracht und an den Kläger verkauft habe; angesichts des im wesentlichen negativen Ergebnisses der sorgfältig durchgeführten Versuchsreihen habe sie davon ausgehen dürfen, daß von dem Präparat lediglich eine nur geringfügige Gefährdung für speziell allergisch veranlagte Personen ausgehen könne und damit insgesamt ungefährlich sei.
Diese Ausführungen lassen einen Rechtsfehler nicht erkennen. Ob und in welchem Umfang bei einem kosmetischen Präparat schädliche Nebenwirkungen hingenommen werden können und der Hersteller bzw. Händler sich auf die Beifügung eines warnenden Hinweises beschränken darf, richtet sich nach der gegebenen Interessenlage im Einzelfall (vgl. dazu Schmidt-Salzer, Produkthaftung 1973, S. 68 ff) und unterliegt damit in erster Linie tatrichterlicher Würdigung. Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in mehreren unterschiedlich ausgestalteten Versuchsreihen das Tonicum und den in ihm enthaltenen Wirkstoff S 54 klinisch und in Friseurbetrieben eingehend und sorgfältig auf seine Wirksamkeit und etwaige Nebenwirkungen untersuchen lassen. Zwar ist die Feststellung des Berufungsgerichts, bei den im Krankenhaus Ludwigshafen durchgeführten Testreihen habe sich lediglich bei zwei - ohnehin als Patienten einer Hautklinik besonders empfindlichen - Personen eine allergische Reaktion gezeigt, ersichtlich aktenwidrig; tatsächlich handelte es sich bei einer der insgesamt 166 behandelten Personen, bei der sich eine ausgesprochene und heftige Unverträglichkeit gezeigt hatte, um einen hautgesunden und nicht an allergischen Krankheiten leidenden Arzt (vgl. Gutachten des Prof. Dr. W. Schmidt vom 3. März 1956 S. 6; Anlageheft 1). Gleichwohl waren die Fälle der Unverträglichkeit - gemessen an der Zahl der behandelten Personen - zahlenmäßig derart gering, daß das Berufungsgericht das Inverkehrbringen des Tonicums unter Abwägung der für und gegen seine Verwendung sprechenden Umstände als vertretbar ansehen konnte; dies um so mehr, als V. - wie zwischen den Parteien unstreitig ist - als Mittel zur Bekämpfung von Seborrhoe und ähnlichen Erkrankungen durchaus geeignet war und die Kassenärztliche Bundesvereinigung ihre Mitglieder zur Verordnung dieses Mittels auch für Patienten der sozialen Krankenversicherung autorisiert hatte.
2.
Allerdings durfte die Beklagte angesichts der bei der Erprobung aufgetretenen Unverträglichkeiten das Tonicum nicht ohne Hinweis auf mögliche Nebenwirkungen auf den Markt bringen.
a)
Baß den Hersteller und Händler eines Erzeugnisses, von dem spezifische Gefahren ausgehen können, eine derartige Verpflichtung zur Aufklärung und Warnung trifft, ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt und folgt - neben der allgemein deliktsrechtlichen Verpflichtung zur Gefahrenabwehr - für den vorliegenden Fall aus einer dahingehenden kaufvertragsrechtlichen Nebenpflicht (BGH Urteile vom 5. November 1955 - VI ZR 199/54 = VersR 1956, 765, vom 20. Oktober 1959 - VI ZR 152/58 = VersR 1960, 342 = BB 1959, 1186 sowie vom 11. Juli 1972 - VI ZR 194/70 = WM 1972, 1124 = NJW 1972, 2217, insoweit in BGHZ 59, 172 nicht abgedruckt; Schmidt-Salzer a.a.O.). Der Umstand, daß die Nebenwirkungen nur in seltenen Fällen auftraten, befreite die Beklagte von dieser Verpflichtung nicht, zumal auch der von ihr mit der Prüfung dee Tonicums beauftragte Chefarzt der dermatologischen Abteilung des Städtischen Krankenhauses Ludwigshafen Prof. Dr. W. Schmidt sie ausdrücklich auf die Notwendigkeit einer derartigen Warnung hingewiesen hatte (vgl. dessen Gutachten vom 3. März 1956, S. 7).
b)
Welchen Inhalt eine derartige Aufklärung im konkreten Pall haben muß, richtet sich nach dem Zweck der Aufklärungspflicht. Sie soll dem Betroffenen Klarheit über die ihm unter Umständen drohende Gefahr verschaffen und ihn in die Lage versetzen, rechtzeitig von der Verwendung des Mittels überhaupt Abstand zu nehmen oder der Gefahr durch wirksame Gegenmittel so weit wie möglich entgegenzuwirken. Im vorliegenden Fall erachtet es das Berufungsgericht als ausreichend, wenn die Käufer darauf hingewiesen worden wären, es könne bei besonders empfindlichen und dazu veranlagten Personen eine allergische Hautreaktion auftreten. Damit hat das Berufungsgericht das Ausmaß der dem Einzelnen unter Umständen drohenden Gefahr und infolgedessen den Umfang der Aufklärungspflicht verkannt. Ein derartiger Hinweis hätte die Käufer, sofern sie sich nicht bereits als zur Allergie neigend kannten und deswegen besonders vorsichtig waren, lediglich veranlaßt, beim ersten Auftreten von Reizerscheinungen das Tonicum abzusetzen und künftig zu meiden. Damit aber hätte ein Schaden nicht in allen Fällen mehr verhindert werden können. Wie im Gutachten der Universitäts-Hautklinik Mainz vom 4. Mai 1961 ausgeführt ist, entspricht es der Erfahrung, daß die durch die Verwendung eines derartigen Tonicums ausgelösten allergischen Reaktionen sich nicht nur zu einer dauernden monovalenten Überempfindlichkeit gerade gegenüber diesem Mittel, sondern sehr bald auch zu einer polyvalenten Überempfindlichkeit gegenüber anderen Präparaten führen können; das ziehen beide Parteien auch nicht ernsthaft in Zweifel. Gerade in Fällen, in denen zur Allergie neigende Personen dieses Mittel - wie der Kläger als Friseur - in größerem Umfang verwenden, besteht daher die naheliegende Gefahr, daß die zunächst nur monovalente Überempfindlichkeit eine völlige oder doch teilweise Berufsunfähigkeit zur Folge hat und damit zu schweren beruflichen und wirtschaftlichen Schäden führt. Es kommt hinzu, daß die Entwicklung zu einer irreparablen Überempfindlichkeit bereits weitgehend abgeschlossen sein kann, bevor der Betroffene die ersten allergischen Reaktionen verspürt; von dieser Möglichkeit geht gerade auch die Beklagte, wie ihr Prozeßvortrag zur Kausalität im vorliegenden Fall zeigt, aus.
c)
Bei dieser Sachlage wäre der bloße Hinweis auf mögliche allergische Hautreaktionen mit dem Rat, dann das Tonicum abzusetzen, jedenfalls gegenüber den Käufern, die das Mittel für den Verbrauch in ihrem Gewerbebetrieb bezogen, nicht ausreichend gewesen. Die Ansicht, Friseuren gegenüber sei ein warnender Hinweis überhaupt entbehrlich, weil diese nach Berufsausbildung und- erfahrung ohnehin mit Nebenwirkungen bei jedem Haartonicum rechnen müßten, hat die Beklagte mit Rücksicht auf die gegenteilige Auskunft der Handwerkskammer Düsseldorf vom 13. August 1964 ersichtlich nicht mehr aufrechtgehalten. Vielmehr hätte die Beklagte - ohne daß es hier eines weiteren Eingehens auf die Fassung des warnenden Hinweises im einzelnen bedarf - jedenfalls Friseure in den für sie bestimmten Friktionspackungen auf die nicht auszuschließende Gefahr einer sich unbemerkt vollziehenden Entwicklung zu einer irreparablen polyvalenten Überempfindlichkeit hinweisen müssen. Insoweit hat die Beklagte auch schuldhaft gehandelt. Da sie das Haartonicum selbst entwickelt, hergestellt und vertrieben hat, wäre es ihre Sache gewesen, im einzelnen darzulegen und zu beweisen, daß sie auch bei der gebotenen Sorgfalt mit einer derart weitgehenden, in ihrem Gefahrenbereich wurzelnden Gefahr nicht rechnen mußte (vgl. § 282 BGB). Diesen Nachweis hat sie nicht erbracht.
d)
Allerdings wäre die Verletzung der Hinweispflicht für den eingetretenen Schaden nur dann ursächlich, wenn pflichtgemäßes Handeln den Schaden mit Sicherheit verhindert hätte; eine bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen nicht (BGH Urteil vom 30. Januar 1961 - III ZR 225/59 = NJW 1961, 868, 870). Das Berufungsgericht (BU S. 15/16) sieht insoweit - wenn auch auf der Grundlage der von ihm als ausreichend erachteten, weniger weitgehenden Aufklärungspflicht - weder als erwiesen noch überhaupt als hinreichend wahrscheinlich an, daß der Kläger bei Kenntnis der möglichen Nebenwirkungen von der Verwendung des Haartonicums V. überhaupt abgesehen oder jedenfalls von vornherein geeignete Schutzmaßnahmen (Verwendung von Schutzsalben, regelmäßige Desinfektion der Hände) getroffen hätte. Damit hat das Berufungsgericht die Beweislast verkannt. Verletzt jemand eine vertragliche Aufklärungspflicht, so trifft ihn - abweichend von dem Grundsatz, daß der Geschädigte im Regelfall den Ursachenzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und eingetretenem Schaden zu beweisen hat - das Risiko der Unaufklärbarkeit des Ursachenzusammenhangs jedenfalls insoweit, als in Frage steht, wie der andere Teil gehandelt hätte, wenn er pflichtgemäß ins Bild gesetzt worden wäre (BGHZ 61, 118, 122). Diese Rechtsprechung trägt mit der Umkehr der Beweislast dem Umstand Rechnung, daß der Zweck derartiger Aufklärungspflichten auch darin besteht, Klarheit darüber zu schaffen, ob der Vertragsgegner, wenn ihm das jeweilige Risiko in seiner ganzen Tragweite bewußt gemacht wird, trotzdem an der ins Auge gefaßten Maßnahme - hier der Verwendung des Tonicums - festhalten oder von ihr Abstand nehmen will; er soll daher, wenn diese Frage nur hypothetisch zu entscheiden ist, von der ihn typischerweise treffenden Beweisnot entlastet werden (vgl. auch Hofmann HJW 1974, 1641). Die Beklagte hätte also nachweisen müssen, daß der Kläger auch in Kenntnis des vollen Umfangs der Gefahr einen Hinweis mit dem oben dargelegten Inhalt unbeachtet gelassen hätte, wobei ihr gegebenenfalls der Beweis des ersten Anscheins zustatten kam.
e)
Das hat das Berufungsgericht verkannt. Da die insoweit beweispflichtige Beklagte keimen Beweis angetreten hat und überdies den ihr obliegenden, ein hypothetisches Verhalten des Klägers betreffenden Nachweis, daß dieser im Jahre 1960 - also vor nahezu 15 Jahren - bei ausreichendem Hinweis gleichwohl das Haartonicum zunächst weiter verwendet hätte, heute auch nicht mehr führen könnte, ist sie beweisfällig geblieben. Der Schadensersatzanspruch des Klägers ist mithin für die Jahre 1962 bis 1966 dem Grunde nach gerechtfertigt.
IV.
Das angefochtene Urteil konnte daher keinen Bestand haben. Gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO konnte der Senat dem Grunde nach in der Sache selbst entscheiden. Hinsichtlich der Höhe war der Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO; vgl. RGZ 50, 219, 224; 106, 44, 46; BGHZ 5, 324, 344). Dieses wird auch über die Kosten der beiden Rechtsmittelverfahren zu entscheiden haben.
Claßen
Braxmaier
Dr. Hiddemann
Richter Merz ist beurlaubt und ortsabwesend; er kann deshalb nicht unterschreiben. Dr. Haidinger