Bundesgerichtshof
Urt. v. 04.12.1970, Az.: I ZR 96/69
„Ärtzekammer“
Erwerbswirtschaftliche Betätigung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft; Ausweitung der Anzeigenwerbung der Berliner Ärztekammer in einem medizinischen Fachblatt; Zur Wettbewerbswidrigkeit derVerknüpfung von hoheitlichen Aufgaben mit privatem Gewinnstreben; Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Aufgaben durch privatwirtschaftliche Tätigkeit; Zurverfügungstellung von Anzeigeraum gegen Entgeld in offiziellen Mitteilungsblättern; Zur Zulässigkeit der unentgeldlichen Abgabe von Anzeigenblättern
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 04.12.1970
- Aktenzeichen
- I ZR 96/69
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1970, 11475
- Entscheidungsname
- Ärtzekammer
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- KG Berlin vom 22.04.1969
- LG Berlin
Rechtsgrundlagen
- § 1 UWG
- § 2 Kammergesetz
Fundstellen
- MDR 1971, 196-197 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1971, 237-239 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
H... Verlag KG,
vertreten durch ihre persönlich haftenden Gesellschafter Frau Ingeborg von B... und Dr. med. Walter H... sämtlich B... S...
- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Prof. Dr. ... und Dr. ...
Prozessgegner
1. die Ä... B..., Körperschaft des öffentlichen. Rechts, vertreten durch ihr Präsidium, bestehend aus dem Präsidenten Dr. med. H... und dem Vizepräsidenten Dr. S..., sämtlich B..., B... ...
2. die G...-Verlag GmbH, vertreten durch ihre Geschäftsführerin Hildegard G..., B..., B... Straße ...
- Prozeßbevollmächtigter zu 1.: Rechtsanwalt Dr. ... -
- Prozeßbevollmächtigter zu 2.: Rechtsanwalt Prof. Dr. ...
Amtlicher Leitsatz
Ärztekammer
Es ist nicht wettbewerbswidrig, wenn eine Ärztekammer ihr offizielles Mitteilungsblatt mit einem Anzeigenteil in einem Privatverlag monatlich erscheinen und ohne besonderes Entgelt an ihre Mitglieder verteilen läßt.
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 1970
unter Mitwirkung
der Bundesrichter Alff, Dr. Sprenkmann, Dr. Merkel, Dr. Schönberg und Dr. Frhr. v. Gamm
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 22. April 1969 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Tatbestand
Im Verlag der Klägerin erscheint zweimal monatlich das von ihr herausgegebene "B... Ärzteblatt", das sich im Untertitel als unabhängige Zeitschrift zur Vertretung der ärztlichen Standesinteressen bezeichnet. Es enthält neben einem Aufsatzteil auch Mitteilungen der Beklagten zu 1 und anderer Organisationen sowie Werbeanzeigen, insbesondere solche der pharmazeutischen Industrie. Der Preis des Jahresabonnements beträgt 21,-- DM.
Die Beklagte zu 1, eine Ärztekammer in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, gibt seit 1964 ein "offizielles Mitteilungsblatt" mit dem Titel "Die B... Ärztekammer" heraus. Die Zeitschrift, die außer den amtlichen Bekanntmachungen ebenfalls einen redaktionellen Teil und Werbeanzeigen enthält, wird an alle Kammermitglieder ohne besonderes Entgelt verteilt. Sonst beträgt der Preis 2,-- DM je Heft. Das Blatt erschien zunächst alle zwei Monate. Im Eigenverlag der Beklagten zu 1. Seit dem 1. Januar 1968 erscheint es in monatlicher Folge im Verlag der Beklagten zu 2, der die Beklagte zu 1 auch die Anzeigenverwaltung übertragen hat. In dem Verlagsvertrag hat sich die Beklagte zu 2 verpflichtet, an die Beklagte zu 1 als Entgelt für die ihr überlassenen Rechte jährlich 36 000,-- DM zu zahlen. Dieses Geld fließt dem Witwen- und Waisenfonds der Beklagten zu 1 zu. Zu einem geringen Teil wird die "B... Ärztekammer" aus Mitteln der Beklagten zu 1 finanziert. Die Herstellungskosten, die Mittel für die Zahlungen an die Beklagte zu 1 und ihren Eigengewinn muß die Beklagte zu 2 aus dem Anzeigengeschäft erwirtschaften.
Die Klägerin hat vorgetragen, die ärztliche Fachpresse lebe heute weitgehend vom Anzeigengeschäft. Auf diesem Markt komme es außer auf die Verbreitung des Blattes vor allem auf die Erscheinungsfrequenz an. Für eine Wiederholungswerbung sei ein Blatt nur Interessant, wenn es in kurzen Abständen erscheine. Während die Zeitschrift der Beklagten zu 1 bisher kein bedeutender Konkurrent auf diesem Gebiet gewesen sei, habe sich das durch den Übergang zur monatlichen Erscheinensweise grundlegend geändert, was auch der Zweck der Verdoppelung gewesen sei. Nunmehr habe die "B... Ärztekammer" den gleichen Werbewert wie das "B... Ärzteblatt" und noch dazu den Vorteil der größeren Verbreitung. Hierdurch werde der Bestand des "B... Ärzteblattes" gefährdet. Im Hinblick auf diese Folge sei es schon unlauter, daß die Zeitschrift der Beklagten kostenlos abgegeben werde. Außerdem mißbrauche die Beklagte zu 1 ihre öffentlichrechtliche Stellung, wenn sie sich unter Verstoß gegen das B... Kammergesetz und ihre Satzung in der genannten Weise erwerbswirtschaftlich, betätige. Wenn sie sich nicht mit Rundschreiben oder einem Mitteilungsblatt ohne Firmenwerbung begnügen wolle, dürfe sie jedenfalls die von ihr herausgegebene Fachzeitschrift nicht häufiger als alle zwei Monate erscheinen lassen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung einer für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Geldstrafe in unbeschränkter Höhe zu unterlassen, die Zeitschrift "Die B... Ärztekammer" häufiger als zweimonatlich erscheinen zu lassen, solange sie den Mitgliedern der Beklagten zu 1 unentgeltlich und ohne Bestellung geliefert wird.
Die Beklagten haben geltend gemacht, die Beklagte zu 1 erfülle mit der Herausgabe ihrer Zeitschrift die ihr durch Gesetz und Satzung übertragenen Aufgaben und handele nicht zu Zwecken des Wettbewerbs. Es fehle überhaupt an einem Wettbewerbsverhältnis zwischen beiden Zeitschriften. Für den Beschluß der Delegiertenversammlung der Beklagten zu 1, das Blatt ab 1. Januar 1968 monatlich erscheinen zu lassen, seien nur standes- und berufspolitische Erwägungen maßgebend gewesen. Insbesondere habe eine bessere und schnellere Unterrichtung der Kammermitglieder erreicht werden sollen. Zudem habe sich die Beklagte zu 1 damit nur der Handhabung bei anderen Landesärztekammern angepaßt, die ihre Mitteilungsblätter mit redaktionellem Teil und Firmenwerbung zum Teil sogar halbmonatlich, herausbrächten. Ihr könne auch nicht verwehrt werden, daß sie sich wie andere Landesärztekammern durch die Ausnutzung des Anzeigengeschäfts Mittel zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben verschaffe. Die Beklagten sind ferner der Behauptung entgegengetreten, daß die Existenz der Klägerin durch das monatliche Erscheinen der "B... Ärztekammer" gefährdet werde.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin ist zurückgewiesen worden. Mit der Revision verfolgt die Klägerin den Klageantrag weiter. Dabei stellt sie zur Klarstellung anheim, in das beantragte Verbot folgenden Zusatz aufzunehmen: solange die Zeitschrift "Die B... Ärztekammer" bezahlte Anzeigen enthält. Die Beklagten widersprechen der Ergänzung des Klageantrages, weil die Klarstellung ein Hilfsantrag sei, der eine unzulässige Klageänderung enthalte. Sie beantragen außerdem, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß der ordentliche Rechtsweg auch gegenüber der Beklagten zu 1 gegeben sei. Dem ist zu folgen.
Die Beklagte zu 1 ist eine Körperschaft des öffentlichen. Rechts, die gegenüber ihren Mitgliedern hoheitliche Befugnisse ausübt (Berliner Kammergesetz vom 18. Dezember 1961, GVBl für Berlin S.1753 i.V.m. der Satzung vom 23. April 1964, Amtsblatt für Berlin S. 798). Der Klägerin gegenüber hat sie solche Befugnisse nicht. Beide stehen sich nach dem Klagevortrag als Wettbewerber im Anzeigenschäft gleichberechtigt gegenüber. Die Beklagte zu 1 beteiligt sich daran in der Weise, daß sie in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift Raum für Werbeanzeigen zur Verfügung stellt und dafür von der Beklagten zu 2, der sie außer der verlegerischen Tätigkeit auch die Anzeigenverwaltung übertragen hat, von den Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft jährlich einen festen Betrag von 36.000,-- DM erhält. Außerdem hat sie den Vorteil, daß ihr außer gewissen Honorarkosten keine weiteren Ausgaben durch die Herausgabe der Zeitschrift entstehen. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß eine öffentlich-rechtliche Körperschaft, die sich in dieser Weise erwerbswirtschaftlich betätigt, dann jedenfalls den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb unterworfen ist und sich insoweit, als ein Verstoß gegen diese Vorschriften in Frage steht, auch vor den ordentlichen Gerichten verklagen lassen muß, wie sie ihrerseits auch Wettbewerbsverstöße im ordentlichen Rechtsweg verfolgen kann (BGH GRUR 1956, 227, 228 - Reisebüro; 1962, 159, 160 f - Blockeis I; 1964, 210, 211 - Landwirtschaftsausstellung; BGHZ 37, 1, 14 ff[BGH 27.02.1962 - I ZR 118/60] - Aki).
Diese Grundsätze müssen auch im Streitfall zur Anwendung kommen. Der Klägerin kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, daß der Klageantrag auf einen den ordentlichen Gerichten verwehrten Eingriff in die öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Beklagten zu 1 gerichtet sei. Abgesehen davon, daß die Klägerin ihren Antrag in der Revisionsinstanz ergänzt und klargestellt hat, ergibt der gesamte Klagevortrag, daß es ihr darum geht, die erwerbswirtschaftliche Betätigung der Beklagten zu 1 zu bekämpfen und zu verhindern, daß sich die Anzeigenwerbung in der "B... Ärztekammer" ausweitet. Der Klageantrag mußte daher schon bisher aus dem Vortrag der Klägerin dahin ergänzt werden, daß er sich nicht gegen die hoheitliche, sondern gegen die davon zu unterscheidende erwerbswirtschaftliche Betätigung der Beklagten zu 1 richtete. Hieraus folgt andererseits, daß die Klägerin durch ihren Zusatz in der Revisionsverhandlung den Klageantrag inhaltlich nicht verändert, sondern nur klargestellt hat. Die von den Beklagten erhobene Einrede der unzulässigen Klageänderung ist daher unbegründet.
II.
1.
In der Sache selbst gelangt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, daß ein Verstoß der Beklagten gegen § 1 UWG nicht vorliege. Dabei nimmt es an, daß die Beklagte zu 1 insoweit, als sie sich am Anzeigengeschäft beteilige und Nutzen daraus ziehe, im geschäftlichen Verkehr und zu Zwecken des Wettbewerbs handele. Diese Ausführungen lassen keinen Rechtsfehler erkennen. Die Beklagte zu 1 fördert zudem den Wettbewerb der von ihr beauftragten Beklagten zu 2, die ihrerseits darauf angewiesen ist, aus dem Anzeigengeschäft ihren Eigengewinn und die Mittel für die Zahlungen an die Beklagte zu 1 zu erwirtschaften. Auch sie steht in einem Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin.
2.
Zur Frage des Sittenverstoßes nach § 1 UWG hat das Berufungsgericht ausgeführt, es stelle keinen Mißbrauch der öffentlich-rechtlichen Stellung der Beklagten zu 1 dar, daß diese Werbeanzeigen in ihre Zeitschrift aufnehmen lasse und dadurch Einnahmen erziele. Diese Privatwirtschaftliche Betätigung, die der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben der Beklagten zu 1 diene, verstoße weder gegen das Grundgesetz noch stehe sie im Widerspruch zum Berliner Kammergesetz oder der Satzung der Beklagten zu 1. Eine solche Art der Betätigung müsse jedenfalls dann als zulässig angesehen werden, wenn sie - wie es hier zutreffe - einer seit langem bestehenden Übung entspreche und es sich dabei auch nur um eine den Kern der öffentlichen Aufgabe nicht entscheidend berührende Nebenbetätigung handele. Ein Mißbrauch ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung durch die Beklagte zu 1 liege auch deshalb nicht vor, weil der Vorteil, den ihre Zeitschrift für die werbende Industrie gegenüber der Zeitschrift der Klägerin habe, nicht sehr erheblich sei und insbesondere dadurch abgeschwächt werde, daß ein Blatt, das ohne besondere Berechnung und von Amts wegen verteilt werde, beim Empfänger nicht so viel Beachtung finde wie ein Blatt, das er bestellt habe und bezahle. Daß die Beklagte zu 1 ihre Zeitschrift ohne besonderes Entgelt an die Kammermitglieder abgebe, wirke sich nicht zum Nachteil der Klägerin aus, da im Hinblick auf die Zwangsmitgliedschaft und den Pflichtbezug ohnehin alle B... Ärzte die Kammerzeitschrift als das offizielle Mitteilungsblatt der Beklagten zu 1 bekommen müßten. Die Klägerin habe zudem den Vorteil, daß ihre Zeitschrift zweimal im Monat erscheine und deshalb für die Wiederholungswerbung besser geeignet sei als die Zeitschrift der Beklagten zu 1. Ferner gebe die Klägerin ihre Zeitschrift an diejenigen B... Ärzte, die nicht ihre Abonnenten seien, kostenlos ab. Unter diesen Umständen sei es aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht zu beanstanden, daß die Beklagte zu 1 zur monatlichen Erscheinensweise übergegangen sei und ihr Mitteilungsblatt weiterhin mit einem redaktionellen Teil und Werbeanzeigen erscheinen lasse. Es sei nicht festzustellen, daß sie die Umstellung zum Zwecke der Erhöhung der Anzeigeneinnahmen vorgenommen habe; näher liege es, daß die bessere und schnellere Unterrichtung der Kammermitglieder der entscheidende Grund gewesen sei. Die Beklagte zu 1 habe sich damit auch nur den anderen Landesärztekammern angepaßt, die ihre Kammerzeitschrift zum Teil sogar zweimal im Monat erscheinen ließen. Die Existenz der von der Klägerin herausgegebenen Zeitschrift werde dadurch nicht gefährdet. Die Klägerin habe insbesondere nicht bestritten, daß sich der Inseratenteil Ihrer Zeitschrift von 1967 auf 1968 nicht verringert habe.
Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
3.
Die Revision nimmt den Standpunkt ein, daß schon die Verknüpfung von hoheitlichen Aufgaben mit privatem Gewinnstreben wettbewerbswidrig sei und es den Grundsätzen der öffentlichen Verwaltung widerspreche, wenn eine Körperschaft des öffentlichen Rechts ihre hoheitlichen Aufgaben durch eine privatwirtschaftliche Tätigkeit finanziere. Dem kann in dieser Allgemeinheit nicht gefolgt werden. Ein Verbot der hier in Rede stehenden eigenwirtschaftlichen Tätigkeit der Beklagten zu 1 ergibt sich weder aus dem Grundgesetz noch aus dem Berliner Kammergesetz noch aus der Satzung der Beklagten zu 1, wie auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat. Der öffentlichen Hand ist die Beteiligung an wirtschaftlichen Unternehmen und damit am freien Wettbewerb nicht grundsätzlich verboten. Insbesondere liegt ein Verstoß gegen die Grundprinzipien der Verfassung nicht vor, wenn sich die öffentliche Hand auf solche Weise zusätzliche Mittel zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben verschafft, die sie im Wirtschaftsplan ordnungsgemäß ausweist und zweckentsprechend verwendet. Es Ist darüber hinaus nicht Aufgabe der ordentlichen Gerichte, im Rahmen von Wettbewerbsprozessen darüber zu entscheiden, welche Grenzen der erwerbswirtschaftlichen Betätigung der öffentlichen Hand etwa zu setzen sind. Dies ist vielmehr eine wirtschaftspolitische Frage, die in den Aufgabenbereich der Gesetzgebung und Verwaltung gehört (BGH GRUR 1959, 244, 246 - Versandbuchhandlung; vgl. ferner RGZ 138, 174, 176 - Haus der Jugend).
4.
Die Revision macht weiter geltend, die Wettbewerbswidrigkeit des Verhaltens der Beklagten zu 1 liege auch darin, daß sie einen wesentlichen Teil ihrer öffentlich-rechtlichen Funktionen der Beklagten zu 2 überlassen habe. Diese Betrachtungsweise hat jedoch keine Grundlage in dem vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalt. Insbesondere rechtfertigt der Umstand, daß die Beklagte zu 1 die Zeitschrift nicht mehr im Eigenverlag herausbringt, sondern damit die Beklagte zu 2 beauftragt hat, nicht die Annahme, daß dieser öffentlich-rechtliche Funktionen übertragen worden seien. Die Beklagte zu 1 ist die Herausgeberin der Zeitschrift und läßt diese in Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben den Kammermitgliedern zugehen. Sie bedient sich dazu der Beklagten zu 2, die in dieser Hinsicht nicht mehr als ihre Beauftragte ist. Außerdem ist nicht ersichtlich, wie gerade hierdurch eine Wettbewerbsverzerrung eintreten sollte.
5.
Beteiligt sich die öffentliche Hand am privatwirtschaftlichen Wettbewerb, dann ist sie dabei den für alle geltenden wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen unterworfen und darf insbesondere nicht versuchen, durch Mißbrauch ihrer hoheitlichen Machtstellung einen Vorsprung vor privaten Mitbewerbern zu erlangen (RGZ 116, 28, 32 -Feuerversicherung; RG aaO - Haus der Jugend; BGHZ 19, 299, 304 ff[BGH 20.12.1955 - I ZR 24/54] - Kurverwaltung; BGH GRUR 1959, 244, 246 -Versandbuchhandlung; 1964, 210, 213 - Landwirtschaftsausstellung) .
Hiervon geht auch das Berufungsgericht aus. Es verkennt nicht, daß die Zeitschrift der Beklagten zu 1 für die an der Anzeigenwerbung in einem medizinischen Fachblatt interessierten Wirtschaftskreise und Personen den Vorteil hat, daß sie allen in Berlin ansässigen Ärzten zugeht. Dieser Vorteil, den sich die Beklagte zu 1 in der festgestellten Weise zunutze macht, beruht, wie der Revision zuzugeben ist, auf der öffentlich-rechtlichen Stellung der Beklagten zu 1 und der sich aus § 2 Kammergesetz ergebenden Zwangsmitgliedschaft aller Berliner Ärzte, die, weil sie Mitglieder der Beklagten zu 1 sind, die Kammerzeitschrift erhalten, ohne daß sie dafür außer den Kammerbeiträgen noch ein besonderes Entgelt zu bezahlen haben. Es ist aber aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht auf Grund einer Würdigung der besonderen Umstände des Falles zu dem Ergebnis gelangt, daß der Beklagten zu l ein gegen § 1 UWG verstoßender Mißbrauch ihrer öffentlich-rechtlichen Stellung nicht zur last gelegt werden könne.
Wenn das Berufungsgericht in diesem Zusammenhang ausführt, der Vorteil, den die Zeitschrift der Beklagten zu 1 als Werbeträger gegenüber der Zeitschrift der Klägerin habe, sei deshalb nicht so erheblich, weil ein Blatt, das der Empfänger unbestellt und ohne besondere Bezahlung erhalte, bei ihm nicht dieselbe Beachtung finde wie ein Blatt, das er bestellt habe und bezahle, so entspricht das der Lebenserfahrung. Ob ein Arzt, der die Zeitschrift seiner Ärztekammer nicht aufmerksam genug liest, seine Standespflichten verletzt, braucht entgegen der Auffassung der Revision hier nicht entschieden zu werden. Das Berufungsgericht weist mit Recht auch darauf hin, daß sich der Empfänger der Zeitschrift der Beklagten zu 1 über die darin enthaltenen offiziellen Mitteilungen und Informationen leicht an Hand des Inhaltsverzeichnisses unterrichten kann, ohne deshalb das ganze Heft durchblättern zu müssen.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts wird darüber hinaus vor allem von der Erwägung getragen, daß es einer seit langem bestehenden Übung entspricht, in offiziellen Mitteilungsblättern, Anzeigenraum gegen Entgelt zur Verfügung zu stellen und die so gewonnenen Mittel zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zu verwenden. Im einzelnen stellt das Berufungsgericht hierzu fest, daß in sämtlichen Bundesländern offizielle Mitteilungsblätter der Landesärztekammern in monatlicher oder halbmonatlicher Folge erscheinen, die in erheblichem Umfange Anzeigen der pharmazeutischen Industrie enthalten. Hinzuzufügen ist dem noch, daß auch diese Zeitschriften mit einem Aufsatzteil ausgestattet sind, sich also auch insofern nicht von der Kammerzeitschrift der Beklagten zu l unterscheiden. Das Berufungsgericht hebt ferner zutreffend hervor, daß schon in dem zu den Akten überreichten "Correspondenzblatt der Ärztekammer und der Ärztevereine der Provinz B... und der Stadtkreise B..." von 1889 Werbeanzeigen enthalten sind. Auch sonst ist die wirtschaftliche Ausnutzung amtlicher Veröffentlichungen durch die Aufnahme von Werbeanzeigen weit verbreitet. Die Beklagte zu l verweist hierzu mit Recht auf die Zeitschriften des Patentamts und der Patentanwaltskammer. Auch die Reklame In den Perusprechbüchern und Branchenverzeichnissen der früheren Reichspost und der Deutschen Bundespost sind hierbei zu erwähnen (vgl. hierzu RGZ 137, 57 ff).
Hält sich, die Beklagte zu 1 mit ihrer Beteiligung am Anzeigengeschäft aber im Rahmen dessen, was weithin und seit langem üblich Ist, dann kann schon deshalb nicht ohne weiteres gesagt werden, daß ihr Verhalten, gegen die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs verstoße. Keinesfalls kann ein Wettbewerbsverstoß der öffentlichen Hand schon darin gesehen werden, daß sie durch eine erwerbswirtschaftliche Betätigung die Gewinne von Mitbewerbern schmälert. Denn es ist in der Regel eine notwendige Folge dieser Tätigkeit, daß die von ihr erzielten Gewinne anderen Mitbewerbern entgehen (Versandbuchhandlung aaO). Hiermit muß sich auch die Klägerin abfinden.
6.
Soweit die Revision ganz allgemein geltend macht, das Berufungsgericht habe die wettbewerbsrechtlichen Besonderheiten des vorliegenden Falles nicht erkannt und darum übersehen, daß eine unzulässige Verknüpfung von hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen Hand mit privatem Erwerbsstreben vorliege, kann dem nicht gefolgt werden. Das Berufungsgericht hat diese Zusammenhänge durchaus gesehen und zutreffend beurteilt. Auf die von ihr angezogene Entscheidung des erkennenden Senats vom 20. Oktober 1963 (Landwirtschaftsausstellung aaO) kann sich die Revision demgegenüber nicht mit Erfolg berufen. Dort lag der Fall so, daß eine Landwirtschaftskammer Mitglied einer Werbungs- und Ausstellungs-GmbH war und dadurch in die Gefahr geriet, bei der Vergabe von Ausstellungen nicht objektiv und neutral, sondern parteiisch zugunsten der Gesellschaft zu entscheiden, an der sie beteiligt war. Mit Rücksicht auf diese ständige Interessenkollision hat der Senat von einer unzulässigen Verknüpfung hoheitlicher Aufgaben der öffentlichen Hand und privatem Gewinnstreben gesprochen. Im Streitfall liegen vergleichbare Umstände nicht vor.
7.
Zu der Frage, ob sich eine andere rechtliche Beurteilung etwa deshalb ergibt, weil die Beklagte zu l ihre Zeitschrift ohne besonderes Entgelt an die Kammer-mitglieder verteilen läßt, hat das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt, daß von einem bürgerlich-rechtlichen Verschenken insoweit nicht gesprochen werden könne, da die Kammermitglieder die "B... Ärztekammer" auf Grund des zwischen ihnen und der Beklagten zu 1 bestehenden öffentlich-rechtlichen Verhältnisses erhielten. Außerdem wirke sich dies, wie das Berufungsgericht ebenfalls zutreffend hervorhebt, gar nicht zum Nachteil der Klägerin und anderer Mitbewerber aus; denn die B... Ärzte wären zum Bezug der Zeitschrift der Beklagten zu l auch dann verpflichtet, wenn sie dafür - neben den Kammerbeiträgen - noch ein besonderes Entgelt entrichten müßten.
8.
Mit dem Übergang zur monatlichen Erscheinensweise hat sich die Beklagte zu 1 nur anderen Ärztekammern angepaßt, die ebenfalls offizielle Mitteilungsblätter mit einem redaktionellen Teil und bezahlten Anzeigen in monatlicher oder gar halbmonatlicher Folge herausgeben. Hält sich die Beklagte zu l aber auch insoweit im Rahmen des Üblichen, dann ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht auch darin noch keinen Verstoß gegen § 1 UWG gesehen hat. Es ist weder festgestellt, daß sich diese Maßnahme gegen die Klägerin gerichtet habe, noch ist ersichtlich, daß die Beklagte zu l damit überhaupt eine Erhöhung der Anzeigeneinnahmen angestrebt habe; nach den Feststellungen des Berufungsgerichts liegt es vielmehr näher, daß die bessere und schnellere Unterrichtung der Kammermitglieder der ausschlaggebende Grund war. Das Berufungsgericht hat im übrigen auch nicht festgestellt, daß der Übergang zur monatlichen Erscheinensweise zu einer Schädigung oder ernstlichen Gefährdung des von der Klägerin herausgegebenen Fachblattes geführt habe. Wie die Klägerin selbst vorträgt, hängt der Bestand eines Fachblattes heute vor allem von den Einnahmen aus der Anzeigenwerbung ab. Sie hat aber nach den Feststellungen des Berufungsgerichts selbst nicht bestritten, daß sich der Anzeigenteil des von ihr herausgegebenen "Berliner Ärzteblattes" von 1967 auf 1968 nicht verringert habe und daß andererseits der Anzeigenteil der Kammerzeitschrift der Beklagten zu l zwar seit 1964 kontinuierlich gewachsen sei, sich aber durch den Übergang zur monatlichen Erscheinensweise nicht etwa schlagartig vergrößert habe.
III.
Die Beklagte zu 2 führt nur aus, wozu sie auf Grund des mit der Beklagten zu 1 abgeschlossenen Vertrages verpflichtet ist. Besondere Umstände, die ihr geschäftliches Verhalten gleichwohl als wettbewerbswidrig erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich. Sie ist weder die Herausgeberin der Zeitschrift noch liefert sie diese unentgeltlich und ohne Bestellung an die Mitglieder der Beklagten zu 1. Das alles tut - mit ihrer Hilfe - nur die Beklagte zu 1 im Rahmen ihrer öffentlichen Aufgaben.
IV.
Die Grundsätze, die der frühere I. Zivilsenat (BGHZ 19, 392 ff[BGH 27.01.1956 - I ZR 146/54]) und der erkennende Senat (BGHZ 51, 236 ff) zur Zulässigkeit der unentgeltlichen Abgabe von Anzeigenblättern entwickelt haben, können im vorliegenden Falle nicht zur Anwendung kommen. Dort ging es um das Verschenken von Anzeigenblättern, die mit einem redaktionellen Teil ausgestattet wurden, um ihre Wirksamkeit als Anzeigenorgan zu steigern; es sollte auf diese Weise ein achtloses Fortwerfen des Blattes möglichst verhindert und der Empfänger zum Lesen und zur Kenntnisnahme von den Anzeigen veranlaßt werden. Demgegenüber hat das Blatt der Beklagten zu 1 eine ganz andere Zweckbestimmung und Beschaffenheit. Die Beklagte zu 1 gibt es nach den rechtsirrtumsfreien Feststellungen des Berufungsgerichts zur Portbildung und Unterrichtung ihrer Mitglieder heraus. Sie erfüllt damit die ihr durch das Kammergesetz und die Satzung übertragenen öffentlichen Aufgaben. Es besteht keinerlei Anhalt dafür, daß der redaktionelle Teil den Zweck habe, die Wirkung des Blattes als Anzeigenorgan zu steigern. Vielmehr handelt es sich, wie auch die Klägerin zum Ausdruck gebracht hat, um eine echte Fachzeitschrift, die zwar auch Werbeanzeigen enthält, aber doch nicht zu dem Zweck herausgegeben wird, Einnahmen durch die Veröffentlichung von Werbeanzeigen zu erzielen, wie es für die genannten Anzeigenblätter zutrifft. Es erscheint auch nicht gerechtfertigt, die wettbewerbsrechtlichen Grundsätze über das Verschenken von Leistungen auf den vorliegenden Fall anzuwenden; denn die Kammermitglieder der Beklagten zu 1 erhalten die Zeitschrift auf Grund ihrer Mitgliederschaft und haben außerdem Kammerbeiträge zu entrichten Keinesfalls erscheint die Verteilung der Zeitschrift an die Kammermitglieder als eine gezielte geschäftliche Wettbewerbsmaßnahme. Ob Fachzeltschriften in Bezug auf ihre Beteiligung am Anzeigengeschäft denselben Schutz verdienen wie Tageszeitungen, kann bei dieser Sachlage dahingestellt bleiben.
V.
Die Revision bittet ferner um eine Überprüfung des Berufungsurteils unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten. Dem steht jedoch entgegen, daß die Klägerin zum Protokoll des Berufungsgerichts erklärt hat, die Klage werde nicht auf einen Anspruch aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gestützt. Der erkennende Senat wäre dafür auch nicht zuständig. Der Rechtsstreit wäre dann gegebenenfalls nach § 96 Abs. 2 GWB auszusetzen. Dazu besteht aber kein Anlaß, weil die Klägerin den jetzt erhobenen kartellrechtlichen Anspruch auf neue Behauptungen stützt, die in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden können (§ 561 Abs. 1 Satz 1 ZPO),
Die Revision war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.