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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.06.1968, Az.: III ZR 210/67

Anwendbarkeit eines Finanzvertrages im Hinblick auf die Leistung von Schadensersatz wegen eines durch ein Fahrzeug der Stationierungsstreitkräfte verursachten Unfalls; Voraussetzungen für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; Frist für die rechtzeitige Einlegung eines Rechtsbehelfs zur Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs; Berechnung von Klagefristen; Wahrung der Klagefrist durch bloße Anbringung eines die Rechtshängigkeit nicht begründenden Armenrechtsgesuchs; Verfassungsrechtlicher Schutz auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unbemittelter Rechtsmittelkläger; Möglichkeiten zur Wahrung von Klagefristen

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.06.1968
Aktenzeichen
III ZR 210/67
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1968, 11782
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Celle - 13.11.1967
LG Lüneburg

Fundstelle

  • MDR 1968, 827-828 (Volltext mit amtl. LS)

Prozessführer

Eheleute Ernst und Hertha P., W., Landhaus M.

Prozessgegner

Bundesrepublik Deutschland,
in Prozeßstandschaft für das Vereinigte Königreich von Groß-Britannien und Nordirland handelnd und
vertreten durch den Bundesminister der Finanzen,
dieser vertreten durch den Niedersächsischen Minister der Finanzen,
dieser vertreten durch den Regierungspräsidenten in L.

Amtlicher Leitsatz

Die Rechtsgrundsätze, die das Bundesverfassungsgericht für die Erteilung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist des § 234 ZPO aufgestellt hat (BVerfGE 22, 83 = NJW 1967, 1267 [BVerfG 06.06.1967 - 1 BvR 282/65]), können nicht ohne weiteres auf die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Klage - hier Klagefrist des Art. 8 Abs. 10 FV - übertragen werden.

Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juni 1968
unter Mitwirkung
des Senatspräsidenten Dr. Pagendarm
sowie
der Bundesrichter Dr. Kreft, Dr. Arndt, Dr. Hußla und Gähtgens
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 13. November 1967 wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Der Sohn der Kläger wurde in den Nachtstunden des 24. Mai 1962 bei einem Verkehrsunfall getötet, an dem ein auf einer Dienstfahrt befindlicher Lastwagen der britischen Stationierungsstreitkräfte beteiligt war.

2

Die Kläger machten zunächst am 22. August 1962 beim Amt für Verteidigungslasten (AVL) der Stadt Celle geltend, sie begehrten eine Kapitalabfindung wegen ihnen entgangener Unterhaltsleistungen ihres Sohnes, Ersatz von Beerdigungskosten sowie des Fahrzeugschadens und ein Schmerzensgeld.

3

Das AVL der Stadt Lüneburg, das zur Abwicklung des Schadensfalles zuständig war, bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 4., zugestellt am 5. Juni 1963, unter Ablehnung des verlangten Schmerzensgeldes und unter Vorbehalt der Entscheidung über den Unterhaltsschaden eine Entschädigung für den Fahrzeugschaden. Am 20 August 1963 reichten die Kläger, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. S. und E. einen mit Klage und Armenrechtsgesuch unterschriebenen Schriftsatz vom 1. August 1963 beim Landgericht Lüneburg ein. Sie erstrebten nach dem Schriftsatz gegen die Beklagte die Feststellung, daß der Sohn der Kläger an dem Unfall schuldlos sei und die Beklagte ihnen den entstandenen und noch entstehenden Unfallschaden zu ersetzen habe. Abschließend wurde in dem Schriftsatz um die Bewilligung des Armenrechts gebeten. Das Landgericht übersandte den Schriftsatz formlos dem Regierungspräsidenten in Lüneburg als dem Vertreter der Beklagten "zur Stellungnahme zum Armenrechtsgesuch". Es gewährte sodann durch Beschluß vom 2. Januar 1964 den Klägern zum Teil das Armenrecht für eine Klage auf Schmerzensgeld, entzog es ihnen aber wieder mit Beschluß vom 24. Januar 1964, in dem es den Standpunkt einnahm, es fehle an der notwendigen vorgängigen Entscheidung des AVL und damit an einer Prozeßvoraussetzung für die Klage, Der Schriftsatz vom 1. August 1963 wurde der Beklagten auch weiterhin nicht zugestellt, die Akten wurden weggelegt. In der Folgezeit bemühten sich die Kläger um den Bescheid des AVL zur Höhe ihrer Ansprüche und ließen durch ihre in Braunschweig ansässigen Bevollmächtigten, die Anwälte H. und Dr. Mi., dem AVL mit Schreiben vom 12. Februar 1964 und 10. April 1964 mitteilen, sie hätten die Klage noch nicht erhoben und bäten um beschleunigte Bearbeitung des Schadensfalles. Das AVL lehnte durch Bescheid vom 14. August 1964 die Zahlung eines Schmerzensgeldes ab und erkannte mit Bescheid vom 10. November 1964 den Klägern Beerdigungskosten in geringer Höhe zu. Schließlich lehnte es durch Bescheid vom 27. September 1965, den eben genannten Anwälten am 28. September 1965 zugestellt, den Anspruch auf eine Kapitalabfindung wegen entgangenen Unterhalts mit der Begründung ab, die Kläger seien nicht unterhaltsbedürftig. Daraufhin ließen die Kläger, wiederum durch die Anwälte H. und Dr. Mi., am 18. November 1965 beim Landgericht Lüneburg ein vom 15. November 1965 datiertes Armenrechtsgesuch für eine beabsichtigte Klage gegen die Beklagte auf Zahlung einer Unterhaltsrente, hilfsweise auf Zahlung einer Kapitalabfindung einreichen. Das Landgericht versagte das Armenrecht mit Beschluß vom 25. Januar 1966, abgesandt 7. Februar 1966, mit der Begründung, die Kläger hätten die am 28. November 1965 abgelaufene zweimonatige Klagefrist des Arto 8 Abs. 10 FV versäumt. Es gewährte aber sodann den Klägern auf deren am 8./11. Februar 1966 eingebrachte Beschwerde, in der auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Klagefrist nach Art. 12 Abs. 3 des NATO-Truppenstatuts (NTS) hingewiesen wurde, durch Beschluß vom 24. Februar 1966, abgesandt 2. März 1966, das Armenrecht. Hierauf reichten die Kläger, durch die Rechtsanwälte Dr. S. und F. vertreten, am 8. März 1966 einen mit Wiedereinsetzungsantrag und Klage überschriebenen Schriftsatz vom 3. März 1966 ein. Das Landgericht faßte am 14. März 1966, abgesandt 16. März 1966, den Beschluß, den Klägern das Armenrecht zu entziehen und von der Zustellung der am 8. März 1966 eingereichten Klageschrift abzusehen; es begründete dies damit, bei Passung des Beschlusses vom 24. Februar 1966 sei übersehen worden, daß sich die Abwicklung des Unfalls nach dem eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Klagefrist nicht zulassenden Finanzvertrag richte.

4

Nunmehr wiesen die Kläger durch die Anwälte Dr. S. und F. in einem beim Landgericht am 18. März 1966 eingegangenen Schriftsatz vom 16. März 1966 darauf hin, die von ihnen am 2. August 1963 eingereichte Feststellungsklage sei weder zurückgenommen noch als unzulässig abgewiesen worden, der erforderliche Bescheid des AVL sei inzwischen ergangen; sie erklärten, sie nähmen den Rechtsstreit wieder auf und bäten um Bewilligung des Armenrechts. In einem weiteren Schriftsatz vom 4. April 1966, eingegangen 5 p April 1966, erklärten die Anwälte, sie wollten von der Feststellungsklage zur Leistungsklage übergehen. Das Armenrecht wurde nunmehr den Klägern am 22. April 1966 bewilligt, die Klageschrift vom 1. August 1963 sowie die Schriftsätze vom 16. März 1966 und 4. April 1966 wurden der Beklagten am 3. Mai 1966 zugestellt.

5

Die Kläger begehrten dann, die Beklagte zu verurteilen, ihnen eine lebenslängliche Rente von monatlich 240 DM, hilfsweise eine Kapitalentschädigung von 32.000 DM zu zahlen. Das Landgericht hat unter der Annahme, die im August 1963 eingegangene und am 3. Mai 1966 zugestellte Klage habe die am 28. November 1965 abgelaufene Klagefrist gewahrt, die Beklagte zur Zahlung von geringeren Rentenbeträgen als von den Klägern verlangt verurteilt und hat im Übrigen die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat der Berufung der Beklagten, mit der diese die Klage in vollem Umfang abgewiesen sehen wollte, durch Versäumnisurteil stattgegeben, weil die Klagefrist entgegen der Annahme des Landgerichts versäumt sei. Auf den Einspruch der Kläger und deren Antrag, ihnen die Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Klagefrist zu gewähren und unter Aufhebung des Versäumnisurteils die Berufung der Beklagten zurückzuweisen, hat es mit Urteil vom 13. November 1967 sein Versäumnisurteil aufrechterhalten.

6

Mit der Revision verfolgen die Kläger ihre zuletzt gestellten Anträge weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

7

Der dem Sohn der Kläger zugestoßene Unfall, bei dem ein auf einer Dienstfahrt begriffenes Fahrzeug der Ütationierungsstreitkräfte beteiligt war, hat sich in den Nachtstunden des 24. Mai 1962 und damit vor dem Inkrafttreten (1. Juli 1963) des NATO-Truppenstatuts zugetragen. Auf die Schäden, die die Kläger geltend machen, finden daher die Bestimmungen des Finanzvertrages vom 23. Oktober 1954 in der ab 5. Mai 1955 geltenden Fassung Anwendung. Das besagt Art. 41 Abs. 12 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut. Diese Bestimmungen gelten, da Art. 41 Abs. 12 keinen Unterschied gemacht hat, sowohl als sie eine sachlich-rechtliche als auch eine verfahrensrechtliche Regelung enthalten. Der Revision kann daher, wie im Zusammenhang hier betont sein soll, nicht gefolgt werden, wenn sie meint, den Klägern könne eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der in Art. 8 Abs. 10 Pv vorgesehenen Frist zur Anrufung der Gerichte gegen einen die Ansprüche der Klägerin ablehnenden Bescheid des AVL durch Art. 12 Abs. 3 NTS-AG bewilligt werden. Ein solches Ergebnis läßt sich auch nicht aus der von der Revision herangezogenen Stelle im Lehrbuch des Deutschen Zivilprozeßrechts von Rosenberg, hier 9. Aufl., § 6 I, gewinnen. Denn dort wird nicht mehr gesagt, als daß grundsätzlich - nicht, wenn das neue Recht durch Übergangsbestimmungen oder auf andere Weise ein anderes vorschreibe - das neue Prozeßrecht auch schwebende Erkenntnisverfahren ergreife.

8

Nach Art. 8 Abs. 1 FV waren Ansprüche wegen Verlusten oder Schäden, die im Bundesgebiet infolge von Handlungen oder Unterlassungen der Stationierungsstreitkräfte bei Erfüllung ihrer dienstlichen Verrichtungen entstanden waren, nach den Vorschriften des Finanzvertrages, insbesondere nach den weiteren Bestimmungen des Art. 8 FV zu verfolgen und zu behandeln. Ein Ersatzanspruch, wie er hier in Frage steht, war daher innerhalb einer Frist von 90 Tagen seit Kenntnis des Schadens bei der zuständigen Behörde geltend zu machen (Art. 8 Abs. 6 FV), und gegen den ablehnenden Bescheid der Behörde hatte der Ansprüchsberechtigte innerhalb von zwei Monaten nach Mitteilung im Sinne einer ordnungsmäßigen Zustellung (Urteile vom 20. Dezember 1962 - III ZR 86/62 = VersR 1963, 130 und 20. März 1967 - III ZR 113/66 - VersR 1967, 684) des Bescheides Klage gegen die Bundesrepublik zu erheben, die in Prozeßstandschaft für die Stationierungsstreitkräfte auftrat (Art. 8 Abs. 10 FV).

9

Als ablehnender Bescheid kommt hier die Entschließung des AVL vom 27. September 1965 in Betracht. Sie ist den Klägern in Urschrift wirksam zu Händen ihrer Anwälte am 28. September 1965 zugestellt worden. Die Zustellung richtete sich nach dem Verwaltungszustellungsgesetz des Landes Niedersachsen vom 20. November 1953 - GVBl S. 86 - (vgl. Urteile vom 20. Dezember 1962 - III ZR 86/62 und 20. März 1967 - III ZR 113/66). Nach § 1 dieses Gesetzes in Verbindung mit § 5 Abs. 2 des Verwaltungszustellungsgesetzes des Bundes vom 3. Juli 1952 - BGBl I 379 - kann die Zustellung an einen Anwalt gegen Empfangsbescheinigung, wie hier geschehen, erfolgen. Der von der Revision bemängelte Umstand, daß die Entschließung von einem Angehörigen des AVL "i.A." unterzeichnet ist, macht die Zustellung nicht unwirksam. Zu Unrecht zieht die Revision die Folge, daß mit der Zustellung vom 28. September 1965 die zweimonatige Klagefrist in Lauf gesetzt worden sei, mit der Erwägung in Zweifel, keiner der Bescheide des AVL habe darauf hingewiesen, daß zur Wahrung der Frist die Einreichung der Klageschrift genüge, wenn nur deren Zustellung demnächst stattfinde (vgl. § 261 b Abs. 3 ZPO). Eine Rechtsbehelfsbelehrung war im Finanzvertrag nicht vorgeschrieben; auch Art. 11 NTS-AG verlangt in seinem Aboatz 2 nur einen Hinweis auf die Klagemöglichkeit, nicht aber eine vollständige Rechtsbehelfsbelehrung. VJenn im übrigen das AVL in seiner Belehrung darauf verwies, es könne binnen einer bestimmten Frist Klage zu den Gerichten erhoben werden, so entsprach dies der Fassung des Finanzvertrages. Überdies ist nicht zu erkennen, wieso der Umstand, daß auf § 261 b Abs. 3 ZPO nicht hingewiesen wurde, die Anwälte der Kläger veranlaßt haben sollte, statt mehr weniger zu tun, als sie nach der Auffassung des Berufungsgerichts hätten tun müssen.

10

Die sonach am 28. September 1965 in Lauf gesetzte und mit dem 28. November 1965 endende Klagefrist ist, wie auch die Revision nicht anzweifelt, bei Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs durch die Einreichung des eine Rechtshängigkeit nicht herbeiführenden Armenrechtsgesuches vom 15./18. November 1965 nicht gewahrt worden (Urteile vom 24. Oktober 1960 - III ZR 132/59 = BGHZ 33, 360; 3. Mai 1962 - III ZR 41/61 = VersR 1962, 738; 20. März 1967 - III ZR 113/66 = VersR 1967, 684). Die Frage, ist dann nur die, ob die Klageschrift, die von den Klägern am 2. August 1963 eingereicht, nach der am 28. September 1965 stattgefundenen Zustellung der Entschließung des AVL vom 27. September 1965 auf eine Leistungsklage umgestellt und sodann der Beklagten am 3. Mai 1966 zugestellt worden ist, als eine Klage angesprochen werden kann, die gegen den genannten Bescheid rechtzeitig erhoben worden ist; dabei ist die Bestimmung des § 261 b Abs. 3 ZPO zu beachten (vgl. Urteile vom 16. Dezember 1959 - IV ZR 103/59 -; 5. Juni 1961 - III ZR 73/60 -), nach der dann, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, diese Wirkung bereits mit der Einreichung der Klage eintritt, sofern die zur Erhebung der Klage ebenfalls notwendige (§ 253 Abs. 1 ZPO) Zustellung demnächst erfolgt. Ergänzend sei nur klargestellt, daß, wie das Berufungsgericht mit Recht angenommen hat, die vom Landgericht am 2. August 1963 formlos durchgeführte Übermittlung der Klageschrift an die Beklagte zur Stellungnahme zu dem mit der Klage in demselben Schriftsatz verbundenen Armenrechtsgesuch keine Zustellung der Klage darstellt (BGHZ 7, 268, 270) [BGH 10.10.1952 - V ZR 159/51].

11

Bei der Beantwortung der eben aufgezeigten Frage ist zu bedenken:

12

Die zweimonatige Klagefrist des Art. 8 Abs. 10 PV ist nach der Rechtsprechung des Senats eine prozessuale Ausschlußfrist, auf deren Einhaltung von Amts wegen zu achten ist; der Bescheid des AVL ist eine Prozeßvoraussetzung (Urteile vom 24. Oktober 1960 - III ZR 132/59 = BGHZ 33, 360; 5. Juni 1961 - III ZR 73/60 = HJW 1961, 1627; 9. Juli 1964 - III ZR 189/63 -; s. auch VersR 1962, 139;  1963, 1197- wie hier auch Arnolds in DRiZ 1961, 79, 83/4 -).

13

Der für das Fehlen einer Prozeßvoraussetzung maßgebende Zeitpunkt ist im allgemeinen der der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter, u.U. auch der der Revisionsverhandlung (Rosenberg a.a.O. § 89 IV 4). Es bestehen keine Bedenken, diese Grundsätze auf eine Klage gemäß Art. 8 Abs. 10 Finanzvertrag anzuwenden. Das bedeutet, daß ein zur Zeit einer vorzeitigen Klägerhebung noch ausstehender Bescheid des AVL während des gerichtlichen Verfahrens beigebracht werden kann und daß die Klage von da an als ein Rechtsbehelf gegen den Bescheid zu behandeln ist. Zu dem gleichen Ergebnis kommt Rieger, Stationierungsschädenrecht, NTS-AGr Art. 12 Anm. 3, wo er die Entschließung der Behörde als Prozeßvoraussetzung und ihre Nachholung als Heilung dieser Voraussetzung anspricht, auch Palandt, BGB 27. Aufl., NTS-AG Art. 12 Anm. 1, der die Entschließung der Behörde für eine Sachurteilsvoraussetzung halten möchte und es für genügend hält, wenn diese zur Zeit der Urteilsfällung vorliegt.

14

Das Ergebnis deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu §§ 26 ff AKG insoweit, als sie bei gegebenen Umständen die Durchführung eines schon anhängigen Rechtsstreits zuläßt, wenn das Verhalten der Parteien als die bisher unterbliebene Anmeldung und Ablehnung des Anspruchs nach dem AKG gedeutet werden kann.

15

Mit anderen Worten: Für die Frage, ob die Klage zulässig ist, ist es so anzusehen, als ob die Klage vom August 1963 erst nach dem Bescheid vom 27. September 1965 eingereicht worden wäre. Sie würde also die Frist wahren, wenn sie innerhalb der Klagefrist, sei es auch nach deren Ablauf, aber "demnächst" zugestellt worden ist (§ 261 b Abs. 3 ZPO).

16

Wie nun der Senat mehrfach hervorgehoben hat (u.a. Urteile vom 15. Dezember 1955 - III ZR 144/54 -; 5. Juni 1961 - III ZR 73/60 = NJW 1961, 1627; VersR 1962, 448 [BGH 29.01.1962 - III ZR 184/60];  1963, 459 [BGH 31.01.1963 - III ZR 142/61]; MDR 1963, 388;  23-Januar 1967 - III ZR 3/66 -) hat die klagende Partei, um der Rechtswohltat des § 261 b Abs. 3 ZPO teilhaftig zu werden, alles ihr Zumutbare zu tun, um die Voraussetzungen für eine alsbaldige Zustellung der Klageschrift zu schaffen; sie hat daher nicht nur Verzögerungen zu vermeiden, sondern ist gehalten, ihrerseits im Sinne einer möglichsten Beschleunigung zu wirken. Läßt es die Partei oder ihr Vertreter, dessen Verschulden sie sich anrechnen lassen muß (Urteil vom 5. Juni 1961 - III ZR 73/60 - mit weiteren Belegstellen; vglo auch Urteile vom 16. Dezember 1959 - IV ZR 103/59 -; 31. Januar 1963 - III ZR 142/61 = WM 1963, 336; 31. Januar 1966 - III ZR 119/64 -), hieran auch nur leicht fahrlässig fehlen, so ist, wenn hierdurch die Zeitspanne zwischen Einreichung und Zustellung der Klageschrift in einem nicht nur geringfügigen Ausmaß (mit-)verursacht worden ist, die Zustellung nicht mehr "demnächst" bewirkt. Es ist also nicht so sehr auf die Dauer dieser Zeitspanne abzuheben (vgl. BGHZ 25, 66; Urteile vom 16. Dezember 1959 - IV ZR 103/59 -; 25. Juni 1956 - II ZR 180/55 -), sondern darauf, ob der Partei in dem aufgezeigten Sinne ein Verschulden an der Dauer der Zeitspanne beizumessen ist, in welch' letzterem Falle auch eine Verzögerung um weniger als zwei Wochen von Bedeutung werden kann (Urteil vom 29. Januar 1962 - III ZR 184/60 -).

17

Darüber hinaus ist zu bedenken und zu unterscheiden:

18

Wußten die Rechtsanwälte H. und Dr. M., daß in dem mit dem Gesuch vom 15. November 1965 eingeleiteten Verfahren beim Landgericht Lüneburg - vor dem Februar 1964 war Rechtsanwalt H. allein vor dem AVL aufgetreten -, und für dieses Wissen könnte sprechen, daß sie in ihren Schriftsätzen vom 12. Februar 1964 und 10. April 1964 dem AVL mitteilten, die Klage sei von ihnen nicht erhoben worden, oder mußten sie wissen, daß der Schriftsatz der Klageseite vom 1. August 1963 nicht zugestellt worden war, dann gilt: Die Anwälte sahen sich damals einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gegenüber, nach der die Klagefrist des Art. 8 Abs. 10 FV nicht durch die bloße Anbringung eines die Rechtshängigkeit nicht begründenden Armenrechtsgesuchs gewahrt wurde und eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Klagefrist ausgeschlossen war. Sie durften sich nicht mit der Einreichung des Armenrechtsgesuchs am 18. November 1965 begnügen, sondern hätten alsbald für einen Hinweis an das Landgericht sorgen sollen, daß bereits im Jahre 1963 eine Klage eingereicht worden war und diese nunmehr nach dem Vorliegen des Bescheides des AVL von den Klägern in geeigneter Form weiterbetrieben werden könne und solle. Sin solcher Hinweis ist, wie dem Srstgericht entgegenzuhalten ist, in dem Armenrechtsgesuch vom 15. November 1965 nicht mit hinreichender Klarheit gegeben, das nur den Hinweis auf das im Jahre 1963 eingereichte Armenrechtsgesuch, wenn auch unter Anführung eines für ein Streitverfahren zutreffenden Aktenzeichens, enthält. Es wäre aber, wenn die Anwälte der ihnen nach § 261 b Abs. 3 ZPO zukommenden Mitwirkungspflicht genügen wollten, ein Hinweis auf die eingereichte und noch nicht zurückgenommene Klage angezeigt gewesen. Denn die Kläger hatten nach Einreichung des Schriftsatzes vom 1. August 1963 und nachdem der ihnen in vollem Umfang ungünstige Beschluß des Landgerichts vom 24. Januar 1966 ergangen war, das Verfahren nicht weiterbetrieben, die Akten waren weggelegt worden. Unter diesen Umständen konnte nicht erwartet werden, daß das Landgericht die Äinreichung des neuen Arraenrechtsgesuchs, mehr als zwei Jahre später, von sich aus zum Anlaß nehmen werde, auf das frühere Verfahren zurückzugreifen. Hätten die betreffenden Anwälte den Hinweis gegeben, so hätte das Landgericht möglicherweise ungesäumt die Zustellung der Klage durchgeführt. Abschließend läßt sich das nicht beurteilen. Zwar ist die Meinung vertreten worden, daß von der Zahlung der Prozeßgebühr nur die Terminsbestimmung, nicht aber die Zustellung der Klage abhängig gemacht werden dürfe (hierzu Bergerfurth in DRiZ 1960, 149). Doch führen Baumbach-Lauterbach, Zivilprozeßordnung 28. Aufl. § 118 Anm. 1 unter Hinweis auf § 111 Abs. 2 GKG, § 261 a Abs. 2 Satz 1 ZPO aus, eine Terminsbestimmung und demgemäß die Zustellung der Klage dürfte erst erfolgen, wenn entweder das Armenrecht zugebilligt oder der Vorschuß bezahlt sei, während das Erläuterungswerk zur Zivilprozeßordnung von Stein-Jonas, 18. Aufl. § 253 IV sich dahin ausläßt, da Ladung, Terminsbestimmung und Zustellung der Klage von Amts wegen vorgenommen würden, hänge es von den gerichtlichen Organen ab, ob eine Zustellung auch ohne Zahlung des Kostenvorschusses, eine Terminsbestimmung usw. erfolge. Hätte das Landgericht aber eine Zustellung der Klage vor der TerminsbeStimmung für nicht angängig erachtet, so hätten jedenfalls doch die Dinge einen anderen Verlauf genommen, als dies auf das Armenrechtogesuch vom 15./18. November 1965 hin geschehen ist. Das Landgericht hätte nämlich, wie aus seinen Beschlüssen vom 24. Februar 1966 und 22. April 1966 erhellt, den Klägern alsbald das Armenrecht bewilligt und die Klage vom August 1963 wäre erheblich früher als am 3. Mai 1966 der Beklagten zugestellt worden. Es reichte auch nicht aus, wenn die Anwälte, die den sichereren Weg zu gehen hatten, in ihrer Beschwerde vom 8./11. Februar 1966 auf die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung nach der neuen Bestimmung des Art. 12 Abs. 3 NTS-AG hinwiesen, wobei sie zugleich einräumten, daß der Finanzvertrag eine solche Wiedereinsetzung nicht vorgesehen habe. Denn die eingangs dargelegten Gründe ergeben zur Genüge, daß mit der, jetzt zwar auch von der Revision befürworteten Anwendung dieser neuen Bestimmung auf das Recht des Finanzvertrages schwerlich mit Erfolg gerechnet werden durfte. Das Landgericht hat denn auch seinen abweichenden Beschluß vom 24. Februar 1966 als auf einem Versehen beruhend alsbald wieder aufgehoben.

19

Hätten dagegen die Rechtsanwälte H. und Dr. M. nicht gewußt, daß die Klage vom August 1963 nicht zugestellt worden war, und hätten sie sich darüber auch nicht zu vergewissern brauchen, dann greift noch folgende Überlegung ein: Der Anspruchsberechtigte hatte nach dem Finanzvertrag binnen zwei Monaten nach Zustellung des ablehnenden Bescheides des AVL Klage zu erheben. Daraus ist die Pflicht des Anspruchsberechtigten abzuleiten, dann, wenn er eine Klage schon vor einer Entschließung des AVL erhoben hat, binnen zwei Monaten nach Zustellung der späteren Entschließung zu erklären, daß er die Klage auch gegenüber der Entschließung und trotz deren ihm ungünstigen Begründung weiterverfechten wolle. Eine solche Verpflichtung ist jedenfalls bei einer Fallgestaltung, wie sie hier vorliegt, zu bejahen. Die Anwälte H. und Dr. M. hätten daher auch hier dafür besorgt sein sollen, daß binnen der Klagefrist dem Landgericht gegenüber erklärt wurde, eine bereits vor dem ablehnenden Bescheid eingebrachte Klage solle nunmehr gegenüber dem ablehnenden Bescheid durchgeführt werden. Auch in einem solchen Fall hätten die Dinge den aufgezeigten anderen Verlauf genommen.

20

Daß die Kläger entsprechende Erklärungen nicht durch die Rechtsanwälte Dr. S. und F. hätten abgeben lassen können, ist nicht einzusehen, nachdem diese Anwälte Erklärungen, wie sie in ihren Schriftsätzen vom 16. März und 4. April 1966 enthalten sind, abgegeben haben. Damit erledigen sich die Bedenken der Revision, ob die Prozeßbevollmächtigten der Kläger ohne Armenrechtsbewilligung und ohne Kostenvorschuß sich zur Portführung des Prozesses bereitgefunden hätten.

21

Ergänzend ist noch zu bemerken: Das Bundesverfassungsgericht hat neuerdings (BVerfGE 22, 83 = NJW 1967, 1267 [BVerfG 06.06.1967 - 1 BvR 282/65] = DRiZ 1967, 235 [BVerfG 06.06.1967 - 1 BvR 282/65]) entschieden, mit Rücksicht auf die Arte 3, 20 GG müsse einem unbemittelten Rechtsmittelkläger im Zivilprozeß bei gegebenen Umständen Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist des § 234 ZPO gewährt werden. Der Entscheidung liegt die Auffassung zugrunde: Die nach den genannten Grundrechtsbestimmungen gebotene Chancengleichheit einer vermögenden und einer armen Partei sei insofern nicht gegeben, als die vermögende Partei nur ausnahmsweise, nämlich wenn sie außergewöhnliche Ereignisse an der Fristwahrung hinderten, um die Wiedereinsetzung nachsuchen müsse, während die unbemittelte Partei hierauf regelmäßig angewiesen sei, um ein Rechtsmittel einlegen zu können. Die gebotene Angleichung der prozessualen Stellung beider Parteien werde nur durch eine Regelung gewährleistet, die es der armen Partei erlaube, vom Zeitpunkt der Bewilligung des Armenrechts an ihr Rechtsmittel mit wesentlich gleichen Chancen einzulegen, wie sie der vermögenden Partei zu Gebote stünden. Daher müsse die arme Partei auch gegen die Versäumung der Frist des § 234 ZPO, die hier zu einem Annex der für die Einlegung des Rechtsmittels bestimmten Notfrist werde, Wiedereinsetzung beanspruchen können.

22

Dieser Gedankengang ist jedoch auf die anders beschaffene Klagefrist des Art. 8 Abs. 10 FV, vorausgesetzt, daß diese Bestimmung überhaupt am Grundgesetz meßbar ist, nicht zu übertragen. Gegen die Veraäumung der Frist kann, wie in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dargelegt ist, auch einer vermögenden Partei Wiedereinsetzung nicht gewährt werden. Auf der anderen Seite hat auch eine arme Partei die Frist wahren können. Sie konnte einen Zahlungsbefehl erwirken, der wie eine Klage zur Rechtshängigkeit führt (§§ 696, 697 ZPO). Zwar soll der Zahlungsbefehl nach § 111 Abs. 2 GKG in der ab 1. Oktober 1965 geltenden Fassung des Gesetzes vom 30. Juni 1965 (Art. 2 § 3, Art. 3 § 3 dieses Gesetzes) erst nach Zahlung der Gebühr für das Mahnverfahren und der Auslagen für die förmliche Zustellung erlassen werden. Diese Vorwegleistungspflicht entfällt aber nach § 111 Abs. 4 GKG, wenn der Antragsteller, auch ohne daß ihm das Armenrecht bewilligt zu sein braucht, glaubhaft macht, daß ihm eine alsbaldige Zahlung der Gebühr mit Rücksicht auf seine Vermögenslage oder aus sonstigen Gründen Schwierigkeiten bereiten würde, oder wenn glaubhaft gemacht wird, daß eine Verzögerung (des Erlasses des Zahlungsbefehls) dem Kläger einen nicht oder nur schwer zu ersetzenden Schaden bringen würde (hier Versäumung der Klagefrist). Auch hatte die arme Partei die Möglichkeit, außerhalb des Anwaltszwanges eine Klage zu dem - sachlich unzuständigen - Amtsgericht zu erheben. Die Klage konnte mit fristwahrender Wirkung auch zu einem örtlich oder sachlich unzuständigen Gericht, selbst bei ausschließlicher Zuständigkeit eines anderen Gerichts, erhoben werden (BGHZ 34, 230;  35, 374), [BGH 20.09.1961 - V ZR 46/60]das dann die Klage an das zuständige Landgericht hätte verweisen können. Auch hier hätte zugunsten der Klagepartei die Bestimmung des § 111 Abs. 4 GKG eingegriffen. Besondere Mehrkosten, die der Klagepartei als Folge der Anrufung des Amtsgerichts erwüchsen (§ 276 Abs. 3 ZPO), waren nicht ohne weiteres zu befürchten. Besondere Gerichtskosten wären nicht entstanden; ein Wechsel des Anwalts auf selten der beklagten Partei wäre in der Regel nicht als notwendig anzusehen und damit nicht erstattungsfähig, wenn die beklagte Partei, wogegen hier nichts spricht, von vornherein einen Anwalt gewählt hätte, der sie auch nach der Verweisung des Rechtsstreits vertreten konnte (vglo auch Stein-Jonas-Schonke, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 18. Aufl., § 276 Anm. VIII 2).

23

So gesehen besteht hier eine ausreichende Chancengleichheit zwischen einer vermögenden und einer mittellosen Partei und scheidet es aus, die Klagefrist für letztere erst mit der Entscheidung über das Armenrechtsgesuch beginnen zu lassen.

24

Unter diesen Umständen braucht nicht entschieden zu werden, ob nicht dann, wenn innerhalb der Klagefrist des Art. 8 Abs. 10 FV die Anbringung eines Armenrechtsgesuchs genügt hätte und gegen die Versäumung der Klagefrist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hätte erteilt werden können, zuungunsten der Kläger bei Anwendung der §§ 232, 233 ZPO zu bedenken wäre: Ihre Anwälte hätten vielleicht innerhalb der Klagefrist auf die Klage vom August 1963 zurückgreifen oder doch in ihrem Armenrechtsgesuch vom November 1965 Ausführungen darüber machen sollen, daß entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist des Arto 8 Abs. 10 FV zulässig sei, anstatt, wie sie es getan haben, eine Wiedereinsetzungsnöglichkeit nach dieser Bestimmung als nicht gegeben und erst durch Art. 12 Abs. 3 NTS-AG eröffnet zu bezeichnen, wobei die Anwendbarkeit dieser letzteren Bestimmung mehr als fraglich erscheinen mußte.

25

Nach dem allem erweist sich die Revision als unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen und zugleich sind die Kläger in Anwendung von § 97 ZPO mit den Kosten des Revisionsverfahrens zu belasten.

Dr. Pagendarm
Dr. Kreft
Dr. Arndt
Dr. Hußla
Gähtgens