Bundesgerichtshof
Urt. v. 25.01.1956, Az.: 6 StR 100/55
Rechtsmittel
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 25.01.1956
- Aktenzeichen
- 6 StR 100/55
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1956, 12291
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Nürnberg - 31.03.1955
Verfahrensgegenstand
Vergehen gegen § 129 StGB
In der Strafsache
wegen Vergehens gegen § 129 StGB
hat der 6. Strafsenat des Bundesgerichtshofs
in der Sitzung vom 25. Januar 1956,
an der teilgenommen haben:
Senatspräsident Dr. Geier als Vorsitzender,
Bundesrichter Dr. Heimann-Trosien,
Bundesrichter Dr. Willms,
Bundesrichter Weber,
Bundesrichter Dr. Mannzen als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft.
Justizangestellter ... als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 31. März 1955 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit es den Angeklagten Hans J. betrifft.
Im Umfange der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht zurückverwiesen.
Gründe
Seit Mitte Februar 1953 hatte die Freie Deutsche Jugend (FDJ) im "Maxfeldkeller" in Nürnberg eine Verteilungsstelle für ihre Propaganda- und Schulungsschriften eingerichtete Von dort aus wurden nach einem Verteilerschlüssel die Grosstädte München, Nürnberg und Augsburg sowie sieben "Schwerpunktkreise" u.a. mit dem Mitteilungsblatt der FDJ in Bayern "Blaue Fahne" sowie acht mittlere und dreiundzwanzig kleinere Kreise mit dem Zentralorgan der FDJ "Das Junge Deutschland" beliefert. Die Verteilungsstelle wurde von einem gewissen "A." geleitet. Auf dessen Weisung machte der Angeklagte schon vor Einrichtung der Verteilungsstelle eine Druckerei ausfindig, liess dort 5-600 Stücke der "Blauen Fahne" drucken, holte sie ab und bezahlte sie. Ferner ermittelte er eine Person, die sich bereit erklärte, für die FDJ bestimmte Pakete entgegenzunehmen. Von Februar 1953 an war der Angeklagte etwa drei Monate lang in der Verteilungsstelle gegen ein Entgelt von wöchentlich 30 DM tätig, und zwar anfangs zusammen mit "A.", dann einige Zeit allein und zuletzt mit zwei Hilfskräften. Er verteilte die Druckschriften nach einem Verteilerschlüssel, den ihm "A." überlassen hatte, verpackte sie und gab die Pakete bei der Post auf. Ferner beförderte er einmal Pakete aus dem "Maxfeldkeller" mittels Kraftwagens nach Würzburg, Schweinfurt und Weiden und gab sie dort an Mittelsmänner weiter.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen fortgesetzten Vergehens nach § 129 Abs. 1 StGB zu vier Monaten Gefängnis verurteilt und diese Strafe als durch die erlittene Untersuchungshaft verbüsst erklärt.
Die Revision der Staatsanwaltschaft rügt die Nichtanwendung der §§ 90 a, 129 Abs. 2 StGB. Sie hat Erfolg.
Das Landgericht sieht den Angeklagten vor allem deshalb nicht als "Rädelsführer" oder "Hintermann" im Sinne der genannten Bestimmungen an, weil er "sich nach den Weisungen des A. richten musste und keine eigene Initiative entwickeln konnte". Diese Erwägung ist nicht frei von Rechtsirrtum. Als Rädelsführer oder Hintermann sowohl im Sinne des § 90 a wie des § 129 Abs. 2 StGB kommt derjenige in Betracht, der die Vereinigung wesentlich fördert (BGHSt 7, 279 [BGH 09.03.1955 - StE 160/52]). Nach den bisherigen Feststellungen trifft dies bei dem Angeklagten zu. Es ist allgemeinkundig, dass den sog. technischen Einrichtungen grosse Bedeutung für das Fortbestehen und den Zusammenhalt gesetzwidriger Vereinigungen zukommt; das gilt besonders von den zur Verteilung des Propaganda- und Schulungsmaterials geschaffenen Stellen. Denn die Tätigkeit der Untergliederungen wird zum grossen Teil durch die ihnen zugehenden Druckschriften der Vereinigung angeregt und bestimmt. - Bei der Verteilungsstelle in Nürnberg hat es sich, wenn man die Grosse des von ihr aus belieferten Gebiets berücksichtigt, ersichtlich um eine besonders wichtige Stelle dieser Art gehandelt". Die Tatsache, dass der Angeklagte nur anfangs unter Aufsicht, später aber allein oder zusammen mit Hilfskräften tätig war, lässt erkennen, dass er nicht nur reine Handarbeit wie Verpacken und Befördern verrichtet hat. Darauf, ob er von Weisungen abhängig war oder nicht, kommt es nicht entscheidend an. Die gegenteilige Auffassung würde zu dem unhaltbaren Ergebnis führen, dass bei straff zentral gelenkten Vereinigungen im Sinne des § 90 a StGB nur die obersten Funktionäre strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten.
In der vom Angeklagten an bedeutsamer Stelle entfalteten nachhaltigen Tätigkeit ist somit eine wesentliche Förderung der FDJ zu erblicken. Die bisherigen Feststellungen sprechen weiter dafür, dass der Angeklagte innerhalb dieser Organisation selbst gewirkt hat, also Rädelsführer war. Auf die förmliche Mitgliedschaft kommt es dabei nicht an (BGH 6 StR 45/54 vom 6. Oktober 1954).
Eine solche gehört auch nicht zum Begriff der "Teilnahme" im Sinne des § 128 StGB. Vielmehr nimmt als Mitglied an einer Geheimverbindung derjenige teil, der seinen Willen dem der Verbindung unterordnet und in fortdauernder Weise für ihre Zwecke tätig wird (BGH 6 StR 4/55 vom 30. März 1955). Dies kann bei dem Angeklagten zutreffen Die Ausführungen des Landgerichts, mit denen es den Tatbestand des § 128 StGB verneint, lassen erkennen, dass es die förmliche Mitgliedschaft für erforderlich gehalten hat. Auch hat es nicht geprüft, ob sich der Angeklagte nicht mindestens der Beihilfe zu einem Vergehen nach § 128 StGB dadurch schuldig gemacht hat, dass er den "Alfred" als Leiter der Verteilungsstelle der FDJ unterstützt hat.
Da insoweit keine ausreichenden Feststellungen, besonders zur inneren Tatseite, getroffen sind, konnte der Senat den Schuldspruch nicht von sich aus berichtigen; das Urteil muss vielmehr aufgehoben werden.
Bei der neuen Verhandlung wird das Landgericht auch zu prüfen haben, ob die Voraussetzungen des § 94 StGB erfüllt sind.
Die Entscheidung entspricht dem Antrag des Oberbundesanwalts.
Heimann-Trosien
Willms
Dr. Mannzen
Weber