Bundesgerichtshof
Beschl. v. 14.06.1954, Az.: GSZ 3/54
Bewertung eines an einem den Prozessparteien nicht bekanntgegeben Termin verkündeten Urteils eines Berufungsgerichts als Scheinurteil; Vorliegen eines Urteilsentwurfs bei fehlender ordnungsgemäßer Verkündung eines angefochtenen Urteils; Gleichstellung von nicht ordnungsgemäß verkündeten Urteilen mit gar nicht verkündeten Urteilen; Heilungsmöglichkeit von Mängeln in der Urteilsverkündung; Unheilbare Nichtigkeit eines Urteils bei nicht vorschriftsmäßiger Besetzung eines erkennenden Gerichts; Rechtsfolgen einer Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips in einer mündlichen Verhandlung; Mindestanforderungen an die Verlautbarkeit eines Urteils
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 14.06.1954
- Aktenzeichen
- GSZ 3/54
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1954, 10104
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- BGHZ 14, 39 - 53
- JZ 1954, 581-583 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1954, 1281-1283 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Ein Urteil des Berufungsgerichts, das nicht in dem zu diesem Zweck anberaumten Verkündungstermin, sondern in einem anderen den Parteien nicht bekanntgegebenen Termin verkündet worden ist, ist kein Scheinurteil und kann die Grundlage einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts bilden.
Redaktioneller Leitsatz
Wird ein Urteil nicht in dem zu diesem Zweck anberaumten Verkündungstermin, sondern in einem anderen den Parteien nicht bekanntgegebenen Termin verkündet, so handelt es sich nicht um ein Scheinurteil.
In dem Rechtsstreit
hat der Große Senat für Zivilsachen des Bundesgerichtshofs
in der Sitzung vom 14. Juni 1954
unter Mitwirkung
des Präsidenten des Bundesgerichtshofs Dr. Weinkauff,
der Senatspräsidenten Prof. Dr. Meiß, Prof. Dr. Geiger und
der Bundesrichter Wilde, Johannsen, Dr. Fischer, Dr. Krüger-Nieland, Dr. Hauß und Dr. Großmann
beschlossen:
Tenor:
Ein Urteil des Berufungsgerichts, das nicht in dem zu diesem Zweck anberaumten Verkündungstermin, sondern in einem anderen, den Parteien nicht bekanntgegebenen Termin verkündet worden ist, ist kein Scheinurteil und kann die Grundlage einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts bilden. (1)
Gründe
I.
Dem I. Zivilsenat liegt folgender Sachverhalt zur Entscheidung vor: Das Berufungsgericht hatte in der letzten mündlichen Verhandlung einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 26. Mai 1952 anberaumt. An diesem Tage verkündete es jedoch keine Entscheidung, es fehlt auch ein Protokoll mit diesem Datum in den Akten. Dagegen liegt lediglich ein Verkündungsprotokoll vom 9. Juli 1952 vor, nach welchem in diesem Termin das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts verkündet worden ist.
Bei der Prüfung der Frage, ob das angefochtene Urteil mangels einer ordnungsgemäßen Verkündung nur ein Urteilsentwurf und daher noch nicht existent geworden sei, ist der I. Zivilsenat in Übereinstimmung mit dem III. Zivilsenat (BGHZ 10, 346 [BGH 12.10.1953 - III ZR 379/52]) der Ansicht, daß das angefochtene Berufungsurteil nur ein Urteilsentwurf sei und daher nicht die Grundlage einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts bilden könne. Der I. Zivilsenat sieht sich an einer dahingehenden Entscheidung jedoch durch ein Urteil des II. Zivilsenats (BGHZ 10, 328 [BGH 07.10.1953 - II ZR 208/52]) gehindert, das die gegenteilige Auffassung vertritt und 3 Tage vor Erlaß des Urteils des III. Zivilsenats in BGHZ 10, 346 [BGH 12.10.1953 - III ZR 379/52] ergangen war. Der I. Zivilsenat hat deshalb gemäß § 136 GVG dem Großen Senat für Zivilsachen folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:
Kann ein Urteil des Berufungsgerichts die Grundlage einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts bilden, das nicht in dem zu diesem Zweck anberaumten Verkündungstermin, sondern in einem anderen, den Parteien nicht bekanntgegebenen Termin verkündet worden ist, oder handelt es sich um ein Scheinurteil, das vom Revisionsgericht beseitigt werden muß?
II.
1.)
Das Reichsgericht hat in zwei Entscheidungen die vorgelegte Rechtsfrage in dem Sinn beantwortet, daß es ein Urteil, welches in einem den Parteien nicht bekanntgegebenen Termin verkündet worden ist, als ein Scheinurteil oder als ein Nichturteil angesehen hat, das in dem anschließenden Rechtsmittelverfahren von dem Rechtsmittelgericht ohne Sachentscheidung beseitigt werden muß (RG JW 1936, 3313; 1937, 1664). Den Ausgangspunkt für diese Rechtsprechung des Reichsgerichts bildet die von diesem Gericht schon früh vertretene Auffassung, daß jedes Urteil zu seiner Entstehung der Verkündung bedürfe, daß also ein Urteil, ohne verkündet zu sein, nur als ein Urteilsentwurf betrachtet werden könne (RGZ 16, 331; 17, 421; JW 1905, 115). Diese Auffassung hat das Reichsgericht sodann ohne weitere Begründung dahin erweitert, daß es ein Urteil, das nicht ordnungsgemäß verkündet wurde, als nicht erlassen, also als ein Nichturteil betrachtet hat (RG JW 1915, 592). In der Polgezeit hat das Reichsgericht diese Rechtsprechung in der Form fortgeführt, daß es jeden Mangel bei der Verkündung des Urteils einer fehlenden Urteilsverkündung gleichgestellt und demgemäß jedes mangelhaft verkündete Urteil als ein Nichturteil angesehen hat. In der Entscheidung RGZ 90, 296 leitet das Reichsgericht aus dieser Auffassung die Ansicht ab, daß das Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu prüfen habe, ob das angefochtene Urteil formgerecht verkündet ist, und daß die von Amts wegen zu berücksichtigenden Mängel der Verkündung zu denjenigen gehören, die nach § 295 Abs. 2 ZPO nicht durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Erklärung der Parteien geheilt werden können. Die späteren Entscheidungen des Reichsgerichts befassen sich sodann mit der Anwendung dieser Rechtsgrundsätze auf die verschiedensten Arten der Verkündungsmängel, wobei hervorzuheben ist, daß seit der Entscheidung RGZ 135, 118 in diesem Zusammenhang wiederholt die Wendung anzutreffen ist, daß es nicht angehe, "bei den Vorschriften über die Verlautbarung des Urteils zwischen wichtigen und unwichtigen Vorschriften zu unterscheiden und bloß jene für zwingend zu erklären". Im einzelnen hat das Reichsgericht diese Grundsätze auf den Fall angewandt, daß bei einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren die in § 7 Entl VO vorgeschriebene Zustellung des Urteils von Amts wegen fehlt (RGZ 120, 245; 123, 336; DR 1944, 384), daß die in § 310 ZPO vorgeschriebene Verkündung des Urteils unterblieben und statt dessen das Urteil zu Unrecht nach § 7 Entl VO von Amts wegen zugestellt worden ist (RGZ 133, 215), daß ein von der Kammer beschlossenes Ehescheidungsurteil zu Unrecht durch den Berichterstatter als Einzelrichter verkündet ist (RG 135, 118), oder daß eine formgerechte Verkündung des Urteils nicht nachweisbar ist, weil ein wirksames Verkündungsprotokoll wegen Fehlens der Unterschrift des Vorsitzenden (RGZ 148, 151) oder aus einem sonstigen Grund eine ordnungsgemäße Niederschrift über die Verkündung des Urteils nicht vorgelegen hat (RG JW 1936, 1903). An diese Rechtsprechung knüpfen sodann die für die Beurteilung der vorliegenden Frage wesentlichen Entscheidungen in JW 1936, 3313 und JW 1937, 1664 an. In diesen Entscheidungen wird der Grundsatz aufgestellt, daß es an einer ordnungsgemäßen Verlautbarung des Urteils fehle, wenn es in einem Termin verkündet worden ist, der den Parteien weder durch die Verkündung eines Gerichtsbeschlusses noch durch eine Zustellung von Amts wegen bekannt gemacht worden war, und daß daher einem solchen Urteil nur die Bedeutung eines Urteilsentwurfes beigemessen werden könne. Begründet wird diese Auffassung hier noch zusätzlich mit einem Hinweis auf die Bedeutung, die dem Verkündungstermin für den Beginn der Rechtsmittelfristen nach den §§ 516, 552 ZPO und für den Wegfall einer vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 717 ZPO zukommt.
Gegenüber dieser Rechtsprechung findet sich nur in zwei Entscheidungen der Zivilsenate des Reichsgerichts eine gewisse Einschränkung. In den beiden Urteilen HRR 1931 Nr. 623 and RGZ 161, 61 hat das Reichsgericht dargelegt, daß die Verkündung eines Urteils in vermögensrechtlichen Streitigkeiten durch den Einzelrichter allein statt durch den Vorsitzenden in Anwesenheit der Beisitzer zwar einen Verstoß gegen § 310 ZPO darstelle, daß aber die Parteien auf die Befolgung dieser Vorschrift wirksam verzichten könnten, und daß demgemäß die Verletzung gegen diese im Gesetz vorgesehene Verlautberung nicht die Folge einer völligen Unwirksamkeit eines so verkündeten Urteils habe. Während diese beiden Entscheidungen im allgemeinen in ihrer Gedankenführung noch an die bisherige Rechtsprechung des Reichsgerichts anknüpfen und die Möglichkeit eines Rügeverzichts (§ 295 Abs. 2 ZPO) als tragenden Grund für die vorgenommene Einschränkung anführen, wird in der Entscheidung RGZ 161, 61 zur Begründung auch auf die Vorschriften der §§ 551 Nr. 1, 579 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hingewiesen, wonach nicht einmal die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Gerichts unheilbare Nichtigkeit des Urteils zur Folge habe.
Dem Reichsgericht ist in dieser Rechtsprechung der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone gefolgt, der in seiner Entscheidung MDR 1948, 139 [OGH Köln 15.04.1947 - ZS 1/48] ebenfalls die Auffassung vertritt, daß ein verkündetes Urteil nur die Bedeutung eines Urteilsentwurfes habe, wenn die Verkündung zwar ordnungsgemäß erfolgt, aber nicht oder in wesentlichen Punkten nur mangelhaft protokolliert und daher bis zu einer etwa zulässigen Berichtigung des Protokolls gemäß § 164 Nr. 1 ZPO unbeweisbar sei. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts steht neben dem bereits erwähnten Urteil des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGHZ 10, 346 [BGH 12.10.1953 - III ZR 379/52]) ein weiteres Urteil desselben Senats(Urteil vom 23. März 1953 - III ZR 170/51 -), in dem der Senat die Auffassung vertritt, daß ein Urteil in öffentlicher Sitzung verkündet werden müsse und daß ein Verstoß gegen diese zwingende Vorschrift das Urteil nicht im Rechtssinne zur Entstehung gelangen lasse.
Die Strafsenate des Reichsgerichts haben hinsichtlich der Verkündungsmängel bei einem Urteil wiederholt zu der Frage Stellung genommen, welche Folge die Verletzung des § 173 Abs. 1 GVG (Öffentlichkeitsprinzip bei der Verkündung eines Urteils) und die Verletzung des § 268 Abs. 2 Satz 1 StPO habe, wonach die Verkündung des Urteils durch Verlesung der Urteilsformel zu erfolgen habe. Dabei ist von den Strafsenaten des Reichsgerichts in keinem Fall angenommen worden, daß die Verletzung dieser zwingenden Vorschriften über die Verkündung des Urteils die Existenz des Urteils berühre. Während das Reichsgericht in der Verletzung des § 268 Abs. 2 Satz 1 StPOüber die Verlesung der Urteilsformel nicht einmal einen unbedingten Revisionsgrund erblickt (RGSt 16, 349; 71, 379),hat es bei der Beurteilung eines Verstoßes gegen das Mündlichkeitsprinzip bei der Verkündung des Urteils zunächst einen absoluten Revisionsgrund im Sinn des § 338 Nr. 6 StPO gesehen (RGSt 1, 90; 35, 106; 57, 26; 60, 279),später aber in diesem Fall das Vorliegen eines absoluten Revisionsgrundes verneint (RGSt 71, 377). Auch der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone und der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs haben in der Verletzung des § 173 Abs. 1 GVG bei der Verkündung eines Strafurteils im Unterschied zu dem III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nicht einen Mangel erblickt, der die Entstehung eines Urteils verhindere. Sie sind vielmehr in den Entscheidungen NJW 1950, 711 und BGHSt 4, 279 ohne weitere Erörterung als selbstverständlich davon ausgegangen, daß ein solches mangelhaft verkündetes Urteil nur ein anfechtbares Urteil sei. In der Entscheidung RGSt 71, 377 hat das Reichsgericht ausdrücklich zu der Frage Stellung genommen, ob eine Verletzung des § 173 Abs. 1 GVG die Entstehung eines Urteils verhindere. Es hat hierbei im Gegensatz zu den Gedankengängen der Zivilsenate des Reichsgerichts und der ihnen folgenden Zivilsenate des Obersten Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs dargelegt, daß das Strafverfahrensrecht vielfach zwingende Formvorschriften aufgestellt habe, ohne daran die Folgerung zu knüpfen, daß die Verletzung der Formvorschrift die Handlung unwirksam mache. Aus der Vorschrift des § 338 Nr. 6 StPO, wonach die Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips in der mündlichen Verhandlung nur die Anfechtbarkeit des Urteils begründe, obwohl ein solcher Verstoß auf den Inhalt des Urteils im allgemeinen eine sehr viel weitergehende Wirkung als die Verletzung des Öffentlichkeitsprinzips bei der Verkündung des Urteils haben könne, müsse gefolgert werden, daß dieser Verstoß nicht die Nichtigkeit des Urteils zur Folge habe. Hieraus entnimmt das Reichsgericht sodann abschließend, daß der Gesetzgeber die Öffentlichkeit nicht als Wesensmerkmal der Verkündung ansehe, die Öffentlichkeit mithin nicht zum Begriff der Verkündung gehöre, sie vielmehr nur ein Formerfordernis sei.
2.)
Im Schrifttum ist Rosenberg (Lehrb. des Zivilprozeßrechts 6. Aufl 1954 § 73 III 1 b, 2) der Auffassung der Zivilsenate des Reichsgerichts für die hier interessierende Frage, daß ein Urteil in einem nicht ordnungsgemäß bekanntgegebenen Verkündungstermin verkündet worden ist, beigetreten. Er leitet diese Annahme, wie seine Stellungnahme in NJW 54, 109; JZ 1954, 71 ergibt, nicht aus der zwingenden Natur der Formvorschriften über die Verlautbarung des Urteils ab, sondern stützt sich dabei allein auf die Bedeutung des Verkündungstermins und die nachteiligen Folgen, die die Verletzung der Vorschrift über die Bekanntgabe des Verkündungstermins für die Parteien haben können. Andererseits erkennt er im Gegensatz zu den Zivilsenaten des Reichsgerichts an, daß auch ein mangelhaft verkündetes Urteil nicht unwirksam sein müsse (Lehrb. aaO). Abgesehen von Rosenberg hat das sonstige Schrifttum gegen die Ansicht der Zivilsenate des Reichsgerichts Stellung genommen und insbesondere in der hier interessierenden Frage die Auffassung vertreten, daß die Verkündung eines Urteils in einem nicht ordnungsgemäß bekanntgegebenen Verkündungstermin die Existenz des Urteils nicht in Frage stelle (Jonas in Anm. zu RG JW 1936, 3313; 1937, 1664; Baumbach-Lauterbach, Korn ZPO 22. Aufl § 312 Bern 1; Sydow-Busch, Korn ZPO 22. Aufl § 310 Bern 1; Stein-Jonas-Schönke 17. Aufl § 310 I 3 b und c; vgl dazu auch Bauer-Mengelberg und Sonnen JW 1932, 2287; Jonas in Anm. zu KG JW 1932, 1981; Jellinek VerwR 3. Aufl S 270).
III.
Ausgangspunkt für die Beantwortung der vorgelegten Frage ist die in Rechtsprechung und Schrifttum allgemein vertretene Auffassung, daß ein jedes Urteil zu seiner Existenz der Verlautbarung bedarf. Ohne eine solche Verlautbarung ist ein Urteil nur ein Urteilsentwurf; es erzeugt keinerlei rechtliche Wirkungen. Es ist solange lediglich eine innere Angelegenheit des Gerichts. Es ist daher bis zu seiner Verlautbarung auch noch jederzeit abänderbar. Erst mit der Verlautbarung des Urteils beginnt sein selbständiges rechtliches Dasein.
1)
Bei dieser Rechtslage ist es entscheidend, welche Voraussetzungen gegeben sein müssen, um von dem Vorliegen einer Verlautbarung sprechen zu können. Es handelt sich hierbei am eine Frage, die nicht nur für die Urteile bedeutsam ist, sondern die in entsprechender Weise auch für das Existentwerden eines jeden Verwaltungsaktens wesentlich ist. Es ist die Frage nach den wesentlich Formerfordernissen, die vorliegen müssen, um das Urteil entstehen zu lassen. So wie bei jedem Verwaltungsakt sind in dieser Hinsicht auch an die Verlautbarung eines Urteils Mindestanforderungen zu stellen, ohne die von einer Verlautbarung und damit von einem erlassenen Urteil nicht gesprochen werden kann. Diese Mindestanforderungen können nicht mit all den Formerfordernissen gleichgestellt werden, die die Rechtsordnung für die Verlautbarung des Urteils aufstellt; denn es handelt sich bei der frage nach den Mindestanforderungen nicht darum, was für die Verlautbarung überhaupt an Formen vorgeschrieben ist, sondern darum, was an Einhaltung von Formvorschriften unerläßlich ist, um von der Verlautbarung eines Urteils sprechen zu können. So wie für die Entstehung eines Verwaltungsakts nach einem Ausdruck Forsthoffs (Lehrb. des Verwaltungsrechts 2. Aufl S 192), stets die Wahrung der gesetzlich vorgeschriebenen Formtype erforderlich ist, jedoch innerhalb der Formtype wiederum Formfehler von unterschiedlichem Gewicht möglich sind, so gelten auch für die Verlautbarung eines Urteils wesentliche und unwesentliche Formerfordernisse, von denen die einen zum Wesen der Verlautbarung gehören, die anderen dagegen nicht als notwendiges Wesensmerkmal der Verlautbarung angesprochen werden können. Es handelt sich hierbei um eine Unterscheidung, die das Reichsgericht in RGSt 71, 280 - mit einer etwas anderen Terminologie, aber in der Sache übereinstimmend - durch die Gegenüberstellung dessen, was zum Begriff der Verkündung gehört, und dessen, was nur Formerfordernis der Verkündung ist, gekennzeichnet hat.
Angesichts der zahlreichen Formvorschriften, die die Zivilprozeßordnung in den §§ 310/312 für die Verlautbarung eines Urteils aufstellt und zu denen die Vorschrift des § 173 Abs. 1 GVG noch hinzutritt, läßt sich nur an Hand jeder einzelnen Formvorschrift beurteilen, ob diese zu den wesentlichen oder zu den unwesentlichen Formerfordernissen für die Verlautbarung eines Urteils gehört. Eine allgemeine Formel, die für alle Verlautbarungsmängel von vornherein klarstellt, ob sie die Entstehung des Urteils ausschliessen oder nicht, läßt sich in dieser Hinsicht nicht aufstellen. Der zwingende Charakter der Formerfordernisse ist in dieser Hinsicht ohne Bedeutung. Denn es gibt in dem geltenden Verfahrensrecht, wie das Seichsgericht in RGSt 71, 280 zutreffend hervorgehoben hat, keinen Satz, nach dem die Verletzung zwingender Formvorschriften eine richterliche Handlung, insbesondere ein Urteil stets unwirksam macht. Im Gegenteil, lassen vor allem die Vorschriften über die absoluten Revisionsgründe und über die Wiederaufnahmegründe, aber auch die Vorschrift des § 540 ZPO erkennen, daß die Zivilprozeßordnung Urteile, die unter Verletzung zwingender Verfahrensvorschriften erlassen werden, keineswegs ohne weiteres als nichtig oder sogar als nicht existent betrachtet. Deshalb kann der Auffassung der Zivilsenate des Reichsgerichts, die bei der Beurteilung der hier maßgeblichen Rechtsfolge an den zwingenden Charakter der Vorschriften über die Verlautbarung anknüpfen, nicht gefolgt werden. Aus dem zwingenden Charakter dieser Vorschriften kann für die hier allein bedeutsame Frage, ob die formell mangelhafte Verlautbarung eines Urteils noch als eine Verlautbarung des Urteils angesprochen werden kann, nichts hergeleitet werden. Entscheidend ist vielmehr, ob die jeweils in Rede stehende Formvorschrift für die Verlautbarung des Urteils so wesentlich ist, daß bei einer Verletzung dieser Vorschrift von einer Verlautbarung des Urteils im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden kann. Es ist also in dieser Hinsicht der oben dargelegten Auffassung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Strafsachen zu folgen.
2.)
Die ordnungsgemäße Bekanntgabe des Verkündungstermins an die Parteien ist eine zwingende Vorschrift, die nicht unmittelbar die Form der Verkündung eines Urteils regelt, sondern die, wie bereits Jonas zutreffend hervorgehoben hat, die Voraussetzungen festlegt, unter denen die. Verlautbarung des Urteils zu erfolgen hat. Diese Vorschrift bestimmt das Verfahren, das der Verkündung des Urteils vorauszugehen hat. Die Verkündung des Urteils selbst wird durch dieses Verfahren nicht unmittelbar berührt. Sie ist der richterliche Akt, der sich erst an dieses Verfahren anschließt, nach dem Willen des Gesetzes die ordnungsgemäße Einhaltung dieses Verfahrens freilich voraussetzt. Ein Wesensmerkmal der Verkündung ist das Verfahren über die ordnungsgemäße Bekanntgabe des Verkündungstermins nicht; die Verkündung beschränkt sich ihrem Wesen nach auf das, was das mit dem Erlaß des Urteils befaßte Gericht im Verfahren als Prozeßentscheidung durch die Verkündung eines Urteils verlautbart. Um ein wesentliches Formerfordernis, ohne dessen Einhaltung von einem verlautbarten Urteil im Rechtssinn überhaupt nicht gesprochen werden kann, handelt es sich bei dieser Verfahrensvorschrift nicht,
3.)
Man kann auch nicht, wie Rosenberg aaO meint, aus der Bedeutung einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Verkündungstermins für die Parteien etwas anderes herleiten. Dieser schon vom Reichsgericht zusätzlich verwertete Gesichtspunkt kann hier nicht für sich allein, sondern nur innerhalb einer Gesamtbetrachtung der Rechtsfolgen berücksichtigt werden, die sich bei der einen and bei der anderen der beiden miteinander streitenden Rechtsauffassungen ergeben. Denn das Gesetz enthält unmittelbar keinen Ausspruch darüber, daß bei einer Verletzung der Verfahrensvorschriften über die Bekanntgabe eines Verkündungstermins mit Rücksicht auf die Bedeutung dieser Vorschriften ein gleichwohl verkündetes Urteil im Rechtssinn nicht zur Entstehung gelangt.
Für die Beantwortung dieser Frage geben die Vorschriften über die absoluten Revisionsgründe and über die Wiederaufnahmegründe einen unmittelbaren Anhaltspunkt. Aas diesen Vorschriften ist die allgemeine Tendenz, Urteile auch bei absoluten Verstößen materieller oder verfahrensrechtlicher Art in ihrem Bestand zunächst nicht in Frage zu stellen, klar ersichtlich. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit soll es nicht möglich sein, solche Urteile von vornherein als nicht bestehend zu betrachten und sich über sie ohne weiteres hinwegzusetzen. Dabei ist der absolute Revisionsgrund des § 551 Nr. 5 ZPO und der Wiederaufnahmegrund des § 579 Nr. 4 ZPO in diesem Zusammenhang besonders bedeutsam. Danach ist ein Urteil, das gegen eine Partei in einem Verfahren ergangen ist, in dem diese nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, nicht ein Nichturteil, sondern nur ein anfechtbares oder ein aufhebbares Urteil. Dieser Mangel ist für die betroffene Partei ungleich schwerwiegender als der Mangel einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe eines Verkündungstermins. Denn in den Fällen der §§ 551 Nr. 5, 579 Nr. 4 ZPO kann gegen die betroffene Partei ein Urteil ergehen, ohne daß sie von dem gegen sie eingeleiteten Verfahren Kenntnis hatte, ohne daß sie also mit der Möglichkeit eines gegen sie erlassenen Urteils überhaupt rechnen konnte. Hinzu kommt, daß ein solcher Verfahrensmangel in der Regel auch den Inhalt des ergangenen Urteils beeinflußt, weil die nicht vorschriftsmässig vertretene Partei im allgemeinen nicht die Möglichkeit einer sachgerechten Vertretung ihres Standpunktes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht hat. Wenn in einem Fall dieser Art ein so schwerwiegender Mangel nicht die Nichtigkeit oder gar die Nichtexistenz eines gleichwohl ergangenen Urteils zur Folge hat, so liegt es nahe, eine dahingehende Folgerung bei dem sehr viel leichteren Verstoß einer nicht ordnungsgemässen Bekanntgabe des Verkündungstermins für unzulässig zu erachten. Denn dieser Mangel beeinflußt im allgemeinen nicht den Inhalt des ergangenen Urteils und er bringt es auch nicht mit sich, daß die betroffene Partei überhaupt nicht mit der Möglichkeit eines gegen sie ergangenen Urteils rechnen konnte.
Gegen die Verwertung des Rechtsgedankens der §§ 551 Nr. 5, 579 Nr. 4 ZPO in diesem Zusammenhang kann nicht eingewendet werden, daß die Vorschriften der §§ 551 Nr. 5, 579 Nr. 4 ZPO den Erlaß eines ordnungsgemäß verkündeten Urteils voraussetzen, hier aber gerade die Frage nach dem Erlaß eines solchen Urteils noch offen und erst zu beantworten sei. Ein solcher Einwand ist deshalb unbegründet, weil der Mangel in den Verfahrensvoraussetzungen für die Verkündung des Urteils den rechtlichen Bestand dieses Urteils nicht in Frage stellt, und es sich hier nur darum handelt, ob angesichts der Bedeutung einer ordnungsgemässen Bekanntgabe des Verkündungstermins für die Parteien der rechtliche Bestand des Urteils verneint werden kann. Die durchaus anzuerkennende Bedeutung einer Beachtung der Verfahrensvorschriften über den Verkündungstermin vermag jedoch, gerade wenn man den in den §§ 551 Nr. 5, 579 Nr. 4 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken entsprechend berücksichtigt, die Annahme eines Nichturteils nicht zu rechtfertigen.
4.)
Diese Beurteilung findet eine Bestätigung, wenn man die Rechtfolgen miteinander abwägt, die sich einerseits ergeben, wenn man bei einer Verletzung der Vorschriften über die Bekanntgabe des Verkündungstermins von der Annahme eines Nichturteils ausgeht, und die andererseits eintreten, wenn man in diesen Fällen den rechtlichen Bestand des so verkündeten Urteils nicht verneint.
a)
Die Erfahrung lehrt, daß es sich bei den Verkündungsmängeln, die Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen sind, keineswegs um seltene Ausnahmefälle handelt. Diese Mängel sind meistens und der hier in Betracht kommende Mangel einer nicht ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Verkündungstermins stets solcher Art, daß sie dem ergangenen Urteil selbst nicht anzumerken sind. Sie sind in diesem Fall nur aus den Gerichtsakten ersichtlich und finden erfahrungsgemäß vielfach überhaupt keine Beachtung. Wenn man in diesen Fällen gleichwohl zur Annahme gelangt, daß das nicht ordnungsgemäß verkündete Urteil ein Nichturteil sei, so hat das notwendigerweise zur Folge, daß solche Urteile noch nach Jahren, wenn nämlich erst dann der Mangel durch eine Einsicht in die Gerichtsakten festgestellt wird, als nicht existent betrachtet werden müssen. Es liegt auf der Hand, daß sich hieraus schwerwiegende Verwicklungen ergeben müssen. Diese sind bei den Gestaltungsurteilen in Ehesachen, aber auch im Gesellschaftsrecht fast unübersehbar, führen aber auch in den übrigen Fällen, z.B. nach vorausgegangenen Vollstreckungsmaßnahmen, zu einer unvertretbaren Rechtsunsicherheit. Diese Rechtsfolgen sind um so unerfreulicher, weil sie darauf beruhen, daß die Betroffenen sich in ihrem Verhalten zunächst von dem Vertrauen haben leiten lassen, das sie dem ergangenen Urteil entgegengebracht haben und das nach dem Willen des Gesetzes einem Urteil auch entgegenbracht werden soll. Die Rechtssicherheit und der Rechtsfrieden, die durch ein gerichtliches Urteil wieder hergestellt werden sollen, würden bei einer solchen Annahme in einer unerträglichen Weise in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine solche Annahme steht zudem in Widerspruch mit dem Grundgedanken der Zivilprozeßordnung, die unter bewußter Aufgabe des im gemeinen Prozeßrecht geltenden Instituts der unheilbaren Nichtigkeit eines Urteils (actio nullitatis) Urteile auch bei schwersten Verstößen nicht als nichtig, sondern nur als anfechtbar und aufhebbar erklärt, und zwar gerade aus der durchaus zutreffenden Erkenntnis heraus, nur auf diesem Wege die unendlichen Schwierigkeiten der früheren Regelung vermeiden und damit den Rechtsfrieden und die Rechtsgewißtheit sicherstellen zu können. Bei dem weiten Anwendungsbereich, der der Rechtsprechung der Zivilsenate des Reichsgerichts für die Fälle der Verkündungsmängel zukommt, würde dieser Grundgedanke der Zivilprozeßordnung in zahlreichen Fällen in Frage gestellt werden, und zwar um formaler Mängel willen, die den Inhalt des Urteils im allgemeinen nicht beeinflussen und die dem Urteil selbst überhaupt nicht anzusehen sind. Gerade weil ein Urteil, das ohne eine ordnungsgemäße Bekanntgabe des Verkündungstermins verkündet worden ist, gleichwohl von dem Betroffenen als ein Gerichtsurteil betrachtet und ihm das entsprechende Vertrauen entgegengebracht wird, führt die Auffassung der Zivilsenate des Reichsgerichts hier zu einer unvertretbaren Mißachtung des gebotenen Vertrauensschutzes und zu einer Beeinträchtigung der notwendigen Rechtssicherheit und Rechtsgewißheit. Der letzte Grund für diese unerfreulichen Folgen liegt darin, daß ein solches Urteil durchaus den äusseren Tatbestand einer gerichtlichen Entscheidung setzt, ihm also gerade nicht der Mangel eigen ist, der für die Annahme eines Nichturteils allgemein gefordert wird.
b)
Gegenüber diesen schwerwiegenden folgen für den Rechtsfrieden und die Rechtssicherheit, die sich aus der Annahme eines Nichturteils ergeben, sind die Rechtsfolgen bei der entgegengesetzten Auffassung keineswegs unvertretbar. Bei der Beurteilung dieser Rechtsfolgen ist zunächst von der Tatsache auszugehen, daß bei der fehlenden oder mangelhaften Bekanntgabe des Verkündungstermins die betroffene Partei bis zum Erlaß des Urteils von dem Verfahren unterrichtet ist, deshalb auch im allgemeinen von dem Erlaß des Urteils Kenntnis erlangen wird. Die Möglichkeit, daß dies nicht der Fall ist, ist zwar theoretisch nicht völlig auszuschließen, aber praktisch in der Regel ohne Bedeutung. Bei dieser Sachlage fällt der Hinweis auf die Vorschriften der §§ 516, 552 ZPO nicht wesentlich ins Gewicht. Denn hierbei ist zu berücksichtigen, daß jede Partei, falls sie ausnahmsweise doch einmal innerhalb von 6 Monaten keine Kenntnis von der Verkündung des Urteils erhält, die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist hat. Angesichts der Vorschrift des § 234 Abs. 3 ZPO würde ihr diese Möglichkeit erst dann abgeschnitten sein, wenn sie auch nach Ablauf von 1 1/2 Jahren keine Kenntnis von dem verkündeten Urteil erhält. Bei dieser Sachlage kann es sich also nur um theoretisch allerdings nicht ausschließbare Ausnahmefälle handeln, bei denen eine Partei durch eine nicht ordnungsgemäße Bekanntgabe des Verkündungstermins an einer Einlegung von Rechtsmitteln infolge des Ablaufs der Fristen gehindert ist. Diese praktisch nicht ins Gewicht fallenden Ausnahmefälle verringern sich noch dadurch, daß erfahrungsgemäß derartige Verkündungsmängel meist in der Form vorkommen, daß das Urteil in einem späteren als dem anberaumten Verkündungstermin verkündet wird, die Partei also schon mit dem Erlaß eines früheren Urteils rechnen mußte. Auch der Hinweis auf die Frist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO läßt die Folgen der Auffassung, daß das ohne ordnungsgemäße Bekanntgabe des Verkündungstermins verkündete Urteil nicht ein Nichturteil sei, nicht als unvertretbar erscheinen. Die Möglichkeit, daß die betroffene Partei nach Ablauf von 3 Monaten seit Verkündung des Urteils das Recht, eine Berichtigung des Tatbestandes zu verlangen, verliert, hängt mit der vielleicht etwas problematischen starren Frist des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO zusammen. Wird diese Vorschrift in allen Fällen ganz streng nach ihrem Wortlaut ausgelegt, so führt sie in anderen Fällen, etwa dann, wenn das Urteil nicht innerhalb von 3 Monaten abgesetzt wird, zu den gleich unerfreulichen Folgen, wobei in einem Fall der letzten Art die betroffene Partei bei einer strengen Auslegung des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO unter keinen Umständen vor Ablauf der Frist von dem Inhalt des Tatbestandes Kenntnis erlangen konnte. Wenn die Ausschlußwirkung des § 320 Abs. 2 Satz 3 ZPO selbst in einem solchen Fall in Kauf genommen werden sollte, dann muß das auch im Fall einer nicht ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Verkündungstermins geschehen, Sollte dieses jedoch bei einer verspäteten Absetzung des Urteils nicht getan werden, so können die Gesichtspunkte für eine solche abweichende Beurteilung auch für den hier in Betracht kommenden Fall verwertet werden. Schließlich läßt sich auch aus der Vorschrift des § 717 Abs. 1 ZPO kein durchgreifendes Argument gegen die Auffassung herleiten, daß das Urteil bei der nicht ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Verkündungstermins kein Scheinurteil ist.
Zwar lässt sich nicht verkennen, daß die Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall die betroffene Partei belasten kann. Aber diese Wirkung steht in keinem Verhältnis zu den unendlichen Schwierigkeiten, die sich bei der Annahme eines Scheinurteils ergeben. Hinzu kommt, daß die praktische Wirkung dieser Vorschrift im Rechtsleben offenbar allgemein als gering bewertet wird; denn sonst wäre es nicht zu verstehen, daß die Urteilsverkündung in aller Regel auch im ordnungsgemäß angesetzten Verkündungstermin in Abwesenheit der Parteien und ihrer Vertreter erfolgt. Bei dieser Sachlage kann der Hinweis auf die Vorschrift des § 717 Abs. 1 ZPO es nicht rechtfertigen, die schwerwiegenden Folgen in Kauf zu nehmen, die mit der Annahme eines Scheinurteils in dem hier in Betracht kommenden Fall zwangsläufig verbunden sind.
4.)
Ist somit davon auszugehen, daß ein Verstoß gegen die zwingenden Vorschriften über die Anberaumung und Bekanntgabe des Verkündungstermins nicht dazu führt, daß ein gleichwohl verkündetes Urteil nur ein Scheinurteil sei, so fragt es sich, welche Wirkungen ein solcher Verfahrensverstoß bei der Anfechtung des Urteils für die Entscheidung des Revisionsgerichts hat. In diesem Fall kommt es darauf an, ob der Verfahrensmangel bei der Verkündung des Urteils gemäß § 554 Abs. 3 Nr. 2 b ZPO gerügt ist und ob auf diesem Verfahrensverstoß die Entscheidung des Berufungsgerichts beruhen kann. Sind diese beiden Voraussetzungen gegeben, so muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Ist hingegen eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben, dann muß das Revisionsgericht diesen Verfahrensverstoß bei seiner Entscheidung unberücksichtigt lassen. Dabei ist hervorzuheben, daß auf dem hier in Betracht kommenden Verfahrensmangel das Berufungsurteil bei einer späteren Verkündung kaum jemals, im Fall einer früheren Verkündung wohl auch nur unter besonderen Umständen beruhen kann (vgl dazu Jonas JW 1936, 3313). Hieraus folgt, daß ein Urteil des Berufungsgerichts, das nicht in dem zu diesem Zweck anberaumten Verkündungstermin, sondern in einem anderen den Parteien nicht bekanntgegebenen Termin verkündet worden ist, die Grundlage einer Sachentscheidung des Revisionsgerichts bilden kann.
Meiß
Dr. Geiger
Wilde
Johannsen
Dr. Fischer
Krüger-Nieland
Dr. Hauß
Dr. Großmann