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Bundesarbeitsgericht
Beschl. v. 24.10.2018, Az.: 7 ABR 1/17
Erledigendes Ereignis als Voraussetzung einer Verfahrenseinstellung; Antrags- und Prozessführungsbefugnis der Beteiligten im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren
Gericht: BAG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 24.10.2018
Referenz: JurionRS 2018, 11859
Aktenzeichen: 7 ABR 1/17
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LAG Hamm - 22.11.2016 - AZ: 7 TaBV 67/16

BAG, 24.10.2018 - 7 ABR 1/17

Redaktioneller Leitsatz:

1. Nach § 83a Abs. 2 ArbGG ist ein Beschlussverfahren einzustellen, wenn die Beteiligten es für erledigt erklärt haben. Hat der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt und widersprechen andere Verfahrensbeteiligte der Erledigungserklärung, hat das Gericht zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ist das der Fall, ist das Verfahren einzustellen. Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetreten sind und dazu führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste. Anders als im Urteilsverfahren kommt es nicht darauf an, ob der gestellte Antrag bis dahin zulässig und begründet war (grundlegend BAG 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 65, 105; vgl. auch BAG 17. Mai 2017 - 7 ABR 22/15 - Rn. 14, BAGE 159, 111; 13. März 2013 - 7 ABR 39/11 - Rn. 20; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 8 und 19. Februar 2008 - 1 ABR 65/05 - Rn. 10).

2. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter, abgesehen von einer zulässigen Prozessstandschaft, antragsbefugt, wenn er eigene Rechte geltend macht. Die Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren und die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dienen dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis nur gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (BAG 19. Dezember 2017 - 1 ABR 33/16 - Rn. 28; 21. März 2017 - 7 ABR 17/15 - Rn. 9).

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt.

Von Rechts wegen!

Gründe

1

A. Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin betreibt in W einen als "Fachcentrum" bezeichneten Baumarkt mit ca. 80 Beschäftigten. Der Beteiligte zu 3. war der Geschäftsleiter dieses Fachcentrums. Nach den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen war er - ebenso wie der stellvertretende Geschäftsleiter des Fachcentrums - bevollmächtigt, selbständig Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern der Niederlassung vorzunehmen, Abmahnungen zu erteilen und sonstige Personalentscheidungen der Niederlassung zu treffen. Der Beteiligte zu 3. unterzeichnete in der Vergangenheit zahlreiche Arbeitsverträge.

2

Der zur Durchführung einer Betriebsratswahl bestellte, zu 1. beteiligte Wahlvorstand hat beantragt

festzustellen, dass der Arbeitnehmer P nicht leitender Angestellter iSd. § 5 Abs. 3 BetrVG ist.

3

Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.

4

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Wahlvorstands entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter.

5

Nach Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde wurde in dem Fachcentrum am 24. April 2017 eine Betriebsratswahl durchgeführt. Der Betriebsrat konstituierte sich am 2. Mai 2017. Zwischenzeitlich wurde der Beteiligte zu 3. zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Arbeitgeberin bestellt. Im Hinblick auf diese Entwicklungen hat der Wahlvorstand das vorliegende Verfahren für erledigt erklärt. Die Arbeitgeberin hat der Erledigungserklärung widersprochen.

6

B. Das Verfahren ist auf die einseitige Erledigungserklärung des Wahlvorstands in entsprechender Anwendung von § 95 Satz 4, § 83a Abs. 2 ArbGG einzustellen.

7

I. Nach § 83a Abs. 2 ArbGG ist ein Beschlussverfahren einzustellen, wenn die Beteiligten es für erledigt erklärt haben. Hat der Antragsteller das Verfahren für erledigt erklärt und widersprechen andere Verfahrensbeteiligte der Erledigungserklärung, hat das Gericht zu prüfen, ob ein erledigendes Ereignis eingetreten ist. Ist das der Fall, ist das Verfahren einzustellen. Ein erledigendes Ereignis sind tatsächliche Umstände, die nach Anhängigkeit des Beschlussverfahrens eingetreten sind und dazu führen, dass das Begehren des Antragstellers jedenfalls nunmehr als unzulässig oder unbegründet abgewiesen werden müsste. Anders als im Urteilsverfahren kommt es nicht darauf an, ob der gestellte Antrag bis dahin zulässig und begründet war (grundlegend BAG 26. April 1990 - 1 ABR 79/89 - zu B I 3 der Gründe, BAGE 65, 105; vgl. auch BAG 17. Mai 2017 - 7 ABR 22/15 - Rn. 14, BAGE 159, 111; 13. März 2013 - 7 ABR 39/11 - Rn. 20; 8. Dezember 2010 - 7 ABR 69/09 - Rn. 8 und 19. Februar 2008 - 1 ABR 65/05 - Rn. 10).

8

II. Vorliegend hat der Wahlvorstand als Antragsteller das Verfahren einseitig für erledigt erklärt. Ein erledigendes Ereignis ist zum einen deshalb eingetreten, da die Amtszeit des Wahlvorstands mit der Konstituierung des Betriebsrats geendet hat; zum anderen hat das Verfahren seine Erledigung gefunden, weil der Beteiligte zu 3. zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Arbeitgeberin bestellt worden ist. Aufgrund dieser Umstände müsste der Statusfeststellungsantrag jedenfalls nunmehr als unzulässig abgewiesen werden.

9

1. Der Wahlvorstand ist aufgrund der Beendigung seiner Amtszeit nicht (mehr) antragsbefugt.

10

a) Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist ein Beteiligter, abgesehen von einer zulässigen Prozessstandschaft, antragsbefugt, wenn er eigene Rechte geltend macht. Die Prozessführungsbefugnis im Urteilsverfahren und die Antragsbefugnis im Beschlussverfahren dienen dazu, Popularklagen auszuschließen. Im Beschlussverfahren ist die Antragsbefugnis nur gegeben, wenn der Antragsteller durch die begehrte Entscheidung in seiner kollektivrechtlichen Rechtsposition betroffen sein kann. Das ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn er eigene Rechte geltend macht und dies nicht von vornherein als aussichtslos erscheint (BAG 19. Dezember 2017 - 1 ABR 33/16 - Rn. 28; 21. März 2017 - 7 ABR 17/15 - Rn. 9).

11

b) Es kann dahinstehen, ob die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, ein Wahlvorstand sei für einen Statusfeststellungsantrag antragsbefugt, einer rechtsbeschwerderechtlichen Überprüfung standhielte. Das Amt des Wahlvorstands ist inzwischen erloschen. Es hat entweder mit der Einberufung des Betriebsrats zur konstituierenden Sitzung (BAG 14. November 1975 - 1 ABR 61/75 -; Fitting 29. Aufl. § 16 Rn. 83; Thüsing in Richardi BetrVG 16. Aufl. § 16 Rn. 59) oder spätestens mit der Wahl des Wahlleiters für die Wahl des Betriebsratsvorsitzenden in der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats vom 2. Mai 2017 (vgl. DKKW/Homburg 16. Aufl. § 16 Rn. 21; ErfK/Koch 18. Aufl. § 16 BetrVG Rn. 10; Kreutz GK-BetrVG 11. Aufl. § 16 Rn. 90 unter Hinweis auf § 29 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) geendet. Damit kann der Wahlvorstand durch das Ergebnis des vorliegenden Verfahrens nicht mehr in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsstellung betroffen sein.

12

2. Der Statusfeststellungsantrag ist auch deshalb unzulässig, weil der Beteiligte zu 3. zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Arbeitgeberin bestellt wurde und an dem Antrag daher kein Rechtsschutzinteresse mehr besteht.

13

a) Der Antrag ist auf die Feststellung des Status des Beteiligten zu 3. und nicht auf die Feststellung des Status des jeweiligen Inhabers der Stelle des Geschäftsleiters des Fachcentrums gerichtet. Dafür spricht nicht nur der Antragswortlaut, sondern auch die Antragsbegründung. Das Verfahren dient dem Zweck, Klarheit über den Status des Beteiligten zu 3. zu erzielen, um eine Anfechtbarkeit der vom Wahlvorstand durchzuführenden Wahl zu vermeiden. Die gerichtliche Entscheidung soll eine Vorfrage für die Wirksamkeit der Betriebsratswahl klären, indem sie für den Zeitpunkt der letzten mündlichen Anhörung in der Tatsacheninstanz verbindlich festlegt, ob der Beteiligte zu 3. leitender Angestellter ist oder nicht. Dem Wahlvorstand geht es nicht darum, für andere zukünftig auftretende Meinungsverschiedenheiten zu klären, ob der jeweilige Geschäftsleiter leitender Angestellter ist. An einer solchen Klärung hat der Wahlvorstand, dessen Amt mit der Konstituierung des Betriebsrats endet, auch kein Interesse.

14

b) Danach fehlt es an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse. Dieses entfällt für einen Statusfeststellungsantrag, wenn der Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausgeschieden ist oder im Betrieb eine andere Tätigkeit übernommen hat (vgl. BAG 23. Januar 1986 - 6 ABR 47/82 - BAGE 51, 29). Letzteres ist hier der Fall.

Gräfl
Kiel
Rennpferdt
Deinert
Jacobi

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