Rechtswörterbuch

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Hinweisgeberschutz

 Normen 

HinSchG

BT-Drs. 20/3442

RL 2019/1937

 Information 

1. Einführung

Die "EU-Richtlinie 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden" ist mit dem am 02.07.2023 in Kraft getretenen "Gesetz für einen besseren Schutz hinweisgebender Personen sowie zur Umsetzung der Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (Hinweisgeberschutzgesetz)" (verspätet) in das deutsche Recht umgesetzt worden.

Dabei hat der deutsche Gesetzgeber sich im Rahmen der Umsetzung der EU-Richtlinie für einen erweiterten Anwendungsbereich entschieden und zudem diesem Rechtsbereich mit dem "Hinweisgeberschutz" einen deutschen Namen gegeben.

Eine Begriffsbestimmung der in dem neuen Gesetz verwendeten Begriffe ist in § 3 HinSchG enthalten.

2. Anwendungsbereich

Persönlicher Anwendungsbereich:

Der persönliche Anwendungsbereich (§ 1 HinSchG) umfasst alle Personen, die in ihrem beruflichen Umfeld oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben.

Der persönliche Anwendungsbereich ist entsprechend den Vorgaben der HinSch-RL weit gefasst. Von der Hin-Sch-RL ausdrücklich umfasst werden nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/3442) neben Arbeitnehmern einschließlich Beamten beispielsweise auch Selbstständige, Anteilseigner, Mitarbeiter von Lieferanten, Praktikanten, Freiwillige und Organmitglieder von Gesellschaften wie z.B. Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft sowie Personen, die bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses Kenntnisse von Verstößen erlangt haben.

Hinweis:

Siehe insofern auch die Begriffsbestimmung in § 3 Abs. 8 HinSchG.

Der Anwendungsbereich erstreckt sich auch auf hinweisgebende Personen, die Verstöße melden oder offenlegen, wenn deren Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde.

Die Begrifflichkeit des "Zusammenhangs mit der beruflichen Tätigkeit" ist weit zu verstehen und jeweils im Lichte aller relevanten Umstände zu interpretieren. Sie reduziert sich nicht bloß auf das formale Arbeits- oder Dienstverhältnis, sondern umfasst zum Beispiel auch Tätigkeiten von Arbeitnehmervertretungen. Ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit ist anzunehmen, wenn laufende oder auch frühere berufliche Tätigkeiten betroffen sind und sich eine hinweisgebende Person Repressalien ausgesetzt sehen könnte, würde sie erlangte Informationen über Verstöße melden.

Nicht geschützt wird die Meldung oder Offenlegung von Informationen über privates Fehlverhalten, von dem die hinweisgebende Person im beruflichen Zusammenhang erfährt, das aber keinen Bezug zur beruflichen Tätigkeit hat. Dies gilt insbesondere auch für die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht von Beamten, die nicht dazu führt, dass die Meldung privaten Fehlverhaltens von Beamten in den Anwendungsbereich einbezogen wird.

Geschützt werden darüber hinaus in Absatz 2 auch Personen, die von der Meldung oder Offenlegung betroffen sind, etwa indem sie dort genannt werden und so potentielle Zeugen sein können.

Sachlicher Anwendungsbereich:

Der sachliche Anwendungsbereich (§ 2 HinSchG) greift die durch die HinSch-RL vorgegebenen Rechtsbereiche auf. Um Wertungswidersprüche zu vermeiden und die praktische Anwendung für hinweisgebende Personen ebenso wie für interne und externe Meldestellen handhabbar zu gestalten, wurden insbesondere das Strafrecht und bestimmte Ordnungswidrigkeiten einbezogen und die durch die HinSch-RL vorgegebenen Rechtsbereiche in begrenztem Umfang auf korrespondierendes nationales Recht ausgeweitet.

Ausgeschlossen ist die Anwendung des Gesetzes, wenn es um die in § 5 HinSchG geregelten Verschwiegenheits- und Geheimhaltungspflichten geht. Sofern diese Bereiche durch die Meldung nur berührt werden, so ist die Vorgehensweise in § 6 HinSchG geregelt.

3. Meldekanäle

Für hinweisgebende Personen werden mit internen und externen Meldekanälen zwei gleichwertig nebeneinanderstehende Meldewege vorgesehen, zwischen denen sie frei wählen können (§§ 7 bis 31 HinSchG).

Interne Meldestellen:

Beschäftigungsgeber müssen mindestens eine Stelle für interne Meldungen einrichten und betreiben (§ 12 HinSchG). Diese Pflicht gilt nicht, wenn der Beschäftigungsgeber nicht mindestens in der Regel 50 Beschäftigte hat, es sei denn, es handelt sich um die in § 12 HinSchG aufgeführten Branchen.

Verfahren bei einer internen Meldung (§ 17 HinSchG):

Die interne Meldestelle

  • bestätigt der hinweisgebenden Person den Eingang einer Meldung spätestens nach sieben Tagen,

  • prüft, ob der gemeldete Verstoß in den sachlichen Anwendungsbereich nach § 2 HinSchG fällt,

  • hält mit der hinweisgebenden Person Kontakt, 

  • prüft die Stichhaltigkeit der eingegangenen Meldung, 

  • ersucht die hinweisgebende Person erforderlichenfalls um weitere Informationen und 

  • ergreift angemessene Folgemaßnahmen nach § 18 HinSchG.

Externe Meldestelle des Bundes:

Rechtsgrundlage ist die "Verordnung über die Organisation der nach dem Hinweisgeberschutzgesetz einzurichtenden externen Meldestelle des Bundes" (Hinweisgeberschutzgesetz-Externe-Meldestelle-des-Bundes-Verordnung - HEMBV).

4. Voraussetzungen der Zulässigkeit einer Offenlegung

In Umsetzung der Anforderungen der HinSch-RL und unter Beachtung der Rechtsprechung des EGMR werden die Voraussetzungen festgelegt, unter denen eine hinweisgebende Person Informationen über Verstöße öffentlich zugänglich machen darf (§ 32 HinSchG), d.h. wenn sich diese Person nicht an eine interne oder externe Meldestelle wendet, sondern diese der Öffentlichkeit bekanntmacht. 

Der Gang an die Öffentlichkeit ist nur unter engen Voraussetzungen als Ausnahme konzipiert. Es wird nicht danach differenziert, auf welchem Wege die Öffentlichkeit informiert wird. Denkbar sind aber beispielsweise neben Berichten in den Medien auch Informationen in sozialen Netzwerken.

Dabei werden in der Vorschrift die verschiedenen Varianten aufgeführt, nach denen die Offenlegung zulässig ist. Zu den Ausführungen des Gesetzgebers hierzu, d.h. der vertieften Erläuterungen der Voraussetzungen, siehe die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 20/3442).

5. Schutz des Hinweisgebers

Sofern hinweisgebende Personen die Anforderungen des HinSchG an eine Meldung oder Offenlegung einhalten, werden sie umfangreich vor Repressalien wie Kündigung oder sonstigen Benachteiligungen geschützt, sofern die in den Normen bestimmten Voraussetzungen vorliegen (§§ 33 bis 39 HinSchG).

 Siehe auch 

Bestechung

Drohung

Compliance

Corporate Identity

Corporate Governance Kodex

Fürsorgepflicht - Arbeitsrecht

Geschäftsgeheimnis

Verhaltensbedingte Kündigung

Whistleblowing

Degenhart/Cziuba: Die EU-Whistleblower-Richtlinie und ihre arbeitsrechtlichen Auswirkungen; Betriebs-Berater - BB 2021, 570

Gerdemann: Das neue deutsche Whistleblowing-Recht; Neue Juristische Wochenschrift - NJW 2021, 3489

Zimmer/Humphrey: Petzen? Ja, bitte! Meldesysteme nach der Whistleblower-Richtlinie der EU; Betriebs-Berater - BB 2022, 376