LG Bochum zur Rechtsmissbräuchlichkeit bei gesonderter Abmahnung von GmbH und Geschäftsführer

Zivilrecht, Prozess und Zwangsvollstreckung
03.08.2010836 Mal gelesen
1. Im Rahmen von Abmahnungen, mit dem der mutmaßliche Gläubiger seine Rechte zunächst außergerichtlich durchzusetzen versucht, wird vonseiten der mutmaßlichen Schuldner im zunehmenden Maße die Rechtsmissbräuchlichkeit einer Abmahnung als Einwand entgegengehalten.
 
2. Dabei gilt es zu beachten, dass nur in Ausnahmefällen dieser Einwand tatsächlich vorliegt. Für das Durchgreifen dieses Einwands reicht es jedenfalls nicht aus, dass eine Vielzahl von Abmahnungen ausgesprochen werden. Denn nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofs ist es eben so, dass eine Vielzahl von wettbewerbswidrigen Verhalten eine Vielzahl von Abmahnungen nach sich ziehen kann.
 
3. Erst dann, wenn die Herstellung der Parität im Wettbewerb nicht mehr im Vordergrund steht, sondern andere Ziele in den Fokus rücken, kann der Einwand überhaupt mit Erfolg geltend gemacht werden.
 
4. Eine Entscheidung, in der Anhaltspunkte für das Vorliegen einer solchen Rechtsmissbräuchlichkeit dargestellt werden, soll nachfolgend dargestellt werden.
 
a) Das Landgericht Bochum hatte jetzt einen Fall zu entscheiden, bei dem es um zwei Mitbewerber im Handel mit Computerartikel im Onlinebereich ging. Zwischen diesen gab es bereits mehrere Rechtsstreitigkeiten. Im Nachfolgenden hatte der spätere Beklagte ein Angebot online gestellt, bei dem ausweislich des Angebots ein Versand innerhalb Europas angeboten wurde. Allerdings wurden die hierfür im Einzelnen anfallenden Versandkosten nicht genannt. Dieser Sachverhalt kam nun dem anderen Mitbewerber zur Kenntnis, woraufhin dieser den Verstoß geltend machte und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verlangte. In diesem Schreiben führte sodann der mutmaßliche Gläubiger aus, dass bei juristischen Personen und Personengesellschaften die Unterlassungserklärung nicht nur von der Gesellschaft selbst abzugeben sei, sondern auch persönlich von deren Repräsentanten. Dementsprechend waren auch in dem Muster der beigefügten Unterwerfungserklärung sowohl die GmbH als auch die Geschäftsführer genannt. Als keine entsprechende Erklärung abgegeben wurde, hatte der Kläger den Unterlassungsanspruch gegen die GmbH mittels einer einstweiligen Verfügung durchgesetzt, wobei im Nachfolgenden die GmbH eine sogenannte Abschlusserklärung abgegeben hatte, sodass die einstweilige Verfügung als endgültige Regelung zwischen den Parteien gilt. Danach wurden jedoch weitere Angebote mit demselben Verstoß online gestellt, sodass der Kläger nunmehr den Unterlassungsanspruch gegen die Geschäftsführer der Beklagten geltend machte. Gegen diese Klage brachten die Beklagten vor, dass das Handeln des Klägers rechtsmissbräuchlich sei. Dies ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass der Kläger in der Vergangenheit 2 Abmahnungen an einem Tag ausgesprochen habe, ferner, dass der Kläger überhöhte Vertragsstrafen fordere.
 
b) Das Landgericht Bochum hat mit Urteil vom 21.04.2010 unter dem Aktenzeichen I-13 O 261/09 den begehrten Unterlassungsanspruch mit dem Hinweis auf Rechtsmissbrauch abgewiesen. Hierzu führte das Gericht aus, dass ein Missbrauch im Sinne von § 8 Abs. 4 UWG dann vorliegen würde, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers sachfremde Ziele seien. Davon sei auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht des wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Antragsteller kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und die Abmahnung allein oder ganz überwiegend nur im Gebühreninteresse oder anderen sachfremden Interessen ausgesprochen wurde. Eine Vielzahl von Abmahnungen ist hierfür nicht ausreichend. Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Anspruchs begründen. Im vorliegenden Fall treten aber weitere Gründe hinzu, die den Rechtsmissbrauch begründen. So sei das getrennte Vorgehen gegen die GmbH und gegen die Geschäftsführer ohne sachlich nachvollziehbaren Grund erfolgt, da bereits in der Abmahnung die Unterlassung von der GmbH und den Geschäftsführern gefordert worden sei. Vorliegend käme noch hinzu, dass mehrere Abmahnungen ausgesprochen worden seien, die von vornherein hätten gebündelt werden können. Auch spreche vorliegend das Setzen enger Fristen und die Forderung von hohen Vertragsstrafen für einen Rechtsmissbrauch. Daraus ergebe sich in der Gesamtschau nach Ansicht des Gerichts der Rechtsmissbrauch.
 
5. Auch diese Entscheidung zeigt, dass allein das aktive Vorgehen eines Mitbewerbers gegen Wettbewerbsverstöße anderer Wettbewerber den Rechtsmissbrauch nicht begründen kann. Es müssen weitere Anhaltspunkte vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass andere Ziele verfolgt werden. Ob einer solcher Rechtsmissbrauch vorliegt, hängt dabei immer vom Einzelfall ab und bedarf einer genauen Prüfung des konkreten Falls.
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