Aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH 489/07 vom 03.09.3009) zur deutschen Regelung des Wertersatzes bringt Abmahnrisiko für Online-Händler

Verbraucherschutz
12.09.2009970 Mal gelesen

 Online-Händler sind auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 03.09.2009 hinzuweisen, dass unmittelbare Auswirkungen auf die im Bereich des Fernabsatzhandels verwendete Belehrung über das Widerrufsrecht der Verbraucher, namentlich die damit unter Umständen einhergehende Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz, haben kann (EuGH 489/07 vom 03.09.3009 http://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=2016). 

Mit der vorgenannten Entscheidung erteilt der Europäische Gerichtshof der Umsetzung der Fernabsatzrichtlinie in das nationale deutsche Recht ein "ungenügend" und stellt fest, dass die Umsetzung mit dem höherrangigen Gemeinschaftsrecht nicht in Einklang steht. Die amtlichen Leitsätze der Entscheidung lauten: 

"Die Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der der Verkäufer vom Verbraucher für die Nutzung einer durch Vertragsabschluss im Fernabsatz gekauften Ware in dem Fall, dass der Verbraucher sein Widerrufsrecht fristgerecht ausübt, generell Wertersatz für die Nutzung der Ware verlangen kann. 

Diese Bestimmungen stehen jedoch nicht einer Verpflichtung des Verbrauchers entgegen, für die Benutzung der Ware Wertersatz zu leisten, wenn er diese auf eine mit den Grundsätzen des bürgerlichen Rechts wie denen von Treu und Glauben oder der ungerechtfertigten Bereicherung unvereinbare Art und Weise benutzt hat, sofern die Zielsetzung dieser Richtlinie und insbesondere die Wirksamkeit und die Effektivität des Rechts auf Widerruf nicht beeinträchtigt werden; dies zu beurteilen ist Sache des nationalen Gerichts." 

Da sich im deutschen Recht - namentlich in § 346 Abs. 3 BGB die vom EuGH hervorgehobene Einschränkung, unter der Wertersatz gleichwohl geschuldet sein kann, nicht findet, ist die Regelung rechtswidrig und kann einen Wertersatzanspruch des Unternehmers im Bereich des Fernabsatzgeschäfts jedenfalls im Regelfall des bestimmungsgemäßen Gebrauchs der Sache nicht begründen sondern erfasst nur noch über das Maß einer zu erwartenden Nutzung hinausgehende Gebrauchsspuren oder sonstige Gründe, z. B. die im Regelfall kaum zu beweisende Absicht des Verbrauchers, sich die Gebrauchsvorteile rechtsmissbräuchlich zu verschaffen, etwa wenn er schon bei Bestellung den Vorsatz hat, das Widerrufsrecht auszuüben.

Die Entscheidung dürfte auch der Herausgabe von Zinsen und Nutzungen entgegenstehen. 

Die Entscheidung hat möglicherweise gravierende Auswirkungen auf die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten. Die im Markt kursierenden Belehrungen über die rechtlichen Folgen der Ausübung eines Widerrufsrechts - sei es in von den Unternehmern freihändig getexter Form, sei es in der Fassung des Musters nach der Informationspflichtenverordnung - belehren den Verbraucher nach dieser Entscheidung unzutreffend über die Folgen der Ausübung des Widerrufsrecht, soweit sie den uneingeschränkten Hinweis darauf enthalten, dass der Verbraucher gegebenenfalls verpflichtet sei, Wertersatz zu leisten, ausgenommen zum Ausgleich der aus der bestimmungsgemäßen Ingebrauchnahme folgenden Wertminderung etc. Soweit die Belehrungen eine Wertersatzpflicht suggerieren sind sie demnach geeignet, Verbraucher von der Ausübung des Widerrufsrechts abzuhalten, weil sie irrtümlich und infolge der fehlerhaften Belehrung der Ansicht sind, im Falle der Ausübung des Widerrufsrechts Wertersatz leisten zu müssen. 

Zugleich besteht die Gefahr, dass die Händler bei Beibehaltung der bisherigen Belehrungstexte in den Webshops von Wettbewerben nach § 4 Ziff. 11 UWG im Wege von Abmahnungen bzw. einstweiligen Verfügungen und Klage auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. 

Es ist daher dringend zu empfehlen, in Zukunft eine Belehrung zu verwenden, die dem Urteil des Gerichtshofes gerecht wird. Da es keine Übergangsfrist für die Beachtung des Urteils gibt empfehle ich, unverzüglich zu handeln und auch bestehende Angebote zu bearbeiten. Ob dies tatsächlich erforderlich ist und wie eine derartige Belehrung rechtssicher lauten muss wird die Praxis - insbesondere der mit dem Lauterkeitsrecht befassten Kammern und Senate bei den Land- und Oberlandesgerichten - erst zeigen müssen. Bei der Formulierung der Klausel sollte fachkundiger Rat hinzugezogen werden, weil offen bleibt, mit welcher Formulierung es gelingen könnte, die engen Voraussetzungen, unter denen der Europäische Gerichtshof einen Wertersatzanspruch des Unternehmers (noch) zulässt.