Vermittlung von Sportwetten nicht strafbar (hier wegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums - OLG Stuttgart Urteil v. 26.06.2006 - Az.: 1 Ss 296/05)

Strafrecht und Justizvollzug
04.08.20061886 Mal gelesen

Das Glücksspielverbot ergibt sich zunächst aus § 284 StGB.  Das OLG Stuttgart hat nunmehr einen Angeklagten freigesprochen, da dieser einem unvermeidbarer Verbotsirrtum unterlag. Die Leitsätze lauten wie folgt:

1. Da die Zulässigkeit von Sportwetten bis heute rechtlich umstritten ist, liegt ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vor, so dass der Täter straffrei ausgeht.

2. Überdies ist zu befürchten, dass die Bundesländer die hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts nicht erfüllen können und dass dieses Gericht im Jahre 2008 das in § 284 StGB enthaltene Verbot und das staatliche Wettmonopol für verfassungswidrig und nichtig erklären wird.

Dazu führt das Gericht in der Urteilsbegründung aus, dass sich ein nicht Rechtskundiger in der Regel auf die Auskunft eines Rechtsanwaltes verlassen dürfe, den er ohne Verschulden als kompetent angesehen habe, wie beispielsweise die Auskunft eines Spezialanwaltes für das betreffende Rechtsgebiet. Im entschiedenen Fall kam weiterhin die Auskunft eines Sachbearbeiters der zuständigen Behörde hinzu. Das OLG hat sich jedoch zu der Frage der Strafbarkeit der Veranstaltung von Sportwetten im Internet nicht erklärt und diese offengelassen. Es wird jedoch auf die vom BVerfG gesetze Frist zur Neuregelung der Materie hingewiesen. Danach ist dem Gesetzbeger auferlegt worden, eine Neuregelung der Materie, somit wohl auch des § 284 StGB innerhalb einer Übergangszeit vorzunehmen (zum BVerfG siehe unten).

Ergänzend sei die derzeitige Rechtsprechung zu dieser Problematik skizziert:
Das OLG Köln führ aus, dass Sportwetten sind Glücksspiele sind und Sportwetten dürfen in Deutschland nur mit einer deutschen Lizenz angeboten oder beworben werden. Ob sich ein Internet-Angebot auch an das deutsche Publikum richtet, ist anhand der näheren Umstände (Sprache, Länderbezeichnung "Germany" auf der Homepage, Top-Level-Domain ".de", Abwicklung über eine deutsche Bank) zu bestimmen. Jedoch erscheine es doch zweifelhaft, ob das deutsche Sportwetten-Monopolmit mit den EU-Grundfreiheiten vereinbar ist. Diese Frage kann jedoch unbeantwortet bleiben, weil ein Veranstalter seine Rechte im verwaltungsrechtlichen Genehmigungsverfahren geltend zu machen hat und nicht einfach genehmigungsfrei Sportwetten anbieten darf. (OLG Köln,  Urteil v. 09.12.2005 - Az.: 6 U 91/05) . Das OLG Muenchen (Urteil v. 27.10.2005 - Az.: 6 U 5104/04) entschied, das Sportwetten in Deutschland nur mit einer deutschen Lizenz angeboten oder beworben werden dürfen. Aus dem "Gambelli"-Urteil des EuGH ergibt sich diesem gericht zufolge keine Änderung.

In diesem Zusammenhang ist die Entscheidung des OLG Hamburg, (Urteil v. 14.07.2004 - Az.: 5 U 160/03) zu beachten. Danach bedarf es einer deutschen Genehmigung, um in Deutschland Sportwetten anbieten oder vermitteln zu dürfen. Die Lizenz eines europäischen Nachbarstaates ist nicht ausreichend. Eine Verlinkung auf die Seite eines ausländischen Glücksspiel-Anbieters ist somit nach § 284 StGB strafbar und zugleich eine wettbewerbswidrige Handlung. Eine Haftung des Verlinkenden tritt erst ab Kenntnisnahme bzw. Kennenmüssen ein. Erklärt der Verlinkende aber ausdrücklich, er prüfe jede Webseite, bevor er sie verlinke, begründet dies eine Haftung. Mit einer ähnlichen Problematik beschäftigt sich das Urteil des  BGH  (Urteil v. 01.04.2004 - Az.: I ZR 317/01). 

In einem Urteil vom 28.03.2006 hat das BVerfG festgestellt, dass ein staatliches Monopol für Sportwetten mit dem Grundrecht aus Art. 12 I GG nur vereinbar ist, wenn es konsequent am Ziel der bekämpflung von Suchtgefahren ausgerichtet ist (BVerFG, Urteil vom 28.03.2006, Az. 1 BvR 1054/01). Der Gesetzgeber ist verpflichtet, die Veranstaltung von Sportwetten unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben neu zu regeln. Bis zu einer Neuregelung darf das Staatslotteriegesetz nach Maßgabe der Gründe weiter angewandt werden.

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