Glatteis-Check kein Arbeitsunfall - BSG, Urteil vom 23.01.2018 - B 2 U 3/16 R

Sozialhilferecht
05.02.2018116 Mal gelesen
Der Winter sorgt im Straßenverkehr oft für Chaos. Die Pisten sind glatt. Das Unfallrisiko steigt. Vernünftige Autofahrer stellen sich auf die Wetterlage ein. Und prüfen vor Fahrtantritt den Grip der Strecke - aber ohne den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Der Sachverhalt: Nach Meldung des Deutschen Wetterdienstes war für die Nacht überfrierende Nässe oder leichter Schneefall angesagt. Bevor Arbeitnehmer A. dann am Morgen zu seiner Arbeitsstelle fuhr, ging er einige Meter weit auf die öffentliche Straße, um die Fahrbahnverhältnisse zu prüfen. Auf dem Rückweg zum Auto fiel er über eine Bordsteinkante. War das ein Arbeitsunfall?

Das Problem: In der gesetzlichen Unfallversicherung ist auch "das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit" versichert. Stellt sich bloß die Frage: Wo fängt dieser Weg an?  Wäre A. am gleichen Morgen bei Glatteis auf der Fahrt verunglückt, wäre das sicher ein Arbeitsunfall. Aber sein Eis-Check?

Das Urteil: "Prüft ein Arbeitnehmer, bevor er mit dem Auto zur Arbeit fährt, ob die Fahrbahn glatt ist und verletzt er sich auf dem Rückweg zu seinem Auto, liegt darin kein versicherter Arbeitsunfall." Der unmittelbare und versicherte Weg war in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem A. die Straße betrat - sein Motiv dafür war unerheblich (BSG, Urteil vom 23.1.2018, B 2 U 3/16 R, Pressemitteilung).

Die Konsequenz: A. bekommt seinen Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkannt. Dabei hat er eigentlich gar nichts falsch gemacht. Als bewusster und verantwortungsvoller Autofahrer fühlte er sich herausgefordert, vor Fahrtantritt die Griffigkeit des Straßenbelags zu testen. Gesetzlich verpflichtet war er dazu allerdings nicht und der "Eis-Check" war für den Fahrtantritt auch nicht unverzichtbar.

Das Gesetz - § 8 SGB 7 - "Arbeitsunfall":

"(1) Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen."

"(2) Versicherte Tätigkeiten sind auch

1. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit,

2. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um

a) Kinder von Versicherten (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt
leben, wegen ihrer, ihrer Ehegatten oder ihrer Lebenspartner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut
anzuvertrauen oder
b) mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen,

3. das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges der Kinder von Personen (§ 56 des Ersten Buches), die mit ihnen in einem gemeinsamen Haushalt leben, wenn die Abweichung darauf beruht, daß die Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit dieser Personen oder deren Ehegatten oder deren Lebenspartner fremder Obhut anvertraut werden,

4. das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der
ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben,

5. das mit einer versicherten Tätigkeit zusammenhängende Verwahren, Befördern, Instandhalten und Erneuern eines Arbeitsgeräts oder einer Schutzausrüstung sowie deren Erstbeschaffung, wenn diese auf Veranlassung der Unternehmer erfolgt."