EGMR: Urheberrecht kann durch Pressefreiheit eingeschränkt werden

Medien- und Presserecht
20.02.2013466 Mal gelesen
Muss der Inhaber von Urheber- bzw. Nutzungsrechten auch im Hinblick auf die Pressefreiheit gegebenenfalls die Veröffentlichung seiner Werke dulden? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat hierzu eine bislang wenig beachtete Entscheidung gefällt.

Die Entscheidung, ob Texte oder Bilder veröffentlicht werden dürfen, ist oft eine Frage der sensiblen Abwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten der betroffenen Personen und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Das Ergebnis solcher Abwägungen ist oftmals schwer vorherzusagen. Um unliebsame Veröffentlichungen effektiver zu verhindern griff man daher in der Vergangenheit häufiger auf das Urheberrecht zurück. Waren wenigstens Teile der beanstandeten Veröffentlichungen urheberrechtlich geschützt, so konnte man sich ohne allzu großes Abwägungsrisiko gegen die Veröffentlichung zur Wehr setzen. Der EGMR hat nun in einer bemerkenswerten Entscheidung klargestellt, dass auch der Schutz geistigen Eigentums im Einzelfall durch das Interesse der Öffentlichkeit an einer Veröffentlichung eingegrenzt werden kann.

 

Veröffentlichung von Fotos mit urheberrechtlich geschützter Mode

 

Im vorliegenden Fall waren Lichtbilder dreier Modefotografen veröffentlicht worden. Ein Modehaus hatte sich daraufhin gegen die Veröffentlichung gewehrt, da dessen urheberrechtlich geschützte Modeartikel auf den Bildern abgebildet waren. Die französische Cour de Cassation hatte den Fotografen die Veröffentlichung der Bilder verboten, woraufhin sich diese als Kläger an den EGMR wandten. Das Straßburger Gericht (Urteil vom 10.01.2013, Az. 36769/08)  verneinte nun vorliegend die Verletzung der Informations- bzw. Pressefreiheit; vielmehr habe die Veröffentlichung im konkreten Einzelfall vorwiegend kommerziellen und nicht Informationsinteressen gedient.

 

EGMR: Grundsätzliches Erfordernis einer Abwägung

 

Gleichzeitig aber stellte der EGMR klar, dass dennoch in jedem Einzelfall eine Abwägung zwischen dem Urheberrecht und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit stattzufinden habe. Eine solche Abwägung war in der Vergangenheit vom BGH nicht erforderlich gehalten worden (Vgl: Urteil vom 21.03.2003, Az: I ZR 117/00). Nach dessen Ansicht habe bereits der Gesetzgeber eine Abwägung beider Güter vorgenommen. Diese Abwägung werde bereits im UrhG berücksichtigt, dessen Regelungen daher als abschließend betrachtet werden müssten.

 

Ob die Entscheidung aus Straßburg im Ergebnis die Rechtsprechungspraxis des BGH grundlegend ändern wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls muss damit gerechnet werden, dass in vergleichbaren künftigen Entscheidungen die Belange der Pressefreiheit zunehmend berücksichtigt und diskutiert werden dürften.