Das nennt man deutlich: BGH zur Zulässigkeit von Änderungen der Musterwiderrufsbelehrung - XI ZR 564/15

Das nennt man deutlich: BGH zur Zulässigkeit von Änderungen der Musterwiderrufsbelehrung - XI ZR 564/15
05.10.2016212 Mal gelesen
Unter dem Aktenzeichen XI ZR 564/15 verbirgt sich einiger Zündstoff. Das Urteil des BGH vom 12. Juli 2016 ist eines der wenigen Verfahren zu konkreten Inhalten fehlerhafter Widerrufsbelehrungen, das es bis zum Bundesgerichtshof geschafft hat.

Bislang waren die meisten Auseinandersetzungen um fehlerhafte Widerrufsbelehrungen von der betroffenen Bank in letzter Sekunde verglichen worden. Diesmal blieb die Sparkasse Nürnberg bei der Stange und kassierte eine deutliche Abfuhr - stellvertretend für alle weiteren Sparkassen und sonstige Banken, die mit dem Wörtchen "frühestens" einen ungenauen Anlauf einer Widerrufsfrist in ihren Allgemeinen Kreditbedingungen führten. Der BGH nutzte die Urteilsfindung auch dazu, grundsätzlich zu den Grenzen der Bearbeitung von Widerrufbelehrungen im Hinblick auf den Erhalt der Zulässigkeit Stellung zu beziehen. Markus Jansen, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht aus Neuss: "Diese Grenzen haben die Sparkassen wohl auch auf Empfehlung des deutschen Sparkassenverbandes mit dem Passus ,Die Widerrufsfrist beginnt frühestens mit dem Erhalt der Belehrung' deutlich überschritten."

Davon können Darlehensnehmer, die fristgerecht ihren Altvertrag widerrufen haben, ebenso profitieren wie Bankkunden, die für nach dem 10. Juli 2010 abgeschlossene Verträge noch heute einen Widerruf absetzen können. Zur Erinnerung: Nach dem Willen des Gesetzgebers können Altverträge seit dem 21. Juni 2016 nicht mehr widerrufen werden. Dieser Widerrufsausschluss gilt aber nicht für jüngere Verträge.

Das Verfahren XI ZR 564/15 hat einem Darlehensnehmer den geforderten Rückzahlungsanspruch in Höhe von 5800 Euro zugesprochen, nachdem dieser sein Darlehen freiwillig vorzeitig zurückgezahlt hatte und sich nach der Umwandlung des Schuldverhältnisses durch Widerspruch eine Auszahlungsdifferenz zu seinen Gunsten ergeben hatte. Die Bank hatte nur die Hälfte dieses Anspruches ausgeglichen und den geforderten Ausgleich für den Schaden aus entgangenem Nutzen einbehalten. Unter Vorsitz von Dr. Ellermann ging es um die grundsätzliche Frage, ob der Anspruch des Klägers überhaupt besteht.

Dazu musste geklärt werden, ob die Umwandlung in ein Rückgewährschuldverhältnis aufgrund von Fristablauf im verhandelten Fall überhaupt zulässig war. Dies beantwortete das Gericht eindeutig: Die Angaben zum Fristanlauf seien so undeutlich, dass die Frist nicht zu laufen begonnen hätte. Daher sei der Widerruf zulässig. "Frühestens mit Erhalt dieser Belehrung" sei nicht in erforderlicher Weise eindeutig und umfassend. Die bis zum 31. Mai 2008 gültige Musterwiderrufsbelehrung war von der Bank verändert worden. Zudem hatte die Bank der die Länge der Frist bezeichnenden Passage eine Fußnote zugefügt "Bitte Frist im Einzelfall prüfen". Die Fußnote könnte den Eindruck erwecken, der Darlehensnehmer hätte in irgendeiner Form eine Einflussmöglichkeit auf die Bestimmung der Widerrufsfrist. Diese Fehler führen dazu, dass die Bank dem Kunden nicht nur die Teil-Rückzahlung des zu hoch bemessen Ausgleichsbetrages schuldet, sondern auch die Herausgabe des von der Bank aus Tilgungsleistungen gezogenen Nutzens. Der Senat bezieht sich bei der Urteilbegründung im Wesentlichen auf diese gesetzliche Grundlage: "Die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung entsprach nicht dem inhaltlichen Deutlichkeitsgebot des § 355 1 BGB a.F."

Der Hinweis auf die 2-wöchige Frist entspricht zwar den gesetzlichen Anforderungen, es werde aber durch die Fußnote "Bitte im Einzelfall prüfen" der Eindruck vermittelt, diese sei variabel oder gar vom Darlehensnehmer selbst feststellbar. Die Ausrede der Bank, diese Fußnote gelte nur dem Sachbearbeiter und sei demzufolge auch direkt neben seinem Unterschriftfeld angeordnet, ließ das Gericht nicht zu: Fußnoten seien Teil der Verabredung und der Kunde müsse klar erkennen können, was ihm gilt und was nicht. Aus der Vorlage des Musters für die Widerrufsbelehrung ließe sich eine grundsätzliche Zulässigkeit der Fußnote in dieser Form nicht ableiten, da die grundsätzliche Gesetzlichkeitsfiktion der Musterwiderrufsbelehrungen nicht gegeben sei. Heißt: Eine Widerrufsbelehrung ist nur grundsätzlich nur dann in Ordnung, wenn sie in allen Details den Vorgaben entspricht. Insbesondere können Banken sich nach Veränderungen von Belehrungen nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion der ursprünglichen Vorlage verlassen.

Rechtsanwalt Markus Jansen, Fachanwalt für Bank und Kapitalmarktrecht aus Neuss: "Das ist der Totalknockout für diese Form von Widerrufsbelehrungen, die noch weit über 2010 hinaus von deutschen Sparkassen und weiteren Banken genutzt wurde! Abgewiesene Widerrufe von Altverträgen sollten nun dringend wieder auf den Tisch gebracht werden!"  Sicherheit gibt ein weiteres Detail: Der BGH geht im aktuellen Fall nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Nutzung des Widerrufsrechtes aus. Jansen: "Warum jemand ein Darlehen widerruft, ist nicht relevant!"

 

Mehr Informationen: https://www.ajt-neuss.de/bankrecht-kapitalmarktrecht