Scheinselbstständigkeit im Krankenhaus – OP-Schwester

Krankenhausrecht
10.11.2016761 Mal gelesen
Wenn Krankenhäuser, Medizinische Versorgungszentren und Arztpraxen mit freien Mitarbeitern und Honorarkräften arbeiten, besteht die Gefahr der Scheinselbstständigkeit.

Der Einsatz von freien Mitarbeitern kann durchaus nachvollziehbare und zwingende Gründe haben. In ländlichen Gebieten ist es mitunter schwer, Ärzte und Pflegepersonal langfristig zu binden. Zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung bleibt häufig keine andere Wahl, als die Lücken vorübergehend mit Honorarkräften zu schließen. Auch lehnen Ärzte und Pflegekräfte mitunter ein dauerhaftes Anstellungsverhältnis ab, weil sie flexibel bleiben wollen. Aus Sicht der Sozialversicherungsträger sind solche Motive allerdings ohne Belang. Wenn sich bei einer Prüfung herausstellt, dass die Tätigkeit einer Honorarkraft als abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu bewerten ist, werden Beiträge nachgefordert. Die Prüfungen erfassen alle Bereiche des Gesundheitswesens.

Das Hessische Landessozialgericht hat in einem Urteil vom 26.03.2015 eine Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung bestätigt, die eine Fachkrankenschwester im Operationsdienst als abhängig beschäftigt qualifiziert hatte. Für die Entscheidung gaben folgende Gründe den Ausschlag:

Die OP-Schwester war als Fachkrankenschwester im Operationsbereich in die Arbeitsorganisation des Klinikums eingegliedert. Ihre Einsätze bei Operationen wurden zentral vom OP-Management geplant. Die Personalverwaltung des Klinikums teilte dem OP-Management mit, für welchen Zeitraum die Krankenschwester für den OP-Bereich zur Verfügung stand und damit verbunden auch verbindlich für welche tägliche Arbeitszeit. Die Eingliederung der Krankenschwester in den chirurgischen OP-Bereich des Klinikums wurde durch die Einsatzplanung des pflegerischen Personals im OP-Bereich umgesetzt. Die Eingliederung der Krankenschwester entsprach denen der übrigen festangestellten Pflegekräfte im OP. Über den konkreten Einsatz der OP-Pflegekräfte entschied eine Mitarbeiterin des OP-Managements. Für die Einsatzplanung des pflegerischen Personals im OP waren die durchzuführenden Operationen, Anzahl der OP-Säle und die beteiligten Ärzte zu berücksichtigen. Im Falle einer personellen Lücke wurden externe Pflegekräfte mit eingeplant.

In diesem Rahmen wurde auch die Klägerin berücksichtigt. Dieser Planung unterstand die Krankenschwester als externe Pflegekraft im Operationsbereich der Klinik des Klinikums ebenso wie deren festangestellten Pflegekräfte. Damit war sie in der Betriebsorganisation des Operationsbetriebs des Klinikums integriert. Ihre Eingliederung zeigte sich des Weiteren daran, dass sie nicht frei war zu entscheiden, welche Kleidung sie innerhalb des OP-Bereichs trug. Alle Arbeitskleidung im OP-Saal der Klinik wurde vom Klinikum aus Sterilitätsgründen gestellt. Dies betraf auch die externen Pflegekräfte. Eigene Kleidung im OP-Bereich zu tragen war verboten. Die Eingliederung in den Operationsbereich sei nach den Feststellungen des LSG auch notwendig gewesen. Dies galt sowohl für die festangestellten als auch für die externen Pflegekräfte. Operationen sind so gestaltet, dass man nicht kommen und gehen kann, wie man möchte. Die Eingliederung der OP-Schwester in die Betriebsorganisation der OP-Bereichs der Klinik des Klinikums mache zugleich auch ihre Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung ihrer Tätigkeit als Fachkrankenschwester im Operationsdienst deutlich. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sie nicht an die arbeitsrechtlichen Schutzfristen gebunden war und somit nach der regulären Arbeitszeit weiterhin, z.B. für Bereitschaftsdienste zur Verfügung gestanden habe. Ein Unternehmerrisiko, das einen Selbstständigen kennzeichnet, war für das Gericht jedenfalls nicht zu erkennen.

Hessisches Landessozialgericht – 26.03.2015 - L 8 KR 84/13

Die Feststellungen des LSG dürften auf viele ähnlich gelagerte Sachverhalte übertragbar sein, sodass dringend angeraten werden muss, in solchen Fällen den sozialversicherungsrechtlichen Status zu klären, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

 

Weiterführende Informationen:

 

Scheinselbstständigkeit freiberuflicher Gesundheits- und Krankenpfleger

Scheinselbstständigkeit in der Arztpraxis

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