Dies stellt der Bundesgerichtshof (BGH) in seiner Entscheidung vom 09.01.2020 fest und stellt sich so klar gegen die Forderung einer Berliner Linken-Politikerin.
Gericht verweigert Grundbucheinsicht
In Berlin regt sich Widerstand gegen Immobilienunternehmen, die zahlreiche Wohnungen in der Hauptstadt vermieten. Der Zusammenschluss eines Bündnisses von Mieterinitiativen strebt daher ein Volksbegehren zur Enteignung von Unternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen an. Im Fokus steht dabei auch der Konzern Deutsche Wohnen, der in und um Berlin mehr als 100.000 Wohnungen bewirtschaftet. Im Zuge der Vorbereitungen des Volksbegehrens wollte die Sprecherin für Stadtentwicklung und Wohnen der Linke-Fraktion, Gaby Gottwald, Einsicht in die beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg geführten Grundbücher nehmen. Aus Recherchezwecken und zur Vorbereitung politischer Debatten wollte die Abgeordnete so Kenntnis über die genauen Immobilienbestände des Unternehmens Deutsche Wohnen erhalten. Wirksame Kontrolle sei nur bei genauer Kenntnis der Anzahl und Lage der betroffenen Immobilien möglich, so die Argumentation der Politikerin.
Allerdings verweigerte zunächst das Grundbuchamt, später auch das Berliner Kammergericht die Grundbucheinsicht. Die Abgeordnete habe kein berechtigtes Interesse an der Einsicht vorgewiesen. Allein ihr Status als Abgeordnete berechtige sie nicht zur Einsicht.
Kein Sonderstatus für Abgeordnete
Konkret geht es um eine Vorschrift aus der Grundbuchordnung, die es jedem mit einem "berechtigten Interesse" gestattet, Einsicht in das Grundbuch zu nehmen. Normalerweise sind davon Personen erfasst, denen beim Grundstückserwerb die Möglichkeit eingeräumt werden soll, Gewissheit über die Eintragungen des Grundstückes im Grundbuch zu erlangen. Damit dient die Vorschrift in erster Linie den Käuferinteressen bei Immobilientransaktionen.
Doch wie sieht es im Rahmen politischer Debatten aus? Kann sich aus einem geplanten Volksbegehren auch ein berechtigtes Interesse ergeben? Reicht ein allgemeines Informationsinteresse eines Abgeordneten?
Dies verneint der BGH in seiner Entscheidung von Anfang Januar. Er stellt klar, dass das bloße Informationsinteresse eines Abgeordneten nicht ausreichend ist. (Urteil v. 09.01.2020; Az.: V ZB 98/19).
Recherchezwecke allein reichen nicht aus
Zwar betont der BGH, dass es durchaus Fälle geben kann, in denen auch ein Abgeordneter ein berechtigtes Interesse vorweisen könne. Ein solches ergebe sich aus dem mit seiner Stellung verbundenen Frage- und Informationsrecht. Ein solches Recht sei aber auch nur dann begründet, "wenn ein konkretes Aufklärungsinteresse der Öffentlichkeit in Bezug auf das konkrete Grundstück dargelegt wird".
Grundsätzlich bestehe nämlich eine Kontrollfunktion der Parlamente gegenüber der Regierung und Verwaltung. Diese Funktion könne dann auch ein öffentliches Interesse an einer Grundbucheinsicht begründen. Die Einsicht müsse dann aber zur Aufklärung von konkreten Missständen oder Fehlverhalten dienen. Dagegen sei die Einsicht zu Recherchezwecken oder aus einem allgemeinen Informationsinteresse allein nicht ausreichend, um die Kontrollfunktion auszulösen. Damit war auch hier die geforderte Grundbucheinsicht, um sich auf eine öffentliche Debatte vorzubereiten und daraus politische Forderungen abzuleiten, nicht von einem berechtigten Interesse gedeckt, so die Auffassung des BGH. Der Gewährung von Grundbucheinsicht sei nämlich auch immer das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen gegenüber zu stellen. Auch deren persönliche, familiäre, soziale und wirtschaftliche Daten seien schutzbedürftig, so der BGH.
Weitere Informationen zum Thema Grundbucheinsicht finden Sie auch unter: https://www.rosepartner.de/grundbuch-grundbucheinsicht.html