Bewerbungsfrist für Anträge auf Zulassung als Vertragsarzt beginnt erst mit Veröffentlichung der Entsperrung im Ärzteblatt zu laufen

Gesundheit Arzthaftung
30.09.20091489 Mal gelesen

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 23.09.2009 entschieden, dass die achtwöchige Bewerbungsfrist auf Zulassung als Vertragsarzt in einem entsperrten Planungsbereich erst dann zu laufen beginnt, wenn die Aufhebung der Zulassungssperre im Ärzteblatt bekannt gegeben wurde. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe gegenüber dem Zulassungsausschuss ist nicht maßgeblich (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.09.2009, Az.: L 5 KA 1375/09).

Sachverhalt
 
Dem Urteil des LSG Baden-Württemberg lag folgender Sachverhalt zugrunde:
 
Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen hatte mit Beschluss vom 4. April 2007 u.a. für den Planungsbereich Tuttlingen die Zulassungssperre für Anästhesisten aufgehoben. Dieser Beschluss war dem Zulassungsausschuss am 11. April 2007 bekannt gegeben und etwa Mitte Mai 2007 im baden-württembergischen Ärzteblatt veröffentlicht worden. Der beklagte Berufungsausschuss hatte die Auffassung vertreten, die achtwöchige Bewerbungsfrist beginne bereits mit der Bekanntgabe gegenüber dem Zulassungsausschuss und nicht erst mit der Veröffentlichung im Ärzteblatt. Dies hatte zur Folge, dass die Klägerin des Verfahrens, die erst Mitte Mai durch die Veröffentlichung im Ärzteblatt Kenntnis von dem Beschluss des Landesausschusses erhalten hatte, ihren Antrag nicht mehr vollständig innerhalb der laufenden Frist gestellt hatte und ihre ursprüngliche Zulassung vom Berufungsausschuss deshalb wieder aufgehoben wurde. Das Sozialgericht Reutlingen hat die Entscheidung des Berufungsausschusses aufgehoben und diesen verpflichtet, erneut über den Zulassungsantrag zu entscheiden. In der Berufungsinstanz hat das LSG Baden-Württemberg die Entscheidung des Sozialgerichts Reutlingen bestätigt.
 
Entscheidungsgründe
 
Das LSG Baden-Württemberg ist der Auffassung, dass unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einem fairen Auswahlverfahren mit Einräumung einer Bewerbungsfrist zwischen sechs und acht Wochen nur auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung im Ärzteblatt abgestellt werden könne. Denn erst zu diesem Zeitpunkt könnten potentielle Bewerber Kenntnis davon nehmen, dass die Zulassungssperre für einen Planungsbereich aufgehoben worden ist und nunmehr die Möglichkeit besteht, sich um die Zulassung als Vertragsarzt zu bewerben.
 
Stellungnahme
 
Da an der vertragsärztlichen Leistung ausschließlich zugelassene und ermächtigte Leistungserbringer sowie ärztliche Einrichtungen und Medizinische Versorgungszentren teilnehmen (§ 95 Abs. 1 SGB V), ist die Zulassung von erheblicher Bedeutung für Vertragsärzte. Sofern die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen im Einzelfall vorliegen, hat der jeweilige Leistungserbringer einen Rechtsanspruch auf Zulassung. Das Zulassungsrecht ergibt sich aus den §§ 95 ff. SGB V, der Zulassungsverordnung der Vertragsärzte (Ärzte-ZV), den Bedarfsplanungs-Richtlinien (§§ 99, 102 SGB V) und der Rechtsprechung. Über die Zulassung entscheidet der Zulassungsausschuss, der paritätisch mit Vertretern der Krankenkassen und der Ärzte bzw. Psychotherapeuten besetzt ist. Gegen Entscheidungen der Zulassungsausschüsse ist der Widerspruch zulässig. Auch der nach Erhebung des Widerspruchs zuständige Berufungsausschuss ist paritätisch besetzt, verfügt aber zusätzlich über einen Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt haben muss (§ 97 Abs. 2 SGB V).
 
Das Gesundheitsstrukturgesetz hat mit Wirkung zum 1. Januar 1993 die Erteilung neuer Zulassungen für Vertragsärzte unter den Vorbehalt einer Bedarfsplanung gem. §§ 99, 101, 103 SGB V gestellt. Ergibt sich entsprechend den Bedarfsplanungsrichtlinien eine sog. Überversorgung, muss der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen dies gem. § 16b Ärzte-ZV feststellen und mit verbindlicher Wirkung für den jeweiligen Zulassungsausschuss nach Maßgabe des § 103 Abs. 2 SGB V Zulassungsbeschränkungen anordnen. Der Zulassungsausschuss hat sodann alle neuen Zulassungsanträge abzulehnen. Allenfalls bei offensichtlichen Fehlern im Zahlenwerk des Landesausschusses zur Ermittlung der Überversorgung kommt unter dem Gesichtspunkt des Vorrangs der gesetzlichen Ermächtigung gem. den §§ 101, 103 SGB V eine Überprüfungskompetenz des Zulassungsausschusses in Betracht (so Plagemann, Münchener Anwaltshandbuch Sozialrecht, § 20 Rn. 39). Das Bundessozialgericht hält die der Anordnung der Zulassungsbeschränkungen zugrundeliegenden gesetzlichen und untergesetzlichen Vorschriften für verfassungsgemäß (BSG Urt. v. 18.03.1998 - B 6 KA 37/96 R - BSGE 82, 41 ff.). Auch das BVerfG verneint einen Verstoß gegen Art. 12 und 3 GG unter Hinweis darauf, dass die Sicherung der finanziellen Stabilität und damit die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ein Gemeinwohlbelang von hinreichendem Gewicht sei (BVerfG Beschluss v. 27.04.2001 - 1 BvR 1282/99).
 
Kommt der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen zu dem Ergebnis, dass eine Überversorgung nicht mehr besteht, ist nach Nr. 23 der Bedarfsplanungsrichtlinie die Zulassungsbeschränkung aufzuheben. Der Aufhebungsbeschluss ist sodann mit der Auflage zu versehen, dass Zulassungen nur in dem Umfang erfolgen dürfen, bis erneut Überversorgung eintritt. Da regelmäßig mehr Bewerbungen als tatsächlich zu vergebende Sitze vorliegen, hat der Zulassungsausschuss über die nach Aufhebung der Zulassungsbeschränkung eingegangenen Bewerbungen um einen Vertragsarztsitz in dem entsperrten Planungsbereich zu entscheiden. Bei diesem Auswahlverfahren hat der Zulassungsausschuss die vom BSG aufgestellten Auswahlverfahren zu beachten.
Nr. 23 Satz 2 der Bedarfplanungsrichtlinie enthält hierzu die Vorgabe, dass potentiellen Interessenten Gelegenheit zu geben ist, sich auf die Ausschreibung insoweit innerhalb einer Frist von sechs bis acht Wochen zu bewerben und die hierfür notwendigen Unterlagen beizubringen, wobei der Zulassungsausschuss bei seiner Auswahlentscheidung nur die nach der Bekanntmachung fristgerecht und vollständig abgegebenen Zulassungsanträge berücksichtigen darf. Gem. § 16b Abs. 4 Ärzte-ZV ist die Anordnung und Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in den für amtliche Bekanntmachungen der KV vorgesehenen Blätter zu veröffentlichen, dem Ärzteblatt.
 
Das LSG Baden-Württemberg hat mit dem vorstehend skizzierten Urteil klargestellt, dass die sechs- bis achtwöchige Bewerbungsfrist für Anträge potentieller Interessenten auf Zulassung als Vertragsarzt in einem entsperrten Bereich erst mit Veröffentlichung der Aufhebung der Zulassungsbeschränkung im Ärzteblatt gem. § 16b Abs. 4 Ärzte-ZV zu laufen beginnt. Die Entscheidungsgründe des LSG Baden-Württemberg sind sachgerecht, da die Bewerber erst mit Veröffentlichung der Aufhebung der Zulassungsbeschränkung Kenntnis darüber erlangen können, dass die Zulassungssperre aufgehoben worden ist. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des BSG zur angemessenen Verfahrensgestaltung nach der (partiellen) Entsperrung eines Planungsbereichs, ist diese Rechtsprechung nur konsequent.
 
Sollten auch Sie von einem abschlägigen Beschluss des Zulassungsausschusses bzw. des Berufungsausschusses der KV betroffen sein, zögern Sie nicht, diesen überprüfen zu lassen. Der Beschluss ist gem. § 41 Abs. 4 ZV-Ärzte u.a. mit Gründen zu versehen. Zudem ist eine Belehrung über die Zulässigkeit des Rechtsbehelfs, die einzuhaltende Frist und den Sitz des zuständigen Berufungsausschusses beizufügen. Sollten Sie bereits einen Beschluss des Berufungsausschusses vorliegen haben, besteht - sofern dieser noch nicht bestandskräftig geworden ist - die Möglichkeit der Überprüfung durch das zuständige Sozialgericht.
 
Für Rückfragen zum Thema Vertragsarztrecht wenden Sie sich bitte an:
 
Miriam Germer, MLE
Rechtsanwältin
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