Haben in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Erwachsene grundsätzlich einen Anspruch auf zulassungsüberschreitende Anwendung eines nur zu

Gesundheit Arzthaftung
07.08.2011340 Mal gelesen
Die Kostenerstattung eines Arzneimittels durch die gesetzliche Krankenversicherung setzt auch bei Arzneimitteln voraus, dass das Arzneimittel zugelassen ist oder die Grundsätze des sog. off label use vorliegen.

Der Anspruch auf Kostenerstattung setzt voraus, dass die selbst beschaffte und zukünftig zu beschaffende Krankenbehandlung - hier in Gestalt der laufenden Versorgung des Klägers mit einem Fertigarzneimittel - zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sachleistung zu erbringen haben.

Das begehrte Arzneimittel muss die erforderliche Zulassung zur Behandlung der beim Versicherten bestehenden Krankheit besitzen oder es muss eine Versorgung des Versicherten nach den Grundsätzen des Off-Label-Use in Betracht kommen. Ein sog Seltenheitsfall oder ein Systemversagen kann die den Wirksamkeitsnachweis eines Arzneimittels erleichtern oder es liegt ein Anwendungsfall vor, in dem nach den Vorgaben der Grundsätze des sog. off label use die leistungseinschränkenden Vorschriften des SGB V verfassungskonform auszulegen sind.

Fehlt eine erforderliche Zulassung zur Behandlung der bestehnden Krankheit, stellt sich die Frage einer zulassungsüberschreitenden Anwendung des Arzneimittels nach den Grundsätzen des sog. off label use.

Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse. Dabei bedarf es eines positiven Wirksamkeitsnachweises nach den oben genannten und nachfolgend näher aufzuzeigenden Maßstäben. Von hinreichenden Erfolgsaussichten ist nach der Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use nur dann auszugehen, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das (konkrete) Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht

Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, entspricht derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und - wie dargelegt - in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht.

Fraglich ist, ob man die Anforderungen an einen zulassungsüberschreitenden Einsatz von Kinderarzneimitteln für Erwachsene modifizieren soll.. Eine solche Anpassung kommt etwa in Betracht, wenn der Versicherte in der Zeit unmittelbar vor Vollendung des 18. Lebensjahres mit einem nur für Kinder und Jugendliche zugelassenen Arzneimittel indikationsbezogen versorgt wurde und er nach Erreichen des 18. Lebensjahres an derselben Krankheit leidet, die auch nach einem solchen "Stichtag" auf andere Weise nicht angemessen behandelt werden kann. Sollte das Risiko-Nutzen-Potenzial beim Fortgebrauch eines für Kinder zugelassenen und im Kindes- und Jugendlichenalter schon unmittelbar vor Erreichen des 18. Lebensjahrs angewandten Arzneimittels auch bei Überschreiten der Schwelle zur Volljährigkeit im Wesentlichen gleich geblieben sein, bedürfte es jedenfalls einer besonderen Rechtfertigung, die nahtlose Weiterversorgung des Betroffenen mit dem begehrten Mittel abzulehnen.