Anforderungen an das Auswahlverfahren bei mehreren Bewerbern um eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung

 Freiberufler oder Selbstständiger
03.09.20121313 Mal gelesen
Bei mehreren Bewerbern muss es ein Kriterium geben, an welches die Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses geknüpft wird. Das Kriterium "first come first serve" führte zu einem sog. Windhundrennen. Daraufhin führe der GBA eine Frist ein, innerhalb derer die Anträge einzugehen haben.

Rechtsgrundlagen für Entscheidungen der Zulassungsgremien über Anträge auf Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung in einem bislang überversorgten Planungsbereich sind § 95 Abs 2 iVm § 103 Abs 3 SGB V sowie die konkretisierenden Bestimmungen des § 16b Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) und des § 23 BedarfsplRL.

 Kommt der Landesausschuss zu dem Ergebnis, dass Überversorgung nicht mehr besteht, ist nach § 23 Abs 1 BedarfsplRL der Aufhebungsbeschluss mit der Auflage zu versehen, dass Zulassungen nur in einem solchen Umfang erfolgen dürfen, bis für die Arztgruppe Überversorgung eingetreten ist. Diese Bestimmung über die partielle Aufhebung einer Zulassungsbeschränkung ist rechtmäßig, ebenso wie die Übertragung von Regelungsbefugnissen zur Verfahrensweise bei der Anordnung oder Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen auf den GBA.

 Zum Verfahren bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern um einen nach partieller Entsperrung eines Planungsbereichs zu besetzenden Vertragsarztsitz  bedurfte es noch einer weiteren Konkretisierung durch die Regelung in Nr 23 Satz 2 BedarfsplRL, um den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu entsprechen. Die Festlegung, dass über die Anträge allein nach Maßgabe der Reihenfolge ihres Eingangs beim Zulassungsausschuss zu entscheiden ist, genügte den aus Art 12 Abs 1 GG abzuleitenden Anforderungen an eine angemessene Verfahrensgestaltung nicht in vollem Umfang. Da die Gestaltung des Auswahlverfahrens für einen - wenn auch nur in örtlicher Hinsicht - beschränkt möglichen Berufszugang unmittelbar Einfluss auf die Konkurrenzsituation und damit auf das Ergebnis der Auswahlentscheidung nimmt, ist vor allem bei der Art der Bekanntgabe der offenen Stellen und bei der Terminierung von Bewerbungen und Besetzungsentscheidungen die Komplementärfunktion des Verfahrens für die Verwirklichung der Berufsfreiheit der Bewerber zu beachten. Durch die Art der Verfahrensgestaltung muss gewährleistet werden, dass eine lediglich von zufälligen Umständen abhängige und für Manipulationen anfällige Zuteilung der Vertragsarztzulassung nicht stattfindet.

 Zu dem Verfahren bestimmt § 16b Abs 4 Ärzte-ZV, dass die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen in den für die amtlichen Bekanntmachungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen ist. Dieses Publikationserfordernis soll sicherstellen, dass die potenziellen Zulassungsbewerber über die nunmehr wieder bestehenden Zulassungsmöglichkeiten informiert werden. Hierin kommt deutlich die Verpflichtung zum Ausdruck, vor einer Entscheidung über Zulassungsanträge in dem bislang gesperrten Planungsbereich alle potenziellen Bewerber in gleichmäßiger Weise und so rechtzeitig über die Zulassungsmöglichkeiten in Kenntnis zu setzen, dass die Bewerber in der Lage sind, ihr Niederlassungsvorhaben zu konkretisieren und einen vollständigen Zulassungsantrag vorzulegen. Sie müssen daher, bevor nach der Veröffentlichung einer partiellen Entsperrung eine Auswahlentscheidung getroffen wird, eine reelle Chance haben, die jetzt erst sinnvollen Vorbereitungsmaßnahmen - zB Erschließung geeigneter Praxisräume, Abklärung der Finanzierung der Niederlassung und Beendigung eines bestehenden Beschäftigungsverhältnisses - einzuleiten und ihren Zulassungsantrag nach § 18 Ärzte-ZV entsprechend zu gestalten. Der Zulassungsausschuss wird dazu in der Regel zumindest sechs bis acht Wochen nach Bekanntgabe der neu eröffneten Zulassungsmöglichkeit abwarten müssen, ehe er seine Auswahlentscheidung unter den bis dahin vollständig vorgelegten Zulassungsanträgen trifft. Nur wenn ausnahmsweise der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad in  dem betroffenen Planungsbereich bereits unterschritten sein sollte, kann im Interesse einer raschen Sicherstellung der Versorgung der Versicherten ein beschleunigtes Verfahren gerechtfertigt sein. Im Rahmen einer fairen und transparenten Verfahrensgestaltung wird der Zulassungsausschuss die Bewerber auch über den Zeitpunkt seiner Auswahlentscheidung unterrichten müssen, damit diese sich auf den Termin einstellen und die notwendigen Unterlagen für eine Zulassung bis dahin beibringen können.

 Zu beanstanden war, dass die Auswahlentscheidung selbst in der ergänzenden verfahrensrechtlichen Regelung in Nr 23 Satz 2 BedarfsplRL aF ausschließlich an die Reihenfolge des Eingangs der Zulassungsanträge beim Zulassungsausschuss geknüpft wurde. Das alleinige Abstellen auf den in tatsächlicher Hinsicht oftmals von vielen Zufälligkeiten abhängigen Eingang der vollständigen Zulassungsanträge bei dem Ausschuss wurde der verfassungsrechtlichen Bedeutung der Auswahlentscheidung für die Berufschancen der Bewerber nicht gerecht. Zu einem geordneten Auswahlverfahren für eine exklusiv zu vergebende Position gehörr vielmehr, dass für alle potenziellen Bewerber dieselbe von vornherein in der Ausschreibung bekannt gegebene Frist zur Verfügung stehen, um sich zu bewerben und die hierfür erforderlichen Unterlagen beizubringen. Dies kann das sog "Windhundprinzip" in Nr 23 Satz 2 BedarfsplRL aF nicht gewährleisten.

 Durch den Beschluss vom 20.12.2005 über eine Änderung der BedarfsplRL änderte der GBA diese. Er hat im Hinblick auf die Rechtsprechung die Regelung, dass über die Anträge allein nach Maßgabe der Reihenfolge ihres Eingangs beim Zulassungsausschuss zu entscheiden ist, aufgehoben. Gleichzeitig hat er in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 1 BedarfsplRL die Bestimmung aufgenommen, dass der Beschluss des Landesausschusses über die partielle Entsperrung eines Planungsbereichs zum nächstmöglichen Zeitpunkt in den für amtliche Bekanntmachungen der KÄV vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen ist. In der Veröffentlichung sind nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Satz 1 BedarfsplRL die Entscheidungskriterien nach Nr 3 und die Frist (in der Regel sechs bis acht Wochen) bekannt zu machen, innerhalb der potentielle Bewerber ihre Zulassungsanträge abzugeben und die hierfür erforderlichen Unterlagen gemäß § 18 Ärzte-ZV beizubringen haben. Dem Zulassungsausschuss hat der GBA in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Satz 2 BedarfsplRL vorgegeben, bei dem Auswahlverfahren nur die nach der Bekanntmachung fristgerecht und vollständig abgegebenen Zulassungsanträge zu berücksichtigen. Als Kriterien für die Auswahl nach pflichtgemäßem Ermessen hat der GBA in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 BedarfsplRL die berufliche Eignung, die Dauer der bisherigen ärztlichen Tätigkeit, das Approbationsalter und die Dauer der Eintragung in die Warteliste gemäß § 103 Abs 5 Satz 1 SGB V aufgenommen. In§ 23 Abs 3 Satz 2 BedarfsplRL wurde schließlich bestimmt, dass bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Bewerbern die räumliche Wahl des Vertragsarztsitzes und ihre Beurteilung im Hinblick auf die bestmögliche Versorgung der Versicherten berücksichtigt werden.

 An die Stelle des "Windhundprinzips" hat der GBA konkrete Eignungskriterien gesetzt, wobei er die vom Senat genannten Kriterien aufgegriffen hat. Dass er keine Vorgaben für die Gewichtung der Kriterien gemacht hat, ist nicht zu beanstanden und ermöglicht eine an den besonderen Umständen jedes Einzelfalls orientierte Beurteilung. Für die Verfahrensgestaltung hat er vorgegeben, dass der Beschluss über die partielle Entsperrung in den dafür vorgesehenen Blättern zu veröffentlichen ist, womit der Anforderung des § 16b Abs 4 Ärzte-ZV genügt wird. Es entspricht der Forderung nach einer fairen und transparenten Verfahrensgestaltung, dass der veröffentlichte Beschluss die Kriterien nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 3 BedarfsplRL und eine Frist benennen muss, in der der vollständige Zulassungsantrag zu stellen ist. Bei der Bestimmung der Länge der Frist hat der GBA die von der Rechtsprechung benannte Zeitspanne von "zumindest sechs bis acht Wochen" aufgegriffen. Dass er auch insoweit auf eine exakte Festlegung verzichtet, entspricht ebenfalls der Entscheidung des Senats, der auch ausgeführt hat, dass ein besonderer Versorgungsbedarf im Planungsbereich eine Verkürzung der Frist rechtfertigen kann, es mithin sinnvoll erscheint, die Frist jeweils nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu bestimmen. Schließlich hat nach § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Satz 2 BedarfsplRL der Zulassungsausschuss nur fristgerecht und vollständig vorgelegte Zulassungsanträge zu berücksichtigen.

 Die vom Landesausschuss festzusetzende Frist für die Antragstellung ist als Ausschlussfrist zu qualifizieren. Dem LSG ist zuzustimmen, dass bereits die strikte Anordnung in § 23 Abs 3 Satz 1 Nr 2 Satz 2 BedarfsplRL, wonach der Zulassungsausschuss nur fristgerecht und vollständig abgegebene Zulassungsanträge berücksichtigt, ein solches Verständnis nahelegt. Dafür spricht aber vor allem der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit in einem grundrechtsrelevanten Bereich. Im Lichte des Grundrechts aus Art 12 Abs 1 GG ist das Auswahlverfahren so auszugestalten, dass es in seiner zeitlichen Abfolge eindeutig vorhersehbar und in seiner Dauer angemessen ist. Das dient auch dem durch Art 12 Abs 1 iVm Art 3 Abs 1 GG gewährleisteten Anspruch auf Chancengleichheit. Daneben besteht an der zeitnahen Erteilung einer Zulassung regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse, weil die Besetzung vakanter Vertragsarztsitze einer lückenlosen Versorgung der Versicherten dient.