Wussow - Informationen zum Versicherungs- und Haftpflichtrecht (Bsp. eines Beitrags aus dem Bereich des Schadensersatzrechts)

Bio- und Gentechnologierecht
19.02.20062110 Mal gelesen

Thema

Haftung des Herstellers von Getränken in Einwegglasflaschen

Schaden durch explosives Bersten einer Flasche (§ 823 BGB)

  

Grundlagen

 

Macht der Geschädigte Schmerzensgeldansprüche gemäß § 847 BGB a.F. gegenüber dem Hersteller eines Produkts geltend, trägt er die Beweislast für die Fehlerhaftigkeit des Produkts sowie für die Voraussetzung der haftungsbegründenden Kausalität zwischen diesem Fehler und dem nach § 823 I BGB relevanten schadenstiftenden Ereignis (BGHZ 51, 91; BGH, BB 1981, 1913). Nach der grundlegenden Entscheidung des BGH (BGHZ 104, 323 = VersR 1988, 930 = NJW 1988, 2611) wurde der Pflichtenkatalog des Herstellers um die Pflicht zur Befundsicherung bzw. Statussicherung erweitert. Unter besonderen Umständen kann danach zu Gunsten des Geschädigten eine Beweislastumkehr in Betracht kommen, wenn der Hersteller aufgrund der ihm im Interesse des Verbrauchers auferlegten Verkehrssicherungspflicht gehalten war, das Produkt auf seine einwandfreie Beschaffenheit zu überprüfen und den Befund zu sichern, er dieser Verpflichtung aber nicht nachgekommen ist.

 

Aktuelles

 

In einem Urteil vom 13.09.2004 (VersR 2005, 417) hat der BGH entschieden, die Rechtsprechung, wonach dem Hersteller kohlensäurehaltiger Getränke in Glasflaschen eine besondere Überprüfungs- und Befundsicherungspflicht obliege, deren Unterlassung zu einer Beweislastumkehr bezüglich der Frage führen könne, in wessen Verantwortungsbereich eine etwaige Beschädigung der Flasche entstanden sei, sei bei der Verwendung von Einwegflaschen nicht anwendbar. Im vorliegenden Fall explodierte eine mit Apfelschorle gefüllte Glaseinwegflasche.

 

Der BGH betont, die Rechtsprechung (BGH a.a.O.; VersR 1995, 924 = NJW 1995, 2162; OLG Koblenz, NJW-RR 1999, 1624) zur Beweislastumkehr wegen Verletzung der Befundsicherungspflicht sei ausschließlich an Fällen entwickelt worden, in denen Mehrwegflaschen verwendet worden sind, die teilweise schon 4 Jahre im Umlauf und deshalb erhöhten Belastungen und einer erhöhten Gefahr der Beschädigung ausgesetzt gewesen seien. Die Auffassung des LG Augsburg (NJW-RR 2001, 594), wonach die Rechtsprechung des BGH auch auf Einwegflaschen anwendbar sei, weil auch diese ihrer Natur nach eine hohe Schadenstendenz aufwiesen, sei vereinzelt geblieben. Dies zu Recht, weil die Schadenstendenz, die einer fabrikneuen Flasche innewohne, bei weitem nicht mit derjenigen einer jahrelang im Umlauf befindlichen Mehrwegflasche verglichen werden könne. Im vorliegenden Fall sei ohnehin noch zu berücksichtigen, daß die vorliegend hergestellten und vertriebenen Flaschen ein geringeres Maß an Kohlensäure enthalten, als die in der Rechtsprechung sonst behandelten Flaschen. Apfelschorle sei ein Mischgetränk, das nur etwa zur Hälfte aus kohlensäurehaltigem Mineralwasser bestehe.

 

Weiterhin sei zu berücksichtigen, daß dem Hersteller im vorliegenden Fall keine Verletzung der Befundsicherungspflicht im Sinne der Rechtsprechung des BGH vorzuwerfen sein dürfte. Die von ihm vorgenommene Sichtprüfung der Flaschen dürfte ausreichen, da der Hersteller schon ca. 130 Mio. Flaschen in den Verkehr gebracht habe, ohne daß es zu einem vergleichbaren Schadensereignis gekommen sei und da der Hersteller nur neue Flaschen benutze, die bereits von der Lieferfirma unmittelbar vor der Verwendung durch den Hersteller in ihrer Qualität überprüft worden seien.

 

Es kann auch dahingestellt bleiben, ob im vorliegenden Fall die Geschädigte selbst versehentlich mit Gewalt auf die Flasche eingewirkt habe, indem sie z.B. heftig mit ihr gegen einen festen Gegenstand gestoßen sei, oder daß ihre Enkel dies beim Spielen getan haben. Es sei auffällig, daß die Flasche nicht beim ersten Öffnen, sondern erst nach längerer Benutzung explodiert sein soll.

 

Schlußbetrachtung

 

Im Ergebnis verneint der BGH (a.a.O.) bei der Verwendung von Einwegflaschen zu Recht eine besondere Überprüfungs- und Befundsicherungspflicht bei den Kontrollen der Flaschen. Wenn  daher unklar bleibt, ob ein Fehler des Produkts schon bei Inverkehrgabe vorhanden war, kommt in derartigen Fällen eine Beweislastumkehr für einen Ursachenzusammenhang zwischen Schaden und Fehler nicht in Betracht, mithin wird der Geschädigte nicht von dem Nachweis entlastet, daß der Fehler im Bereich des Herstellers entstanden ist. Ein besonderer Warnhinweis auf den Flaschen, welcher die Verbraucher über die nicht völlig zu vernachlässigende Gefahr informiert, daß Glasflaschen mit kohlensäurehaltigen Getränken auch einmal explosionsartig bersten können, sei wirkungslos und deshalb vom Hersteller nicht zu erwarten. Ein entsprechender Hinweis würde auch die Verbrauchererwartung nicht nachhaltig verändern, zumal sich der Verbraucher gegen die Gefahr auch  nicht durch vorsichtiges Hantieren schützen könne (BGH, VersR 1993, 845; BGHZ 104, 323 = VersR 1988, 930 = NJW 1988, 2611).