Unterlassene Befunderhebung: Stanzbiopsie bei Krebsverdacht

Arzthaftung Behandlungsfehler
14.06.201932 Mal gelesen
Wenn es nach der jeweiligen Sachlage "medizinisch zweifelsfrei geboten" gewesen wäre, weitere Abklärungen zum Ausschluss einer Erkrankung zu veranlassen, kann dem behandelnden Arzt ein Befunderhebungsfehler angelastet werden.

Der behandelnde Arzt ist dazu verpflichtet, nach der jeweiligen Sachlage medizinisch gebotene Abklärungen zu veranlassen. Dies gilt insbesondere dann, wenn durch die weiteren Untersuchungen eine Erkrankung ausgeschlossen werden kann. Wird von dem Behandler eine derart erforderliche "Befunderhebung" unterlassen, kann es zu wesentlichen Beweiserleichterungen für den Patienten kommen:

Wenn sich nämlich bei der gebotenen Befunderhebung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit (dazu reicht in der Regel schon eine nur 50 %ige Wahrscheinlichkeit aus) ein reaktionspflichtiger Befund gezeigt hätte, dessen Verkennung oder die Nichtreaktion hierauf nicht mehr nachvollziehbar wären, muss der Arzt beweisen, dass sich der Fehler nicht ausgewirkt hat.

In einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 12.10.2018, I-26 U 172/17, hatte eine Gynäkologin nach einem auffälligen Tast- und Sonographiebefund bei ihrer Patientin lediglich eine Mammografie angeordnet. Diese erbrachte keinen Befund. Später zeigte sich Brustkrebs mit Knochen- und Lymphknotenmetastasen, in dessen Folge die Patientin nach längerer Behandlung verstarb.

Das OLG Hamm hat die Gynäkologin wegen eines Befunderhebungsfehlers verurteilt:

Nach den Feststelllungen des Sachverständigen konnte der Krebsverdacht nicht allein mit der Mammographie sicher ausgeräumt werden. Bei dem auffälligen Tast- und Sonographiebefund wäre vielmehr die Stanzbiopsie die Methode der Wahl zum sicheren Ausschluss einer Krebserkrankung gewesen. Die behandelnde Gynäkologin konnte nicht nachweisen, dass sie der Patientin die Vornahme der indizierten Stanzbiopsie dringend geraten und dass sich der Fehler nicht ausgewirkt hatte.