Krankheitsbedingte Kündigung und betriebliches Eingliederungsmanagement

Arbeit Betrieb
03.11.2011367 Mal gelesen
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer aktuellen Entscheidung (Urteil vom 24.3.2011, 2 AZR 170/10) im Zusammenhang mit einer krankheitsbedingten Kündigung erneut mit dem Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagement und den daran zu stellenden Anforderungen auseinandergesetzt.

Beim betrieblichen Eingliederungsmanagement handelt es sich um ein arbeitsrechtliches Institut, welches in der Arbeitswirklichkeit regelmäßig lediglich stiefmütterlich behandelt wird. Diese nachlässige Behandlung steht in kolossalem Widerspruch zu dessen Bedeutung für eine spätere krankheitsbedingte Kündigung. Das betriebliche Eingliederungsmanagement kann über den Ausgang eines Kündigungsschutzverfahrens entscheiden. Unter gewissen Umständen kann es sogar im Vorfeld von Kündigungsschutzverfahren vollendete Tatsachen schaffen, die im späteren Kündigungsschutzverfahren nicht mehr revidierbar sind.

Das BAG konnte in der Sache zwar nicht abschließende entscheiden und verwies die Sache zurück an das Landesarbeitsgericht, es setzte sich aber erneut mit dem betrieblichen Eingliederungsmanagement auseinander und lieferte diesbezüglich wertvolle Hinweise.

Das BAG hielt zunächst fest, dass das Erfordernis eines betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX, entgegen einer weit verbreiteten Fehvorstellung, für alle Arbeitnehmer bestünde und nicht nur für behinderte Menschen.

Das BAG konkretisierte die Voraussetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagements, dass der Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig war. Das BAG entschied, dass es hierfür genügt, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten insgesamt, gegebenenfalls in mehreren Abschnitten, mehr als sechs Wochen betragen hätten. Es sei nicht erforderlich, dass es eine einzelne Krankheitsperiode von durchgängig mehr als sechs Wochen gegeben hätte.

Das BAG bestätigte seine Rechtsprechung, dass sich die Unterlassung des betrieblichen Eingliederungsmanagements nachteilig auf die Darlegungslast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzverfahren gegen die spätere krankheitsbedingte Kündigung auswirkt. Der Arbeitgeber dürfe sich dann nicht darauf beschränken, pauschal vorzutragen, er kenne keine alternativen Einsatzmöglichkeiten für den erkrankten Arbeitnehmer und es gebe keine leidensgerechten Arbeitsplätze, die dieser trotz seiner Erkrankung ausfüllen könne. Der Arbeitgeber müsse dann vielmehr von sich aus denkbare oder vom Arbeitnehmer (außergerichtlich) bereits genannte Alternativen würdigen und im Einzelnen darlegen, aus welchen Gründen sowohl eine Anpassung des bisherigen Arbeitsplatzes an dem Arbeitnehmer zuträgliche Arbeitsbedingungen als auch die Beschäftigung auf einem anderen - leidensgerechten - Arbeitsplatz ausscheiden würde. Wie sich der Arbeitnehmer eine leidensgerechte Beschäftigung vorstelle, müsse er erst nach einem solchen Vortrag des Arbeitgebers, substantiiert darlegen. Das BAG stellte auch erneut klar, dass das Gleiche gelten würde, wenn der Arbeitgeber ein Verfahren durchgeführt hätte, das nicht den gesetzlichen Mindestanforderungen an ein betriebliches Eingliederungsmanagement genügt.

Das BAG hielt nun auch ausdrücklich fest, wie es sich verhält, wenn der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagement deswegen unterlassen habe, weil der Arbeitnehmer nicht eingewilligt habe. Das BAG entschied, dass es dann darauf ankäme, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hingewiesen hätte. Das BAG entschied weiter, dass wenn der Arbeitnehmer trotz ordnungsgemäßer Aufklärung nicht zustimme, das Unterlassen eines betrieblichen Eingliederungsmanagements "kündigungsneutral" sei. Ohne die ausdrückliche Zustimmung des Arbeitnehmers dürfe der Arbeitgeber nämlich keine Stelle unterrichten oder einschalten.

Das BAG hielt weiter fest, dass der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast dafür tragen würde, dass ein betriebliches Eingliederungsmanagement deshalb entbehrlich gewesen sei, weil es wegen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers unter keinen Umständen ein positives Ergebnis hätte bringen können. Dies würde zunächst einen umfassenden und konkreten Vortrag des Arbeitgebers voraussetzen. Daraus müsste hervorgehen warum weder der weitere Einsatz des Arbeitnehmers auf dem bisher innegehabten Arbeitsplatz noch dessen leidensgerechte Anpassung und Veränderung möglich sei und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit hätte eingesetzt werden können.

Bereits diese Entscheidung zum betrieblichen Eingliederungsmanagements zeigt deutlich, dass schon im Vorfeld von Kündigungen entscheidende Vorkehrungen zu treffen sind, die unter Umständen in einem späteren Kündigungsschutzverfahren nicht mehr nachgeholt werden können. Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer sollten sich daher bei gegebenem Anlass von einem auf das Arbeitsrecht spezialisierten Rechtsanwalt in arbeitsrechtlichen Fragen beraten und vertreten lassen.

In der Kanzlei Himmelsbach & Sauer in Lahr (Ortenaukreis) zwischen Freiburg und Offenburg arbeiten Anwälte mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Arbeitsrecht, auch bei Fragen im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Kündigungen und betrieblichem  Eingliederungsmanagement, beraten und außergerichtlich sowie gerichtlich vertreten.

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