Fuß- und Fingeramputation und Nierenversagen durch Verstoß gegen Hygienevorschrift

Ärzte in blauen Kitteln führen in einem Operationssaal eine Operation durch.
09.11.201824 Mal gelesen
Die Klägerin litt an einem Tonsillenkarzinom im initialen Tumorstadium. Den behandelnden Ärzten im Hause der Beklagten ist vorzuwerfen, dass die hygienischen Standards nicht eingehalten wurden. Die Klägerin hat über mehrere Wochen mit einer hochinfektiösen Patientin in einem Zimmer gelegen.

Dieser Prozess wurde am Landgericht Kempten geführt.

Krankengeschichte:
Die Klägerin litt an einem Tonsillenkarzinom im initialen Tumorstadium. Es erfolgte eine neck dissection Tumortonsillektomie auf der linken Seite in einem Bundeswehrkrankenhaus. Nachfolgend wurde im Hause der Beklagten eine Radiochemotherapie mit den Substanzen Cisplatin/5FU begonnen und ein Zweikammerport im rechten Brustbereich für Chemotherapie und Nahrung angelegt. Bei nachfolgender ausgeprägter Mucositis erfolgte schließlich die stationäre Aufnahme der Klägerin im Hause der Beklagten. Es wurde eine Magensonde gelegt, die jedoch undicht war. Die Klägerin wies die diensthabenden Ärzte und Schwestern mehrfach darauf hin, dass es aus der Wunde nässte und eiterte. Daraufhin wurde mehrfach eine Korrektur vorgenommen. Diese erfolgte jedoch unzureichend. Die Magensonde nässte auch weiterhin. 

Im weiteren Verlauf erfolgte zunächst eine Schmerztherapie (Novaminsulfon, Morphin, lokale Anästhetika, Stomatitislösungen). Die 5FU-Medikation wurde ausgelassen und die Chemotherapie nur mit der Substanz Cisplatin durchgeführt. Die Klägerin bemängelte mehrfach, dass die Hände der diensthabenden Krankenschwestern nicht ausreichend desinfiziert worden waren, bevor die Magensonde versorgt wurde. Im Rahmen einer Behandlung fiel der Verbindungsanschluss, der an der Leitung der Infusion hing, und an den Port angeschlossen werden sollte, unverpackt auf den Boden. Anschließend wurde die Infusion ohne die Desinfektion des Verschlusses oder sonstige Hygienemaßnahmen vorzunehmen, angeschraubt. Darüber hinaus war die Zimmernachbarin schwer infektiös. Erst auf Drängen der Klägerin hin, wurde die Mitpatientin in ein Einzelzimmer verlegt mit einem Hinweis an deren Zimmertür, dass nur nach Rücksprache mit Ärzten und nach Vorkehrung spezieller Hygienemaßnahmen das Zimmer betreten werden darf. 

Im weiteren Verlauf kam es bei der Klägerin zu einer subfebrilen Temperatur mit nachfolgender Kreislaufinstabilität am Folgetag und Agranulozytose. Das Kreatinin stieg auf 1,44 mg/dl, die Sauerstoffsättigung lag bei 92%. Bei dem Versuch aufzustehen, kam es zu einem Sturz. Daraufhin wurde ein Krankentransport in das Krankenhaus Immenstadt veranlasst, wo die Klägerin unmittelbar intensivmedizinisch behandelt werden musste und es erfolgte eine Verlegung in ein anderes Krankenhaus wegen einer Sepsis mit Kreislaufinsuffizienz. Dort wurden zunächst eine kreislaufunterstützende Behandlung und eine Antibiotika-Therapie durchgeführt sowie mit der Gabe von Wachstumsfaktoren (Neupogen) begonnen. Bei pulmonaler Verschlechterung wurde eine Beatmung notwendig. Eine PEG wurde bei fraglicher infizierter Bauchdeckenfistel entfernt. In der transösophagealen Echokardiographie fand sich eine Entzündung der Pulmonalklappe. Ferner entwickelte die Klägerin eine Blutvergiftung und musste für einen Zeitraum von drei Wochen ins künstliche Koma versetzt werden. Die zuvor angelegte Magensonde musste aufgrund der Entzündung entfernt werden. Schließlich kam es zu einem Nierenversagen.

Es folgten unzählige Operationen. Die Füße mussten bis zum Mittelfußknochen beidseitig amputiert werden. Dabei wurden die gesamte Fußsohle und die Fersen abgetrennt. Darüber hinaus fand eine Fingeramputation statt, da die Extremitäten nicht ausreichend durchblutet waren. Es wurde Haut verpflanzt und die Hand vorübergehend in die Hüfte eingenäht.Insgesamt musste sich die Klägerin zwanzig Folgeoperationen unterziehen und langwierige Krankenhausaufenthalte in insgesamt 11 Krankenhäusern über sich ergehen lassen. 

Bis heute ist die Klägerin gesundheitlich schwer beeinträchtigt und muss aufgrund des eingetretenen Nierenversagens drei Mal wöchentlich zur Dialyse. Sie ist zu 100 % schwerbehindert. Den behandelnden Ärzten im Hause der Beklagten ist vorzuwerfen, dass die hygienischen Standards nicht eingehalten wurden. Die Klägerin hat über mehrere Wochen mit einer hochinfektiösen Patientin in einem Zimmer gelegen. Dennoch fand keine Händedesinfektion seitens der behandelnden Ärzte und Krankenschwestern statt. 

Darüber hinaus wird vorgeworfen, dass die diensthabende Ärztin den Verbindungsschluss, der an der Leitung einer Infusion hing und am Port angeschlossen werden sollte, unverpackt auf den Boden fallen ließ und dann ohne weitere Desinfektion wieder an den Port anschraubte. 

Das Verfahren vor Gericht:
Die Parteien haben vor dem Landgericht Kempten einen widerruflichen Vergleich über 80.000,00 ? geschlossen in der Hoffnung, dass der Klägerin dadurch ein langwieriger Prozess mit schwieriger Beweisaufnahme erspart bleibt.